Autor Thema: Die Geschichte eines Ghuls  (Gelesen 2578 mal)

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Meshimir

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Die Geschichte eines Ghuls
« am: 07. Juli 2005, 16:13:42 »
 Die Charakteridee wurde von Libris Mortis inspiriert. Da Barde ohnehin meine Lieblingsklasse ist, und ich Untote sehr gerne mag, habe ich mich schnell mit LM angefreundet und dieses Konzept entwickelt.



Meine Geschichte begann vor mehr als einem halben Jahrhundert, mitunter fällt es mir schwer, mich an Einzelheiten zu erinnern. Ich wurde als zweiter Sohn des Markgrafen Ivorius von Nymphental geboren – eines niedern Adligen. So gering die Aussichten des Trägers eines solchen Ranges in höfischen Kreisen auch sind, so groß und kühn waren die Träume meiner frühen Jugend: ich wollte die Tochter wenn nicht des Königs selbst, dann eines Barons oder Grafen heiraten und eine ruhmreiche Minnesängerdynastie gründen – Dichtung und Musik faszinierten mein ruheloses Herz seit der Kindheit. Mein Vater sah dies und ließ einen Minnesänger und Gelehrten mich ausbilden. Dieser brachte mir vieles bei, wofür ich ihm immer noch dankbar bin, er war es allerdings auch, der mich über die höfische Hierarchie aufklärte und meine Träume zunichte machte. Mein Gram währte jedoch nicht lange – bald erkannte ich, dass ich meine Liebe nicht nach Stand und Reichtum, sondern nach dem ruf des Herzens suchen sollte. Von diesen romantischen Gedanken beflügelt, verbrachte ich viele glückliche Tage auf dem Landsitz meines Vaters und auf seinen Jagdgründen, wo mich mein älterer Bruder ständig auf Pirsch- und Hundejagd mitnahm.

Mein Untergang begann an dem Tag, als Graf Sigismund zu Güldenquell, dessen Vassal mein Vater war, ein Fest in seiner Burg veranstaltete, zu dem beinahe der gesamte Adel des Reiches eingeladen worden war. Dort auf diesem Fest, erblickte ich die Frau, der von jenem Zeitpunkt an all meine Oden und Lieder galten – die schöne und herzensgute Tochter des Grafen zu Güldenquell. Astrid. Möge ihre Seele in Frieden ruhen.

Während des Festes weilte ich stets bei ihr, und meine Liebe wuchs von Stunde zu Stunde; auch sie war von mir mehr als angetan. Und doch wussten wir beide, dass dies eine tragische Liebe war – als Sohn eines Markgrafen durfte ich eine Frau von ihrem Stand nicht heiraten, lediglich eine Markgrafen- oder Rittertochter. So saßen wir an jenem langen Abend am Ufer eines stillen Teiches und beweinten unsere ungerechten Schicksale.

In den Wochen nach dem Adelsfest kannten die Brieftauben unserer Herrenhäuser keine Ruhe. Jeden Morgen schrieb ich Astrid Briefe, jeden Abend empfing ich die ersehnten Antworten. Keiner von uns traute sich, die Hofzauberer zu bemühen – unsere Beziehung war ein Geheimnis für Außenstehende. Heimlich habe ich auf ein Turnier gehofft, einen Wettstreit, in dem der Sieger ungeachtet seines Standes um die Hand der Grafentochter bitten dürfte. Ich war gewiss nicht der fähigste junge Mann im Reich, insbesondere meine geringe Ausdauer machte mir oft zu schaffen, und doch war es meine einzige Hoffnung. Aber es fand kein solches Turnier statt. Stattdessen nahmen gar finstere Ereignisse ihren Lauf.

Alsbald bekam ich die nicht unerwartete, aber dennoch vernichtende Nachricht über Astrids Vermählung. Ihr Gemahl, ein junger Baron, war kein schlechter Mensch, im Gegenteil, ein sehr nobler, liebevoller und ehrenhafter, ob es nun an seiner Erziehung oder an dem Anteil an Elfenblut, das in seinen Adern floss, lag. Wir beide wussten das, und meine Geliebte tat ihr Bestes, ihn höflich und respektvoll zu behandeln; ich jedoch konnte nicht anders, als ihn zu hassen.

Ich kümmerte mich in meinem Schmerz wenig darum, meine Gefühle zu verbergen, so erfuhr mein Mentor bald von der Tragödie. Ein ähnliches Schicksal sei ihm auch zuteil geworden, sagte er, so sei aber nun mal das Los namenloser Poeten. Er bat mich, nichts Unüberlegtes und Törichtes zu tun, und ich log gut, als ich ihm versprach, seinen Rat zu befolgen. In derselben Nacht verließ ich den väterlichen Landsitz auf meinem Jagdpferd.

Ich wusste nicht, wohin ich gehen sollte, und spielte nur mit dem immer aufdringlicher werdenden Gedanken, auf die Hilfe eines Magiekundigen zurückzugreifen. Wie anfällig man in einem solchen Zustand gegen Fangnetze böswilliger Wesen doch ist! Wie durch Zufall traf ich bald einen Magus, der mir seinen Trost und vor allem seine zauberischen Dienste anbot, und im Gegenzug sieben Monate Dienstzeit verlangte. Ein alter Feind der Familie des verhassten Barons sei er, viel Leid haben diese teuflischen Intriganten ihm und seinen Angehörigen zugefügt – erzählte er mir, das was ich hören wollte und brauchte. Unter anderen Umständen wäre ich damals zu stolz gewesen, mich in jemandes Dienste zu stellen, außer Astrids, natürlich; doch über Malignus’ (so stellte sich der Magier mir vor) Angebot dachte ich nicht lange nach. Er versprach mir, mit allerlei Magie gegen Astrids verräterischen Gemahl vorzugehen, ohne sie selbst in Gefahr zu bringen, und sogar für ein Duell, eine persönliche Abrechnung zwischen mir und dem Baron, zu sorgen; ferner noch, sein Bestes zu geben, um meine und Astrids Heirat zu ermöglichen. Dafür sollte ich ihm bei seinen Zauberforschungen helfen; ich habe sogar eine Gabe für Magie, fügte der listige Magus hinzu.

Mir war alles recht, Hauptsache ich kam meinem Ziel näher. Diese Torheit kostete Astrid letztendlich das Leben und brachte mich in meinen heutigen Zustand. Malignus experimentierte viel mit Zaubertränken – und benutzte mich als sein ahnungsloses Versuchskaninchen. Zwar enthielten die Mahlzeiten, die er mir gab, nur sehr geringe Mengen an seinen Gebräuen, doch nach und nach zeigten sie ihre Wirkung: mein Verstand trübte und verzerrte sich; seltsame Träume und Albträume suchten mich heim, sonderbare Wünsche und Begierden wuchsen in meinem Geist; meine Gemütslage wurde stets von finsteren Rachegelüsten, wildem Hass und urtümlichem Hunger dominiert. Mitunter knurrte ich wie eine Bestie, oder verschlang beinahe unwillkürlich eine Spinne oder eine Ratte. Oder Schlimmeres.

Malignus hatte in der Tat eine Rechnung mit Astrids Gemahl und dessen Verwandtschaft zu begleichen, denn dies war eine Familie, die viele Streiter für das Gute hervorgebracht hatte, von denen einige auch meinem damaligen Meister (nicht unverdiente) Schwierigkeiten bereiteten. Während meiner Dienstzeit bei ihm arbeitete er an einem Racheplan; ich sollte das wichtigste Werkzeug der Vergeltung sein. Als der heiß ersehnte Tag  nahte, setzte Malignus Tränke ein, um meinen Verstand vorübergehend zu klären, und vertraute mir den Plan an, zumindest die Fassung, die für mich bestimmt war. Meine Aufgabe war, in Gestalt eines wandernden Minnesängers in die Burg des Baron zu gelangen und ihn seine Familie und Dienerschaft zu unterhalten und abzulenken; gleichzeitig würde ich einen dunklen Bann in mir tragen, den Malignus zum vorgesehenen Zeitpunkt auslösen würde. Dieser Bann, so sagte mir mein Meister, brächte den Knechten und gemeinen Bewohnern des Schlosses den Tod und schwächte den Baron entscheidend, auf dass dieser schnell seinen Zauberkünsten erläge. Währenddessen könnte ich mit Astrid fliehen und auf Malignus’ weitere Anweisungen warten.

Es klang alles so einfach – zu einfach, doch das erkannte ich in meiner stetig steigenden Verwirrung nicht; außerdem brannte ich seit vielen Wochen darauf, meinen zerstörten Lebenstraum endlich wieder zu erobern. Und so vertraute ich Malignus, weil ich ihm vertrauen, seinen Worten glauben wollte. Geschütz vor Hellseherei, suchte ich den verhassten Landsitz auf und wartete dort auf den Eingriff meines Meisters, während ich vor den Bewohnern der Burg musizierte und mich so oft wie möglich in Astrids Nähe aufhielt. Sie sah es mir jedoch an, dass mit mir etwas nicht stimmte, dass mein Verstand an seidenem Faden hing, dass ich nicht in friedlicher Absicht gekommen war. Sie flehte mich an, den Ort um unserer einstigen Liebe willen zu verlassen, da es sonst unweigerlich zu einem furchtbaren Unglück kommen würde. Sie hatte Recht, aber ich konnte es nicht sehen, denn ich war damals bloß ein Schatten meiner selbst, eine Hülle, die einen verstümmelten Geist in sich barg.

Ich habe nicht auf Astrids Rat gehört, und blieb im Schloss, bis Malignus eines nachts zuschlug. Er löste den an mich gebundenen Zauber aus, der eine Welle aus Tod und Verfall durch die Burg branden ließ. Die meisten Burgbewohner starben, lediglich der Baron besaß genügend Stärke und Mut, dem magischen Untergang zu widerstehen; dieser Widerstand kostete ihn jedoch den Großteil seiner Lebenskraft, wie Malignus es auch vorhergesagt hatte.

Doch Astrid befand sich unter den Toten – mein Meister hatte mich betrogen. Ich – seine Marionette – hatte meine Aufgabe erfüllt und nun brauchte er mich nicht mehr. Er ließ mich los und mein Wahnsinn kehrte in wenigen Augenblicken zurück. Ich wurde zu einer heulenden, hungrigen Bestie inmitten eines leeren, leichenübersäten Schlosses, in dessen Hof mein ehemaliger Meister seinen gebrochenen und geschwächten Erzfeind mit teuflischen Zaubersprüchen beharkte.
Dieser Kampf spielte für mich keine Rolle. Ich fand bald Vergnügen daran, meinen endlosen Hunger an der verstorbenen Dienerschaft zu stillen. Meinem Körper bekam dies nicht allzu gut, davon merkte ich jedoch kaum etwas. Ich aß einfach weiter.

Es war unvermeidlich, dass ich irgendwann an Astrids Leiche angelangte. Ich spürte eine leise, ferne Erinnerung an sie, die von alles verzehrendem Wahnsinn im Keime verdrängt wurde; nachdem ihre Seele meiner Torheit zum Opfer gefallen war, fiel ihr schöner, kalter Leib meinem unstillbaren Hunger zum Opfer. Verwesendes Menschenfleisch vergiftete mich, ich würgte länger und öfter, als ich aß, regelmäßig verlor ich das Bewusstsein, konnte mich nicht mehr aufrichten.

Ich starb, vergiftet von Fleisch, Zauber und Hass, in einer einsamen finsteren Kammer, vergessen von allen – meiner Familie, meinem Mentor, meinem ehemaligen Meister… Ich erinnere mich noch an meine letzten vergeblichen Bemühungen, nach Luft zu schnappen – um festzustellen, dass mir meine Lungen nicht länger gehorchten. Mich verschlangen Grabeskälte und Dunkelheit. Ich schwebte eine lange Zeit im Nichts, weder innerhalb noch außerhalb meines Körpers, ohne Bewusstsein, ohne Willen, ohne Erinnerungen, doch seltsamerweise irgendwie festgehalten und gebunden, nicht imstande, mich von der Welt, die ich scheinbar verlassen hatte, loszulösen.

Dann sah ich, urplötzlich – aber gewiss nach geraumer Zeit – düstere Steinwände um mich herum, und einen Haufen lebloser Leiber vor mir. Nichts als den allgegenwärtigen Hunger spürend, stürzte ich mich auf jene Leichen und labte mich an ihrem faulenden Fleisch; vorübergehend gesättigt, verkroch ich mich in eine Ecke und versuchte, jedoch ohne Erfolg, mich zu erinnern, was, wer und wo ich war. Lange Zeit blieb mein Gedächtnis weg, ich erkannte bloß, dass ich in einer Steinkammer saß, die mit Leichen gefüllt war, an denen ich meinen immer wiederkehrenden Hunger stillen konnte.

Ich fragte mich anfangs nicht, warum und wo ich mich dort befand, zu starr war damals mein Geist. Die Starre begann sich zu lösen, als mir schlagartig zwei Dinge auffielen – erstens, dass ich seit Tagen nicht geschlafen hatte und immer noch keine Erschöpfung in den Gliedern spürte, und zweitens, dass die Kammer vollkommen dicht war und ich trotzdem die toten Körper und einzelne Steine in den Wänden erkennen konnte. Dieser Einfall stürzte mich zunächst in Verwirrung, die sich nach einer weiteren Mahlzeit legte und mir einige Erinnerungen zurückbrachte. Namen tauchten in meinem Gedächtnis auf – mein Name, Astrids Name, Malignus’ Name, viele andere Namen. Ich rätselte, wem sie alle gehören mochten, und entsann mich nach und nach zahlreicher Orte und Geschehnisse. Ich fand meine Vergangenheit wieder – doch sie erschien mir fern und fremd – und ich nagte wieder an den Kadavern, nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen den seltsamen Erlebnissen weit zurückliegender Tage und meinem unerklärlichen Zustand, in dem ich mich nun befand, zu erkennen.
Ich verbrachte noch in etwa eine Woche mit Bemühungen, meinen Verstand und mein Gedächtnis Stück für Stück wiederherzustellen. Langsam aber sicher kehrten mein Wissen und meine Erfahrungen zurück. Ich erinnerte mich an meine Heimat, meine Kindheit und Jugend, meine Familie, meine Liebe zu Dichtung, Kunst und Musik, an meine Liebe zu Astrid… An meine tragische Liebe zu Astrid… An meinen Fall, an meinen verräterischen Meister, an meinen Wahnsinn… Und an meinen einsamen Tod…

Ich war tot!

Diese Erkenntnis ließ mich erschrocken hochfahren und starr auf meinen dürren kalten Leib herunterblicken. Dem Schock folgte ein Anfall tierhafter Zerstörungswut, mein Verstand floh kurzzeitig meine rasenden Gebeine; ich zerriss knurrend, fauchend und heulend die in der Kammer verteilten Überreste.

Letztendlich sackte ich an einer Wand hinunter und schaute lange auf meine knochigen Hände, fieberhaft nach einer Erklärung suchend. Mein Mentor, sowie die Priester im Schloss meines Vaters hatten mir etwas über lebende Leichen beigebracht; allem Anschein nach war ich nun zu einer geworden – doch wer oder was hatte mich erweckt? Oder war ich sogar von alleine auferstanden? War es vielleicht das Wesen, welches mich ins Unleben gerufen hatte, das mich in dieser Kammer hielt? Und was sollte ich jetzt tun? Wenngleich mich die Erinnerung an das grausame Ende meiner Geliebten albtraumhaft quälte, brauchte ich als ewig hungernder Toter, als Ghul, zu dem ich geworden war, bald frisches Fleisch, denn der Vorrat in dem engen Steinraum ging zur Neige. Ich dachte an lebende Beute und verfiel bei diesem verlockenden Gedanken beinahe wieder in Rage. Krampfhaft blickte ich mich in der Kammer um und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Aber die Zeit, meine traurige Gefangenschaft zu beenden, war ohnehin bereits gekommen. Gerade als ich dort saß und in Gedanken an die Flucht vertieft war, öffnete sich ein Teil der gegenüberliegenden Wand – eine versteckte Tür! Noch bevor ich in die Öffnung springen konnte, zeigte sich eine berobte Gestalt im Türspalt. Sie strahlte solche Zuversicht und Macht aus, dass ich sofort die Idee verworfen habe, sie anzuspringen und zu zerfetzen. Mit fester und ruhiger Stimme stellte sich der Neuankömmling als Thanasios vor; er sagte, er sei ein Forscher, der mich in sein Heim gebracht und sich um mich gekümmert habe, in der Hoffnung, einen fähigen Helfer gefunden zu haben. Erinnerungen an Malignus, meinen alten betrügerischen Meister, ließen eine Woge aus Hass und Misstrauen in mir aufbranden, voller Trotz verkündete ich, dass ich keinem Meister mehr dienen wollte, um hinterher verraten und verlassen zu werden. Zu meiner Verwunderung wusste Thanasios um Malignus’ Werk und beteuerte, keineswegs dieselben Absichten zu hegen, wie jener „selbstgefällige talentlose Narr“. Sein Angebot sei schlicht und ehrlich – für erledigte Arbeit und erfüllte Aufträge sollte ich sichere Zuflucht und frische Nahrung bekommen; großspurige Rachefeldzüge verspräche er nicht.
Ich schwankte lange zwischen Misstrauen und vielerlei Befürchtungen einerseits und Sicherheitsbedürfnis und berechnender Vernunft andererseits, und Thanasios war weise genug, mir die Zeit für jene schwierige Entscheidung zu lassen. Schließlich nahm ich sein Angebot an, bat jedoch um ein weiteres Gefallen – eine Möglichkeit, zu lernen. Mein Wissen und meine Weisheit zu mehren. Auch das sei mir gewährt, versicherte mir mein neuer Meister erfreut. Er werde mir helfen, in meinem neuen Seinszustand voranzukommen.

An diesem Tag begann meine Dienstzeit bei Thanasios. Er war, wie ich schon vorher vermutet hatte, ein Nekromant; allerdings kein machtbesessener, selbstverliebter, aus Prinzip abgrundtief böser Totenbeschwörer, sondern vielmehr ein gelassener, unüberstürzter und durchaus weiser Gelehrter. Er mag vielleicht sogar Pläne, seine Macht auszudehnen und Landstriche zu erobern, gehegt haben, davon habe ich jedoch nie etwas erfahren. Ich war nicht sein erster verstandbegabter Untoter, doch zum damaligen Zeitpunkt sein einziger. Für Routine und Drecksarbeit benutzte Thanasios seine zahlreichen Skelette und Zombies, mich setzte er meinen Fähigkeiten gerecht ein – als Assistent (und nicht als Versuchsobjekt) für komplizierte Zauberexperimente, als Späher außerhalb seines verborgenen Heims, als nächtlicher Dieb in benachbarten Dörfern, gelegentlich sogar als Attentäter – wenn es eine unwichtige, aber lohnenswerte Handelskarawane zu ihrem Verderben in die Nähe verschlug. Dabei stand mir eine abgeschiedene Kammer zur Verfügung, wohin ich mich zum Nachsinnen und Alleinsein zurückziehen konnte, sowie frisches Fleisch – wenngleich ich im Laufe vieler Aufträge ohnehin genügend Nahrung erbeutete. Doch das wichtigste war die Tatsache, dass ich ständig lernte und mich perfektionierte – ob nun als Überlebenskünstler außerhalb Thanasios’ Laborkomplex, als Improvisator im Umgang mit allerlei magischen Utensilien, oder gar als nachdenklicher und tiefsinniger Künstler – diese Leidenschaft hat mir selbst der Tod nicht nehmen können. Ich lernte, über meinen ewigen Hunger, über den Nachklang meines einstigen Wahnsinns und über die Tragödie meines Lebens zu transzendieren, Frieden in meinem toten Herzen zu erlangen und Hoffnung im Untod zu finden.

Für all das war und bin ich Thanasios dankbar – er hatte mir diese zweite Chance gegeben und, mehr noch, er unterstützte mich dabei, behandelte mich wie einen geschätzten Lehrling. Nun, letztendlich war ich auch sein Lehrling. Und er – ein guter und gerechter Meister.
Daher verdamme ich den Tag, als eine Schar von „Vorkämpfern des Guten“ Thanasios’ Heim ausfindig machte und meinen Meister, sowie all seine Werke vernichtete. Ich benutzte einen vorhin erbeuteten Gegenstand – einen Hut, der das Aussehen seines Trägers verändern kann – um in Gestalt eines unbemerkt und hinterlistig getöteten jungen Pelor-Priester die letzten brauchbaren Dinge zu bergen und aus dem Komplex zu fliehen; natürlich nicht ohne zu versuchen, die Anlage über den Köpfen der vermaledeiten „Wohltäter“ zusammenstürzen zu lassen. Doresain sei gedankt, den meisten brachte meine baldige Rache den Tod. Nur zwei überlebten – ein frommer goldhaariger Paladin und eine fanatische Bogenschützin. Mögen ihre Leben kurz und peinvoll sein. Ich hoffe, eines Tages werde ich ihre Seelen zu Nerull hinab schicken und mich an ihren erstarrten Leibern laben.

Dieser Wunsch begleitet mich immer noch auf meinen Reisen, aber oft vergesse ich meine Erzfeinde und wende mich angenehmeren Träumen zu – ich erdreiste mich sogar, mich selbst im Untod nach wahrer und erfüllter Liebe zu sehnen. Mit Laute, Zauberhut und, vor allem, mit zahlreichen kostbaren Erfahrungen, streife ich heute durch die Welt, trotz aller Trauer wie nie zuvor von den schönsten Inspirationen beflügelt.
 
"Ihr tut... kluge Tat." Ignatar the Warlock

Dungeon*Raider

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #1 am: 07. Juli 2005, 20:26:50 »
 Ich find deine Typen Komisch aber zimlich stylisch, da er mal was anderes ist.
Welche Gesinnung hatt er?
Können Ghule überhaupt noch normal sprechen bzw. singen ?


MfG Dungeon*Raider
Dieser Satz Kein Verb!

Meshimir

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #2 am: 07. Juli 2005, 21:30:24 »
 Danke, danke. Komisch ist er ja auf jeden Fall, das sind alle meine Chars :D
Er ist CN, war eine Weile CB (wegen Wahnsinn).
Und Ghule können ja normal sprechen, und auch singen, aber ich hab die Skillpoints so verteilt, dass er nach dem Tod nur Saiteninstrumente weiter perfektioniert hat. (Singen kann er trotzdem noch ganz gut)
"Ihr tut... kluge Tat." Ignatar the Warlock

Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #3 am: 18. Juli 2005, 00:03:32 »
 Deine Geschichte ist gut und stimmig geschrieben. Es wurde kein "Überchar" erschaffen, sondern jemand mit aussergewöhnlichem Hintergrund. Letzteres kann rollenspieltechnisch fantastisch in bestehende Kampagnen eingebaut werden. (Und da steh ich drauf, salopp gesagt.)

Von mir beide Daumen hoch. Kompliment.
Kommt in die Stadt der Diebe und werdet Zeuge vom Untergang der freien Länder...

Happosai

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    • Fischpott
Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #4 am: 18. Juli 2005, 14:45:08 »
 Bizarr und tragisch, sehr schöne Hintergrundgeschichte!
Seine Werte sind so hoch, dass ich sie gar nicht berechnen kann! Unglaublich!

Meshimir

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #5 am: 18. Juli 2005, 23:07:21 »
 Danke fürs positive Feedback! Ich habe mir auch Mühe mit der Geschichte gegeben, mir gings es ja auch um ein RP-Konzept mit viel Stil und Hintergrund. Als Kämpfer taugt der gute Ghul trotz seiner hohen Attributswerte nichts, er ist eher ein Täuscher und Überlebenskünstler. Und den Hintergrund habe ich extra kampagnen-unspezifisch gehalten, damit ich den Char in jeder beliebigen Kampagnenwelt anfangen kann. ;)  
"Ihr tut... kluge Tat." Ignatar the Warlock

Nugillon

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #6 am: 01. September 2005, 01:11:26 »
 hat mir auch sehr gut gefallen. auch wenns jetz komisch klingt.... könnt ich ein paar werte erfahren, nur um irgendwie ne ahnung von der größenordnung der macht des ghuls zu bekommen?

sehr "nette" geschichte  :D  und sehr gut geschrieben!

Meshimir

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #7 am: 01. September 2005, 03:56:44 »
 Okay, aber die verspoiler' ich mal:

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"Ihr tut... kluge Tat." Ignatar the Warlock

Nugillon

  • Gast
Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #8 am: 01. September 2005, 17:26:01 »
 Danke  :)  dein Ghul muss also wirklich aufpassen, seinen Feinden auflauern und sie schnell und unter seinen Bedingungen beseitigen.

 

Meshimir

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #9 am: 01. September 2005, 21:42:11 »
 Das ist ja mehr oder weniger das Konzept - "Überlebenskünstler" ;)  
"Ihr tut... kluge Tat." Ignatar the Warlock

Nugillon

  • Gast
Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #10 am: 01. September 2005, 21:50:15 »
 Ja. Gefällt mir.


 ;)  

yennico

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Die Geschichte eines Ghuls
« Antwort #11 am: 03. August 2006, 18:25:40 »
Mir gefällt dein Schreibstil und deine Characteridee sehr gut.
Der Character gefällt mir so gut, dass ich ihn mir doch glatt für später in meiner Campaign als NPC ausleihen muss. :)
IMC strebt ein Nekromant nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit.  Ich glaube dein PC kann als NPC ihm sicher sehr gut von den Vor- und Nachteilen des Untotseins berichten :) und eine ermunternde oder abschreckene :) Vorbildfunktion haben. :)