Autor Thema: Hreslin Gozer, Genannt "milton"  (Gelesen 4132 mal)

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Chem Frey

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Hreslin Gozer, Genannt "milton"
« am: 10. November 2003, 21:48:47 »
 Die Karawane schleppte sich langsam gen Süden. Morgen schon würden sie den Ek’Ridar überqueren und in der Hölle ankommen. Alles weitere würde die vergangenen Tage wie ein gemütlichen Frühlingsritt erscheinen lassen. Die Treiber wussten dies und waren besonders vorsichtig – wenn ein Teil ihrer wertvollen Fracht floh, dann heute Nacht. Schon konnte man im letzten Licht des Tages die gelbe, unendliche Weite der Wüste Elos sehen, sie würde jeden brechen oder töten.

Der Anführer hatte in dieser letzten Nacht allen seinen Treibern verboten sich zur Ruhe zu legen oder sich gar mit den Frauen zu vergnügen – ein Umstand, der ihre Laune auf den Tiefpunkt trieb. Bis an die Zähne bewaffnet bildeten sie einen Ring um die alten Mauern, in denen sie die Sklaven auf dieser Etappe einzukerkern pflegten. Von der Ruine standen nur noch vier Mauern, aber sie lag auf einem Hügel und war für ihre Zwecke wie geschaffen. Leicht zu verteidigen und die alten Mauern bildeten ein natürliches Verlies.

Elber hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden. Zunächst hatte er noch Widerstand geleitet, war aber schnell zu dem Schluss gelangt, dass er gegen die bewaffneten Männer allein und unbewaffnet nichts würde ausrichten können. Seit seinem kläglichen Fluchtversuch hatte er zahlreiche Prellungen und einen besonders schweren Metallring um den Hals – in der letzten Nacht hatten alle so einen Ring verpasst bekommen. Damit ließ sich sehr schlecht auf dem harten Boden schlafen. Immer noch besser als tot, dachte er sich. Wenn er den Marsch überlebte, würde man ihn wahrscheinlich auf ein Schiff verfrachten und irgendwo im Süden als exotische Ware feilbieten – wenn ihn sein Glück nicht verließ, würde eine reiche aber hässliche Frau ihn als Lustobjekt ersteigern – er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand viel für ihn böte – und dann ihn eine Zeit lang benutzen und anschließend, wenn er seine Sache gut machte, die Freiheit schenken würde. Seit ihn die Sklavenhändler gefasst hatten, hielt er sich oft an solchen Gedanken fest. Wie es ihm wohl ergehen würde? Er kannte Geschichten, romantische Geschichten, aber die Wirklichkeit sah anders aus.

In den letzten Tagen hatte er beobachten können, wie zusehends die Hoffnung seiner Mitgefangenen schwand. Einige starben einfach, andere würden im Sand der Wüste sterben. Elber versuchte sich herum zu drehen, wodurch sich der Ring an seinem Hals schmerzhaft an der Kette spannte und ihm die Kehle zuschnürte. So zu ersticken währe bestimmt angenehmer als die nächsten Wochen zu überleben.

Jemand drehte ihn herum und er bekam wieder Luft. Schwer Atmend sah er an sich herab auf die kleine Hand. Er konnte in der Dunkelheit kaum etwas erkennen. Ein dünnes Stimmchen flüsterte in der Dunkelheit.

„Hier muss es sein. Verzeihung, würde es Euch etwas ausmachen, mal kurz zur Seite zu rollen?“

Ohne eine Reaktion abzuwarten begannen zwei kleine Hände an Elber zu zerren und versuchten ihn zur Seite zu drücken. Najimb begann neben ihm zu stöhnen, als sich die Kette zwischen ihren beiden Hälsen erneut spannte. Ärgerlich versuchte er sich hinzuhocken. In der Dunkelheit vor ihm murmelte jemand etwas, dann zerbarst der Boden unter seinen Füßen und etwas spitzes bohrte sich schmerzhaft in seinen Rücken. Bevor er schreien konnte legte sich die kleine Hand diesmal über seinen Mund.

„Leise, Mann. Schon bald wirst Du wieder frei sein. Und nun geh’ runter von meinen Sachen.“

Kurz darauf wurde die Hand wieder entfernt und der Schmerz in seinem Rücken erstarb. In der Dunkelheit waren nur Schatten zu erkennen, aber es war ganz deutlich, wenn auch leise, das Gerassel vieler kleiner Ketten zu hören. Die Stimme murmelte leise vor sich hin. Es war der Neue, ein Gnom, gerade mal einen Tag Gefangener in der Hand der Sklavenjäger hatten ihre Versuche ihn zu brechen noch wenig Erfolg gezeigt. Er hatte viele der anderen neuen Mut fassen lassen. Hätten die Sklavenhändler es gemerkt, wäre er jetzt bestimmt nicht hier und würde solche sonderbare Dinge tun – was tat er überhaupt? Um sie herum begannen die anderen die Köpfe zusammen zu stecken und leise zu murmeln. Elber wurde von Panik ergriffen, wenn die Aufseher es hörten, würde es Tote geben. Er würde sich nicht an einem weiteren Fluchtversuch beteiligen, das letzte Mal hatte ihm gereicht.

Ohne Vorwarnung passierte es. Die Ketten spannten sich für einen Augenblick schmerzhaft an, bevor sie schlaff zu Boden vielen. Erstauntes Murmeln wurde von den überraschten Rufen der Aufseher unterbrochen. Sie kamen. Sie würden jeden einzelnen bestrafen. Nicht schon wieder. Elber drückte sich so fest er konnte auf den Boden und suchte in der Dunkelheit nach Najimbs Hand. Er fand sie nicht, sie hatte doch neben ihm gelegen? Ohne Vorwarnung drückte ihm jemand kalten, mit Leder umwickelten Stahl in die tastende Hand.

„Hier Junge, ich hoffe du kannst damit umgehen.“

Ein Dolch, oder ein Kurzschwert? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Die wütenden Rufe der Treiber drangen an sein Ohr. Er verstand nicht, was sie sich zuriefen, sah aber mit eigenen Augen aus nächster Nähe was alle sehen konnten. Es war ein Schwert – ein Schwert, das in seinem eigenen, blauen Feuer glomm. Ein Gnom in schwarzer Rüstung schwang es über dem Kopf und durchtrennte dem ersten Treiber, der in die Ruine gelaufen kam, damit die Kehle. Der kurze Moment der Stille trat ein. Dann explodierte die Luft in dem wütenden Geschrei der Gefangenen. Viele von ihnen hatten plötzlich Waffen, die ersten Treiber waren zu verdutzt um wahre Gegenwehr zu leisten. Aber sie fassten sich schnell und begannen systematisch vorzugehen. Von allen Seiten drangen sie auf die Sklaven ein und drängten sie immer weiter zurück. Von dem Gnom war nichts mehr zu sehen. Das blaue Glimmen des Schwertes war in dem roten Schein von Fackeln verschwunden. Geschrei von Männern, fallende Körper und Blut, so viel Blut. Etwas hatte Elber getroffen. Der Schmerz riss in aus seiner Benommenheit. Er musste versuchen in dem Durcheinander Najimb zu finden – er hatte ein Schwert und wenn er sie nicht beschützen könnte, würde er ihr und sich weiteres Leid ersparen und für ein schnelles Ende sorgen.


— 2 —


Gorln wusste nicht warum man ihn und die anderen Männer gerufen hatte. Die letzten Wegstunden hatte er damit verbracht die weiblichen Gefangenen näher zu mustern und sich zu überlegen, was er heute Nacht mit ihnen anstellen würde. Waren diesmal ein paar vielversprechend aussehende dabei – am liebsten mochte er die kleinen Völker, die er ohne viel Kraftanstrengung unterwerfen konnte. Aber auch schon mit seinesgleichen oder den vor Kraft strotzenden Halbork-Weibern konnte es mitunter amüsant werden. Allerdings zog er es dann vor es ihnen nicht alleine zu besorgen – es war schwierig diese Schlampen einzuschätzen. Er musste an das Mal denken, als er sein halbes Ohr verloren hatte. Von Zeit zu Zeit brauchte ein Mann seines Schlages wohl Herausforderungen.

Die düstere Miene des Anführers verhieß nichts gutes. Dabei hatten sie gerade gestern einen unbedarften Reisenden aufgegriffen. Der Gnom hatte nicht einmal gemerkt wie ihm geschah, bis man ihm die Ketten anlegte. Der würde gut und gerne seine 270 Goldstücke auf dem Sklavenmarkt bringen – wenn man ihn ein bisschen als Gelehrten herausputzte. Eigentlich hätten sie sich heute Nacht ob dieses Erfolges gut und gerne einen kleinen Bonus verdient gehabt. Die Wüste würde anstrengend genug werden.

Schon während der Ansprache des Führers wurde Gorln schnell klar, das er seine Pläne für die Nacht wohl nicht verwirklichen können würde. Volle Alarmbereitschaft. Die ganze Nacht. Offenbar befürchtete der Anführer diese Nacht einen Angriff. Sollten sie doch kommen, diese Brüder. Der ganze Trupp war gewarnt – es war die letzte Möglichkeit eines Hinterhaltes vor der Wüste.

Andere Sklaventreiber hatten die Mauern der Ruine ausgebessert. Sehr praktisch. Auch konnte dieser Ort gut verteidigt werden. Gorln bekam den Posten direkt an der Mauer. Gut so, er würde bei einem Angriff nicht in erster Reihe stehen. Normalerweise ließen sie ihn immer etwas abseits des Lagers wachen. Mehr als einmal hatte er seine Fähigkeit verflucht, im Dunkeln sehen zu können. Aber es hatte auch seine Vorzüge, ein Sil-karg zu sein. Dies war so ein Moment. Der Anführer hatte die Feuer etwas den Hügel hinab entfachen lassen. Kein Licht sollte zu den Gefangenen dringen – das war ein Teil der Taktik, sie ein wenig gefügiger zu machen. Niemand würde sehen, wenn Gorln sich mitten in der Nacht von seinem Posten stahl um sich heimlich mit den Sklavinnen die Zeit zu vertreiben.

Bis Mitternacht lehnte er an der kalten Mauer, die Waffe auf den Knien, und ging seine finsteren Pläne immer wieder in allen Einzelheiten durch. Sein größtes Problem stelle es dar, die Schlampen am Schreien zu hindern.

Jäh ließ ein Geräusch ihn aus seinen Gedanken hochschrecken. Da war etwas. Hinter ihm. Zorn wallte in Gorln auf, jemand anderes – wahrscheinlich Krash – war ihm zuvor gekommen und vergnügte sich nun drinnen mit seinem Sklavenmädchen. Den ganzen Tag hatte er es nicht aus den Augen gelassen. Wie hatte er es nur geschafft sich an ihm vorbei zu schleichen? Es musste Krash sein – die anderen hätten in der Dunkelheit nichts sehen können. So schnell es seine steifen Glieder erlaubten lief Gorln zu der Ecke an der die Mauer niedriger war, um seinen Kameraden auf frischer Tat zu ertappen. Ihm einfach sein Mädchen wegzunehmen und seine schönen Pläne zu Nichte machen. Nach wenigen Schritten erreichte er den Eingang und blickte hinein.
Die Sklaven hatten sich erhoben – nicht alle, aber die meisten. Die Ketten lagen am Boden. Verdutzt hielt er für den Bruchteil einer Sekunde inne. Ein brennender Schmerz durchzuckte seine Kehle. Er hatte es nur kurz bläulich aufblitzen sehen. Er wollte schreien, doch er brachte nur ein ersticktes Krächzen hervor. Klirrend viel ihm sein Säbel aus der Hand. Das letzte, was er hörte war die Stimme von Krash – hinter ihm – die zu den Waffen rief. Er sank auf die Knie, kippte zur Seite und starb.


— 3 —


Es war die letzte Nacht. Die letzte Chance, die Karawane zu überfallen. Die Brüder wussten es. Die Sklaventreiber wussten es. Jeder wusste es. Das machte die Mission nicht gerade einfacher. Auch der Ort wurde nicht von den Angreifern, sondern von den Sklaventreibern bestimmt. Sie vertrieben die Dunkelheit mit Fackeln, die sie in die Erde trieben. Anschleichen bei Dunkelheit – kein leichtes Unterfangen. Scorner hatte mindestens drei Hobgoblins – ob Halbblute oder Reinrassige vermochte er nicht zu sagen – bei den Sklaventreibern gezählt. Das würde ein Problem sein. Seine Leute mochten gute Hinterhalte legen, doch konnten nur die wenigsten bei Sternenlicht genug erkennen um diese Aktion durchzuziehen. Es musste sein – dies war die letzte Nacht. Die Verluste würden den Sieg schnell in eine Niederlage verwandeln. Wenn sie es überhaupt schafften.

Die vergangene Stunde war Scorner durch das Gras gerobbt. Meter für Meter, Minute um Minute. Nun hatten er und seine Leute die Stelle erreicht, wo die Sklaventreiber das Gras entfernt und Fackeln aufgestellt hatten. Nun hieß es bereit sein, bereit auf das vereinbarte Signal hin loszuschlagen. Vorsichtig und unendlich langsam spannte er seine Armbrust und legte einen Bolzen in die Rinne. Das Schwert legte er neben sich und den Schild, der ihm schon so oft das Leben gerettet hatte. Lange konnte es nicht mehr dauern. Deutlich konnte man die Menschen um die Lagerfeuer sehen. Verdammt, es waren nur Menschen. Das hieß, die wirkliche Gefahr lauerte irgendwo im Dunkel, wo er sie nicht sehen konnte.

Er wollte schon das Signal zum Abbruch geben, als ein Schrei Bewegung in die Meute am Lagerfeuer brachte. Alle blickten hinauf zu der Ruine, woher die Schreie gekommen waren. Sie waren einen Moment abgelenkt. Das war der Moment. Jetzt oder nie.

Dutzende Bolzen sirrten durch die Nachtluft und viele fanden ihr Ziel, während Scorner und die seinen schon aufgesprungen waren und mit gezückten Waffen auf den Feind zuliefen.


— 4 —


Kurz und heftig war der Kampf. Dennoch kam es Elber wie eine halbe Ewigkeit vor. Er hatte es nicht geschafft Najimb zu finden. Zu viele Körper versperrten ihm den Weg, Treiber und Sklaven – wo waren nur so plötzlich die ganzen Waffen hergekommen? Etwas traf ihn am Kopf und ließ ihn zu Boden gehen.

Als er wieder erwachte, schmeckte er Blut in seinem Mund. Es war alles still um ihn. Jemand packte ihn unsanft an der Schulter und schüttelte ihn leicht. Er stöhnte nur. Vor seinen geschlossenen Augen hüfte ein kleiner Gnom mit blau leuchtendem Schwert umher und wütete wie ein Berserker unter den Sklavenjägern. Jemand gab ihm eine Ohrfeige und entriss ihn so seinen Umnebelung.

„Der hier kommt gerade zu sich. — Junge, wach auf . Du bist frei.“

Mehrere befreite Sklaven behaupteten hinterher steif und fest, dass sich die Erde aufgetan hätte und sie mit Waffen beschenkt hätte. Im gleichen Moment waren alle Ketten von ihnen abgefallen. Andere wollten einen kleinen Gnom in schwarzer Rüstung und blau schimmerndem Schwert gesehen haben, der eine Bresche in die Angreifer schlug, bevor sie ihn gänzlich umzingelt hatten. Die Verwirrung der Sklaventreiber hatte der Bruderschaft der zerbrochenen Kette einen entscheidenden Vorteil verschafft. Die Verluste waren weit geringer als angenommen, von den Sklaventreibern war niemand entkommen. Zwar waren viele Sklaven verletzt, ihre Wunden würden aber heilen – ein geringer Preis für die Freiheit.

Verschollen blieb nur ein kleiner Gnom, das letzte Opfer der Sklavenjäger, gerade am Vortag gefangen aber noch ungebrochen.


— 5 —


Auf einem Hügel nicht weit von dem Schlachtfeld entfernt, durch das Unterholz geschützt vor fremden Blicken, erwartet der Gnom namens Hreslin Gozer den Sonnenaufgang. Das Gesicht noch schmutzig von den Strapazen der letzten Tage, die Kleider zerfetzt und blutig, aber mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen spricht er sein Morgengebet an Jeday, den die Menschen den Wächter nennen. Um ihn herum liegen ausgebreitet die Ketten, die er in der vergangenen Nacht zerspringen ließ.

„Harbinger, mein treues und gesegnetes Schwert. Diesmal hätte es uns beinahe erwischt. Hätten diese Brüder sich nicht die gleiche Nacht ausgesucht, lägen wir jetzt beide unter der Erde. Ich denke es ist an der Zeit sich Verbündete zu suchen, um den Kampf gemeinsam weiter zu führen. Bisher war uns das Glück hold. Aber wir Fulmaran sind ein geselliges Völkchen, ich will mir Freunde suchen, mit denen ich Seite an Seite kämpfen kann.
Mächtiger Jeday, mein Patron – diese Ketten opfere ich dir, doch eines dieser geborstenen Glieder werde ich mir aufheben. Es soll mein Erkennungszeichen sein in der Stadt im Norden, die sich da Betasa nennt – dort werde ich nach Verbündeten für unsere Sache suchen.“

Liebevoll reinigt der Gnom sein Schwert, bevor er es in die Scheide auf seinem Rücken gleiten lässt. Dann machte er sich auf die Suche nach dem nächsten Wasserloch um sich das mittlerweile schwarze Blut und den Schmutz einer entbehrungsreichen Woche von sich abzuwaschen.
It's ok, I'm a Bard.