Der Turm Sie sahen sich um. Der Gang reichte nicht viel weiter bis er vor einer Tür endete.
„Verdammt! Das Ding folgt uns!“
Windan deutete auf die Flammensäule. Und tatsächlich, der riesige Eisengolem stapfte mit schweren Schritten auf sie zu. Schnell wandten sie sich der Tür zu, in der Hoffnung, dass sie dem magischen Konstrukt entgehen konnten.
Nachdem sie die Tür wieder hinter sich verschlossen hatten, warteten sie einen Augenblick. Selbst durch die schwere Tür konnten sie die Schritte dahinter hören.
„Es scheint, als würde es in dem Gang bleiben. Es hat sich wieder entfernt und ist dann stehengeblieben.“
Windan nahm sein Ohr wieder von der Tür und sah sich um.
Sie waren in einer Höhle gelandet. Ihr Durchmesser war nicht sehr groß, vielleicht fünfzehn Meter, aber in ihrer Mitte erhob sich ein absonderlicher Turm. Er war aus schwarzem Stein erbaut, seine Oberfläche erinnerte an Rippen eines riesigen Tieres. Auch war er nicht geformt, wie man es bei anderen Türmen erwarten würde, sondern drehte sich in einer Art Spirale an die Höhlendecke. Durch diese Spiralform war das Gebäude halbrund. Auf halber Höhe war in diese Ausbuchtung eine große schwarze Kugel eingepasst, die jedoch eher an eine Kugel der Dunkelheit erinnerte als an einen stofflichen Gegenstand.
„Lasst uns schauen, was es hier so gibt. Außerdem sollten wir Tavaron suchen.“
Malithil fing an den Turm zu umrunden, Windan und Vinduil taten es ihm gleich und stöberten ebenfalls durch die Höhle. Doch ihre Suche blieb erfolglos. Weder Freund noch Feind oder weitere Türen oder Gänge waren zu finden.
„Was machen wir nun?“
Vinduil blickte fragend die anderen an, als sie sich wieder versammelt hatten.
„Ich denke wir sollten versuchen, in den Turm zu gelangen.“ antwortete Malithil. „Lasst uns alle noch mal nach versteckten Türen suchen.“
Sie untersuchten den Turm noch einmal gründlichst, konnten jedoch keinen Eingang finden.
Und wieder war es der Klingensänger, der einen Vorschlag hatte.
„Ich habe noch einen Gegenstand bei mir, der es mir ermöglicht zu fliegen. Ich werde dort oben zu dieser Kugel fliegen. Vielleicht gibt es dort eine Möglichkeit in den Turm zu gelangen.“
Und so geschah es. Als hätte der Elf sein Leben lang noch nichts anderes gemacht, erhob er sich in die Luft und näherte sich der Kugel. Vorsichtig umrundete er sie zunächst, konnte jedoch nichts auffälliges entdecken. Danach nahm er ein wenig Anlauf und flog zügig auf die Kugel zu. Seine Kameraden glaubten noch ein ersticktes Ächzen zu vernehmen, als Malithil in die Kugel eindrang. Kurz darauf erschien er wieder auf der anderen Seite. Wenig später stand er wieder auf der Erde, sein Gesicht leichenblass.
„Diese Kugel da oben ist aus einer üblen Magie gewoben! Es hat mir meine Kraft geraubt, als ich mich in ihr befand. Glücklicherweise kehrte sie, nachdem ich wieder draußen war, wieder zurück.“
„Wir sollten um dieses Hexending einen großen Bogen machen!“
Windan schaute finster hinauf. Seine Finger zeichneten ein Schutzzeichen gegen böse Magie in die Luft. Der Halbling hatte wie viele Völker, die den sogenannten Barbaren zuzurechnen waren, eine angeborene Abneigung gegen Magie. Nur die Zauber ihrer Schamanen wurden respektiert.
„Aber ich werde versuchen, diese Mauern hinauf zu klettern. Mal sehen, ob sich weiter oben ein Eingang befindet.“
Der kleine Barbar spuckte in seine Hände und begann die Wand zu erklimmen. Er war erst einige Schritte den Turm hinauf geklettert, als sein Fuß auf einmal keinen Halt mehr fand. Verdutzt schaute er nach unten. Der Stein hatte sich aufgetan. Durch mehr Glück als Verstand hatte er einen Geheimgang entdeckt!
„Schaut mal, was sich entdeckt habe!“
Dahinter erstreckte sich eine Halle, deren Decke von vielen Säulen gestützt wurde. Vorsichtig traten sie ein und sahen sich um. An einer Wand führte eine Treppe nach oben. Doch plötzlich tauchten geisterhafte Gestalten auf, die sie angriffen. Doch mit diesen Geistergestalten waren Klerikerinnen erschienen, die nun ebenfalls begannen ihre Zauber zu wirken. Die Recken gingen bereits zum Gegenangriff über, als plötzlich ein mächtiger Zauber nah ihnen schlug. Sie merkten, wie jemand versuchte, ihnen die Flüssigkeit aus dem Körper zu ziehen. Ärgerlich blickte Malithil sich um, konnte aber niemanden ausmachen, der den Zauber gewirkt hatte. Nach kurze Zeit waren die Feinde bezwungen und der mysteriöse Zauberwirker war nicht weiter in Erscheinung getreten.
Danach folgten sie der Treppe nach oben. Die Treppe führte in einen Raum, der durch eine Mauer geteilt. Windan konnte jedoch eine leise Bewegung dahinter ausmachen. Mit Handzeichen machte er seine Gefährten darauf aufmerksam. Blitzschnell eilten sie auf die andere Seite und konnten dort ein menschenähnliches Wesen überraschen. Auf seinem Haupt trug es anstelle von Haaren Schlangen: eine Medusa! Doch durch ihr schnelles Vorgehen hatten sie die Medusa überrascht und töteten diese, bevor sie reagieren konnte.
Auf der Rückseite der Mauer entdeckten die Recken ein merkwürdiges Portal. Es war wie ein normaler Durchgang geformt, zwischen den Pfosten wirbelte aber ein gespenstischer Nebel.
„Was ist wohl dahinter?“
Neugierig näherte sich Vinduil dem Portal.
„Wir sollten herausfinden, wo es hinführt.“
Der Elf blickte sich um. Er entdeckte einen Stuhl, den er zerschlug. Er nahm das Stuhlbein und steckte es durch das Portal. Als nichts geschah, zog er es wieder zurück... doch es war abgeschnitten.
Entsetzt blickte Windan auf das abgeschnittene Holz.
„Ich gehe da nicht durch! Niemals!“
Vinduil versuchte Windan zu beruhigen.
„Es ist bestimmt nur in eine Richtung zu begehen. Es ist nicht gesagt, dass uns was passiert, wenn wir es betreten.“
Abwehrend hob der Halbling seine Hände.
„Ich schau mich mal um, obs hier weitergeht.“
Gemeinsam mit Malithil untersuchte er den Raum, und tatsächlich, sie konnten noch zwei weitere Türen ausmachen. Sie waren nicht direkt versteckt, aber da sie aus dem gleichen Material wie die Wand und hervorragend eingepasst waren, war es sehr schwer, sie zu entdecken. Auch die Treppe führte nach oben weiter. Da in diesem Stockwerk nichts besonderes mehr zu finden war, folgten sie den Stufen nach oben.
Am Ende der Treppe lag offensichtlich ein Wohnraum. Neben einem Bett, einem Diwan, einem Spiegel und diversen anderen Gegenständen, befand sich in der Mitte des Raumes eine große Holzkiste. Ihr Deckel war stand offen und aus ihr zwei waren zwei Tafeln herausgeklappt, die so ein Triptychon bildeten. In der Mitte ist Kiriansalle zu sehen, eingerahmt von zwei Drow, anscheinend Priesterinnen ihres Kultes.
"Zerstören wir es!"
Mit erhobenen Waffen machte Windan einen Schritt auf den kleinen Schrein zu. Bevor er jedoch seine Schwerter darauf niederschlagen konnte, bemerkt er eine Bewegung aus den Augenwinkeln, die ihn herumwirbeln ließ. Ein Drow stürzte sich mit irrem Blick auf ihn, ihr Rapier verfehlte den Halbling jedoch. Schnell änderte Windan die Schlagrichtung seiner Waffen und ging zum Gegenangriff über. Nach wenigen Schlägen ging die Drow tot zu Boden. Der Barbar wandte sich wieder dem Triptychon zu.
"Die hatte wohl was dagegen" meinte er nur lakonisch, bevor er den unheiligen Gegenstand zerstörte. Eine anschließende Untersuchung des Raumes brachte nichts neues hervor. Daher entschlossen sich die Recken, der Treppe weiter nach oben zu folgen.
Im darüber liegenden Geschoss wurde es unnatürlich kalt. Sie fanden einen Raum, in dessen Boden ein Mosaik eingelassen war, das einen großen Schädel darstellte. Die nördliche Wand des Zimmers war zur Nordseite hin halb offen und gab den Blick auf die riesige schwarze Kugel frei, die von außen des Turmes zu sehen gewesen war. Von dieser Kugel schien die unheimliche Kälte auszugehen. Ein Stockwerk höher nahm diese Kugel die gesamte Nordwand ein. Auch schien die magische Kälte zu versuchen, ihnen ihre Lebensenergie zu entziehen. Fröstelnd schauten sich die Recken um. Plötzlich löste sich ein riesiges Wesen aus der Schwärze der Kugel und griff sie an. Pure Dunkelheit, in der vage rotglühende Augen und Fratzen umherwirbelten näherten sich ihnen. Aus dem inneren der Kugel löste sich ein blitzender Strahl und schoss auf Windan zu. Als er ihn traf, sackte der Kämpfer merklich ein Stück in sich zusammen. Wütend griffen die Recken nun ihrerseits an. Doch nicht immer schienen ihre Waffen zu treffen und immer wieder schossen Strahlen auf sie zu und raubten ihnen einen Teil ihrer Kräfte und ihres Wissens. Doch nach und nach verlor ihr Gegner an Substanz, bis er schließlich zu grauen Rauchfäden zerfaserte.
Erschöpft stützte sich Windan auf seine Oberschenkel.
"Lasst uns hier verschwinden. Wer weiß, was da noch alles so haust!"
Nur zu gerne folgten seine Freunde dieser Aufforderung. Die folgenden Etagen schienen allerdings nur noch eine Art Treppenhaus zu bilden, was an seinem Ende in einem Torbogen mündete, der in den Stein gemeißelt war. Das innere des Torbogens war allerdings durch die massive Wand des Turmes versperrt, und es fand sich kein Durchgang, weder magischer noch materieller Natur.
"Es scheint so, als müssten wir doch durch das Portal weiter unten."
Grinsend schaute Malithil Windan an. Der zeigte wiederum nur ein mürrisches Gesicht.
"Aber vorher muss ich mich etwas ausruhen. Dieses schwarze Mistvieh hat mir ganz schön zugesetzt."
Die anderen stimmten zu und so entschlossen sie sich in der Eingangshalle zu rasten.
Den Rest des Tages untersuchten sie noch einmal die bereits bekannten Räumlichkeiten. Dabei entdeckten sie auch einen Eingang zum Keller. Als sie dort hinunterstiegen, sahen sie, dass dort eine Folterkammer eingerichtet war. Neben einer eisernen Jungfrau befanden sich dortr Zangen, Brandeisen, Nägel und viele andere Werkzeuge, die dazu dienten, anderen Qualen zu bereiten. In der Mitte des Raumes stand eine Folterbank, auf ihr eine bedauernswerte Kreatur mit Ketten festgeschnallt. Auf den ersten Blick hatte es den Anschein, als wären dem Opfer nur die Haut abgezogen worden, doch aus dem offenliegenden Muskeln tropfte immer noch Blut, vermischt mit einer gefährlichen Säure. Das Wesen auf der Bank war in einen Untoten verwandelt worden. In eines jener Wesen, die der Gruppe bereits schon begegnet waren. Malithil runzelte die Stirn.
"Ich kenne ihn. Das ist... war ein Drow."
Der Elf trat etwas näher. Plötzlich schlug der Gefangene die Augen auf. Ein unheiliges Feuer schien in ihnen zu glühen. Unerwartet spuckte er plötzlich einen Blutklumpen in Richtung Malithil, der jedoch sein Ziel nicht traf. Zischend tropfte Säure auf die Erde, als der Auswurf jenes Wesens an der Wand zerplatzte. Malthil ging ungerührt sogar einen Schritt näher, um einen genauen Blick in das entsetzlich entstellte Gesicht zu werfen. Nach einem kurzen Augenblick sprach Malithil das Wesen an.
"Hamadh! Versteht ihr mich?"
Hamadh war der Anführer jener Drow gewesen, die den Helden ermöglichten hatten, in das Schloss einzudringen. Doch der Geist Hamadhs existierte nicht mehr. Es war nur noch der kranke Willen zum Töten zurückgeblieben.
"Wir sollten ihn töten. So sollte niemand existieren müssen. Selbst ein Drow nicht!"
Als niemand widersprach, trennte der Klingensänger mit einigen schnellen Schnitten den Kopf vom Rumpf und erlöste Hamadh von seinem Leid.
In der Zwischenzeit hatten sich Windan und Vinduil ein Loch im Boden entdeckt, in das eine rostige Eisenleiter hinunterführte. Windan bedeutete den anderen leise zu sein. Er hatte das leise Atmen eines Wesens vernommen, was dort unten war. Um die Überraschung auf ihrer Seite zu haben, sprangen Windan und Malithil einfach nach unten, während Vinduil etwas vorsichtiger die Leiter hinabstieg. Der Raum war eher dreckiges Loch als alles andere. Überall lagen die angezogenen, teils noch blutigen Häute, von bereits getöteten Opfern herum, und bildeten so einen grausigen Teppich. Inmitten dieser nach Tod stinkenden Kammer, stand ein ca. 2,50m großes Wesen, der Kopf wie eine Hundeschnauze, den Körper mit einem weißen, räudigen Fell bedeckt. Insgesamt hatte das Wesen vier Arme, zwei muskulöse, die in gefährlichen Klauen endeten, und zwei schwächlichen, verkümmerten, die jedoch arkane Zeichen in die Luft mahlten.
Inmitten des Raumes erschien eine Klingenbarriere, die nun die Eindringlinge von diesem Monster trennte. Vinduil bannte diese allerdings mit einem Lächeln auf seinem Lippen. Alle Schutzzaubert und Banne konnten diese Foltermeisterin, denn das Wesen war weiblich, wie man bei näherer Betrachtung vage feststellen konnte, nicht vor dem gerechten Zorn der Helden schützen.
"Jetzt haben wir uns wirklich eine Pause verdient", merkte Malithil nach getaner Arbeit an. Die Freunde begaben sich daraufhin wieder in die Eingangshalle und nutzten ihre wohlverdiente Pause.