Passte nicht in ein Update, darum jetzt hier der vorletzte Teil:
Der Riese redet
»Dirim!« Kaum waren die Hexen gefallen, gab es ein großes Hallo voller Umarmungen und Schulterklopfer. Alle wollten sich vergewissern, dass der Zwerg wirklich wieder stofflich war, und erst als Thamior zur Sicherheit an Dirims Bart zupfen wollte, kehrte wieder Ernst ein. Es galt ja noch, Alek Tercival zu finden.
Die beiden Türen oben am Podest führten in weitere Gänge, einer lang, der andere kurz. Die Kettenbrecher entschieden sich für letzteren. Wieder fuhr die Tür mit einem leisen Zischen empor. Der Raum dahinter war groß genug für die drei Betten, die dort standen, sowie eine Truhe an der Seite. Hinter den Betten war ein großes Wandgemälde mit einer weiteren Arbeitsszene der Zauberweber und ihrer Ogersklaven. Gerade schien dort die Sonne aufzugehen, und die Sklaven in himmlisches Licht zu tauchen. Vor den Betten wiederum wanden sich drei der gewaltigsten Schlangen, die selbst Thamior je gesehen hatte, ihre Leiber so dick wie Boras’ Brustumfang, und lang genug, um zwei oder gleich drei der Kettenbrecher zu verschlingen. Inmitten der drei Leiber schließlich schob sich ein weiteres Schlangenwesen in die Höhe. Eigentlich sah es wie ein Mensch aus, doch hatte es glänzende Schuppen statt Haut und einen Kobraschädel als Kopf. Das Wesen war männlich und trug ein beschlagenes Lederwams, sowie an einem Gürtel einen geschliffenen Krummsäbel. Ein Langbogen lag griffbereit. Aus Geschichten kannte man diese Geschöpfe, Yuan-ti genannt.
»Wer sseid ihr?«, fragte der Yuan-ti mit deutlichem Lispeln. »Und wo ssind die Herrinnen?«
»Die sind tot«, sagte Dirim nüchtern.
»Tot? Wirklichh?« Ein hoffnungsvoller Ton schwang in der Stimme mit.
»Wirklich«, sagte Thamior.
»Dann bin ich frei!«
»Ganz wie man es nimmt«, meinte Pecarri und betrachtete seine Fingernägel. »Warum sollten wir dich laufen lassen?«
»Wass? Warum denn nichht?« Die drei Riesenschlangen hoben ihre Köpfe. Sie sahen hungrig aus.
»Beantworte uns einfach ein paar Fragen, ja?«
»Ichh ssage alless, wass ichh weisss. Die Herri–« Ein diabolisches Lächeln überkam ihn. »Die Schhlampen! Ssie ssind tot.«
»Na gut. Wo ist der Paladin?«
»Die Herri– Schhlampen haben ihn durchh den Sspiegel geschhickt.«
»Den Sspie... den Spiegel?«, wollte Pecarri wissen.
»Ja. Er hatte sseinen Nutzzen erfüllt.«
»Wo ist der Spiegel?«
»Wenn ihr zzurück geht, wendet Euchh linkss.«
»Gut. Was ist mit dem Feuerriesen?«
»Dugobrass?«
»Wenn er so heißt? Was macht er hier?«
»Er schhmiedet.«
»Käfige?«, fragte Pecarri. Der Yuan-ti nickte.
»Was für Käfige?«
»Dass weisss ichh nichht. Die Herri– Schhlampen! haben michh immer fort geschhickt, wenn ssie mit ihm ssprachen.«
»Eine letzte Frage noch: Ist sonst noch jemand im Spiegelraum? Irgendwelche Gefahren?«
Das Wesen zuckte mit den Schultern. »Vielleichht ssind die Nerra nochh da?«
»Die Nerra?«
»Sspiegelwesen. Die Herri– Schhlampen! wollten mit ihnen verhandeln, kurzz bevor ihr kamt und ssie getötet habt! Lassst ihr mich nun gehen?«
»Irgendwie mag ich den Typen«, meine Boras.
»Ich auch«, gab Pecarri zu. »Dirim?«
Der Zwerg seufzte. »Was solls. Na los, hau ab.« Die Kettenbrecher traten zur Seite, und der Yuan-ti zog mit seinen Schlangen davon. Aus dem Thronsaal hörte man noch einige Zeit wüste Beschimpfungen, dann war es still.
»Weißt du«, sagte Thargad nachdenklich, »dieses Wesen war bestimmt ziemlich böse.«
»Na ja«, gab Dirim zurück. »Das ist Vortimax Weer wahrscheinlich auch, aber deshalb können wir ihn nicht einfach töten.«
»Können wir nicht?« Helion klang enttäuscht. »Ist das endgültig?«
Anstatt zu antworten, wandten die Anderen sich der Truhe zu. Thargad untersuchte sie, fand aber keine Falle. In der Truhe lagen einige Edelsteine und Platinmünzen, und auch der ein oder andere Trank sowie eine Handvoll Schriftrollen. Zusammen mit den drei magischen Ringen, die die Hexen getragen hatten, sowie dem Augenamulett, in das laut Helion der Herzstein einer Nachthexe eingearbeitet worden war, ergab sich ein nettes, aber keineswegs umwerfendes Sümmchen. Nur mit dem magischen Streitkolben, der in der Truhe war, wussten die Kettenbrecher weniger anzufangen.
Als sie in den Thronsaal zurückkehrten, waren die Körper der Hexen verschwunden; nur hier und da lagen ein paar Stofffetzen herum.
»Die Schlangen waren wohl wirklich hungrig«, sagte Dirim. »Na ja, jetzt sind sie satt.«
»Erinnert mich irgendwie an einen gewissen Mimic«, murmelte Helion.
»Ach komm«, beschwerte sich Dirim. »Das ist doch ewig her. Bestimmt schon... was? Drei Monate?«
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Im Spiegelsaal gab es keine der ansonsten allgegenwärtigen Lichtplatten, sodass der Raum halb im Schatten lag. Auch sonst war der Raum schmucklos, die Wände nicht verziert. Nur an der gegenüberliegenden Wand hing ein gewaltiger, fünfeckiger Spiegel mit quecksilbernem Schimmer. Davor, in der Mitte des Raums, stand ein großer Steinthron mit sechs Armlehnen. Um den Thron herum ein Seckseck, dessen Ecken in verschiedenen Farben gezeichnet waren, in den Boden gelassen. Auf dem Thron, mit dem Rücken zu den Kettenbrechern, saß ein haarloses Geschöpf, nur mit Lendenschurz bekleidet, zwei spitze Spiegelscherben auf den Knien.
»Wollt ihr den Spiegel benutzen?«, fragte das Wesen tonlos.
»Wieso?«, fragte Pecarri. »Wer bist du denn?«
»Wir sind Nerra.«
Pecarri wusste, dass die Nerra auf der Spiegelebene hausten, einer ähnlichen Zwischenebene wie der des Äthers. Sie sammelten Spiegelmagie – was immer das war.
Der Nerra sprach weiter: »Dies ist unser Spiegel. Einst führte er an sechs Ziele, heute sind nur noch zwei intakt. Einst benutzten ihn die Zauberweber.«
»Und heute die Hexen?«
»Die Schwestern schickten einen Menschen in den Spiegel und weckten uns. So kamen wir, um bezahlt zu werden. Sind sie tot?«
»Die Hexen? Das sind sie.«
Der Nerra nickte. »Ihr wollt den Spiegel benutzen? Dann bezahlt dafür.«
»Bezahlen? Womit?«
»Spiegelmagie. Bietet uns etwas.«
»Bezahlen wir einmal oder für jede Benutzung?«
»Das hängt von der Bezahlung ab.«
Die Kettenbrecher berieten sich. Schließlich zogen sie sich fürs Erste zurück und schlugen im Thronsaal ihr Lager auf, um die Nacht zu verbringen und am nächsten Tag, frisch und erholt, den Spiegel anzugehen.
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»Vielleicht reden wir noch mal mit dem Riesen, bevor wir durch den Spiegel gehen?«
Thamior stimmte Dirims Vorschlag zu. Eigentlich hatte der Elf auch nichts dagegen, den Riesen zu töten – aber man konnte ja erst einmal sehen, was er wusste und verraten würde. Gleichzeitig beschäftigte Helion immer noch der magische Brunnen, und zu guter Letzt brauchten die Kettenbrecher Spiegelmagie für die Nerra, oder zumindest ein anderes Handelsgut. Schließlich aber entschloss man sich, erst einmal den Riesen auszufragen. Dirim wurde voraus geschickt.
»Komm ja nicht um die Ecke«, warnte der Riese, als Dirim sich der Schmiede näherte.
»Ich will nur reden«, sagte der Zwerg.
»Das geht auch um die Ecke.«
»Stimmt.«
Es entstand eine Pause.
»Also, was willst du?«, fragte der Riese wieder.
»Kann ich nicht doch um die Ecke kommen?«
»Nein.«
»Also gut.« Dirim ging um die Ecke, die Hände in einer friedfertigen Geste erhoben. Der Riese hatte einen Arm im grünen Schmiedefeuer, die Hand um einen glühenden Splitter, wurfbereit. Aber er warf nicht, sondern seufzte tief, als er den Zwerg sah.
»Du bist Dugobras, oder? Ein Schlangenwesen hat uns den Namen gesagt.«
»Der bin ich.«
»Was machst du hier?«
»Ich schmiede und wünsche mir nichts mehr, als dabei in Ruhe gelassen zu werden.«
»Für wen schmiedest du?«
»Für mich.«
Dirim zog die Brauen zusammen. Irgendwie kam er nicht weiter.
»Aber für wen hast du den Käfig geschmiedet?«, fragte er.
»Ach, darauf wollt ihr hinaus. So ein Typ hat mich beauftragt. Er hieß Dämonicus Grimm oder so.«
»Ein Mensch?«
»Mag sein. Aber einer mit Macht. Jedenfalls zeigte er mir diese Schmiede – sie ist magisch, müsst ihr wissen – und bat mich, hier irgendwelche Käfige fertig zu machen.«
»Was machen die Käfige?«
Dugobras zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe mich nach Plänen gerichtet, die mir gegeben wurden. Und als Gegenleistung für meine Arbeit darf ich die Schmiede für mich selbst benutzen, angeblich ›beschützt‹ von meinen dummen und stinkenden Vettern. Das hat aber nicht besonders gut funktioniert, weshalb ich jetzt Ambossteile griffbereit habe und Euch nicht um die Ecke lasse.«
»Was ist mit dem Käfig, der noch im Raum steht?«
Dugobras lachte. »Das ist ein Probestück.«
Pecarri ging um die Ecke. »Kann ich mal sehen?«
»Vorsicht!«, rief Dugobras ihm zu, und dann zu Dirim: »Lass den Kleinen in Ruhe, sonst kriegst du es mit mir zu tun.«
Wieder zu Pecarri: » Ganz ruhig. Der Zwerg tut dir nichts.«
Pecarri nickte. »Danke. Kann ich mir jetzt mal den Käfig ansehen?«
Dugobras sah vom Kobold zum Zwerg und wieder zurück. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Ich glaube, ich werde alt. Na los, Kleiner, schau ihn dir an.«
Pecarri grinste und marschierte zum Käfig. Er war aus Silber und Platin geschmiedet, zwei für ihre magische Leitfähigkeit und ihren Wert bekannte Metalle. Der Käfig war gerade groß genug, um eine menschengroße Kreatur unbequem aufzunehmen. Es gab keine Fesseln oder ähnliches, nur spitze Dornen, die wahrscheinlich als Aufhängung für solche Fesseln gedacht waren. In die Stäbe waren arkane Runen geritzt, allerdings sah Pecarri auf den ersten Blick, dass nicht alle Runen vollständig waren und auch der Schmiedevorgang nicht beendet worden war. Der Käfig war nicht magisch.
»Kann ich den haben?«
»Wenn du ihn ziehen kannst«, sagte Dugobras und entblößte eine Reihe gelblicher Zähne. »Sonst kann der Zwerg dir ja helfen – aber keine Dummheiten!«
Gemeinsam zerrten Dirim und der Kobold den Käfig aus der Schmiede heraus, wo Pecarri sich das Stück genauer ansehen konnte. Dirim bedankte sich noch einmal bei dem Riesen.
»Warum erzählt ihr uns das alles?«, fragte er.
»Warum nicht? Mir ist es egal, was ihr oder Grimm mit den Käfigen wollen. Ich bin Schmied; ich will schmieden, nicht kämpfen.«
»Sagt mal, wie viele von den Käfigen habt ihr eigentlich geschmiedet?«
»So sechs oder sieben«, sagte Dugobras. »Oder ein paar mehr...«
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Helion fand heraus, dass drei magische Schulen in die Erschaffung und den Zweck der Käfige eingebunden waren. Zunächst waren das Bannmagie und Beschwörung, zwei klassisch kombinierte Schulen: Man beschwor etwas und nutzte dann einen Bannkreis, um das Wesen festzuhalten. Sorgen machte ihm vor allem die dritte Schule, Nekromantie, ohne dass er direkt einen Sinn in ihrer Anwesenheit finden konnte.
Achselzuckend ließen die Kettenbrecher den schweren und unhandlichen Käfig stehen und begaben sich wieder in den Spiegelsaal. Der Nerra wartete auf sie.
»Habt ihr etwas anzubieten?«
Dirim holte den magischen Streitkolben hervor, den sie gefunden hatten, aber noch bevor er ihn anbieten konnte, schüttelte Pecarri energisch mit dem Kopf. Dann hielt der Kobold das Amulett der Hexen in der Hand.
»Dies ist ein Gegenstand der Hexen«, sagte er. »Es ist nur recht und billig, wenn sie für die Nutzung zahlen müssen. In dieses Amulett ist ein Herzstein eingearbeitet. Er schützt vor Krankheiten und allerlei Gefahren. Die Hexen vermochten mit ihm sogar, Ebenen zu bereisen.«
Der Nerra nahm das Amulett in die Hand. Er konzentrierte sich. Sein Körper begann zu flimmern, sprang in schneller Geschwindigkeit von der materiellen in eine andere Ebene und zurück. Dann endete der Effekt wieder. Der Nerra nickte.
»Ein gutes Angebot. Ihr dürft den Spiegel benutzen.«
Er gab ein Zeichen, und die Spiegelfläche dehnte sich nach außen, als würde an mehreren Stellen jemand davor drücken. Schließlich teilte sie sich, als sei sie flüssig, und drei weitere Nerra traten aus dem Spiegel heraus. Derjenige, mit dem die Kettenbrecher gesprochen hatten, stellte sich zu den anderen, bereit, wieder in den Spiegel zu treten.
»Wartet«, sagte Pecarri. »Wie benutzen wir den Spiegel?«
»Mit dem Schlüssel«, sagte der Nerra.
»Was ist der Schlüssel?«
»Das wissen wir nicht. Wir reisen nicht durch den Spiegel. Wir reisen durch den Spiegel.«
»Na dann«, sagte Thargad sarkastisch, »ist ja alles klar.«
Der Nerra blieb ungerührt. »Der Paladin hatte auch keinen Schlüssel, doch die Hexen schickten ihn hindurch. Vielleicht geling es Euch auch, den Spiegel ohne zu bereisen.«
»Wie sieht es dahinter aus?«, wollte Dirim wissen.
»Das wissen wir nicht«, sagte der Nerra wieder. »Wir reisen nicht durch den Spiegel. Wir reisen–«
»Ja ja, schon klar«, sagte Thargad. »Ihr reist durch den Spiegel.«
»Genau.«
»Wartet noch«, bat Pecarri. »Wenn wir den Paladin gefunden haben: Wie kommen wir dann zurück?«
»Nicht durch den Spiegel. Der Rückweg ist versperrt.« Der Nerra deutete eine Verbeugung an, nickte seinen Gefährten zu, und gemeinsam traten sie durch die Spiegeloberfläche und waren verschwunden.
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»Darf ich mal sehen?«, fragte Boras.
Helion hielt ihm wortlos die Platintafel hin. Er hatte versucht, auf ihr einen Hinweis auf den Schlüssel zu finden – schließlich war der Spiegel selbst klar zu erkennen –, aber vergebens. Wenn Boras sich ein wenig die Bilder betrachten wollte: bitte.
»Hm«, machte der Barbar.
»Was ist denn?«
Boras zeigte auf die unteren Glyphen. »Das sind diese Zauberweber, oder?« Helion bejahte. »Und sie haben Ogersklaven, die den Spiegel bauen.« Wieder ja. »Die Oger auf dem ersten Bild müssen schleppen, und dann schütten die Zauberweber etwas über sie, und die Oger arbeiten wie blöde. Dieser Zaubertrank, der die Oger stärker macht – ob das das Zeug im Brunnen ist?«
Pecarri schlug sich vor die Stirn. »Natürlich! Das ist es, was ich die ganze Zeit im Hinterkopf hatte. Das ist das Zeug im Brunnen, der Stärketrank. Und ausgerechnet du hast das erkannt!«
»Wie: ausgerechnet ich?«, fragte Boras. »Manchmal glaube ich echt, ihr haltet mich für doof.«
Er gab Helion die Tafel zurück und ging kopfschüttelnd zum Spiegel. Er legte die Hand auf die Oberfläche. Das Metall kräuselte sich unter seinen Fingern.
»Uuah!«, machte Boras. Er drehte sich zu den anderen um. »Das müsst ihr mal versuchen, das fühlt sich eklig an!«
Leider waren die übrigen Kettenbrecher beschäftigt. Während Thamior den Raum nach Hinweisen auf den Schlüssel durchforstete und prüfte, ob sich der Thron irgendwie bewegen ließ, versuchte es Helion mit einer erneuten Übersetzung der Tafel. Jetzt, wo Boras den Teil mit dem Trunk gelöst hatte, kam er vielleicht besser zurecht. Thargad und Dirim wiederum waren nach Boras’ Geistesblitz gleich losgegangen, um sich jeweils etwas von dem Zaubertrank abzufüllen. Sie tranken noch nicht aus dem Brunnen, damit die Wirkung nicht dann nachließ, wenn sie es am wenigsten gebrauchen konnten.
»Schau mal«, rief Boras.
Thamior sah nicht einmal auf. »Toll.«
»Jetzt sieh doch her.«
Der Elf blickte hoch. Boras stand einen Schritt vom Spiegel entfernt und deutete darauf. »Und?«
»Siehst du ihn nicht?«
»Wen?« Thamior ging einen Schritt näher. Er sah eine Reflexion des Spiegelsaals, leicht verzerrt. Dann plötzlich verschwamm das Bild und er blickte in einen düsteren Raum, der nur vom Licht eines Langschwerts erhellt wurde. Im Hintergrund des Raums sah man eine alte Türe, verschlossen, und davor, in sich zusammen gesunken, Alek Tercival. Der Paladin sah furchtbar aus: Entkräftet, schmutzig, und viel schwächer, als die Kettenbrecher ihn in Erinnerung hatten.
»Helion? Schau dir das mal an.«
Schließlich hatten alle Kettenbrecher das Phänomen gesehen. Starrte man für längere Zeit auf den Spiegel, veränderte sich das Bild immer und zeigte Alek. Sie versuchten alles, um das Bild anderweitig zu verändern. Sie dachten an andere Dinge. Sie schoben und zerrten am Spiegel und am Thron. Sie stellten sich in unterschiedlichen Kombinationen in das sechseckige Zeichen auf Boden des Raums. Ohne Erfolg.
»Wenn es wenigstens fünf Ecken wären«, sagte Helion. »Fünf Farben, fünf Ecken. Der Spiegel ist ja auch fünfeckig.«
»Er verband aber sechs Orte miteinander«, sagte Dirim. »Und die Zauberdingsda hatten sechs Arme. Also passen auch sechs Ecken.«
»Es hilft nichts«, sagte Thamior. »Die Zauberweber haben eben alle nur an Sechs gedacht.«
Boras lachte, Thargad blieb ernst, Dirim schüttelte den Kopf, und Helion kommentierte: »Einer von uns musste das wohl sagen.«
Schließlich führten sie Experimente aus. Sie warfen einen Wurfanker samt Seil durch den Spiegel und zogen ihn unversehrt wieder hervor. Boras schob seinen Arm in den Spiegel, ebenfalls ohne Schaden zu nehmen.
»Es hilft nichts«, sagte Thargad. »Einer muss da durch.«
Er hielt ein Seil hoch. »Macht mich fest.«
Gesagt, getan. Thargad wurde angebunden, dann trat er durch den Spiegel. Es blitzte kurz, dann stand er mitten in einem kleinen Raum mit fünf Wänden. Boden und Decke des Raumes waren orange, und jede der Wände war ein anders farbiger Spiegel. Das abgeschnittene Ende des Seils lag neben ihm auf dem Fußboden.
Das Seil hing im Spiegel fest. So sehr die Kettenbrecher auch zogen, sie konnten es nicht verrücken. Schließlich gaben sie es auf. Kurz entschlossen gingen zuerst Thamior, dann Helion durch den Spiegel. Thamior landete in einem blauen Raum mit fünf Wänden, jede Wand ein farbiger Spiegel; Helions Raum war grün. Helion trat durch den orangen Spiegel und stand mitten in einem orangen Raum: fünf farbige Spiegel (kein Thargad). Dirim und Boras fassten sich an den Händen und traten gemeinsam durch den Spiegel. Sie landeten in einzelnen, farbigen Räumen.
Interessant, dachte Helion. Entweder würden sie es alle für sich schaffen, das Rätsel der verschiedenen Spiegeltüren zu lösen – oder der ein oder andere Kettenbrecher würde ewig hier herumirren. Er ging durch den grünen Spiegel und tauchte mitten in einem grünen Raum mit fünf farbigen Spiegeltüren auf.
Interessant, dachte er noch einmal. Aber ein bisschen Angst hatte er schon.