Autor Thema: Theorie des Abenteuer-Schreibens  (Gelesen 1593 mal)

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Talwyn

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Theorie des Abenteuer-Schreibens
« am: 21. Dezember 2005, 14:06:56 »
 Hallo zusammen,

ich denke seit einer ganzen Weile darüber nach, mal einen Aufsatz über die Theorie des Abenteuer-Schreibens zu verfassen. Dabei geht es mir um einen Artikel der klärt, was denn nun ein "gutes" Rollenspielabenteuer eigentlich ausmacht, wie man es konzipiert und ausarbeitet.

Auch wenn es ein wenig abgefahren klingt, ich würde mich dabei nicht nur auf gängige Literatur wie DMG, DMG2 und dergleichen stützen, sondern z.B. auch auf die Poetik von Aristoteles (denn immerhin gibt es einige Parallelen zwischen Tragödie/Epos und Rollenspiel). Außerdem würde ich einen Blick auf weitere Texte zur Dramentheorie werfen, z.B. von Lessing.

Mein Ziel ist es eigentlich, einen theoretischen Text zu verfassen, der mal von einer anderen Seite an das Schreiben von Abenteuern herangeht und das Ganze ein wenig "wissenschaftlicher" analysiert, da mir aufgefallen ist, dass die meisten Texte zu diesem Thema mit unreflektierten Floskeln um sich werfen ("Der Spielleiter muss dafür sorgen, dass alle Beteiligten Spaß am Spiel haben."), und diese gar nicht oder nur unzureichend weiter erläutern. Und gerade zum Schreiben von Abenteuern, also zur Konstruktion einer guten Geschichte, gibt es eigentlich nur sehr wenig Material - das meiste bezieht sich ja doch eher auf den Akt des Leitens an sich.

Nun zu meiner Frage: Würdet ihr einen solchen Artikel lesen, vorausgesetzt er wäre halbwegs unterhaltsam geschrieben? Haltet ihr diesen Ansatz überhaupt für sinnvoll, oder sind die bisher erhältlichen Texte deswegen so oberflächlich und austauschbar, weil es zu diesem Thema einfach nicht mehr zu schreiben gibt?

Horustep

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Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #1 am: 21. Dezember 2005, 14:42:32 »
 Schwierig. Also wenn ich von meinem Standpunkt aus reden würde, würde ich sagen, dass ich einen solchen Text wohl aus eigenem Interesse lesen würde. Liegt aber daran, dass ich mich persönlich für solche Texte interessieren kann, bzw. solche Abhandlungen durchaus gut für die eigene Weiterentwicklung finde. Dies ist jedoch rein subjektiv meine eigene Meinung.

Allerdings wäre ich zugleich zurückhaltend, inwieweit ein solcher Text das Interesse der Mehrheit der User z. B. hier finden würde. Wenn ich an manche Formulierungen oder Äußerungen mancher denke, besonders auch an die Kleinschreiberfraktion, die sich offensichtlich eher wenig um solche Abhandlungen scheren werden, so habe ich gewisse Zweifel, ob eine solche, eher fast schon wissenschaftlich-philosophisch anmutende Ausarbeitung des reinen Abenteuerschreibens an sich das Interesse vieler findet. Ich schätze mal, es werden hier ca. 25% aller User diesen Text lesen wollen.

Gruß. Horustep.
"Das Leben ist voll von kleinen Beunruhigungen!" (Alan Dean Foster)

Rogan

  • Contest 2010
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #2 am: 21. Dezember 2005, 15:03:45 »
 Ich sehe auch einige Parallelen zwischen Film- und Theaterdramaturgie und der von Abenteuern, viele Begriffe der Dramaturgie lassen sich auf Rollenspielabenteuer anwenden: Gegenspieler, äußere Konflikte, innere Konflikte, Wendepunkte, Akte. Wobei ich das Abenteuerleiten und -spielen ab dem Moment am spannendsten finde, an dem das Improvisieren beginnt. Jedoch muß wie bei einer guten Impro einiges an Hintergrund und Charakterkonstituenten klar sein, bevor das Abenteuer im besten Sinne abgeht. Und die Spieler müssen richtig mitmachen, sonst funktioniert das improvisierte Abenteurern nicht.

Ich wäre für meinen Teil sehr an Deinen Ausführungen interessiert, Talwyn.

Mein Konzentrat für einen gelungenen Abenteuerhintergrund:
Es muß ein Geheimnis aus der Vergangenheit und eine Bedrohung in der Gegenwart geben.

Rogan
Neustart!

Talwyn

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Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #3 am: 21. Dezember 2005, 16:22:45 »
 @Horustep: Mir ist schon klar, dass ich mit so einem Artikel nicht jeden User des Gates erreichen kann. Das gilt aber wohl für so ziemlich jeden Artikel. Mit 25% wäre ich aber schon sehr zufrieden, wobei ich diese Quote sogar für deutlich zu hoch halte. Tatsächlich wäre ich schon mit einer Quote von 1% der registrierten User ganz zufrieden ;)

Levold

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  • AD&D 2nd Ed-Reptil
    • Kopfguerilla
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #4 am: 21. Dezember 2005, 16:26:28 »
Zitat von: "Talwyn"
Würdet ihr einen solchen Artikel lesen, vorausgesetzt er wäre halbwegs unterhaltsam geschrieben? Haltet ihr diesen Ansatz überhaupt für sinnvoll, oder sind die bisher erhältlichen Texte deswegen so oberflächlich und austauschbar, weil es zu diesem Thema einfach nicht mehr zu schreiben gibt?
Du hast hier schon die eine Hälfte drinstecken, ob ich so einen Text lesen würde oder eben nicht: den Unterhaltungswert. Wenn ein Text unterhaltsam geschrieben ist, ist die Chance bei mir recht groß, dass ich diesen auch dann lese, obwohl mich die Thematik nicht unbedingt interessiert.
Ob du vielleicht neue Erkenntnisse hast, oder ob das Thema einfach nichts hergibt, kann ich nicht beurteilen, da ich mich damit noch nicht besonders auseinandergesetzt habe. Ob es sich lohnt, stellt sich ja leider immer erst hinterher raus.
Ich würde einfach sagen: mach doch das, woran du Spaß hast!
Wenn du so eine Arbeit erstellen möchtest, tu das. Es werden sich unter Garantie einige Interessierte finden.
Ob der Text gut wird, ist doch jetzt erstmal egal. Ich finde es allein schon honorierungswürdig, sich solch eine Arbeit zu machen.
Viel Erfolg,
Levold
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Talwyn

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Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #5 am: 21. Dezember 2005, 18:21:30 »
 Die ersten sieben Kapitel liegen in ihrer Rohfassung schonmal vor, wenn jemand möchte, einfach PM mit der E-Mail Adresse an mich, dann verschicke ich ein kleines RTF-Dokument (bis jetzt ca. 4,5 Seiten)

Wormys_Queue

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Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #6 am: 21. Dezember 2005, 21:50:02 »
Zitat von: "Horustep"
besonders auch an die Kleinschreiberfraktion, die sich offensichtlich eher wenig um solche Abhandlungen scheren werden
Wieso das denn? Ob man Groß- und Kleinschreibung anwendet oder nicht, sagt viel über die Höflichkeit der betreffenden Person aus, aber doch nichts über ihre Intelligenz oder ihre Interessen?

***auch auf die Gefahr hin, deswegen wieder Prügel zu kriegen, finde ich das Herumkritteln an solchen Kleinigkeiten etwas übertrieben, schliesslich leidet in englischsprachigen Foren die Lesbarkeit eines Textes auch nicht unter dem Fehlen von Großbuchstaben^^***

Ich hätte an einem solchen  Text definitiv Interesse. Selbst wenn da nichts wirklich neues für mich drinstehen sollte, ist es für mich immer interessant, das Thema mal von einer anderen Person beleuchtet zu sehen. Die eine oder andere Anregung wäre aber sicher drin, man lernt nie aus.

Im übrigen halte ich den Ansatz, sich auch auf andere literarische Quellen zu stützen, für den genau richtigen. Schliesslich haben die Altvorderen schon ganz genau gewusst, wie man Spannung erzeugt und hält, imho wäre es geradezu fahrlässig, dass ganz ausser Acht zu lassen. Und ich erinnere mich noch mit Vergnügen an die eine oder andere Adaption literarischer Vorbilder (z.B. "The Spirit of the Tempest" im DUNGEON 52, eine Interpretation von Shakespeares "The Tempest" oder "Dark Thane MacBeth" in DUNGEON 54 beide von Michael Selinker; oder die "Alice im Wunderland"-Adaption von Gary Gygax).

Über den Tellerrand hinauszuschauen halte ich also gar nicht für abwegig, eher für befruchtend.
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Askael

  • Mitglied
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #7 am: 24. Dezember 2005, 20:27:31 »
Toll, das du dir die Arbeit machst.
Floskellastigkeit ist einer der Hauptkritikpunkte, die ich bisher anzuschwärzen hatte.
Pünktlichkeit ist der Dieb der Zeit

Serath

  • Mitglied
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #8 am: 24. Dezember 2005, 21:08:59 »
Mich würde es auch sehr interessieren.

Wormys_Queue

  • Mitglied
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #9 am: 25. Dezember 2005, 10:19:56 »
Liest sich sehr schön, die Begründung deiner Annäherungsweise an das Thema Rollenspiel als einer Variante des "Theaterspiels" halte ich für gut gelungen. Ein paar erste Anmerkungen meinerseits:

>>Umgekehrt ist es aber auch ungünstig, den Ort der Handlung zu selten zu wechseln, da dadurch Monotonie entsteht. Irgendwann werden die Charaktere einfach alle nennenswerten Charakteristika eines Ortes entdeckt haben.

Würde ich etwas abschwächen. In grossen Städten z.B. wie Tiefwasser oder Sharn halte ich ganze Kampagnen durchaus für möglich, ich glaube nicht, dass sich zwangsläufig Monotonie einstellen müsste, nur weil man auf Ortswechsel verzichtet. Zu Entdecken gibt es da mehr als genug.
  Wobei natürlich etwas Abwechslung nichts schadet, gerade im Fall von Sharn (Eberron) würde man eine Menge Potential verschenken, würde man sich selbst so stark beschränken.

Thema Zeit:
Vielleicht sollte man das Thema "Zeit und Umwelt" noch etwas deutlicher ausarbeiten. Wieviel Zeit im Lauf eines Abenteuers oder einer Kampagne verstreicht, halte ich nicht für so wichtig als die Frage, wie sich die verstrichene Zeit in der Umwelt (der Welt der Kampagne) abbildet. Hier gilt es, eine Synchronität herzustellen, da eine Welt nicht glaubwürdig ist, in der außerhalb der Ereigniskette um die SC nichts passiert und nichts sich verändert.

Thema Zufallsbegegnungen:
>>So sind Zufallsbegegnungen zum Beispiel ein beliebtes Mittel, um den Eindruck zu erwecken, dass die Spielwelt tatsächlich lebt und nicht um die Charaktere und den Plot herum konstruiert ist. Dass eine solche Konstruktion unvermeidlich ist ....

Das deckt sich ehrlich gesagt nicht mit meiner Erfahrung und Herangehensweise als SL. Ob ich nun eine fertige Kampagnenwelt a la Greyhawk, FR oder Eberron benutze oder ob ich eine eigene Welt konstruiere: Die Welt existiert immer vor den Charakteren und wird nicht um diese herumkonstruiert. Erst später werden die Charaktere in die Welt "hineingesetzt", und welchen Teil dieser Welt sie wahrnehmen, hängt in erster Linie von ihnen selbst ab. Die Welt aber existiert und "lebt" unabhängig von den Spielern.

>>Hierdurch würde nämlich eine Kette von belanglosen Kämpfen entstehen, ...

Dieser Satz erweckt bei mir den Eindruck, als wäre der Begriff Zufallsbegegnung zwingend mit Kämpfen gleichzusetzen. Eine Zufallsbegegnung kann aber auch z.B. ein Zusammentreffen mit einer Karawane, die Sichtung eines besonderen Bauwerks, vielleicht sogar ein kleineres "Abenteuer am Wegesrand" sein. Dosiert eingesetzt, trägt das zur Auflockerung der Handlung bei; man kann auf diese Art und Weise Personen oder Ereignisse "scheinbar" zufällig einführen, die im späteren Lauf der Handlung von Bedeutung sein werden (andere Form des "Foreshadowing")



Ich hoffe, es ist ok, dass ich meine Gedanken zum Text öffentlich ins Forum reinposte (in der Hoffnung auf eine rege Diskussion ^^). Wenn nicht, sag Bescheid, dann editier ichs raus und schreibs über PM.

mfg, WQ
Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Talwyn

  • Mitglied
Theorie des Abenteuer-Schreibens
« Antwort #10 am: 25. Dezember 2005, 21:21:06 »
Kein Problem, genau aus diesem Grund habe ich den Thread ja gestartet. Danke erstmal für das Feedback.

Ort
Du hast Recht, diesen Hinweis wollte ich noch explizit aufnehmen, wobei ich eine ganze Stadt nicht wirklich als einen einzigen Ort betrachte, da die Dimension hier eine wichtige Rolle spielt. Evtl. könnte man das ganze so formulieren: Wie oft der Schauplatz des Geschehens gewechselt werden sollte hängt hauptsächlich damit zusammen, wie groß und vielfältig ein solcher Schauplatz ist, d.h. wie viele Möglichkeiten zur Interaktion und Entdeckung es für die Helden gibt.

Zeit
Wie schon im ersten Satz des entsprechenden Kapitels erwähnt ist Zeit ein ziemlich komplexes Thema :) Allerdings sind Ereignisse, die sich außerhalb der Abenteuerhandlung abspielen nicht Teil desselben und damit eigentlich nicht Gegenstand der Abhandlung. Das wäre eher etwas für einen Aufsatz über Aufbau und Koordination komplexer Kampagnen und lebendiger Spielwelten.

Zufallsbegegnungen
Das Konstruktionsargument beziehe ich nicht auf die Welt sondern auf das Abenteuer. Und da ein Abenteuer im Regelfall für eine oder wenige Erfahrungsstufen konzipiert ist (was ja auch Sinn macht), ist eine Konstruktion in diesem Sinne eben unvermeidlich. Vielleicht sollte ich das aber noch explizit in den Text aufnehmen.

Das Argument, dass Zufallsbegegnungen nicht unbedingt Kämpfe sein müssen ist korrekt, werde ich entsprechend anpassen. Allerdings kommt es im Kern aufs Gleiche heraus. Kleine Side Treks sind natürlich nicht schlecht, sollten aber meiner Meinung nach nicht an einer zufälligen von den Würfeln bestimmten Stelle ins Abenteuer eingestreut werden, sondern fest in die Handlung integriert werden (und möglichst zumindest teilweise mit dieser verbunden sein).