Autor Thema: So ein Zirkus  (Gelesen 8432 mal)

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So ein Zirkus
« Antwort #30 am: 15. April 2010, 14:46:43 »
5. Reisejahr, 60. Reisetag

Liebes Tagebuch

Unser Aufenthalt in Secomber war so angenehm wie eh und je. Wir haben eine kleine Vorstellung gegeben, schliesslich herrscht in dem verschlafenen Grenzstädtchen ein steter Verkehr an Reisenden, und die Vorstellung war auch gut genug besucht. Sogar ein paar Bauern, die vor einem Zehntag schon bei uns waren, kamen wieder, und wie üblich führten wir extra für sie ein paar Tricks und Kunststücke auf, die wir uns beim letzten Mal aufgespart hatten. Danach, es war gerade mal früher Abend, meine Phenton zu uns, wir würden den kommenden Tag (gestern) frei haben. Auch dies ein sehr lieb gewonnener Brauch in meinen Augen.
Hassad und ich gingen in die siebensaitige Harfe, in der es natürlich wie immer hoch herging. Die Harfe ist eine etwas verwinkelte Taverne, in der ständig Barden umsonst auftreten und man sich kaum unterhalten kann, so laut feiern alle dort. Ich spielte einige Lieder, auch unsere "Heldentaten" der vergangenen Woche wurden vorgetragen und fanden einiges an Anklang. Scheinbar hat man zumindest von unseren Taten beim Schrein von Lautwasser schon gehört, denn besonders über jenes wurde ich in einer etwas ruhigeren Ecke der Taverne ausgefragt. Besonders ein paar junge Halblinge, die sich am liebsten als Abenteurer gegen Drachen kämpfen sahen, hingen mir an den Lippen, und wenn das, was ich von Hassad am restlichen Abend sah, ein Hinweis ist, ergings ihm mit ein paar bewundernd drein blickenden Damen nicht anders.
Glücklicherweise hatte die Familie des Halblings, bei dem ich die Nacht verbrachte, einen Hofhahn, sodass ich nicht all zu sehr verschlief. Ich verabschiedete mich von ihm, und fand tatsächlich noch vor Hassad meinen Weg in unser Wohnwagenlager. Ai hatte sich an dem Tag zuvor wohl selber auch nicht gerade gelangweilt, jedenfalls erzählte er von einem Diebespaar, das bei einer alten Dame einbrach. Wie kann man nur. Nachdem ich mit einem von ihnen die Gelegenheit hatte, zu reden, schien es mir, als bräuchten die Beiden nur jemanden, der ihnen zeigt, was sie selber können. Stehlen war es wohl jedenfalls nicht, so dumm wie sie sich nach Ais Bericht anstellten. Einer von beiden nahm sogar mein Angebot an, Markus ist sein Name. Ich habe ihn unter meine Fittiche genommen, sozusagen, und ich bin mir sicher, ich werde raus finden, was für Talente er hat. Während ich das hier schreibe, übt er etwas an meiner Zitter, und es klingt ganz brauchbar, auch wenn er sich über schmerzende Finger beklagt. Aber hey, ich habe nie behauptet, dass es einfach sein würde. Wenn alles so läuft, wie wir das wollen, sind wir in etwa einem halben Zehntag in Baldurs Tor, und spätestens da wird er froh sein, dass er so lange durchgehalten hat.
« Letzte Änderung: 15. April 2010, 14:48:14 von Mystral Wolkenglanz »

So ein Zirkus
« Antwort #31 am: 16. April 2010, 11:05:09 »
5. Reisejahr, 61. Reisetag

Liebes Tagebuch

Unsere Reise geht ereignislos voran. Markus hat sich, leider, als nicht sonderlich talentiert im musikalischen Bereich herausgestellt. Mit viel Übung könnte er wohl passabel Noten spielen, aber das Rhytmusgefühl fehlt ihm einfach. Macht ja nichts, gibt ja noch genug andere Dinge, die er tun kann. Ich habe ihn gehießen, ein paar Schreibübungen zu machen, bis dahin üben wir an verschiedenen Bäumen und Wiesenkräutern, wie gut er sich in der Natur auskennt und ob er sich die verschiedenen Bäume merken kann. Katabatis war so lieb, mir diese Arbeit teilweise abzunehmen, obwohl ich glaube, sie hat das nur gemacht, um jemanden zum Schelten zu haben. Allerdings, so schlecht stellt er sich garnicht an. Ansonsten genieße ich die scheinende Sonne und schreibe ein wenig an einem Liebesgedicht. Es wird gut tun, mal nicht von Kämpfen zu singen. Komischerweise wird es seit den Mittagsstunden immer Kühler, obwohl gar keine Wolken am Himmel stehen. Vermutlich Wind aus den Bergen oder sowas.

5. Reisejahr, 62. Reisetag

Liebes Tagebuch

Herrschaftszeiten, ist das kalt. Während ich das hier, in der Wärme meines Bettes, schreibe, fallen draussen erste Schneeflocken vom Himmel. Wir haben Sommer! Mitte Kytorn! Da sollte es nicht schneien, nicht mal am Grat der Welt! Aber das ist dem Himmel hier wohl egal. Seit wir aufgebrochen sind, wird es immer noch beständig kühler. Ich frage mich so langsam, ob irgend jemand hier Auril verärgert hat. Oder aber irgendein Magier hat mal wieder mit Mächten rumgespielt, die man besser alleine lässt. Sei es drum, alle haben einen warmen Schlafplatz, selbst die Tiere sind gut zugedeckt. Allein, wenn das so weitergeht, bleiben wir im Schnee stecken, und dafür haben wir gar nicht genug Vorräte.

So ein Zirkus
« Antwort #32 am: 19. April 2010, 12:17:58 »
5. Reisejahr, 63. Reisetag

Liebes Tagebuch

Die gute Nachricht: Es wird wieder wärmer. Die schlechte: Wer durfte mal wieder aufräumen? Genau.

Gestern sind wir, als unsere Karren durch den Schnee zuckelten, einer alten Dame begegnet, eine Art Kräuterfrau. Sie teilte uns mit, dass die Kälte wohl von einem nahen Turm ausgehen würde. Jener Turm soll mal einem Zwergenhexer gehört haben, und der soll da komische Sachen gemacht haben. Gerüchten zu Folge haben irgendwelche Feen den Hexer in dem Eisgefängnis eingesperrt, wieso, weiss keiner so genau. Aber das Feen öfters mal Dinge ohne ersichtlichen Grund machen, ist jetzt nicht unbedingt was neues.
Wir haben uns dazu bereit erklärt, da mal vorbei zu schauen. Die alte Frau meinte, dass es bisher noch nie so kalt gewesen sei, die Kälte wäre immer um den Turm herum konzentriert gewesen. Dank Katabatis Kenntnis über Winterlandschaften (Sie verwandelt sich ja nicht umsonst öfters in eine Schneeleopardin) erreichten wir den Turm ziemlich zügig. Wir kamen an ein paar Hügeln vorbei, in denen laut Katabatis Worten wohl Goblins lebten, und da es unwahrscheinlich war, dass die uns auf einen warmen Tee einluden, machten wir einen großen Bogen drum herum. So erreichten wir den Turm ohne weitere Hindernisse.
Was folte war eine einzige Riesenprügelei. Ich erspar dir mal die Details, aber wir haben uns zuerst mit Statuen vor dem Turm und dann Eisarchons im Turm rumschlagen müssen. Letztere sprangen aus einigen blauen Kaminfeuern, und ich hatte schon ernsthaft Sorgen, dass wir überrannt würden. Irgendwie haben wir uns dennoch gegen sie durchgeschlagen und konnten alle Kaminfeuer löschen, um dann den Turm etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
Das, was wir da fanden, war nicht sehr schön. Scheinbar stand dieser Hexer im Bunde mit Teufeln, und wir haben eine Art Beschwörungskreis mit etwas herumstehender Säure ausgelöscht. In einigen Regalen standen Bücher, manche davon so unheilig, dass ich gar nicht genau nachlesen wollte, andere Forschungsberichte und Tagebücher. Und jetzt halt dich fest.. Falls Tagebücher das können, natürlich. Dieser Zwergenhexer wollte Karsus rufen. Karsus, den Nesseriler, der vor vielen Jahrhunderten Mystril die Macht gestohlen hat. Ich kannte zufälligerweise den Namen, immerhin hab ich mir ja meinen Namen teils nach jener modelliert, und berichtete den anderen kurz von der Geschichte. Karsus war damals ein großer Magier in Nesseril, und er entwickelte einen mächtigen Zauber, den mächtigsten aller Zeiten, um sein Land von einer Invasion von fremdartigen Wesen namens Nephilim zu beschützen. Dieser Zauber diente dazu, einer Gottheit die Göttlichkeit zu stehlen. Das hat auch geklappt, aber Karsus wurde dabei wahnsinnig, und in dem darauf folgenden Chaos ging Nesseril mehr oder weniger unter. Wobei es jetzt natürlich irgendwie wieder da ist, aber das ist eine andere Geschichte.
Wie dem auch sei, scheinbar hat Karsus weiter existiert, als etwas, das der Hexer als Vestige bezeichnet in seinen Tagebüchern. Keine Ahnung was das sein soll, wohl so eine Art Geist. Scheinbar fanden die Feen das nicht so toll, dass er Karsus aufwecken wollte (wieso auch immer) und haben deshalb den guten Zwergen getötet oder mit in den Wald geschleift. Seine Leiche fanden wir jedenfalls nicht, im Gegensatz zu den Leichen zweier Diener.
Das alles war natürlich sehr faszinierend, änderte aber nichts an der Kälteproblematik. Da wir aber deswegen hierher kamen, erklommen wir weiter den Turm. Seine Spitze war ein ziemlich beeindruckender Anblick, unter einem Dom aus Eisschichten gefangen, die das Sonnenlicht funkelnd brachen. In seiner Mitte war hell leuchtender Kristall, der sich langsam in der Luft drehte und mit seltsamen arkanen Symbolen verziert war. Sie waren in Primodrial geschrieben, wenn auch in einem mir nicht ganz vertrauten Dialekt. Soweit ich das übersetzen konnte, waren es wohl die Archons, die den Feenzauber verändert hatten, um die nähere Umgebung in einen ewigen Winter zu stürzen. Keine Ahnung wieso, Mama sagte immer, die Archons währen wahnsinnig und würden nicht den Willen der vier großen Schöpfer folgen.
Kaum stören wir den Kristall (Ich schüttete einen Eimer Wasser drüber) sprang aus ihm eine riesige, fellbedeckte Bestie, die, wie könnte es auch anders sein, uns sogleich angriff. Sie rammte Katabatis durch den Eisdom und von der Plattform. Glücklicherweise war draussen dichter Schnee, sodass die gute weich aufkam. Was dann folgte war etwas seltsam. Hassad wirkte irgendeinen Zauber, der die Bestie von dem Turm stolpern ließ, sodass sie im Schnee aufkam und darin ein großes Loch hinterließ. Kaum rappelte sich das Viech auf, kletterte es auch schon wieder nach oben, nur um dann von einer heftigen Windböe von Katabatis vom Turm gerissen zu werden. Noch ein drittes Mal konnten wir das Wesen vom Turm treten, indem ich mich mit aller Kraft gegen die Brust des Wesens warf. Es war eine ziemlich verwirrende Angelegenheit, wir ließen Wurfspeere und Zauber auf das Ding regnen, irgendwo her kam eine Art Flammenvogel, der ständig auf dem Eiswächter herumhackte, und zuletzt brach es nach einem Schwerthieb von Ai zusammen, wobei es aus mehreren dutzend Wunden blutete. Irgendwie traurig, so ein Wesen zu töten, dass nur seiner Aufgabe nachging und eigentlich etwas bewachte, was garnicht so sinnlos war. Aber es war nicht wirklich so, dass es uns eine Wahl gelassen hatte. Wir hatten nicht wirklich Zeit, unsere Situation zu überdenken, denn kaum tat der Eiswächter seinen letzten Atemzug, zersplitterte die Kristallkugel, und der Eisdom über den Turm ging auf uns nieder. Glücklicherweise konnten wir uns schnell genug in Sicherheit bringen.
Wir rasteten die Nacht über im Turm, während wir die Bücher in zwei Haufen sortierten. Auf der einen Seite Bücher, die es sich lohnte, in Baldurs Tor weiter zu verkaufen, denn außer ein paar Alchemiereagenzien und den Splittern des großen Saphirs fanden wir im Turm nichts von Wert. Auf der anderen Seite Bücher, die so bedenklich waren, dass es wohl besser war, sie zu verbrennen, was wir dann auch taten. War immerhin schön warm. Wir haben ein paar eingelegte Vorräte gefunden, die sogar noch genießbar waren, vor allem ein Glas mit eingelegtem Aal, der gar nicht übel schmeckte. Komisch, dass keiner außer mir was wollte. Wir werden jetzt gleich aufbrechen, um den anderen zu sagen, dass es weitergehen kann. Hoffen wir, dass die Wagen nicht all zu sehr vom Schlamm gebremst werden.

So ein Zirkus
« Antwort #33 am: 23. April 2010, 12:34:58 »
5. Reisejahr, 64. Reisetag

Liebes Tagebuch

Wir haben endlich unsere Reise fortgesetzt, nachdem wir den Turm des Hexers hinter uns gelassen haben. Vermutlich wird die Hütte das nächste Mal, wenn wir vorbeikommen, von irgendwelchen finsteren Wesen bewohnt sein, bis mal wieder Abenteurer vorbeikommen und aufräumen. Nicht wirklich das Ergebnis, was ich mir gewünscht habe, aber was will man machen. Immerhin haben wir die Bücher, die wir  weiterverkaufen wollten (Bücher über Planaristik, alte Götter und magische Wesenheiten), eingepackt. Anderthalb Wohnwagen mussten dafür Platz bieten, und Hassads und mein Wagen sind natürlich mal wieder am vollsten. Sogar mein Bett musste beladen werden. Hassad hat sich, großzügig wie er ist, dazu angeboten, dass ich über die Fahrt mit bei ihm schlafe. Wie nett von ihm!
Die alte Kräuterhändlerin war so freundlich, uns ein Stück zu begleiten, und als Dank dafür, dass sie doch nicht umziehen muss, hat sie uns den alten Schlafsack ihres Mannes geschenkt. Angeblich ist das Ding magisch, und wenn man darin schläft, ist man am nächsten Tag besonders ausgeruht. Katabatis hat ihn sich geangelt. Ich selber passe ja dank meiner Flügel nur schwer in solche Dinger.
Wir rumpeln jetzt in Richtung Banton, einem kleinen Holzfällerdorf, und danach ist es nicht mehr weit bis zur großen Handelsstraße. Dann an Schloss Drachenspeer vorbei, über den Schlangenschwanzfluss, und schon sind wir in Baldurs Tor. So, ich mach mal Schluss, Hassad wird langsam ungeduldig.

So ein Zirkus
« Antwort #34 am: 26. April 2010, 12:51:08 »
Banton war ruhig an dem Nachmittag, an dem die Karawane der Schaustellergruppe "Silbersterne" in den kleinen Weiher einfuhren. Gerade mal drei dutzend Häuser, die meisten aus Holz gebaut, gruppierten sich um einen zentralen Platz und die hindurchführende Straße. Ein kleiner Schrein des Silvanus und das Haus des Bürgermeisters waren die einzigen größeren Gebäude. Etwas abseits konnte man zwischen den Bäumen eine Sägemühle sehen, deren Holz das Dörflein am Leben hielt. Eine Palisade suchte man vergebends, ebenso wie irgend eine andere Form von Wacht. Nur die Tatsache, dass es außer Holz hier nichts zu holen gab, hielt wohl Räuber von dem Dörflein fort.

Es war ein recht kleiner Empfang, der den Silbersternen zu teil wurde. Die Männer und Frauen, die sich um die Holzernte kümmerten, waren noch im Wald, und nur ein paar Kinder schauten mit offenen Mündern auf die mannigfaltigen Gestalten. Einige winkten sogar zurück, als Mystral ihnen zu winkte. Glücklicherweise waren sie nicht das erste Mal hier, und so wurden die Kleinen nicht von angstvollen Eltern zurück in die Hütten gezogen. Am Abend gab es eine kleine Vorstellung, nichts großartiges, aber wohl eines der größten Ereignisse, welche Banton in seinem Jahreslauf erlebte. Während die Dörfler sich von Mystral unterhalten ließen, den Zaubertricks Hassads zuschauten oder unter Katabatis' strengem Blick die Tiere vorsichtig streichelten, trat der Bürgermeister Bantons an Phenton und sprach mit ihm leise. Die vorerst gut gelaunte Miene des Halblings wurde rasch ernster, und nach einigen leisen Gegenfragen gingen die beiden etwas abseits und unterhielten sich recht intensiv.

Am späteren Abend trat Phenton dann auf Mystral, Ai, Hassad und Katabatis zu, welche in Ermangelung eines Nachtlebens in Banton gemeinsam an einem Feuer saßen und über ihre Pläne in Baldurs Tor sprachen. Markus lag bereits im Bett, hatte der Gute doch morgen einen schweren Tag vor sich. Mystral hatte ein paar Waldarbeiter gebeten, ihn mit in den Wald zu nehmen, damit er ein wenig seine Fähigkeiten im Waldbau und Leben im Wald testen konnte. Nicht, dass Mystral dem guten ein Leben im Wald wünschte, schien es doch nirgendwo einen Wald zu geben, in dem nicht Werwölfe, Trolle oder zumindest Goblins ihr Unwesen trieben.

Phenton erklärte den Vieren das Problem. Ein Stück die Straße entlang, zwischen den Bäumen des Waldes, gab es einen alten Wachturm. Jener war schon halb zusammengefallen, fast schon eine Ruine. Dennoch hatten einige Banditen, wohl Goblins, den Turm als ihre Heimat ausgesucht. Dagegen war jetzt erstmal nichts einzuwenden, aber diese Goblins überfielen reisende und raubten sie aus. Auch das Dorf selber litt, da niemand mehr es wagte, zum Schloss Drachenspeer zu fahren und das Holz zu verkaufen. Der Bürgermeister der Stadt bot hundert Goldmünzen, würde dieses Goblinproblem gelöst, und außerdem würde die Karawane eh gegen diese Wesen kämpfen müssen. Was also lag näher, als sie anzugreifen, statt auf einen Hinterhalt zu warten.

Nach einigen Diskussionen stimmten alle vier, wenn auch nicht gerade froh, diesem Denken zu. Um umzukehren, war es jetzt schon zu spät, und wenn auch Mystral etwas matt witzelte, dass beim dritten Turm es Zeit zum Umkehren war, half es wohl alles nichts. Und so brachen am nächsten Morgen die vier Abenteurer, begleitet von den beiden Akrobaten, die sich mit Pfeil und Bogen in den Hinterhalt legen wollten, auf.

So ein Zirkus
« Antwort #35 am: 02. Juni 2010, 12:28:39 »
Die sechs Gestalten, die durch den Wald schlichen erreichten den Turm kurz vor der Mittagsstunde und ließen sich erst einmal die Zeit, sich den Turm näher anzusehen. Dazu musste man sagen, dass der Begriff Turm etwas zu hochgegriffen war für diese Ruine. Gerade einmal zwei Stockwerke erhoben sich über dem einigermaßen soliden Erdgeschoss, wobei das oberste Stockwerk mehr an einen angefaulten Zahn erinnerte. Das Dach fehlte völlig, und eine der Wände war weggebrochen und gab den Blick auf den Innenraum des Turms frei. In jenem stand ein grobschlächtiger Grottenschrat, offenbar der Ausguck der Goblins, und bohrte sich hingebungsvoll in einem Ohr. Ansonsten waren keine Wächter oder sonstigen Feinde zu erkennen.
Nach einer kurzen Besprechung entschied man sich, zum Leidwesen des ehrenvollen Ai, für eine recht hinterhältige Taktik. Die Überzeugung war, dass es bei diesem Angriff keine zeit geben würde, sich auszuruhen, und dass die Goblins vermutlich ihre Verteidigung darauf ausgerichtet hatten, das unterste Stockwerk zu befestigen und Feinden das Erklimmen des Turms schwerer zu machen. Als man zu diesem Schluss kam, war es Mystral, die anmerkte, dass man ja nicht von unten angreifen müsse. Als sie die verständnislosen Blicke ihrer Kameraden sah, grinste die Mephling listig und begann zu erklären.
Als alle diesem Plan, wenn auch etwas widerstrebend, zugestimmt hatten, war es an Katabatis, einen Vorschlag zu machen. Auch jener, ein Ablenkungsmanöver, stieß auf allgemeines wohlwollen. Und so begannen die Vorbereitungen auf den Angriff gegen die Goblins...

Leises Kratzen ertönte, als sich Mystral mit angestrengten Fingern an dem Mauerwerk des Turmes festhielt. Sie war, trotz ihrer Flügel, eine recht geübte Kletterin, und so war diese lockere Steinwand für sie ein Kinderspiel. Die Tatsache, dass ihre Flügel zur Not einen Sturz abfangen würden, gab ihr zusätzliche Sicherheit in ihrem Griff. Wichtiger war es, leise den Turm empor zu steigen. Deshalb kam es auch nicht in Frage für sie, empor zu klettern, denn ihre Flügel waren alles andere als lautlos. Ein wenig Erde, dass auf ihre Haut und Rüstung von Katabatis geschmiert wurden, schützte sie vor den Blicken zufällig schauender Goblins. Katabatis hatte auch gemeint, dass diese Kriegsbemalung ihre Bewegungen leise machen würde, aber Mystral konnte sich kaum erklären wie. Allerdings musste sie zugeben, dass es ihr selbst fast schwer viel, ihre Bewegungen zu hören. Während sie das erste Stockwerk erreichte, hörte sie von der Vorderseite des Turmes her Lärm aufkommen. Kurz musste die kleine Bardin schmunzeln, als sie erste alarmierte Rufe der Goblins vernahm. Es lief alles nach Plan...

Vor dem Turm hastete Katabatis durch den Wald, um ihn rasch zu umrunden. Ihr Gesicht zierte nicht ein Lächeln, sondern die konzentrierte Miene der Jägerin. Ihr war es endlich gelungen, nach langer Suche, ein geeignetes Stück Wild zu finden und auf den Turm zuzutreiben. Das verletzte Wildschwein quiekte laut, während es über die kleine Lichtung wetzte, auf der der Turm stand. Die alarmierten Rufe der Goblins galten ihm, und ein besonders großes Exemplar, wohl ein Hobgoblin, in schwerer Rüstung, wies hektisch dem Wildschwein hinterher. Es brüllte in seiner rauen Sprache etwas von "Folgt ihm! Das will ich zum Abendessen!" woraufhin vier Goblins hastig die Verfolgung aufnahmen.

Auf der Rückseite angekommen, ergriff das Wechselbalg sogleich das vom Turm herabhängende Seil, ließ den wenig sportlichen Hassad auf ihre Schulter steigen und kletterte den Turm empor. Sie stellte sich dabei nicht ganz so geschickt an wie Mystral, waren doch Schneeleoparden nicht unbedingt für ihre Kletterkünste bekannt, aber schaffte es dennoch recht leise bis ganz nach oben. Ihre Raubtieraugen betrachteten das Bild, welches sich ihr bot.

So ein Zirkus
« Antwort #36 am: 02. Juni 2010, 12:44:50 »
Das obere Stockwerk war genauso heruntergekommen, wie es von unten den Anschein hatte. Das einzige, was man als Möbel bezeichnen konnte, war ein großer, steinerner Stuhl. An jenen hatte Mystral das Seil, welches sie beim Hochklettern um ihre Hüfte geschlungen hatte, gebunden. Gerade jetzt hockte die Mephling mit gezogenem Kurzspeer hinter einer Armlehne und schaute nervös zu dem Grottenschrat. Erst als Mystral sah, dass der Zug auf das Seil nachliess, blickte sie kurz über die Schulter zu Katabatis empor, ebenso zu Hassad, der vorsichtig und ganz leise von der Schulter der Gestaltwandlerin stieg und sich auf dem Mauerrest niederließ.

Ansonsten gab es auf dem Plateu nur drei Dinge von Interesse. Das eine war ein großer Haufen aus Müll und abgestandenem Stroh in einer Ecke, der widerlich roch und offenbar eine Art Schlafstätte war. Aus diesem Haufen drang leises Schnarchen aus mehreren Kehlen. Neben jenem Haufen sah man die Reste einer Art von magischem Kreis. Es fiel Katabatis schwer, ihn einzuordnen, aber sie beschloss, dem Kreis erstmal fern zu bleiben, bis Mystral und Hassad näheres darüber sagen konnten. Das dritte, und derzeit interessanteste, war der große und grobe Grottenschrat, der immer noch Wache hielt. Er hatte sich inzwischen vorgebeugt, um die Wildschweinjagd besser verfolgen zu können. Das kam drei Fassadenkletterern nur gelegen. Hassad musste ein hämisches Kichern unterdrücken, als er begann, seine arkane, ungestüme Macht auf den Grottenschrat zu lenken und seinen Geist zu verwirren. Der Grottenschrat grunzte kurz verwirrt und drehte sich langsam um.. dann jedoch taumelte er drehend weiter, genau auf den Rand des Turms zu.. und fiel mit einem langgezogenen, dröhnenden Aufschrei gen Boden.. direkt neben dem Hobgoblin aufprallend. Er hinterließ eine sichtbare Kuhle im Boden, aber dank der phänomenalen Konstitution seiner Rasse, und einer gehörigen Portion Glück, brach er sich nicht das Genick, sondern blinzelte einfach nur etwas Dumpf zu seinem Vorgesetzten empor.

Jener starrte nicht weniger verwirrt auf seinen Untergebenen hinab und wollte ihn gerade fragen, ob er das Bier nicht vertragen würde, als ihn das laute Klirren einer Rüstung, das er vom Waldrand vernahm, aufschrecken ließ. Er konnte seinen Augen kaum glauben. Auf ihn und den Turm störte ein einzelner, schwer gerüsteter Krieger zu, sein Langschwert hoch erhoben, den Schild vorgestreckt. Fast erwartete der Hobgoblin, hinter ihm ein kleines Heer hervorbrechen zu sehen, aber nein, der Mann war alleine.. Und er hatte sie fast erreicht! Seine Verwirrung wurde von der jahrelangen Disziplin, die er als Hobgoblin eingehämmert bekommen hatte, verdrängt, und während er seinem Untergebenen aufhalf und sich in den Turm zurück zog, schrie er laut hallend "Wir werden angegriffen!"

So ein Zirkus
« Antwort #37 am: 04. Juni 2010, 11:21:01 »
Oben auf dem Dach hörten alle den lauten Ruf des Hobgoblins. Und tatsächlich stürzten schon Sekunden später mehrere zerlumpte Gestalten aus dem Haufen räudiger Felle, welcher ihnen als Lagerstätte diente. Sie blickten sich hektisch um, weiteten dann die Augen, als sie drei grimmig dreinblickende Gestalten vor sich sahen. Wie konnte sie so schnell zu ihnen nach oben kommen, und dabei nicht die Falle auslösen?!

Aus dem Fellhaufen stürzte sich zuerst ein Paar Wölfe hervor und sprang Katabatis und Mystral an. Die Gestaltwandlerin verzog das Gesicht, während sie sich mit ihrem Speer einen der Wölfe vom Leib hielt und einen Falken aus Feuer beschwor, welcher auf dem anderen herumpickte. Sie mochte es nicht, gegen Tiere zu kämpfen, die nur von schurkischen Goblins abgerichtet waren. Aber so, wie die Dinge standen, blieb ihr wohl keine andere Wahl. Mit einem lauten Fauchen ließ sie ihre Gestalt zu der Räuberin werden, der Schneeleopardin, deren Geist sie in sich aufgenommen hatte. Ihre Klauen schlugen tiefe Wunden in den Wolf, der Winselnd zurück wich. An seine Stelle trat eine fast unbekleidete Goblin, die mit einigem Geschick einen Speer schwang. So nah wollte Katabatis nackte Goblins eigentlich nie betrachten... Bevor sie jedoch weiter von der Goblin bedrängt werden konnte, traf jene ein Wurfspeer, geworfen von Mystral, und ließ sie zusammensinken. Die Mephling war in dem Kampf nicht unverletzt geblieben, ihr linker Arm färbte sich bläulich, da einer der Wölfe ihren Arm gebissen hatte. Ohne jedoch ihre Verletzung zu beachten, zog Mystral einen erneuten Speer. Jenen war sie dem letzten Goblin hinterher, ein ziemlich großes, muskulöses Exemplar, das hektisch in Richtung Treppe floh und dabei panisch versuchte, sich ein speckiges Kettenhemd überzuwerfen. Der Goblin schrie schmerzerfüllt auf, als der Wurfspeer sich in seinen allerwertesten bohrte, verschwand dann aber die Treppe hinab. Verfolgt wurde er von einem der Wölfe. Dem anderen hatte ein Säuregeschoss Hassads das Gesicht weg geätzt.

Es gab jedoch keine Zeit für eine Pause. Von unten konnten die Drei das Geräusch eines Kampfes hören. Offensichtlich hatte Ai bereits mit dem Hauptangriff begonnen, und wenn man nach der Vielzahl an Goblinkriegsschreien ging, stand er mindestens einem Dutzend der kleinen Wesen gegenüber. Rasch wurde das Seil einzogen und an der Vorderseite des Turmes herab geworfen. Mehr oder minder geschickt ließen sich Katabatis und Hassad am Seil hinab, während Mystral den etwas direkteren Weg vorzog. Dabei summte die Bardin kurz ein beruhigendes, leises Lied, und im selben Maße, indem es offensichtlich ihre Gedanken ruhiger werden ließ, durchströmte seine Wärme auch ihren Leib und ließ die Wunde verheilen. Irgendetwas sagte Mystral, dass sie jenes Lied heute nicht zum letzten Mal sang.

Amurayi

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So ein Zirkus
« Antwort #38 am: 01. Dezember 2010, 13:04:13 »
Spielt ihr noch weiter?
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