Auch wenn meine Kampagne seit längerer Zeit ruht, kann ich vielleicht noch etwas zur Diskussion beitragen. Meine Spieler befinden sich noch inmitten des "Crown of Shadows"-Abenteuers. Das Modul ist, wie hier schon gesagt wurde, als Kampagne angelegt und nicht zwingend knackig schwer. Nur wird es die Spieler auf eine andere Art und Weise wie die herkömmlichen D&D-Abenteuer herausfordern und vielleicht auch frusten. Der Feind, hier die Anhänger des Schattens und die übermächtigen Orks, soll/darf nicht bekämpft werden, sondern die Spieler müssen auf alle Fälle, Gegnerkontakt vermeiden. Zumindest sollten sie Auseinandersetzungen auf ein Mindestmaß reduzieren. Hack&Slash-Fans, wie auch Dungeoncrawler, werden keine Freude mit der Kampagne haben, da ihre Charaktere sehr schnell das Zeitliche segnen werden. Dummerweise wird jede Niederlage (oder auch ein Sieg) eine direkte Wirkung auf die Kampagnenwelt haben. Das macht den Reiz dieser Welt aus, kann aber auch bei wiederholtem Scheitern die Spieler frustieren.
Das Abenteuer "Crown of Shadows" hat aber ein weiteres Problem, dem man allerdings als erfahrener SL entgegenwirken kann. Da die Kampagne die Gruppe über einen ganzen Kontinent führt, der Seitenumfang des Moduls aber nicht so hoch ist, führt das schnell zu viel Leerlauf oder im schlimmsten Fall zu einem Abhaken der einzelnen Stationen. Vor allem im letzteren Fall, führt dies dazu, dass die Welt bei weitem nicht so bedrohlich wirkt, wie sie eigentlich sein sollte. Andererseits kann man schlecht den Charakteren auf jedem zurückgelegten Kilometer eine Orkpatroullie zumuten. Hier die Balance zu finden ist nicht einfach. Damit einher geht ein weiteres Problem. Um für die Spieler das Abenteuer möglichst abwechslungsreich zu gestalten, muß man ja weitere Begegnungen einfügen. Das führt aber dazu, dass die Charaktere zu schnell aufsteigen und am Ende deutlich über die vorgesehene Stufe 5 hinausschiessen.
In meinen Augen ist dieses Abenteuer einfach zu episch angelegt, um für Niedrigstüfler gegeignet zu sein. Andererseits ist es trotzdem eines der besten D20-Abenteuer, da es sich wohltuend von dem üblichen Dungeoncrawleinerlei abhebt. Nur sollte man sich im Klaren sein, dass man als SL eine Menge zu tun hat, um es auch ansprechend zu leiten.
Wie das Abenteuer ist auch das Setting speziell. Epischen Kampagnen vor einem düsteren Hintergrund stehen eingeschränkte Abenteuermöglichkeiten ohne wirkliches Happy End gegenüber. Midnight ist darauf ausgelegt, dass die Charaktere bestenfalls nur kleine Siege gegen das Böse erringen können. Einen wirklichen Triumph der Helden wird es nicht geben, es sei denn als krönender Abschluß einer Kampagne, die keine Rückkehr mehr ins düstere Setting zuläßt.
Regeltechnisch gesehen, ist Midnight für mich eine kleine D20-Offenbarung. Die Rassen und Klassen sind stimmig und im Vergleich miteinander spätestens seit der 2nd Edition auch balanced. Allerdings sind sie, insbesondere die Rassen, deutlich stärker als die vergleichbaren Völker der D&D-Regelwerke. Die Heldenpfade sind, neben dem in meinen Augen deutlich besseren Magiesystem, eine kleine revolutionäre Neuerung, die den Sprung mittlerweile sogar in unsere herkömmlichen Nichtmidnight-Kampagnen geschafft haben.