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Story Hour / Stadt der gläsernen Gesänge
« Letzter Beitrag von Nightmoon am 26. September 2023, 17:10:21 »Kapitel IX: Das Lied von Licht und Schatten
Grimwardt
Anauroch, Nacht vor der Schlacht
In den Geschichten, die er als Junge gelesen hatte, stellte er sich die Anauroch immer als einen brennend hellen Ort vor, an dem ständig das Heulen es Wüstenwindes zu hören war. Grimwardt hatte bisher nie die Zeit dazu gefunden, doch nun betrachtete er die Schönheit der Wüste bei Nacht. Die Sterne waren so klar über den Dünen zu sehen wie sonst nirgendwo und alles wurde beherrscht von der Stille. Es gab meilenweit nichts, was einen Ton hätte zurückwerfen können und so war es das völlige Fehlen des kleinsten Lautes, was ihm die Ruhe vor dem Sturm schenkte, als er außerhalb des Zeltlagers in seine Gebete vertieft war.
Mit dem ersten Purpur der sich anbahnenden Sonne, erklangen nun auch zunehmend die Zeltlager der Sandkrieger, der Elfen und der Talländer, die sich regten. Und bald der Lärm, den die Truppen der Umbranten vor sich herschoben. Er war inzwischen zu Scarlet zurückgekehrt. Zusammen mit den besten Kriegern und Zauberwirkern beider Lager, bildeten sie die Speerspitze in dieser Schlacht. Winters Gestalt, die über ihm schwebte und ihren Schatten auf sie warf, ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen, genau wie Fausts typisches Gelächter neben ihm. Es musste alles echt wirken und für alle die die beiden epischen Abenteurer nicht kannten tat es das auch. Für ihn wirkten die beiden illusorischen Doppelgänger zwar wie eine etwas überzogene Kopie seiner Gefährten, doch die Täuschung war fast tadellos. Winter hatte neben einer ordentlichen Portion ihrer neuen Macht auch sehr viel Liebe für die Details mit in den Zauber gewebt, so dass keiner ahnte, dass sie sich gerade an einem völlig anderen Ort befand. Sie hatten herausgefunden, dass der umbrische Meister der Erkenntnismagie einer von Telamonts abtrünnigen Söhnen war. Ihre Chancen standen also gut, dass ihr Bluff aufgehen würde. Doch zur Sicherheit war seine Verbindung zu Winter nun gekappt. Sollte sie jemand im stillen Gedankengespräch belauschen, könnte das alles ruinieren. Nach langen Jahren als Abenteurer war er nun also endlich wieder Teil - und Anführer - einer wahrhaften Schlacht. Faust konnte nur den Zweikampf genießen, doch das geplante Getümmel der entschlossenen Krieger die einander Vernichteten, das war es, was Grimwardts Herz innerlich beruhigte. Dieser Umstand war es wohl auch, der es zuließ, dass er seine Gefährten nicht verurteilte wie Hades es tat. Natürlich ging es ihm auch immer darum, für die gerechte Sache zu kämpfen. Doch war es seine Lust am Gemetzel, welche seine Leidenschaft immer wieder entfachte und auf das Schlachtfeld zog, anstatt in einem modrigen Saal Pläne zu schmieden und junge Soldaten als Ware des Krieges zu sehen.
„Elah steh uns bei. Warum sind es so viele, Onkel?" Der Auserwählte des Tempus wandte seinen Blick nun auch zu den Dünen, als das Ausmaß der umbrantischen Truppen sich zeigte. Doch Scarlet hatte recht. Es waren zu viele. "Scheinbar hat Telamont seine illusionsverliebten Zwillinge für diese Schlacht verpflichtet - oder was von ihnen noch übrig ist." Seine Augen gingen scharf hin und her. „Etwa ein Drittel der Truppen sind echt. Der Rest besteht aus einer mächtigen Illusion." Scarlet schnaubte ungeduldig. „Verdammt und wie sollen ich und meine Leute echte von falschen Gegnern unterscheiden?" Eindringlich blickte Grimwardt seiner Nichte in die Augen. „Tempus wird das Feld reinigen von jenen die keine Krieger sind. Nur wer blutet wird in diese Schlacht ziehen."
Ein unerfahrener Kriegsfürst hätte vermutlich bereits beim Anblick der übermächtigen Armee kapituliert. Ein erfahrenerer Heerführer hätte die Illusion durchschaut, sich aber um die Moral seiner Truppen Sorgen gemacht. Doch der Erste Heerführer des Schlachtenherrn wusste, dass dieser Zug nur eine Einladung war. Telamont würde nicht auf einen Taschenspielertrick setzen um zu siegen. Also reckte Grimwardt Ambrosia gen Himmel und sprach die heiligen Worte während seine Augen glühten. Nur die mächtigsten Priester des Krieges wurden von Tempus mit diesem Zauber gesegnet. Ehe die Sonne richtig aufgehen konnte, verdunkelten die Wolken den Himmel über dem Heer der Umbranten. Doch nun wuchs auch Grimwardts Sturm der Vergeltung weiter an als erwartet. Nein, ein weiterer Sturm gesellte sich dazu, um Grimwardts Zauber zu übertreffen und aufzulösen.
Dabei bemerkte er nun die Gestalt am Horizont, die sich ihm entgegenstellte. Er hatte bisher nur von Clariburnus Thantul gelesen und Geschichten gehört, doch ihm war sofort klar, wen er dort in den Reihen erblickt hatte. Die schwarzen Augen seiner Feindes ließen keinen Zweifel an dessen Optimismus. Er war sich sicher, diese Schlacht zu gewinnen. Groß, stark, gerüstet und Narbenübersäht. Ein Krieger wie er im Buche stand, mit einer fein gearbeiteten Rüstung, welche Tempus Wappen trug - und einer schwarzen Klinge. Fast hätte sich Grimwardt dazu hinreißen lassen sich umzudrehen um nach Scarlet zu sehen, doch sein Geist hielt stand. Ehe der Sturm von Clariburnus etwas gegen den von Grimwardt ausrichten konnte, zerfetzte der gewaltige Donner bereits die ersten Trommelfelle seiner Feinde. Grimwardt spürte, dass Clariburnus´ göttliche Kraft der seinen überlegen war, doch noch hielt er stand. Die Wolken öffneten sich und der Säureregen ergoss sich über die Umbranten. Für die meisten von ihnen war es schmerzhaft und demotivierend, doch die Trugbilder schmolzen dahin wie Kerzen. Erst jetzt obsiegte Clariburnus´ Sturm und breitete sich zur Antwort über den Kriegern der Alianz aus. Die falschen Abbilder von Winter und Faust verpufften unter einem Blitzeinschlag.
„DUCKEN UND DANN VORRÜCKEN! LASST EUCH NICHT TÄUSCHEN!" donnerte die von göttlicher Macht beseelte Stimme der Elah´ni gegen den Sturm an und Grimwardt folgte ihrem Kommando wie die anderen Kämpfer, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er wusste, dass die Schlacht ihn zu Clariburnus spülen würde, ob er diesen Kampf suchte oder nicht.
Faust
Gefängnis von Umbra, zur gleichen Zeit
„Also nochmal, damit ich diesen ganzen Wahnsinn in meinen Schädel kriege: Was zur verfluchten Hölle machen wir hier eigentlich?! Und wo bleibt diese verkackte Katze?" Vor einer Stunde klang die Idee für Faust noch gut, die ihnen dieser seltsame Kerl namens Fardo in den Kopf gesetzt hatte. Aber nun steckten sie in einer Zelle im Gefängnis ihrer Feinde. Zwar verkleidet, aber früher oder später würde ihre Maskerade auffliegen. Der fremde Glatzkopf hatte die Katze bereits vor einer halben Stunde losgeschickt, doch sie war immer noch nicht zurückgekehrt. Langsam kamen ihm Zweifel an der Geschichte. Hatten die Prinzen wirklich ihren jüngsten Bruder, das Wunderkind Brennus eingesperrt? Und war die Katze wirklich seine Vertraute? Arbeitete dieser Fardo wirklich für Brennus? Oder wusste Telamont, dass er einfach nur eine komplett irre Geschichte auftischen musste, um ein paar komplett Irre in sein Gefängnis zu locken? Sachlich und wie ein Wasserfall sprudelnd ergoss sich Fardos Anwort wie jedesmal über seiner Zuhörer, ob sie es wollten oder auch nicht. „In Anbetracht der Strecke, die die Katze zurücklegen muss und der Variablen, wen genau sie antreffen wird, ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie sich auf dem Rückweg zusammen mit einem Verbündeten befindet. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass sie aufgeflogen und nun bereits tot ist, was das baldige Erscheinen eines unserer Feinde zur Folge hätte. Wir müssen also gerade sowohl annehmen, dass die Katze noch lebt, als auch, dass sie tot ist - Ein Klassiker, nicht wahr?" Die säuerlichen Mienen der anderen Insassen spiegelten deren Ahnungslosigkeit, wie auch Entnervtheit. Der Umstand, dass der Fremde aus Darkon kam, einer Domäne jener gruseligen Nebelwelt, der Faust einst entkam, hatten ihn neugierig gemacht und der dicke Kerl war eindeutig klüger als sie alle zusammen, aber er hatte doch auch einen ordentlichen Dachschaden, was gesunden Menschenverstand anging. Oder besser gesagt Elaner-Verstand. Die fehlenden Augenbrauen und die Art seiner Gesten, hatten Faust erkennen lassen, dass Fardo ein Exemplar der seltenen Spezies war, der auch Omega angehörte.
„Mir ist ehrlich gesagt egal, ob sich gerade wer mit der Katze den Arsch abwischt oder ob sie jetzt Kaviar futtert, Hauptsache es geht weiter! Uns fehlt die Zeit für..." „Ihr? Das kommt... unerwartet." Melegaunt Tanthul, der verzichtbare Prinz stand vor ihnen, die Katze auf seinem Arm. „Habt ihr euch einfach gestellt oder steckt hier irgendein perfides Spiel dahinter?"
Drake klatschte in die Hände. „Na siehst du Winter, die Muschi hat es geschafft, du schuldest mir 2.000 Mäuse!" Faust lenkte die Aufmerksamkeit des Prinzen wieder auf sich. „Pass auf Mann, wir haben nicht viel Zeit! Dein fanatischer Bruder Rivalen hat sich mit ein paar anderen Brüdern zusammengetan und gegen deinen Papa verschworen. Brennus hat was mitbekommen und sie haben ihn eingesperrt und jetzt ist der Irre vermutlich bereits dabei Shar in seinen eigenen Körper zu beschwören, wie Karsus höchstpersönlich vor ihm!" Es herrschte ein Moment der Stille. Dann musste Melegaunt lachen. „Eure Geschichte ist doch frei erfunden, und dabei nichtmal besonders gut! Auch wenn Rivalen radikaler ist als mein Vater wäre er niemals so töricht! Wenn er Shar in sich avatieren lässt würde die ganze Stadt..." Der Prinz geriet ins stocken und Fardo nickte grinsend ehe er fortsetzte. „Nein... sie würde nicht abstürzen. Der Mythal kann ja nun vom anderen magischen Gewebe zehren, seit ihr den anderen Knoten vom Schattengewebe befreit habt. Wenn ich es mir recht überlege... Das erklärt auch, wie die Elani entkommen konnte. Man hat sie laufen lassen... Und es war Yder, Rivalens rechte Hand, der mich entsandte um Rasilith zu schützen." Deprimiert wie ein gescholtener Hund schaute der Prinz drein und schien um einige Zentimeter geschrumpft zu sein. „Er wusste, dass ich nichts gegen euch ausrichten würde. Es gehörte alles zu seinem Plan."
Lärm und ein monströses Kreischen weiter hinten unterbrach seine Gedankengänge. „Das sind Yders Veserab-Reiter! Wir müssen uns beeilen!" Faust brummte der Kopf, er wollte nicht mehr warten. „Ja, schön! Dann bring uns doch bitte jetzt zu Papa und wir regeln die Sache." Melegaunt schüttelte den Kopf. „Unmöglich, er empfängt und traut niemandem mehr, seit er aus der Kerzenburg zurückgekehrt ist. Was auch immer ihr zu ihm gesagt habt, es hat ihn sehr misstrauisch gemacht. Ich habe keine Ahnung wo er sich versteckt hält und wohl auch sonst niemand. Ich versuche ihn irgendwie zu finden, aber ihr..." Er schrumpfte noch ein paar Zentimeter und blies dabei die Luft aus. „Ihr müsst Rivalen aufhalten. Ich teleportiere euch in den Tempel. Danach müsst ihr alleine zurechtkommen."
Vermutlich war es nicht klug gewesen, aber Faust genoss diesen Augenblick, als auf einmal er und die anderen meist gefürchteten Feinde Umbras in der Mitte des Tempels von Shar standen und Panik unter den Umbranten ausbrach. Sie stürmten aus dem Tempel, als wäre Selune selbst in ihr allerheiligstes eingedrungen. Auf der Kanzel stand Rivalen. Höchster Priester der Shar und zugleich Erzmagier der Akademie. Faust hatte keine Zweifel, dass der mächtigste der Prinzen Fähig war Shar in seinen Körper zu befehlen. Sein Gesicht zeigte keine Furcht, nur eine leichte Verärgerung. „Es scheint, als hätte mein Vater recht gehabt, was euch und eure Manieren angeht. Aber ihr seid doch cleverer als ich gedacht hätte. Ich bin neugierig. Sagt mir, wie seid ihr mir auf die Schliche gekommen!" Fardo wollte gerade ansetzen um alles im Detail zu erzählen, doch Faust unterbrach ihn jäh. „Das spielt jetzt keine Rolle mehr, Prinzlein. Wir wissen, was du vorhast und ich werde dir nicht die Chance geben deine Grufti-Schlampe von einer Göttin auf unsere Welt loszulassen." Das überhebliche Grinsen auf Rivalens Gesicht gefiehl ihm nicht. „Mir nicht die Chance geben? Es ist wirklich erheiternd, wie naiv ihr seid. Doch eure Blasphemie wird euch bald teuer zu stehen kommen." Winter meldete sich in seinem Kopf: Faust, das ist ein Trugbild! Er will Zeit schinden! Faust rannte los, den falschen Rivalen ignorierend. „Spar dir dein Gelaber. Jetzt weiß ich, dass du es eilig hast, Prinz von Umbra!" Auf einen stillen Befehl hin wurden sie nun von einer Priesterin und Tempelkriegern angegriffen. Die Schreie und das zischende Quietschen ihrer verdorrten Körper hinter ihm, ließen Faust jedoch wissen, dass Winters Magie und Fardos Psychotricks die Lage unter Kontrolle hielten.
Miu und er erreichten Rivalens Zimmer. Melegaunt hatte ihnen eine kurze Instruktion gegeben, wie er das Portal benutzen musste. „Na los Miu, eher er den Zauber durchziehen kann." Die kleine Karaturianerin blieb stehen. „Warum eigentlich?" Was für eine bescheuerte Frage war das denn? „Was soll das heißen, warum? Hast du was auf den Kopf bekommen?" Sie schaute ihm ernst in die Augen. „Was erreichen wir denn, wenn wir Rivalen töten? Telamont wird den Krieg weiterführen. Es wird sich nichts ändern." Ungeduldig sog Faust die kühle Luft durch die Nase ein. „Das fällt dir ja früh ein. Das sind zumindest er und vielleicht noch ein paar Prinzen weniger. Hast du eine bessere Idee?" Miu schaute sich um und eine ungewohnte Kälte und Entschlossenheit trat in ihre Stimme. „Wir könnten Shar töten. Du könntest Shar töten." Eine endlos scheinende Pause zeigte ihr, dass Faust der Gedanke gefiehl, auch wenn er gerade noch andere Pläne hatte, aber es wäre nicht das erste mal, dass er seine Pläne von einem auf den anderen Moment änderte. Miu wusste das und er wusste auch, dass sie ihn gerade manipulierte. Doch es war ihm egal. „Du weißt warum ich dir folge, oder? Was dich zum Auserwählten macht? Ich habe die Wahrheit lange nicht verstanden, warum die Ahnen mich zu dir sandten. Aber du hattest recht. Wir sind besser ohne sie dran. Ohne die Götter. Ich sehe es inzwischen, Fardo sieht es genau so und auch du weißt es." Sie sprach ihm aus der Seele, doch er spürte, dass sie nicht mehr seine Miu war. Er hatte sie verändert. Es hätte ihm ein Gefühl der Genugtuung geben sollen, doch es fühlte sich falsch an. „Miu..." ihre Hand griff ihn feste am Arm. „Das ist die beste Gelegenheit. Das Schicksal hat dich dafür hier hergeführt! Du kannst jetzt die Welt retten und diesen Krieg beenden!" Scheiße, sie hatte recht.
„Warum seid ihr noch nicht durch das Portal gegangen?" Winter, Drake und Fardo waren nun auch da. Faust beendete gerade einen seiner Stärkungszauber. „Das machen wir zusammen. Sie werden wissen, dass wir kommen und uns mit Zaubern und Dunkelheit vernichten wollen. Seid ihr dafür bereit?" Alle nickten. Tatsächlich war er der einzige, der in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Doch es gab auch andere Wege als Magie. Nachtmond, Omegas bestiales Schoßtier war immer ein unangenehmer Zeitgenosse gewesen, doch hatte er Faust auch gelehrt, seine Instinkte zu schulen. Und die meisten Gegner, die sich auf ihre leisen Schritte und Unsichtbarkeit verließen, dachten nicht an ihren eigenen Geruch. Eine Schwäche, ohne die Faust keine Chance gehabt hätte.
Sobald sie den Raum betraten umfing sie eine undurchdringliche Finsternis und ein Hagel aus Zaubern. Trotz der mächtigen Schutzzauber, die Winter und Fardo gewirkt hatten wurde es schnell brenzlig. Drake entging den meisten Angriffen durch seine Geistergestalt, Winter und Faust konnten durch ihre Zauber und Manöver zumindest den schlimmsten Wunden entgehen. Miu und insbesondere Fardo hingegen hatten stark mit der schieren Menge an roher Magie zu kämpfen und gingen fast in die Knie. Faust roch hinter einem Schleier aus Schutzzaubern die Präsenz von Yder und einem weiteren Prinzen, doch war noch etwas. „Sie haben Schattenklone dabei! Wir müssen Dethud ausschalten um sie loszuwerden!" Rief Winter, während ihre Seelenmagie langsam die Barrieren des Prinzen zersetzte. Gerade noch rechtzeitig konnte Fardo sie mit einem psionischen Schild verteidigen. Yder hingegen warf sich gegen Miu. Im letzten Augenblick bemerkte Faust die Finte, die ihn aus der Ebene hätte bannen sollen. Doch er schaffte es auch ohne in die magische Falle zu treten, Miu zu helfen. Auch wenn er dafür nun den gewaltigen Schalg von Yder ertragen werden musste. Es war jedoch Fardos Psistrahl, der dabei war Yders Geist aufzulösen und Faust vor dem Hieb bewahrte. Dafür ließ der Streiter der Shar seinen Schild gegen den Strahl gerichtet Zerfetzen und Fardo wurde von den Scherben und seiner eigenen Kraft getroffen. Gut nur, dass er quasi in Mius Arme fiel. Dumm gelaufen, aber gut für mich, dachte sich Faust, denn nun war Yders gefährlicher Schild vernichtet und Faust musste sich nicht mehr zurückhalten. Zwiespalt ignorierte die Drachenrüstung und zerfetzte Stück für Stück den Körper des Umbranten. Sein Konter hinterließ kaum mehr als einen Kratzer und Faust bekam seine Genugtuung, als die beiden Spitzen seines gespaltenen Schwertes das Herz von Yder Tanthul durchbohrten und dieser zu Boden sackte.
Ein Geschoss traf Faust an der Schulter und warf ihn nach hinten. Scheiße, nicht schon wieder, sie wollen ihn wieder retten! Unerwartet stand Winter plötzlich neben dem sterbenden Prinzen und blitzschnell fuhr ihr Dolch durch seine Kehle und besudelte sie mit einer Menge an Blut, die mit dem Leben nicht vereinbar war. Die gewaltige Macht ihrer Magie ließ ihn manchmal vergessen, dass seine Gefährtin auch eine hervorragende Attentäterin hätte werden können, deren Dolch immer die empfindlichsten Stellen traf.
Leider war das die Gelegenheit für Dethud gewesen, seine Schutzzauber wieder aufzubauen und es ging von vorne los. Verdammt, ich muss irgendwie da rein! Anstelle einer Anwort packte ihn eine kalte Hand und ließ ihn ätherisch werden. Halt die Klappe und greif an, sobald ich dich loslasse, Senftopf! hörte er Drakes Stimme in seinem Kopf, während sie durch den ungeschützten Boden waberten. Er hätte gerne mit ihm diskutiert, warum er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen wollte, doch er kannte Drakes Talent sich aus den gefährlichsten Situationen herauszuhalten. Und ehrlich gesagt wollte er genau diesen Moment des Ruhms für sich beanspruchen. Drake ließ los. Es war nur ein einziger sauberer Schlag und Dethuds Gesicht schaute noch immer ungläubig, als sein abgetrennter Kopf auf dem Boden aufprallte. „Das war der vierte..."
„Er ist nicht hier. Uns rennt die Zeit davon!" Rief Winter gehetzt, während Miu die Wunden versorgte. „Vielleicht strengt unser schwabbeliger Katzenliebhaber mal seinen haarlosen Kopf an und sagt uns wo wir den letzten von der Liste finden. Ich würde gerne die Belohnung einstreichen, die Szass Tam mir dafür geben wird." Drängte auch Drake auf seine liebenswerte Art, worauf Fardo natürlich gleich zu einer ausführlichen Antwort ansetzte: „Betrachten wir hierbei sämtliche Variablen unter dem Licht der Wahrscheinlichkeit, so lassen sich diverse Positionen zwar nicht ausschließen, sie bewegen sich jedoch im Feld des Unwahrscheinlichen. Wir sollten unseren Fokus also auf jene Koordinaten richten, welche eine Prozentuale Wahrscheinlichkeit größer als oder gleich einiger Prozent..." „Wir kehren zu unserem ursprünglichen Plan zurück." Unterbrach Faust ihn und schaute dabei Winter tief in die rastlosen Augen. „Du musst den Mythal zerstören! Rivalen hat genau das vielleicht auch bedacht und befindet sich nun dort. Auch als Shar hat er kein Interesse daran, dass seine Stadt abstürzt und seine Anhänger sterben." Fardo nickte beipflichtend, während er sich durch den nicht vorhandenen Kinnbart strich. Winter schüttelte jedoch den Kopf. „Faust, ich..." „Nein, erzähl mir jetzt nicht schon wieder, was du nicht kannst! Du bist es Elias und den anderen schuldig! Du wirst Karsus den Mittelfinger zeigen und diese beschissene Stadt abstürzen lassen!" Winter schluckte betroffen. Doch dann trat eine fatalistische Entschlossenheit in ihren Blick. „Na gut. Gebt mir eure Hände! Wir teleportieren zum Mythal!"
Grimwardt
Anauroch, Schlachtfeld vor Umbra
Wieder und wieder durchtrennte Ambrosia seine Gegner, während ihre Angriffe an seiner Rüstung und seinem Schild zerschellten. Scarlet versengte die Umbranten mit gleißend hellen Mondstrahlen und Laguna schnitt zusammen mit Kalid, Nerul und seinem Vater ihre Reihen. Es war ein erhebendes Gefühl mit ihnen allen in die Schlacht zu ziehen und die Feinde der Allianz zu fällen. Besonders an der Seite seiner alten Gefährten, dem Löwen Mielikkis und dem obersten Marshall von Myth Draenor zu streiten verlieh ihm die Kraft das feindliche Heer zu teilen und sich dem falschen Grimwardt unaufhaltsam zu nähern. Seiner Schwester wäre es sicher lieber gewesen, wenn er sich mit Scarlett zurückgezogen hätte, doch sie verstand nichts von solchen Dingen. Ihre Tochter jedoch hatte seine Werte verinnerlicht, was ihn mit ganzem Stolz erfüllte, egal für welchen Gott sie stritt. Gerade hatte er noch einem Veserab den Flügel durchtrennt, als eine dunkle Welle der Kraft seine Gefährten zurückwarf. Geistesgegenwärtig hatte er Scarlet mit seinem Schild geschützt und nun standen nur noch sie beide vor ihrem Gegner. Der Anführer des umbrantischen Heeres grinste höhnisch, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Ohne es zu merken, hatte Grimwardt die fliegende Bestie von Clariburnus selbst zur Strecke gebracht.
„So begegnen wir uns Endlich, Auserwählter des Tempus." Einander musternd umkreisten sich die Gegner, während beide sich durch ihre Zauber in immer mächtigere Abbilder ihres Gottes verwandelten. „Ich diente dem Feindhammer bereits, als er noch ohne seinen Helm in die Schlacht zog, als er noch wild und aufbrausend war, nach seinem Sieg über Targus." Erst jetzt bemerkte Grimwardt, dass die Schlacht zum erliegen gekommen war und sich alle Blicke auf die beiden Diener des Feindhammers richteten. „Kämpfen wir, Grimwardt Fedaykin! Nach dem althergebrachten Gesetz der Vorkämpfer. Nur ihr und ich. Und der Gewinner hat die Schlacht gewonnen. Schont das Leben eurer Krieger... und Kriegerinnen." Sein Blick schielte in böser Absicht zu Scarlet.
Grimwardt hielt einen Moment inne, um die Situation abzuwägen. Dann drehte er sich um und kniete vor ihr nieder, wissend, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. „Ich bitte euch, Elah´ni, im Namen meines Gottes: Lasst mich diesen Kampf austragen und bringt meine Truppen weit weg und in Sicherheit!" Mit gesenktem Haupt hielt er ihrem Blick stand. Ihren eigenen Stolz überwindend nickte sie ihm zu. „Gut. Tut es. Gewinnt diese Schlacht für uns, Onkel!" Widerwillig drehte sie sich um und verließ langsam den Schauplatz zusammen mit seinen anderen Gefährten. Ein Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, doch zugleich das bestärkende Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Gestärkt richtete er sich wieder auf und blickte in die Augen seines Feindes. „Gut gespielt, Grimwardt. Obgleich es für mich ruhmreicher gewesen wäre euch vor den Augen eurer Truppen zu töten. Seid ihr bereit in die Hallen von Tempus zurückzukehren?" Noch einmal sog Grimwardt die heiße Wüstenluft ein. Und da er Tempus´ Segen auf sich spürte, antwortete er gefasst und schlug seine Axt martialisch gegen seinen Schild. „Fangen wir an!"
Und Clariburnus fing an. Von einem Auf den anderen Moment stand er in Grimwardts Rücken und rammte die Schwarze Klinge in seine Wirbelsäule. Sein herumwirbelnder Axthieb hätte Clariburnus eigentlich hart treffen müssen, doch dieser hatte sich sofort wieder hinter Grimwardt teleportiert und schlug wieder empfindlich zu. Als wäre das nicht schlimm genug, spürte er, wie das Schattenschwert ihm einen seiner Zauber beraubte und diesen auf seinen Träger übertrug. Elende Derwisch-Technik. Dachte er sich und beendete das Spiel mit einer Antimagischen Zone. Clariburnus kam zum Stillstand. Dabei fiel Grim auf, dass unter den wabernden schwarzen Wolken der Klinge eine Waffe lag, die eher einer Glefe ähnelte, länger als erwartet. Sein Gegner hielt also gerne Abstand. Dummerweise wusste Clariburnus diese Reichweite nun auch zu nutzen. Er hatte zu viele Duelle gewonnen um sich von einer Antimagischen Zone aus der Ruhe bringen zu lassen. Immer wieder tänzelte er erstaunlich behände um Grimwardt herum und erwischte ihn an seinen ungerüsteten Stellen. Auch er selbst landete immer wieder Treffer mit Ambrosia, doch er musste sich eingestehen, dass der erfahrenste Krieger der Umbranten sich ohne Magie scheinbar wohler fühlte als er selbst. „Genug herumgehüpft!" Er unterbracht den nächsten fatalen Hieb, indem er seine Zone der Antimagie fallen ließ und sich in seinen mächtigsten Schutzzauber hüllte. Die Regenbogensphäre umschloss ihn und gewährte ihm die Möglichkeit sich schnell zu heilen und zu stärken. Dabei vernahm er die Stimme seines Gegners. „Das sieht ja hübsch aus. Bei meinen Brüdern besteht das Ding immer aus Grautönen. Ihr habt wirklich Geschmack, Auserwählter des Tempus. Aber wollt ihr nicht herauskommen und kämpfen?" Was folgte war ein Katz- und Mausspiel. Grimwardt Schritt aus seiner Sphäre heraus um anzugreifen, Clariburnus teleportierte, Grimwardt hechtete wieder in seine Sphäre. So ging es eine ganze Weile weiter... Bis die Erde und der Himmel plötzlich zu beben schienen. Im letzten Moment flüchtete sich Grimwardt in seine Sphäre, als eine Lawine aus Sand sich über ihm und Clariburnus ergoss.
Winter
Umbra, Einige Minuten zuvor
Offenbar war der Raum des Mythals gegen Teleportation geschützt. So landeten sie in einem Gang, der sich in der Nähe befinden musste. An dessen Ende befand sich ein ominöser Vorhang. Schon nach dem ersten Schritt hörte sie eine bekannte und doch befremdlich klingende Stimme in ihrem Kopf und die Vision einer Schlacht im heißen Wüstensand spülte sich vor ihre Augen. Der Grim aus ihren Alpträumen stand mit einem Fuß auf der Blut spuckenden Scarlett und schaute Winter direkt in die Augen. „Ich bin hieeer! Und nun werde ich es beenden. Sag deiner Tochter aufwiedersehen!" Die Vision endete. All ihre Instinkte wollten sie sofort in die Anauroch teleportieren um Scarlet zu retten. Doch es waren kleine Details in der Vision, die nicht passten. Der genaue Ort, Eine Leiche die im falschen Winkel da lag. Sie hatte diesen Alptraum so oft wieder und wieder durchlebt, dass sie jede grausame Kleinigkeit verinnerlicht hatte. Faust trat zu ihr „Alles klar?" Sie schüttelte ihren affektiven Wunsch zu verschwinden ab und nickte. „Rivalen. Oder ein anderer Prinz. Er versucht mich mit meiner Vision in die Wüste zu locken." Faust spuckte aus. „Dieser Bastard. Er will dich verarschen." „Ich weiß, aber er wird schlampig. Ich glaube wir sind hier genau richtig."
Sie schritten weiter den Gang entlang. Keine Fallen, keine Wächter. Nur dieser Vorhang, den Faust nun lüftete und seine Begleiter im gleichen Moment Damit bewarf. „Was soll das? drehst du jetzt komplett durch, Senftopf?"Drakes Empörung wurde durch ein Scheppern unterbrochen. Als Winter sich vom Vorhang befreit hatte, stand Faust auf einem umgeworfenen Spiegel. „Ich hab davon gelesen. Die Dinge sperren entweder deine Seele ein oder erschaffen einen rachsüchtigen Doppelgänger von dir, wenn du reinschaust. Beides keine tolle Option. " Es waren diese Momente, die Winter immer wieder ins Gedächtnis riefen, wie vielseitig begabt der Kämpfer unter seiner grobschlächtigen Hülle war.
Sie tasteten die scheinbar nackte Wand ab, bis Drake aus seiner Geisterform zurückkehrte und mit einer belanglosen Geste einen geheimen Schalter betätigte. „Gern geschehen. Dahinter ist ein Portal. Ich denke ihr seid da." Winter runzelte die Stirn. „Ihr seid da? du meintest wohl wir?" „Nein danke, den Rest erledigt ihr. Oder auch nicht. Ich hab das Gefühl, dahinter lauert nur der Tod. Also, war schön euch gekannt zu haben. Aber mit meinem Herzen bin ich ganz bei euch! Wenn ihr es verkackt bekomme ich schließlich nur einen Teil der Belohnung. Also, macht mich stolz!"
Mit diesen Worten verschwand der Attentäter. Außer Fardo war niemand überrascht. „Oh, das kam etwas unerwartet, aber euren Blicken nach zu urteilen, hattet ihr solch ein Verhalten bereits einkalkuliert." Sie zuckte mit den Schultern. „Ja. Er ist ein Arsch." Diese Antwort schien ihm zu genügen. „Na gut. los geht es!" Tief einatmend folgte Winter den anderen in das dunkel wabernde Portal.
Ein kurzer heftiger Schmerz erfasste ihren Verstand, als sie sich nach dem Betreten gleich in einem schattigen Mahlstrom wiederfand, der ihren Geist angriff. Wie sie bemerkte, schienen auch die anderen dem Sog zu widerstehen - bis auf Faust, der wie ein ertrinkender Hund in das gefährlich aussehende Zentrum gesogen wurde. Den Mythal. Und in der Luft darüber flog... „RUNTER!" im letzten Moment konnten ihre Gefährten ausweichen, während Winter selbst sich mit einer magischen Barriere vor dem seelenfressenden Odem des großen Schattendrachen schützte. „Fardo, kümmer dich um Faust!" Zusammen mit Miu folgte der Psioniker Winters Anweisung und befreite den Geist ihres Freundes.
Sie konzentrierte sich auf den Mythal, doch ihn zu bewegen bedeutete, die ganze Stadt zu bewegen, wie sie schnell merkte. Also konzentrierte sie sich stattdessen auf den Drachen, der nun zum Angriff auf sie ansetzte. Ihr neues drittes Auge glühte mit dem Feuer der ersten Göttin der Magie und eine Woge aus purer Kraft erfasste die überraschte Kreatur und schleuderte ihren Körper direkt in den Mythal, der sie innerlich verbrannte. Doch die Freude über ihren Triumph wisch einem Moment der Panik, als sie die Gestalt sah, die über dem Mythal thronte. Rivalen Tanthul, nein, nicht mehr. Sie waren zu spät. Sie sah und spürte es. Shar war fast ganz in seinen Körper herabgefahren und drohte jeden Moment in all ihrer schrecklichen Herrlichkeit komplett zu manifestieren.
Ihre Knie wurden schwach. Ihre Gefährten waren nicht mehr zu sehen. Waren sie schon tot? Die Präsenz einer der mächtigsten Göttinnen ließ all ihre Hoffnungen schwinden. Bis Faust sie unsanft herumriss und sie mit seinem Blick durchbohrte. „Ich fliege jetzt da rauf. Aber du musst sie schwächen, mit dem Mythal!" Tränen standen in ihren Augen in Anbetracht der immer stärker werdenden göttlichen Aura. „Wir sind zu spät Faust. Wir haben verloren." „Sieh mich an! Wir sind genau richtig. Das ist der Moment in dem wir alles ändern können." Seine Hände lösten sich von ihren Schultern. „Wir sehen uns auf der anderen Seite, Winter." Dann flog er hinauf in sein Verderben.
Sie hatte den Tod schon akzeptiert. Aber er hatte Recht. Sie würde nicht kampflos untergehen. Kaum mehr anwesend nahm sie wahr, wie Fardo niedergestreckt wurde und bewusstlos oder tot in der Luft schwebte. Wie Miu ungewöhnlich aggressiv angriff und doch selbst auch scheiterte. Und wie Faust seinen Zorn auf alles Göttliche freien Lauf ließ. Wie eine simple Handbewegung der Göttin seinen halben Körper zerfetzte, während seine Klinge immer wieder schattiges Götterfleisch aus Shars Leib schnitt - scheinbar vergeblich. Doch all das ließ sie nun im Hintergrund ihres Bewusstseins verschwimmen. Ein kurzer Moment der Ruhe ließ sie die Welt um sich herum anders sehen. Sie sah alles in ihrer Umgebung in seine Bestandteile aufgelöst. Alles war Teil eines Gewebes. Das meiste war bloße Materie. Simpel zusammengesetzte Bestandteile, die zusammen eine feste Anhäufung ergaben. Doch hier trafen nun auch die gewaltigen Mengen des Schattengewebes und der magischen Verknüpfungen des Mythals aufeinander. Er sah so vollkommen aus. Ein Gebilde von Sterblichen erschaffen und doch stark genug einen Gott zu verletzen. Die meisten verstanden das Gewebe der Magie nicht, da die Metapher nicht ganz eindeutig war. Doch sah man es so vor sich, so vollkommen, sah man wie kunstvoll die Bestandteile der Existenz miteinander verwoben waren und so zu etwas neuem wurden, mehr als die Summe seiner Teile, eine Emergenz - Magie. Und der Mythal war die Krone der magischen Schöpfung in all seiner Komplexität. Ließe er sich doch nur bewegen. Ihr Blick auf die magische Kugel wurde durch einen Schleier des Schattengewebes unterbrochen. In diesem Moment fand sie sie... die Schwachstelle. Telamont hatte einst die Stadt vor dem Absturz bewahrt. Mit seiner eigenen Magie aus Schatten. Sie musste nicht den Mythal zerstören! Nur seine magische Verbindung zu der fliegenden Stadt, den magisch gewobenen Anker, der die Kugel mit Umbra verband!
Sie setzte all ihre Konzentration in einen gewaltigen Auftrennungszauber. Fast tat es ihr selbst weh, als ihre Magie des Nichts die Fäden des Schattengewebes um den Mythal herum zerriss... Und sie den Boden unter den Füßen verlor. Umbra stürzte in die Tiefe und der Mythal war befreit. Winter wurde eins mit seiner rohen Kraft. Sie verband sich intuitiv mit ihm. Etwas wofür ein Magier hätte Jahre lang studieren müssen. Doch als die vielleicht mächtigste lebende Zauberin Faeruns atmete sie die Magie wie Luft. Sie musste sie nicht verstehen, nur fühlen. In diesem Augenblick war es Winters Mythal. Und sie ließ ihn nach oben schießen. Ein Kampf zwischen magischem und Schattengewege entbrannte, als die Kugel Shars Körper traf. Die Anstrengung war eigentlich zu viel für sie, doch Winter wusste, was auf dem Spiel stand und setzte unerbittlich nach, all die Seelenenergie verbrauchend, die sie in sich trug. Ein letzter Blick hinauf. Auch Faust rann das Blut aus Nase, Augen und zahllosen Wunden, als sich alle verbliebenen Muskeln in seinem Leib bis zum bersten anspannten. Dann schlug er zu und die Welt wurde schwarz. Ein letzter kalter Schmerz bohrte sich in ihre Schulter.
Grimwardt
Anauroch, Nacht vor der Schlacht
In den Geschichten, die er als Junge gelesen hatte, stellte er sich die Anauroch immer als einen brennend hellen Ort vor, an dem ständig das Heulen es Wüstenwindes zu hören war. Grimwardt hatte bisher nie die Zeit dazu gefunden, doch nun betrachtete er die Schönheit der Wüste bei Nacht. Die Sterne waren so klar über den Dünen zu sehen wie sonst nirgendwo und alles wurde beherrscht von der Stille. Es gab meilenweit nichts, was einen Ton hätte zurückwerfen können und so war es das völlige Fehlen des kleinsten Lautes, was ihm die Ruhe vor dem Sturm schenkte, als er außerhalb des Zeltlagers in seine Gebete vertieft war.
Mit dem ersten Purpur der sich anbahnenden Sonne, erklangen nun auch zunehmend die Zeltlager der Sandkrieger, der Elfen und der Talländer, die sich regten. Und bald der Lärm, den die Truppen der Umbranten vor sich herschoben. Er war inzwischen zu Scarlet zurückgekehrt. Zusammen mit den besten Kriegern und Zauberwirkern beider Lager, bildeten sie die Speerspitze in dieser Schlacht. Winters Gestalt, die über ihm schwebte und ihren Schatten auf sie warf, ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen, genau wie Fausts typisches Gelächter neben ihm. Es musste alles echt wirken und für alle die die beiden epischen Abenteurer nicht kannten tat es das auch. Für ihn wirkten die beiden illusorischen Doppelgänger zwar wie eine etwas überzogene Kopie seiner Gefährten, doch die Täuschung war fast tadellos. Winter hatte neben einer ordentlichen Portion ihrer neuen Macht auch sehr viel Liebe für die Details mit in den Zauber gewebt, so dass keiner ahnte, dass sie sich gerade an einem völlig anderen Ort befand. Sie hatten herausgefunden, dass der umbrische Meister der Erkenntnismagie einer von Telamonts abtrünnigen Söhnen war. Ihre Chancen standen also gut, dass ihr Bluff aufgehen würde. Doch zur Sicherheit war seine Verbindung zu Winter nun gekappt. Sollte sie jemand im stillen Gedankengespräch belauschen, könnte das alles ruinieren. Nach langen Jahren als Abenteurer war er nun also endlich wieder Teil - und Anführer - einer wahrhaften Schlacht. Faust konnte nur den Zweikampf genießen, doch das geplante Getümmel der entschlossenen Krieger die einander Vernichteten, das war es, was Grimwardts Herz innerlich beruhigte. Dieser Umstand war es wohl auch, der es zuließ, dass er seine Gefährten nicht verurteilte wie Hades es tat. Natürlich ging es ihm auch immer darum, für die gerechte Sache zu kämpfen. Doch war es seine Lust am Gemetzel, welche seine Leidenschaft immer wieder entfachte und auf das Schlachtfeld zog, anstatt in einem modrigen Saal Pläne zu schmieden und junge Soldaten als Ware des Krieges zu sehen.
„Elah steh uns bei. Warum sind es so viele, Onkel?" Der Auserwählte des Tempus wandte seinen Blick nun auch zu den Dünen, als das Ausmaß der umbrantischen Truppen sich zeigte. Doch Scarlet hatte recht. Es waren zu viele. "Scheinbar hat Telamont seine illusionsverliebten Zwillinge für diese Schlacht verpflichtet - oder was von ihnen noch übrig ist." Seine Augen gingen scharf hin und her. „Etwa ein Drittel der Truppen sind echt. Der Rest besteht aus einer mächtigen Illusion." Scarlet schnaubte ungeduldig. „Verdammt und wie sollen ich und meine Leute echte von falschen Gegnern unterscheiden?" Eindringlich blickte Grimwardt seiner Nichte in die Augen. „Tempus wird das Feld reinigen von jenen die keine Krieger sind. Nur wer blutet wird in diese Schlacht ziehen."
Ein unerfahrener Kriegsfürst hätte vermutlich bereits beim Anblick der übermächtigen Armee kapituliert. Ein erfahrenerer Heerführer hätte die Illusion durchschaut, sich aber um die Moral seiner Truppen Sorgen gemacht. Doch der Erste Heerführer des Schlachtenherrn wusste, dass dieser Zug nur eine Einladung war. Telamont würde nicht auf einen Taschenspielertrick setzen um zu siegen. Also reckte Grimwardt Ambrosia gen Himmel und sprach die heiligen Worte während seine Augen glühten. Nur die mächtigsten Priester des Krieges wurden von Tempus mit diesem Zauber gesegnet. Ehe die Sonne richtig aufgehen konnte, verdunkelten die Wolken den Himmel über dem Heer der Umbranten. Doch nun wuchs auch Grimwardts Sturm der Vergeltung weiter an als erwartet. Nein, ein weiterer Sturm gesellte sich dazu, um Grimwardts Zauber zu übertreffen und aufzulösen.
Dabei bemerkte er nun die Gestalt am Horizont, die sich ihm entgegenstellte. Er hatte bisher nur von Clariburnus Thantul gelesen und Geschichten gehört, doch ihm war sofort klar, wen er dort in den Reihen erblickt hatte. Die schwarzen Augen seiner Feindes ließen keinen Zweifel an dessen Optimismus. Er war sich sicher, diese Schlacht zu gewinnen. Groß, stark, gerüstet und Narbenübersäht. Ein Krieger wie er im Buche stand, mit einer fein gearbeiteten Rüstung, welche Tempus Wappen trug - und einer schwarzen Klinge. Fast hätte sich Grimwardt dazu hinreißen lassen sich umzudrehen um nach Scarlet zu sehen, doch sein Geist hielt stand. Ehe der Sturm von Clariburnus etwas gegen den von Grimwardt ausrichten konnte, zerfetzte der gewaltige Donner bereits die ersten Trommelfelle seiner Feinde. Grimwardt spürte, dass Clariburnus´ göttliche Kraft der seinen überlegen war, doch noch hielt er stand. Die Wolken öffneten sich und der Säureregen ergoss sich über die Umbranten. Für die meisten von ihnen war es schmerzhaft und demotivierend, doch die Trugbilder schmolzen dahin wie Kerzen. Erst jetzt obsiegte Clariburnus´ Sturm und breitete sich zur Antwort über den Kriegern der Alianz aus. Die falschen Abbilder von Winter und Faust verpufften unter einem Blitzeinschlag.
„DUCKEN UND DANN VORRÜCKEN! LASST EUCH NICHT TÄUSCHEN!" donnerte die von göttlicher Macht beseelte Stimme der Elah´ni gegen den Sturm an und Grimwardt folgte ihrem Kommando wie die anderen Kämpfer, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er wusste, dass die Schlacht ihn zu Clariburnus spülen würde, ob er diesen Kampf suchte oder nicht.
Faust
Gefängnis von Umbra, zur gleichen Zeit
„Also nochmal, damit ich diesen ganzen Wahnsinn in meinen Schädel kriege: Was zur verfluchten Hölle machen wir hier eigentlich?! Und wo bleibt diese verkackte Katze?" Vor einer Stunde klang die Idee für Faust noch gut, die ihnen dieser seltsame Kerl namens Fardo in den Kopf gesetzt hatte. Aber nun steckten sie in einer Zelle im Gefängnis ihrer Feinde. Zwar verkleidet, aber früher oder später würde ihre Maskerade auffliegen. Der fremde Glatzkopf hatte die Katze bereits vor einer halben Stunde losgeschickt, doch sie war immer noch nicht zurückgekehrt. Langsam kamen ihm Zweifel an der Geschichte. Hatten die Prinzen wirklich ihren jüngsten Bruder, das Wunderkind Brennus eingesperrt? Und war die Katze wirklich seine Vertraute? Arbeitete dieser Fardo wirklich für Brennus? Oder wusste Telamont, dass er einfach nur eine komplett irre Geschichte auftischen musste, um ein paar komplett Irre in sein Gefängnis zu locken? Sachlich und wie ein Wasserfall sprudelnd ergoss sich Fardos Anwort wie jedesmal über seiner Zuhörer, ob sie es wollten oder auch nicht. „In Anbetracht der Strecke, die die Katze zurücklegen muss und der Variablen, wen genau sie antreffen wird, ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sie sich auf dem Rückweg zusammen mit einem Verbündeten befindet. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass sie aufgeflogen und nun bereits tot ist, was das baldige Erscheinen eines unserer Feinde zur Folge hätte. Wir müssen also gerade sowohl annehmen, dass die Katze noch lebt, als auch, dass sie tot ist - Ein Klassiker, nicht wahr?" Die säuerlichen Mienen der anderen Insassen spiegelten deren Ahnungslosigkeit, wie auch Entnervtheit. Der Umstand, dass der Fremde aus Darkon kam, einer Domäne jener gruseligen Nebelwelt, der Faust einst entkam, hatten ihn neugierig gemacht und der dicke Kerl war eindeutig klüger als sie alle zusammen, aber er hatte doch auch einen ordentlichen Dachschaden, was gesunden Menschenverstand anging. Oder besser gesagt Elaner-Verstand. Die fehlenden Augenbrauen und die Art seiner Gesten, hatten Faust erkennen lassen, dass Fardo ein Exemplar der seltenen Spezies war, der auch Omega angehörte.
„Mir ist ehrlich gesagt egal, ob sich gerade wer mit der Katze den Arsch abwischt oder ob sie jetzt Kaviar futtert, Hauptsache es geht weiter! Uns fehlt die Zeit für..." „Ihr? Das kommt... unerwartet." Melegaunt Tanthul, der verzichtbare Prinz stand vor ihnen, die Katze auf seinem Arm. „Habt ihr euch einfach gestellt oder steckt hier irgendein perfides Spiel dahinter?"
Drake klatschte in die Hände. „Na siehst du Winter, die Muschi hat es geschafft, du schuldest mir 2.000 Mäuse!" Faust lenkte die Aufmerksamkeit des Prinzen wieder auf sich. „Pass auf Mann, wir haben nicht viel Zeit! Dein fanatischer Bruder Rivalen hat sich mit ein paar anderen Brüdern zusammengetan und gegen deinen Papa verschworen. Brennus hat was mitbekommen und sie haben ihn eingesperrt und jetzt ist der Irre vermutlich bereits dabei Shar in seinen eigenen Körper zu beschwören, wie Karsus höchstpersönlich vor ihm!" Es herrschte ein Moment der Stille. Dann musste Melegaunt lachen. „Eure Geschichte ist doch frei erfunden, und dabei nichtmal besonders gut! Auch wenn Rivalen radikaler ist als mein Vater wäre er niemals so töricht! Wenn er Shar in sich avatieren lässt würde die ganze Stadt..." Der Prinz geriet ins stocken und Fardo nickte grinsend ehe er fortsetzte. „Nein... sie würde nicht abstürzen. Der Mythal kann ja nun vom anderen magischen Gewebe zehren, seit ihr den anderen Knoten vom Schattengewebe befreit habt. Wenn ich es mir recht überlege... Das erklärt auch, wie die Elani entkommen konnte. Man hat sie laufen lassen... Und es war Yder, Rivalens rechte Hand, der mich entsandte um Rasilith zu schützen." Deprimiert wie ein gescholtener Hund schaute der Prinz drein und schien um einige Zentimeter geschrumpft zu sein. „Er wusste, dass ich nichts gegen euch ausrichten würde. Es gehörte alles zu seinem Plan."
Lärm und ein monströses Kreischen weiter hinten unterbrach seine Gedankengänge. „Das sind Yders Veserab-Reiter! Wir müssen uns beeilen!" Faust brummte der Kopf, er wollte nicht mehr warten. „Ja, schön! Dann bring uns doch bitte jetzt zu Papa und wir regeln die Sache." Melegaunt schüttelte den Kopf. „Unmöglich, er empfängt und traut niemandem mehr, seit er aus der Kerzenburg zurückgekehrt ist. Was auch immer ihr zu ihm gesagt habt, es hat ihn sehr misstrauisch gemacht. Ich habe keine Ahnung wo er sich versteckt hält und wohl auch sonst niemand. Ich versuche ihn irgendwie zu finden, aber ihr..." Er schrumpfte noch ein paar Zentimeter und blies dabei die Luft aus. „Ihr müsst Rivalen aufhalten. Ich teleportiere euch in den Tempel. Danach müsst ihr alleine zurechtkommen."
Vermutlich war es nicht klug gewesen, aber Faust genoss diesen Augenblick, als auf einmal er und die anderen meist gefürchteten Feinde Umbras in der Mitte des Tempels von Shar standen und Panik unter den Umbranten ausbrach. Sie stürmten aus dem Tempel, als wäre Selune selbst in ihr allerheiligstes eingedrungen. Auf der Kanzel stand Rivalen. Höchster Priester der Shar und zugleich Erzmagier der Akademie. Faust hatte keine Zweifel, dass der mächtigste der Prinzen Fähig war Shar in seinen Körper zu befehlen. Sein Gesicht zeigte keine Furcht, nur eine leichte Verärgerung. „Es scheint, als hätte mein Vater recht gehabt, was euch und eure Manieren angeht. Aber ihr seid doch cleverer als ich gedacht hätte. Ich bin neugierig. Sagt mir, wie seid ihr mir auf die Schliche gekommen!" Fardo wollte gerade ansetzen um alles im Detail zu erzählen, doch Faust unterbrach ihn jäh. „Das spielt jetzt keine Rolle mehr, Prinzlein. Wir wissen, was du vorhast und ich werde dir nicht die Chance geben deine Grufti-Schlampe von einer Göttin auf unsere Welt loszulassen." Das überhebliche Grinsen auf Rivalens Gesicht gefiehl ihm nicht. „Mir nicht die Chance geben? Es ist wirklich erheiternd, wie naiv ihr seid. Doch eure Blasphemie wird euch bald teuer zu stehen kommen." Winter meldete sich in seinem Kopf: Faust, das ist ein Trugbild! Er will Zeit schinden! Faust rannte los, den falschen Rivalen ignorierend. „Spar dir dein Gelaber. Jetzt weiß ich, dass du es eilig hast, Prinz von Umbra!" Auf einen stillen Befehl hin wurden sie nun von einer Priesterin und Tempelkriegern angegriffen. Die Schreie und das zischende Quietschen ihrer verdorrten Körper hinter ihm, ließen Faust jedoch wissen, dass Winters Magie und Fardos Psychotricks die Lage unter Kontrolle hielten.
Miu und er erreichten Rivalens Zimmer. Melegaunt hatte ihnen eine kurze Instruktion gegeben, wie er das Portal benutzen musste. „Na los Miu, eher er den Zauber durchziehen kann." Die kleine Karaturianerin blieb stehen. „Warum eigentlich?" Was für eine bescheuerte Frage war das denn? „Was soll das heißen, warum? Hast du was auf den Kopf bekommen?" Sie schaute ihm ernst in die Augen. „Was erreichen wir denn, wenn wir Rivalen töten? Telamont wird den Krieg weiterführen. Es wird sich nichts ändern." Ungeduldig sog Faust die kühle Luft durch die Nase ein. „Das fällt dir ja früh ein. Das sind zumindest er und vielleicht noch ein paar Prinzen weniger. Hast du eine bessere Idee?" Miu schaute sich um und eine ungewohnte Kälte und Entschlossenheit trat in ihre Stimme. „Wir könnten Shar töten. Du könntest Shar töten." Eine endlos scheinende Pause zeigte ihr, dass Faust der Gedanke gefiehl, auch wenn er gerade noch andere Pläne hatte, aber es wäre nicht das erste mal, dass er seine Pläne von einem auf den anderen Moment änderte. Miu wusste das und er wusste auch, dass sie ihn gerade manipulierte. Doch es war ihm egal. „Du weißt warum ich dir folge, oder? Was dich zum Auserwählten macht? Ich habe die Wahrheit lange nicht verstanden, warum die Ahnen mich zu dir sandten. Aber du hattest recht. Wir sind besser ohne sie dran. Ohne die Götter. Ich sehe es inzwischen, Fardo sieht es genau so und auch du weißt es." Sie sprach ihm aus der Seele, doch er spürte, dass sie nicht mehr seine Miu war. Er hatte sie verändert. Es hätte ihm ein Gefühl der Genugtuung geben sollen, doch es fühlte sich falsch an. „Miu..." ihre Hand griff ihn feste am Arm. „Das ist die beste Gelegenheit. Das Schicksal hat dich dafür hier hergeführt! Du kannst jetzt die Welt retten und diesen Krieg beenden!" Scheiße, sie hatte recht.
„Warum seid ihr noch nicht durch das Portal gegangen?" Winter, Drake und Fardo waren nun auch da. Faust beendete gerade einen seiner Stärkungszauber. „Das machen wir zusammen. Sie werden wissen, dass wir kommen und uns mit Zaubern und Dunkelheit vernichten wollen. Seid ihr dafür bereit?" Alle nickten. Tatsächlich war er der einzige, der in der Dunkelheit nichts sehen konnte. Doch es gab auch andere Wege als Magie. Nachtmond, Omegas bestiales Schoßtier war immer ein unangenehmer Zeitgenosse gewesen, doch hatte er Faust auch gelehrt, seine Instinkte zu schulen. Und die meisten Gegner, die sich auf ihre leisen Schritte und Unsichtbarkeit verließen, dachten nicht an ihren eigenen Geruch. Eine Schwäche, ohne die Faust keine Chance gehabt hätte.
Sobald sie den Raum betraten umfing sie eine undurchdringliche Finsternis und ein Hagel aus Zaubern. Trotz der mächtigen Schutzzauber, die Winter und Fardo gewirkt hatten wurde es schnell brenzlig. Drake entging den meisten Angriffen durch seine Geistergestalt, Winter und Faust konnten durch ihre Zauber und Manöver zumindest den schlimmsten Wunden entgehen. Miu und insbesondere Fardo hingegen hatten stark mit der schieren Menge an roher Magie zu kämpfen und gingen fast in die Knie. Faust roch hinter einem Schleier aus Schutzzaubern die Präsenz von Yder und einem weiteren Prinzen, doch war noch etwas. „Sie haben Schattenklone dabei! Wir müssen Dethud ausschalten um sie loszuwerden!" Rief Winter, während ihre Seelenmagie langsam die Barrieren des Prinzen zersetzte. Gerade noch rechtzeitig konnte Fardo sie mit einem psionischen Schild verteidigen. Yder hingegen warf sich gegen Miu. Im letzten Augenblick bemerkte Faust die Finte, die ihn aus der Ebene hätte bannen sollen. Doch er schaffte es auch ohne in die magische Falle zu treten, Miu zu helfen. Auch wenn er dafür nun den gewaltigen Schalg von Yder ertragen werden musste. Es war jedoch Fardos Psistrahl, der dabei war Yders Geist aufzulösen und Faust vor dem Hieb bewahrte. Dafür ließ der Streiter der Shar seinen Schild gegen den Strahl gerichtet Zerfetzen und Fardo wurde von den Scherben und seiner eigenen Kraft getroffen. Gut nur, dass er quasi in Mius Arme fiel. Dumm gelaufen, aber gut für mich, dachte sich Faust, denn nun war Yders gefährlicher Schild vernichtet und Faust musste sich nicht mehr zurückhalten. Zwiespalt ignorierte die Drachenrüstung und zerfetzte Stück für Stück den Körper des Umbranten. Sein Konter hinterließ kaum mehr als einen Kratzer und Faust bekam seine Genugtuung, als die beiden Spitzen seines gespaltenen Schwertes das Herz von Yder Tanthul durchbohrten und dieser zu Boden sackte.
Ein Geschoss traf Faust an der Schulter und warf ihn nach hinten. Scheiße, nicht schon wieder, sie wollen ihn wieder retten! Unerwartet stand Winter plötzlich neben dem sterbenden Prinzen und blitzschnell fuhr ihr Dolch durch seine Kehle und besudelte sie mit einer Menge an Blut, die mit dem Leben nicht vereinbar war. Die gewaltige Macht ihrer Magie ließ ihn manchmal vergessen, dass seine Gefährtin auch eine hervorragende Attentäterin hätte werden können, deren Dolch immer die empfindlichsten Stellen traf.
Leider war das die Gelegenheit für Dethud gewesen, seine Schutzzauber wieder aufzubauen und es ging von vorne los. Verdammt, ich muss irgendwie da rein! Anstelle einer Anwort packte ihn eine kalte Hand und ließ ihn ätherisch werden. Halt die Klappe und greif an, sobald ich dich loslasse, Senftopf! hörte er Drakes Stimme in seinem Kopf, während sie durch den ungeschützten Boden waberten. Er hätte gerne mit ihm diskutiert, warum er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen wollte, doch er kannte Drakes Talent sich aus den gefährlichsten Situationen herauszuhalten. Und ehrlich gesagt wollte er genau diesen Moment des Ruhms für sich beanspruchen. Drake ließ los. Es war nur ein einziger sauberer Schlag und Dethuds Gesicht schaute noch immer ungläubig, als sein abgetrennter Kopf auf dem Boden aufprallte. „Das war der vierte..."
„Er ist nicht hier. Uns rennt die Zeit davon!" Rief Winter gehetzt, während Miu die Wunden versorgte. „Vielleicht strengt unser schwabbeliger Katzenliebhaber mal seinen haarlosen Kopf an und sagt uns wo wir den letzten von der Liste finden. Ich würde gerne die Belohnung einstreichen, die Szass Tam mir dafür geben wird." Drängte auch Drake auf seine liebenswerte Art, worauf Fardo natürlich gleich zu einer ausführlichen Antwort ansetzte: „Betrachten wir hierbei sämtliche Variablen unter dem Licht der Wahrscheinlichkeit, so lassen sich diverse Positionen zwar nicht ausschließen, sie bewegen sich jedoch im Feld des Unwahrscheinlichen. Wir sollten unseren Fokus also auf jene Koordinaten richten, welche eine Prozentuale Wahrscheinlichkeit größer als oder gleich einiger Prozent..." „Wir kehren zu unserem ursprünglichen Plan zurück." Unterbrach Faust ihn und schaute dabei Winter tief in die rastlosen Augen. „Du musst den Mythal zerstören! Rivalen hat genau das vielleicht auch bedacht und befindet sich nun dort. Auch als Shar hat er kein Interesse daran, dass seine Stadt abstürzt und seine Anhänger sterben." Fardo nickte beipflichtend, während er sich durch den nicht vorhandenen Kinnbart strich. Winter schüttelte jedoch den Kopf. „Faust, ich..." „Nein, erzähl mir jetzt nicht schon wieder, was du nicht kannst! Du bist es Elias und den anderen schuldig! Du wirst Karsus den Mittelfinger zeigen und diese beschissene Stadt abstürzen lassen!" Winter schluckte betroffen. Doch dann trat eine fatalistische Entschlossenheit in ihren Blick. „Na gut. Gebt mir eure Hände! Wir teleportieren zum Mythal!"
Grimwardt
Anauroch, Schlachtfeld vor Umbra
Wieder und wieder durchtrennte Ambrosia seine Gegner, während ihre Angriffe an seiner Rüstung und seinem Schild zerschellten. Scarlet versengte die Umbranten mit gleißend hellen Mondstrahlen und Laguna schnitt zusammen mit Kalid, Nerul und seinem Vater ihre Reihen. Es war ein erhebendes Gefühl mit ihnen allen in die Schlacht zu ziehen und die Feinde der Allianz zu fällen. Besonders an der Seite seiner alten Gefährten, dem Löwen Mielikkis und dem obersten Marshall von Myth Draenor zu streiten verlieh ihm die Kraft das feindliche Heer zu teilen und sich dem falschen Grimwardt unaufhaltsam zu nähern. Seiner Schwester wäre es sicher lieber gewesen, wenn er sich mit Scarlett zurückgezogen hätte, doch sie verstand nichts von solchen Dingen. Ihre Tochter jedoch hatte seine Werte verinnerlicht, was ihn mit ganzem Stolz erfüllte, egal für welchen Gott sie stritt. Gerade hatte er noch einem Veserab den Flügel durchtrennt, als eine dunkle Welle der Kraft seine Gefährten zurückwarf. Geistesgegenwärtig hatte er Scarlet mit seinem Schild geschützt und nun standen nur noch sie beide vor ihrem Gegner. Der Anführer des umbrantischen Heeres grinste höhnisch, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. Ohne es zu merken, hatte Grimwardt die fliegende Bestie von Clariburnus selbst zur Strecke gebracht.
„So begegnen wir uns Endlich, Auserwählter des Tempus." Einander musternd umkreisten sich die Gegner, während beide sich durch ihre Zauber in immer mächtigere Abbilder ihres Gottes verwandelten. „Ich diente dem Feindhammer bereits, als er noch ohne seinen Helm in die Schlacht zog, als er noch wild und aufbrausend war, nach seinem Sieg über Targus." Erst jetzt bemerkte Grimwardt, dass die Schlacht zum erliegen gekommen war und sich alle Blicke auf die beiden Diener des Feindhammers richteten. „Kämpfen wir, Grimwardt Fedaykin! Nach dem althergebrachten Gesetz der Vorkämpfer. Nur ihr und ich. Und der Gewinner hat die Schlacht gewonnen. Schont das Leben eurer Krieger... und Kriegerinnen." Sein Blick schielte in böser Absicht zu Scarlet.
Grimwardt hielt einen Moment inne, um die Situation abzuwägen. Dann drehte er sich um und kniete vor ihr nieder, wissend, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. „Ich bitte euch, Elah´ni, im Namen meines Gottes: Lasst mich diesen Kampf austragen und bringt meine Truppen weit weg und in Sicherheit!" Mit gesenktem Haupt hielt er ihrem Blick stand. Ihren eigenen Stolz überwindend nickte sie ihm zu. „Gut. Tut es. Gewinnt diese Schlacht für uns, Onkel!" Widerwillig drehte sie sich um und verließ langsam den Schauplatz zusammen mit seinen anderen Gefährten. Ein Schmerz breitete sich in seiner Brust aus, doch zugleich das bestärkende Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Gestärkt richtete er sich wieder auf und blickte in die Augen seines Feindes. „Gut gespielt, Grimwardt. Obgleich es für mich ruhmreicher gewesen wäre euch vor den Augen eurer Truppen zu töten. Seid ihr bereit in die Hallen von Tempus zurückzukehren?" Noch einmal sog Grimwardt die heiße Wüstenluft ein. Und da er Tempus´ Segen auf sich spürte, antwortete er gefasst und schlug seine Axt martialisch gegen seinen Schild. „Fangen wir an!"
Und Clariburnus fing an. Von einem Auf den anderen Moment stand er in Grimwardts Rücken und rammte die Schwarze Klinge in seine Wirbelsäule. Sein herumwirbelnder Axthieb hätte Clariburnus eigentlich hart treffen müssen, doch dieser hatte sich sofort wieder hinter Grimwardt teleportiert und schlug wieder empfindlich zu. Als wäre das nicht schlimm genug, spürte er, wie das Schattenschwert ihm einen seiner Zauber beraubte und diesen auf seinen Träger übertrug. Elende Derwisch-Technik. Dachte er sich und beendete das Spiel mit einer Antimagischen Zone. Clariburnus kam zum Stillstand. Dabei fiel Grim auf, dass unter den wabernden schwarzen Wolken der Klinge eine Waffe lag, die eher einer Glefe ähnelte, länger als erwartet. Sein Gegner hielt also gerne Abstand. Dummerweise wusste Clariburnus diese Reichweite nun auch zu nutzen. Er hatte zu viele Duelle gewonnen um sich von einer Antimagischen Zone aus der Ruhe bringen zu lassen. Immer wieder tänzelte er erstaunlich behände um Grimwardt herum und erwischte ihn an seinen ungerüsteten Stellen. Auch er selbst landete immer wieder Treffer mit Ambrosia, doch er musste sich eingestehen, dass der erfahrenste Krieger der Umbranten sich ohne Magie scheinbar wohler fühlte als er selbst. „Genug herumgehüpft!" Er unterbracht den nächsten fatalen Hieb, indem er seine Zone der Antimagie fallen ließ und sich in seinen mächtigsten Schutzzauber hüllte. Die Regenbogensphäre umschloss ihn und gewährte ihm die Möglichkeit sich schnell zu heilen und zu stärken. Dabei vernahm er die Stimme seines Gegners. „Das sieht ja hübsch aus. Bei meinen Brüdern besteht das Ding immer aus Grautönen. Ihr habt wirklich Geschmack, Auserwählter des Tempus. Aber wollt ihr nicht herauskommen und kämpfen?" Was folgte war ein Katz- und Mausspiel. Grimwardt Schritt aus seiner Sphäre heraus um anzugreifen, Clariburnus teleportierte, Grimwardt hechtete wieder in seine Sphäre. So ging es eine ganze Weile weiter... Bis die Erde und der Himmel plötzlich zu beben schienen. Im letzten Moment flüchtete sich Grimwardt in seine Sphäre, als eine Lawine aus Sand sich über ihm und Clariburnus ergoss.
Winter
Umbra, Einige Minuten zuvor
Offenbar war der Raum des Mythals gegen Teleportation geschützt. So landeten sie in einem Gang, der sich in der Nähe befinden musste. An dessen Ende befand sich ein ominöser Vorhang. Schon nach dem ersten Schritt hörte sie eine bekannte und doch befremdlich klingende Stimme in ihrem Kopf und die Vision einer Schlacht im heißen Wüstensand spülte sich vor ihre Augen. Der Grim aus ihren Alpträumen stand mit einem Fuß auf der Blut spuckenden Scarlett und schaute Winter direkt in die Augen. „Ich bin hieeer! Und nun werde ich es beenden. Sag deiner Tochter aufwiedersehen!" Die Vision endete. All ihre Instinkte wollten sie sofort in die Anauroch teleportieren um Scarlet zu retten. Doch es waren kleine Details in der Vision, die nicht passten. Der genaue Ort, Eine Leiche die im falschen Winkel da lag. Sie hatte diesen Alptraum so oft wieder und wieder durchlebt, dass sie jede grausame Kleinigkeit verinnerlicht hatte. Faust trat zu ihr „Alles klar?" Sie schüttelte ihren affektiven Wunsch zu verschwinden ab und nickte. „Rivalen. Oder ein anderer Prinz. Er versucht mich mit meiner Vision in die Wüste zu locken." Faust spuckte aus. „Dieser Bastard. Er will dich verarschen." „Ich weiß, aber er wird schlampig. Ich glaube wir sind hier genau richtig."
Sie schritten weiter den Gang entlang. Keine Fallen, keine Wächter. Nur dieser Vorhang, den Faust nun lüftete und seine Begleiter im gleichen Moment Damit bewarf. „Was soll das? drehst du jetzt komplett durch, Senftopf?"Drakes Empörung wurde durch ein Scheppern unterbrochen. Als Winter sich vom Vorhang befreit hatte, stand Faust auf einem umgeworfenen Spiegel. „Ich hab davon gelesen. Die Dinge sperren entweder deine Seele ein oder erschaffen einen rachsüchtigen Doppelgänger von dir, wenn du reinschaust. Beides keine tolle Option. " Es waren diese Momente, die Winter immer wieder ins Gedächtnis riefen, wie vielseitig begabt der Kämpfer unter seiner grobschlächtigen Hülle war.
Sie tasteten die scheinbar nackte Wand ab, bis Drake aus seiner Geisterform zurückkehrte und mit einer belanglosen Geste einen geheimen Schalter betätigte. „Gern geschehen. Dahinter ist ein Portal. Ich denke ihr seid da." Winter runzelte die Stirn. „Ihr seid da? du meintest wohl wir?" „Nein danke, den Rest erledigt ihr. Oder auch nicht. Ich hab das Gefühl, dahinter lauert nur der Tod. Also, war schön euch gekannt zu haben. Aber mit meinem Herzen bin ich ganz bei euch! Wenn ihr es verkackt bekomme ich schließlich nur einen Teil der Belohnung. Also, macht mich stolz!"
Mit diesen Worten verschwand der Attentäter. Außer Fardo war niemand überrascht. „Oh, das kam etwas unerwartet, aber euren Blicken nach zu urteilen, hattet ihr solch ein Verhalten bereits einkalkuliert." Sie zuckte mit den Schultern. „Ja. Er ist ein Arsch." Diese Antwort schien ihm zu genügen. „Na gut. los geht es!" Tief einatmend folgte Winter den anderen in das dunkel wabernde Portal.
Ein kurzer heftiger Schmerz erfasste ihren Verstand, als sie sich nach dem Betreten gleich in einem schattigen Mahlstrom wiederfand, der ihren Geist angriff. Wie sie bemerkte, schienen auch die anderen dem Sog zu widerstehen - bis auf Faust, der wie ein ertrinkender Hund in das gefährlich aussehende Zentrum gesogen wurde. Den Mythal. Und in der Luft darüber flog... „RUNTER!" im letzten Moment konnten ihre Gefährten ausweichen, während Winter selbst sich mit einer magischen Barriere vor dem seelenfressenden Odem des großen Schattendrachen schützte. „Fardo, kümmer dich um Faust!" Zusammen mit Miu folgte der Psioniker Winters Anweisung und befreite den Geist ihres Freundes.
Sie konzentrierte sich auf den Mythal, doch ihn zu bewegen bedeutete, die ganze Stadt zu bewegen, wie sie schnell merkte. Also konzentrierte sie sich stattdessen auf den Drachen, der nun zum Angriff auf sie ansetzte. Ihr neues drittes Auge glühte mit dem Feuer der ersten Göttin der Magie und eine Woge aus purer Kraft erfasste die überraschte Kreatur und schleuderte ihren Körper direkt in den Mythal, der sie innerlich verbrannte. Doch die Freude über ihren Triumph wisch einem Moment der Panik, als sie die Gestalt sah, die über dem Mythal thronte. Rivalen Tanthul, nein, nicht mehr. Sie waren zu spät. Sie sah und spürte es. Shar war fast ganz in seinen Körper herabgefahren und drohte jeden Moment in all ihrer schrecklichen Herrlichkeit komplett zu manifestieren.
Ihre Knie wurden schwach. Ihre Gefährten waren nicht mehr zu sehen. Waren sie schon tot? Die Präsenz einer der mächtigsten Göttinnen ließ all ihre Hoffnungen schwinden. Bis Faust sie unsanft herumriss und sie mit seinem Blick durchbohrte. „Ich fliege jetzt da rauf. Aber du musst sie schwächen, mit dem Mythal!" Tränen standen in ihren Augen in Anbetracht der immer stärker werdenden göttlichen Aura. „Wir sind zu spät Faust. Wir haben verloren." „Sieh mich an! Wir sind genau richtig. Das ist der Moment in dem wir alles ändern können." Seine Hände lösten sich von ihren Schultern. „Wir sehen uns auf der anderen Seite, Winter." Dann flog er hinauf in sein Verderben.
Sie hatte den Tod schon akzeptiert. Aber er hatte Recht. Sie würde nicht kampflos untergehen. Kaum mehr anwesend nahm sie wahr, wie Fardo niedergestreckt wurde und bewusstlos oder tot in der Luft schwebte. Wie Miu ungewöhnlich aggressiv angriff und doch selbst auch scheiterte. Und wie Faust seinen Zorn auf alles Göttliche freien Lauf ließ. Wie eine simple Handbewegung der Göttin seinen halben Körper zerfetzte, während seine Klinge immer wieder schattiges Götterfleisch aus Shars Leib schnitt - scheinbar vergeblich. Doch all das ließ sie nun im Hintergrund ihres Bewusstseins verschwimmen. Ein kurzer Moment der Ruhe ließ sie die Welt um sich herum anders sehen. Sie sah alles in ihrer Umgebung in seine Bestandteile aufgelöst. Alles war Teil eines Gewebes. Das meiste war bloße Materie. Simpel zusammengesetzte Bestandteile, die zusammen eine feste Anhäufung ergaben. Doch hier trafen nun auch die gewaltigen Mengen des Schattengewebes und der magischen Verknüpfungen des Mythals aufeinander. Er sah so vollkommen aus. Ein Gebilde von Sterblichen erschaffen und doch stark genug einen Gott zu verletzen. Die meisten verstanden das Gewebe der Magie nicht, da die Metapher nicht ganz eindeutig war. Doch sah man es so vor sich, so vollkommen, sah man wie kunstvoll die Bestandteile der Existenz miteinander verwoben waren und so zu etwas neuem wurden, mehr als die Summe seiner Teile, eine Emergenz - Magie. Und der Mythal war die Krone der magischen Schöpfung in all seiner Komplexität. Ließe er sich doch nur bewegen. Ihr Blick auf die magische Kugel wurde durch einen Schleier des Schattengewebes unterbrochen. In diesem Moment fand sie sie... die Schwachstelle. Telamont hatte einst die Stadt vor dem Absturz bewahrt. Mit seiner eigenen Magie aus Schatten. Sie musste nicht den Mythal zerstören! Nur seine magische Verbindung zu der fliegenden Stadt, den magisch gewobenen Anker, der die Kugel mit Umbra verband!
Sie setzte all ihre Konzentration in einen gewaltigen Auftrennungszauber. Fast tat es ihr selbst weh, als ihre Magie des Nichts die Fäden des Schattengewebes um den Mythal herum zerriss... Und sie den Boden unter den Füßen verlor. Umbra stürzte in die Tiefe und der Mythal war befreit. Winter wurde eins mit seiner rohen Kraft. Sie verband sich intuitiv mit ihm. Etwas wofür ein Magier hätte Jahre lang studieren müssen. Doch als die vielleicht mächtigste lebende Zauberin Faeruns atmete sie die Magie wie Luft. Sie musste sie nicht verstehen, nur fühlen. In diesem Augenblick war es Winters Mythal. Und sie ließ ihn nach oben schießen. Ein Kampf zwischen magischem und Schattengewege entbrannte, als die Kugel Shars Körper traf. Die Anstrengung war eigentlich zu viel für sie, doch Winter wusste, was auf dem Spiel stand und setzte unerbittlich nach, all die Seelenenergie verbrauchend, die sie in sich trug. Ein letzter Blick hinauf. Auch Faust rann das Blut aus Nase, Augen und zahllosen Wunden, als sich alle verbliebenen Muskeln in seinem Leib bis zum bersten anspannten. Dann schlug er zu und die Welt wurde schwarz. Ein letzter kalter Schmerz bohrte sich in ihre Schulter.