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Workshop => Story Hour => Thema gestartet von: Arden Etklint Kleist am 07. Mai 2013, 21:32:42

Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 07. Mai 2013, 21:32:42
Willkommen!

Anschließend folgen Texte, die einer Kampagne vorangegangen sind. Da unsere Gruppe international ist, kommen wir nur ein- bis zweimal im Jahr zusammen, weswegen wir recht intensiv vorbereiten. Kleiner Hinweis für alle, die im Dark Heresy Setting zufällig auf aktuellem Stand sind: Zu der Zeit, in der die Geschichten entwickelt wurden, war über das Kanon-Schicksal der Welt Xeiros Prime noch nichts bekannt.

Alle beteiligten Spieler sind auch Teil einer Online-RPG-Gruppe hier im DnD-Gate. Momentan spielen wir Tattered Fates (http://games.dnd-gate.de/index.php/board,358.0.html). Damit die Verteilung von PCs und NPCs klar ist, führe ich schnell an, welche der dortigen Spieler welche Charaktere in den Geschichten spielen (zur Info: Bei uns spielt jeder Spieler zwei Charaktere):

Sjeg:
Cattaleya Amalia "Honeymoon" VanSovrean
Phos "Vox" Isand

Inigo Hound:
Lucius "Lho" Frost
Gerhart Thracian

Merice Jerveplis:
Hrubens "Blender" Arn
Nick "Granit" Runsit (Stammesname: Chnishnit liutstam Hrun'Sith)

So, nun aber ohne Umschweife zur ersten Geschichte: Die Akte Vynnor Lucrés

Ursprünglich als Hilfe für mich gedacht, der dann die Real-Life-Gruppe geleitet hat, um die Charaktere besser kennenzulernen und dann auch selbst die Einführung zur Kampange "Aller Gnaden Ende" schreiben zu können, hat sich die "Akte Vynnor Lucrés" zu einem richtigen Epos entwickelt. Geschrieben wurde das Prachtstück von Sjeg und Inigo Hound, die sich teilweise sogar alle paar Absätze abgewechselt haben. So wie ich damals jeder neuen Passage entgegengefiebert habe, die ich in einigem Abstand zugesandt bekam, so freue ich mich jetzt über die Möglichkeit, den Text fast ein Jahr nach dessen Entstehung dem lesewilligen Publikum hier zugänglich machen zu können. Ich wünsche allen WH40K-Interessierten und auch allen anderen StoryHour-Lesern viel Spaß auf Zumthor!
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 07. Mai 2013, 21:46:49
Die Akte Vynnor Lucrés


Eins

Das grünliche Licht des in Bronze gebundenen Dataslates erhellte das Halbdunkel in der Ecke des gepanzerten Arbites–Rhino, welches sich mit langsamer Geschwindigkeit und halbhellen Scheinwerfern einen Weg durch das sturmumtoste Heulen des mit gepresstem, kaltem Schnee gefüllten Passes bahnte. Das Gesicht eines süffisant lächelnden Mannes Mitte 50 mit dunkelbraunen schulterlangen Haaren flackerte auf dem Bildschirm, untermalt von den Worten: Vynnor Lucrés.

Der schlanke Mann, dessen sehnige Form in einer schwarzen Carapace-Rüstung ohne Rang- oder Herkunftsabzeichen steckte, rieb unbewusst mit dem Filterstück eines fast vollständig aufgebrauchten Lhos die Narbe an seiner rechten Wange. Er mochte das Gefühl der Nervosität nicht, welches sich in seinem Bauch breit gemacht hatte, dieses Gefühl der Ruhe vor dem Sturm, welcher ihr Fahrzeug schon seit ihrer Anfahrt auf das Anwesen eingehüllt hatte. Sie hatten Tulsholm, die einzige größere Stadt der nördlichen Halbkugel von Zumthor, einer Granzwelt im Josian Reach, vor mehr als fünf Stunden verlassen und waren in Begleitung zweier Suppressionstrupps Arbites aufgebrochen, um zu beenden, was auf Palinurus Rhys vermutlich vor mehr als 100 Jahren begonnen hatte.

Lucius Frost nahm einen tiefen, beruhigenden Zug von seinem Lho und atmete geräuschvoll durch den linken Mundwinkel aus, was ihm einen skeptischen Seitenblick des die Arbitratoren befehligenden Chasteners, Dvorov, einbrachte. Er zuckte innerlich mit den Schultern – welchem Arbites schmeckte schon der Gedanke, Befehle von Institutionsfremden entgegennehmen zu müssen – selbst wenn es sich dabei um Gesandte der heiligen Inquisition handelte. Er hatte selbst lange genug in den Reihen des Adeptus Arbites gedient, um die Führungsqualitäten und Charakterzüge solcher Männer voll einschätzen zu können und von der Animosität, die ihm von den vielen kleinen und großen Dvorovs, welchen er mitunter Befehle erteilen musste, kalt gelassen zu werden.

Er widmete sich wieder der Akte des Gesuchten: Die Namen der ausgelöschten Akolythenzelle von damals waren selbst mit seinen Zugangscodes gesperrt gewesen, er kannte ihre Schicksale nur als Subjekt 1 bis 6 und das war ihm ganz recht so. Wenn es um Konzentration ging, um abstrakte Analyse eines Sachverhaltes, waren Empathie und Mitgefühl fehl am Platz. Natürlich war nach dem Desaster die volle Härte inquisitionaler Strafe auf das Haus von Lucrés herabgefahren, doch der älteste Sohn der Familie war nie in den Trümmern gefunden worden. Mit brutaler Gewalt war damals zunächst orbital bombardiert worden, danach im Sturmangriff alles zerschossen und erschossen worden, was irgendwann mit dem Adelshaus assoziiert gewesen war - ein taktischer Fehler, den zu wiederholen der Ex-Arbitrator nicht gedachte. Ihm war nicht wohl dabei gewesen, Van‘Sovrean alleine in den Sturm zu schicken, alleine das Anwesen des Kleinadels von Harholdt infiltrieren zu lassen. Doch die zierliche Adelige, die meistens von ihren Kollegen Honeymoon genannt wurde, hatte darauf bestanden. Er hatte gewusst, dass sie Recht hatte. Sie war von den Fähigkeiten her am besten dazu geeignet und konnte auch ganz gut alleine auf sich aufpassen. Lucius gestand sich ein, dass seine Freundschaft zu ihr ihm die Sache schwerer machte, als sie sein sollte. Doch er war sich sicher, dass es diesmal die richtige Fährte war.

Er war nach langer Analyse der Adelsfamilien auf den umgebenden Planeten auf eine Persönlichkeit gestoßen, die seit 44 Jahren immer wieder im Gewand eines Mitgliedes der Familie Harholdt auftrat. Es war schwer gewesen, eines Namens Herr zu werden, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, doch mit den richtigen Fragen an die richtigen Ohren und der Investition von Bestechungsmitteln hatte er ihn schließlich bekommen: Norvyn Harholdt. Der exilierte, abtrünnige Psioniker war sich so weit an den Grenzen des Imperiums seiner Sache verflucht sicher, wie das hochmütige Anagramm bewies, welches er gewählt hatte. Doch der Ketzer würde sich seiner Strafe nicht mehr entziehen. Das Gesetz würde Lucrés endlich einholen, ganz gleich in welcher Verkleidung.

Frost blickte von der elektronischen Akte auf, als das Rütteln der Motoren ihm anzeigte, dass sie angehalten hatten. Pater Gerhart Thracian neben ihm hielt sein Kettenschwert in andächtiger Gebetshaltung mit der Klinge nach unten. Der weißblonde Mann mit den harten Gesichtszügen trug eine ähnliche Rüstung wie er selbst unter seiner klassischen schwarzen Mönchsrobe und war in ein stummes Gebet vertieft. Mit geschlossenen Augen bewegten sich seine schmalen Lippen, rezitierten die Worte, von denen Lucius wusste, dass sie den Leitspruch der Bruderschaft formten, welcher der Glaubenskrieger angehörte. Während er darüber sinnierte, dass der verschlossene Hüne sie kaum jemals laut aussprach, hielt Dvorov das Ohr an sein Microbead und nickte bedächtig.

Der Arbites-Offizier, welcher Lucius offensichtlich auf persönlicher Ebene nicht sonderlich leiden konnte, wandte sich nichtsdestotrotz in respektvollen Ton an den Anführer der Akolythenzelle: „Unsere Auspex-Scanner haben das Tor des Anwesens in knapp unter 20 Metern Entfernung hinter der nächsten Biegung ausgemacht. Wie geordert hat unsere Kolonne gehalten.“ Erwartungsvoll und abschätzend, wie jemand, der ein Stück Ware nach seinem Wert einzuschätzen versucht, blickten die stahlblauen Augen des blassen Mannes Lucius an. Dieser drückte seinen Lho bedächtig an seinem Stiefel aus und wandte sich an den still meditierenden Mann zu seiner linken: „Klingt nahe genug, wenn ich Dich richtig einschätze – dass wir keine Zeugen oder Alarme brauchen ist wohl klar. Wie siehts aus, Vox – kannst Du damit was anfangen?“, fragte er den kahlgeschorenen, kleineren Mann mit dem dunklen Bartwuchs.

Phos Isand - Codename Vox - stand wie aufs Stichwort aus dem Schneidersitz auf. Sein Blick fiel durch einen schmalen Schlitz des gepanzerten Vehikels in die Richtung, in die der Arbites eben noch gezeigt hatte. Frost hatte darauf betanden in der Nacht zuzuschlagen, und da kein Licht durch die dichte Wolkendecke drang, konnte man außerhalb des Fahrzeuges kaum noch die Hand vor Augen sehen – jetzt, da der Rhino auf Schleichfahrt und ohne Scheinwerfer unterwegs war. Allein seine Nachtlinsen ermöglichten eine Orientierung bei diesen Verhältnissen. Aber auch so war die Sicht jenseits einiger Meter extrem schlecht, denn der Sturm brachte dicke Flocken gefrorener Eiskristalle mit sich, so fest und scharf, dass sie nackte Haut bei längerer Exposition zerkratzten.

„Ziemlich weit, aber für mich nahe genug. Vorausgesetzt…“, Vox pausierte, senkte sein Haupt und hob seine rechte Hand auf Hüfthohe. Auf der Handfläche seines pelzigen Lederhandschuhs vollführten drei kleine Glasperlen einen gleichmäßigen und graziösen Tanz. Wie er derart regelmäßige Bewegungen mit seinem dicken Handschuh erzeugen konnte, war dem anwesenden Offizier der Arbites ein Rätsel. Isand atmete tief ein - dann langsam wieder aus. „Neunzehn Personen befinden sich in der näheren Umgebung. Wenn nicht zufällig Van‘Sovrean in der Nähe ist, dann gehören drei davon nicht zu uns.“ Er genoss die respektvollen und zugleich misstrauischen Blicke, die seine unangenehme Stimme bei den anwesenden Arbites erzeugte. Während er die Perlen weiter über seine Hand tanzen ließ, führte er den Monolog fort: „Keiner davon ist ein Hexer. Und die drei vor uns bewegen sich grob in unsere Richtung. Vielleicht eine Patrouille, aber jedenfalls noch hinter dem Eingangstor irgendwo. Ich kann sie fühlen, den Schatten den sie werfen, wenn sie die Wirklichkeit ein klein wenig verzerren. Ein schwacher Funken bei jeden von ihnen, aber ja, er ist ausreichend und nahe genug.“

Keiner der Arbites hatte während der Fahrt gewagt mit dem Psioniker zu sprechen. Sie fürchteten Vox, und das war ihm auch bewusst. Leider ließen die Missionsdetails es nicht zu, dass er sich an der Furcht der Arbites erfreuen konnte. Stattdessen hatte er nicht nur den gesamten letzten Tag, sondern auch die Fahrt in eiserner Meditation verbracht. Er wusste, dass der Abend für ihn anstrengend werden würde, und dass ihm vor allem in der ersten Phase nicht der geringste Fehler unterlaufen durfte. Für ihn zählte nur, seinen Geist in perfekte Balance zu bringen. Frost hatte ihm in diesem Plan eine große Rolle zukommen lassen und sich entgegen der Einwände von Chastener Dvorov dafür entschieden, dem Psioniker den Vorzug sowohl über Schalldämpfer als auch Funkkommunikation zu geben. Phos Isand selbst war erst kürzlich von Inqusitor Varitani in diese Zelle verlegt worden, und er fühlte sich dadurch zweifelsohne bestätigt, denn die berühmte Zelle von Lucius Frost war mehr als alles andere für ihre Effektivität bekannt und - soweit er selbst informiert war - eine seiner wichtigsten und am meisten geschätzten Zellen überhaupt. Dies war seine Show, und er würde großartig sein.

Dvorov und zwei seiner Mannen waren bereits unbewusst einen Schritt zurückgewichen, als Vox die linke Hand ausstreckte, so als würde er nach etwas Unsichtbaren tasten. Dabei schloss er seine Augen und ging ein paar Schritte quer durch das Fahrzeug. Noch einmal fiel sein Blick auf Frost, als er Bereitschaft signalisierte. Mit einen kurzen aber deutlichem Nicken gab Frost den Befehl. Es war soweit – und tatsächlich war dies einer der wenigen Momente, in denen Vox so etwas wie Unsicherheit verspürte. Er hatte vor dem Ex-Arbites nichts dergleichen angedeutet, aber einen derartigen Stunt hatte er selbst noch nie hingelegt. Frederiq DeVetter, Telepath und langjähriger Akolyth in den Diensten von Inquisitor Varitani, hatte einmal damit angegeben, dass er vor einigen Jahren, als ihn eine Blendgranate mitten im Gefecht erfasst hatte, alleine aufgrund der Psi-Signaturen seiner Umgebung eine heikle Manifestation selektiv hatte einsetzen können, um damit seiner gesamten Zelle das Leben zu retten. Phos würde die Blicke der Zuhörer an diesem Abend in Sibellus nicht vergessen, denn obwohl es unglaublich klang, konnte jeder von ihnen fühlen, das DeVetter die Wahrheit sprach. Alleine über seinen sechsten Psi-Sinn Ziele zu filtern... ungeheuer schwierig.

Nicht umsonst hatte Vox darauf bestanden, vor der Mission fünfzehn Minuten mit jedem der Arbites an einem Tisch zu verbringen.  Jeder Mensch hinterließ einen leichten Schatten im Immaterium, eine einzigartige Signatur, genauer und persönlicher als jeder Fingerabdruck es sein könnte, und er hatte diese Zeit genützt um sich jeden von ihnen gut einzuprägen. Die Murmeln in seiner Hand kreisend fokussierte er seinen Geist und entlud ihn in einer gewaltigen unsichtbaren Explosion, die sich durch das Immaterium in seiner Umgebung ausbreitete. Wie aus dem Nichts hörte Lucius einen leisen, aber schrillen Knall, ein Geräusch das er so noch nie vernommen hatte. Und obgleich dieser Klang direkt aus seinen Kopf drang, fühlte es sich an als wäre er gedämpft und käme von weit her. Der Reaktion der Arbites in dem Transportpanzer, die alle leicht zusammenzuckten, konnte er entnehmen, dass er nicht der einzige war, der das Geräusch gehört haben musste. „Erledigt“, gab Vox kurz zum Besten. Man konnte ihm ansehen, dass er gerade ziemlich selbstzufrieden war. Die Wachen waren ausgeschaltet und lagen bewusstlos im Schnee, alles völlig ohne Sichtkontakt. DeVetter hatte also wirklich nicht gelogen…

Der zweite Teil von Phase eins war wesentlich einfacher und vor allem auch amüsanter. Wie aus dem Nichts ertönte die Stimme von Vox in den Köpfen der Besatzung beider Rhino-Fahrzeuge zugleich: „Dem Imperator zum Gruße, meine Herren. Sie können sich geehrt fühlen, etwas beizuwohnen, was man im Nachhinein als glorreichen Triumph des Ordo Malleus bezeichnen wird. Von nun an wird aus Sicherheitsgründen jeglicher Funk eingestellt! Diese Stimme wird ihnen den Willen unseren Befehlshabers Lucius Frost verkünden, dessen Wort die nächsten Minuten Gesetz ist! Wenn sie Teil dieses Erfolges sein wollen, dann halten sie sich exakt und ohne Zögern an die Vorgaben!“

Der Hüne in der Mönchsrobe hob langsam den Kopf, als er die unangenehme Stimme des Sanktionierten in seinem Kopf vernehmen musste. Er war der Empfindung alles andere als zugetan, und es war ihm jedes Mal, als müsse er eine Besudelung hinnehmen, wenn er seinen Geist dem kratzigen Tonfall von Phos Isand öffnen musste. Er kniff die grauen Augen zusammen und blickte aus dem Dunkel seiner Kapuze mit zusammengepressten Lippen heraus auf den grinsenden Mann und die diesen misstrauisch beäugenden Arbites.
Chastener Dvorov presste die Lippen aufeinander und zog eine fast schmerzvolle Grimasse. Es war offensichtlich, dass ihm die geistige Berührung des Psionikers extrem unangenehm war, als er Vox‘ Aussage mit den Daten auf seinem Auspex verglich. „Der Mann sagt die Wahrheit – sowohl was die Anzahl der Patrouille, als auch was ihren Zustand angeht.“

Pater Thracian blieb ruhig sitzen und vollführte das Zeichen der Aquila, nachdem er den schweren Stoff der schwarzen Robe über seiner Rüstung in den Nacken geschlagen hatte, sodass seine harten und von mehreren Narben gezeichneten Gesichtszüge zum Vorschein kamen. Durchdringend blickte er den Offizier an: „Selbstverständlich spricht er die Wahrheit. Vergesst nicht, dass wir an diesem verlassenen Ort direkt den Willen und das Wort des Imperators zu Terra darstellen.“ Gerhart verzichtete darauf, seinen Worten mehr Gewicht dadurch zu geben, dass er sich erhob. Die niedere Decke des Truppentransporters bot gerade genug Höhe für Vox, um aufrecht darin zu stehen, war jedoch für jemanden wie den sternengeborenen Glaubenskrieger bei weitem zu niedrig. „Ich denke, die Zeit ist gekommen, die Männer für den bevorstehenden Angriff zu segnen, Frost.“ Er war schon seit einiger Zeit in derselben Zelle wie der Ex-Arbitrator und wenngleich der Mann in manchen Eigenschaften ein unverbesserlicher Sünder war, so war er doch auch gleichzeitig unzweifelhaft in seiner Ergebenheit im Glauben und in seinen Fähigkeiten als Anführer. Beides waren Eigenschaften, die es dem Pater ermöglichten, ohne Widerspruch unter ihm dem höheren Zweck zu dienen und den Willen des Imperators zu erfüllen.

Er wartete darauf, dass der sehnige junge Mann das Datapad ausschaltete und den Lho-stick ausdrückte. Angenehme Überraschung durchflutete ihn, als sich sein nomineller Anführer daraufhin als erster der Besatzung des Rhinos einen knappen Meter vor dem Kleriker hinkniete und den Kopf senkte. Augenblicklich sank darufhin Dvorov neben Frost auf die Knie, rasch gefolgt von seinen Männern.
Auch Gerhart ließ sich nach vorne auf beide Knie gleiten und er hielt das massive aschgraue Kettenschwert mit der rotgoldenen Inschrift unter seinem Sitz hervor. „Dies Irae“ prangte in gothischen Lettern auf der gesegneten Waffe, deren Griff mit mehreren Reinheitssiegeln behangen und mit mehreren Totenköpfen und ministorialen Siegeln verziert war.
                                                  
„Im Kampf“, lies sich die tiefe Stimme des finsteren Priesters vernehmen, „besteht der Sieg aus einem Teil Planung und neun Teilen Glauben! Ich zweifle nicht an Eurer Ergebenheit gegenüber dem Imperator, Eure Berufung steht für die Lex Imperia, für die Gesetze Seines Reiches. Ihr alle seid treue Diener, doch keiner von Euch ist frei von Schuld und Sünde. Deswegen sage ich Euch, fürchtet nicht die Verwundung Eurer sterblichen Körper, Schmerz bedeutet Reinigung, Hingabe und Opfer bedeuten Erlösung! Für einige von Euch mag dies der letzte Dienst an unserem glorreichen Imperium sein, Eure Leiber mögen heute sterben, doch mit jedem Blutstropfen wird Eure Seele reingewaschen. Die größte Genugtuung ist es, mit dem Gewissen, dass man seine Pflicht erfüllt hat, aus diesem Leben zu scheiden. So weit weg vom Lichte des Thrones auf Terra ist es leicht, sich in der Dunkelheit zu verlieren. Darum schärft Eure Kompromisslosigkeit, auf dass ihr dem Feind mutig und ohne Zaudern begegnet. Schärft Euren Zorn, auf dass ihr Seinen Zorn aus den glühenden Mündungen eurer Schrotflinten wie den heißen Odem der Vernichtung auf die Ketzer speit, die diese Welt beschmutzen! Schärft schließlich all zuvorderst Euren Hass, denn selbstsüchtig seine Fähigkeiten einzusetzen, mit Gefahren zu jonglieren, wie es der Hexer Lucrés tut, ohne jeden Sinn für seine Verantwortung, die es gewesen wäre, sich zu den schwarzen Schiffen zu begeben, solcher Frevel verdient den ganzen reinen, ehrlichen und menschlichen Hass, den ihr in Euren treuen Seelen aufbringen könnt!“

Zu seinen Worten hatte der Kleriker ein messingfarbenes kugelrundes Gefäß mit mehreren lilienförmigen Löchern hervorgeholt und eine Kugel ätherischen Weihrauches darin entzündet. Während die Männer nun das Zeichen der Aquila vollzogen und halblaut dreimal „der Wille des Imperators“ murmelten, so wie es in der ecclesiarchalen Liturgie auf Zumthor seit jeher Brauch war, schwenkte Thracian das Gefäß mit bedachten, weiten Bewegungen, um den wohlriechenden bläulichen Rauch im Inneren des Rhinos zu verteilen.

Etwa vier Stunden zuvor, kurz nach Anbruch der Dunkelheit, tauchte das mächtige Gittertor mit dem Symbol eines sich windenden Reptils in dessen Zentrum zum ersten Mal im Sichtfeld einer schlanken schwarzen Gestalt auf, die sich dem Anwesen derer von Harholdt zielstrebig näherte. Die Person, die ein Laie einfach als Assassine umschreiben würde, trug auf den ersten Blick keinerlei Gewand. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte man die schwarze Textur, die der eindeutig weiblichen Figur wie eine zweite Haut anlag und ihren Körper bis auf die Nasen und Augenöffnungen komplett umschlang. Diese seltene und äußerst kostspielige Textilie, die das Licht nicht reflektierte und sich ihrer Umgebung anpasste, war jedoch nur einer von mehreren Gründen, warum die Frau quasi unsichtbar durch die Dunkelheit huschte. Ihr lag Grazie und Eleganz an, wie sie sich von Baum zu Baum, Gebüsch zu Gebüsch und Deckung zu Deckung bewegte, sodass man ihre Bewegungen fast mit einem mystischen Tanz hätte vergleichen können. Allen voran war jedoch der langsam aufkommende Schneesturm die beste Tarnung, die man ihr verschaffen konnte. Er bot ihr gleich mehrere Vorteile. Zum einen verwischte er die Spuren, welche sie unweigerlich im Schnee zurücklassen musste und reduzierte die Sicht auf ein Maß, das es ihr erlaubte, schneller als üblich voranzukommen. Der größte Vorteil jedoch war die Kälte, die er brachte. Der durchschnittlich motivierte Wachmann blieb bei diesem Wetter lieber bei einer Tasse Heißgebrühtem in der warmen Stube. Patrouillen waren also eher selten. Dank des kostbaren und hochtechnologischen Textils, welche die Frau an ihrem Körper trug, war sie für die Kälte jedoch weniger empfindlich als ein Mann in typischer Pelzkleidung.
Cattaleya Amalia Van’Sovrean war froh, dass Lucius Frost auf sie gehört und es ihr ermöglichte hatte, eine ihrer drei großen Stärken auszuspielen. Von den ersten beiden hatte sich Lucius bereits mehrfach überzeugen können. Diese waren Infiltration sowie soziale Interaktion jeglicher Art. Darin war sie einfach unübertroffen. Und wer weiß, vielleicht würde der Mann auch eines Tages das Glück haben ihre dritte Stärke kennen zu lernen, nämlich das Küssen. Sechs Monate war sie nun in der Inquisition und irgendwie war der analytische und vor allem leidenschaftliche Anführer ja schon recht reizvoll, das musste sie ihm lassen.

Als das leise Klacken des Wurfhakens erklang, der sich oben an der sechs Meter hohen Mauer festgekrallt hatte, welche die Grenze des Anwesens darstellte, und sich das hauchdünne Drahtseil spannte, das an ihrer Hüfte befestigt war, fühlte Cattaleya, wie das Adrenalin durch ihren Körper zu schießen begann. Es war auf seine Art wie damals bei ihren Beutezügen in der Makropolenspitze von Sibellus. Der einzige Unterschied schien ihr zu sein, dass diesmal keine öffentliche Diskreditierung oder strafrechtlicher Prozess samt im vorhinein von ihrem Vater gekauften Richter auf sie warten würde, sondern sofortige Exekution die einzige Konsequenz wäre. Sie mochte diesen Gedanken. So ziemlich alles war besser als sich vor ihrem Vater für ihr Verhalten rechtfertigen zu müssen. Der Rest war ein und dasselbe. Die gleiche Anspannung in jedem Muskel ihres Körpers und die bis aufs höchste Maß geschärften Sinne, welche dem kleinstem Geräusch oder der geringsten Bewegung Aufmerksamkeit widmeten. Auch ihre Ausrüstung war ähnlich: Den Universalschlüssel wie gewöhnt in der rechten Schenkeltasche, gemeinsam mit dem Datenpad, welche die elektronische Karte ihres Zielobjekts beinhaltete. Das Kartenmaterial war zwar ungenauer als solches, das sie üblicherweise durch gezielte Bestechung auf Scintilla erhalten konnte, aber das lag wohl einfach daran, dass Karten auf einer unterentwickelten Welt am Rande der Zivilisation einfach schlechter waren als auf der Spitze von Sibellus, der Blüte imperialer Zivilisation, wenn man es so wollte. In der rechten Schenkeltasche waren Kletterhacken,  diverse Dietriche und ein Glasschneider mit dem Schnittblatt aus hochwertigem Adamantium griffbereit, in der linken Wadentasche ein Abhörgerät sowie ein Spiegelschlauch um unbemerkt unter Türen hindurch und um Ecken herum blicken zu können.

Als sie über die Ähnlichkeiten sinnierte, entging ihr beinahe ein weiterer wesentlicher Unterschied; die tödlichen Werkzeuge, welche sie am Körper trug. Auf den Rücken geschnallt hing ein mächtiges Gewehr, pechschwarz, die Mündung mit einem Schalldämpfer bestückt, ein Fernrohr mit Autokorrektur am Lauf, zudem mit Laserzielvisier und automatischem Magazinwechsler. Die mächtige Waffe war so lang wie seine Trägerin hoch. Vergleichsweise unscheinbar aber nicht weniger tödlich waren zwei etwa dreißig Zentimeter lange Dolche, welche sie in den hohen schwarzen Lederstiefeln verborgen hatte. Die Klingen waren uralt, man hatte ihr gesagt so alt wie die Dynastie Van'Sovrean selbst, und diese pflegte bereits eine über zwei dutzend Jahrhunderte alte Tradition. Nach ihrer allerletzten Auseinandersetzung mit ihrem Vater hatte Cattaleya beschlossen, neben vieler ihrer schönsten Kleider, wertvollsten Düfte und teuersten Geschmeide ihren Teil der Erbschaft selbst für sich zu beanspruchen und diese beiden für Van'Sovrean beinahe heiligen Klingen in ihr neues Leben mitzunehmen. Vaniryl und Sovrean, so die Namen der uralten Energieklingen, benannt nach den beiden Gründern des Hauses, welche die Waffen eines längst vergangen Tages selbst geführt haben sollen. Eigentlich konnte sich ihr Vater glücklich schätzen, denn als eine von 6 Töchtern hätte ihr eigentlich noch weit mehr zugestanden. So wie sie ihn jedoch kannte tobte er wahrscheinlich noch immer bei dem Gedanken, das seine jüngste und zu jeder Zeit verhasste Tochter mit dem symbolisch gesehen wertvollsten Besitz von Van'Sovrean über alle Berge und weit außerhalb seines Einflussbereiches war.

Tief in Gedanken an ihren Vater versunken war sie beinahe wie von selbst und völlig automatisiert durch das Innere des Anwesens bis an das wohl vor langer Zeit prächtig gewesene Herrenhaus herangeschlichen. Es war das Gegenteil einer adeligen Behausung, wie man es von Sibellus kannte. Flach und weitläufig, anstatt hoch und spitz - heruntergekommen, überwuchert und finster, anstatt prunkvoll, gepflegt und strahlend. Cattaleya war über das Dach eingestiegen und dabei beinahe Opfer ihrer eigenen Unkonzentriertheit geworden. Überrascht von vier uniformierten Hauswachen war sie gezwungen gewesen in der Ecke eines quadratischen Raumes in einem dunkeln Spalt zwischen Hauswand und Wandschrank zu verharren, während die vier Männer ihren Feierabend in einem Sozialraum genossen, indem sie sich dem Kartenspiel und dem Alkohol hingaben. Wer denkt, dass drei Stunden intensiver Sport anstrengend seien, der sollte einmal versuchen, drei Stunden lang völlig regungslos zu verharren, und nicht einmal den kleinsten Laut von sich zu geben. Cattaleya hätte die Männer spätestens nach ein paar Gläsern leicht erledigen können, ihre oberste Prämisse jedoch war es, ungesehen und unbemerkt zu bleiben. Der leiseste Verdacht hätte ihr Ziel zur Flucht treiben können, und das musste um jeden Preis verhindert werden. Zu gut hatte sie die Worte von Lucius Frost in Erinnerung: „Am Leben bleiben, unbemerkt bleiben, die Anwesenheit des Zieles sicherstellen, und wenn möglich, Truppenstärke und deren Aufenthaltsort bestimmen.“ Sie hatte vor, jede einzelne ihrer Vorgaben umzusetzen.

Das Benehmen der Männer und die Thematik ihrer niederen Gespräche an dem Spieltisch widerten die aus feinem Hause stammende Van‘Sovrean an, aber vor allem war sie natürlich Profi. Daher wartete sie geduldig ab und nütze die Gelegenheit, als drei der vier Männer den Raum verließen, um ihren Geschäften nachzugehen. Der verbliebene Wachmann sah es nicht kommen, als sein Kopf nach einem gezielten und vor allem harten Hieb auf den Hinterkopf gegen den Tisch knallte. Eine über ihm entleerte Schnapsflasche, welche die Rückkehrer schließlich leer in seiner Hand wiederfänden, würde für die Ahnungslosen keine Zweifel an dem trügerischen Schicksal des Mannes lassen, der es hier wohl eindeutig übertrieben haben musste und sicher noch einige Zeit tief schlummern würde.

Der Rest war einfach. Auch im Hausinneren war es verhältnismäßig finster, um nicht zu sagen, düster. Soweit sie sah gab es in dem Gebäude keine Energie, zumindest wurde das Licht gänzlich von Kerzen erzeugt und die Räumlichkeiten durch brennendes Holz geheizt. Die Wachen waren alles andere als auf der Hut, und es gab auch nicht allzu viele von ihnen. An diesem verlassenen Fleck mitten im Nirgendwo war es sicher auch nicht einfach, fähiges Personal zu bekommen. Ungesehen durch das Anwesen zu schleichen, war daher nur eine Frage des richtigen Timings und der Übersicht. Während von ihrem eigentlichen Ziel zunächst jede Spur fehlte, machte sie sich mentale Notizen über Truppenstärke,  Positionen und Patrouillenroutinen. Als der vereinbarte Zeitpunkt näher rückte und sie sich bereits damit abgefunden hatte, bald den Abzugsbefehl aufgrund der Abwesenheit des Zieles geben zu müssen, führte sie ihr letzter Weg in die Katakomben des Herrenhauses. Angelockt von entfernten, rhythmischen Gesängen bahnte sie sich ihren Weg durch die verwinkelten und sauerstoffarmen Gänge, vorbei an alten Weinlagern, durch eine verstaubte Rumpelkammer, bis sie schließlich eine gewaltige Halle erreichte, welche sich wohl  gut zwanzig oder dreißig Meter unter dem Anwesen befand.

Was sie dort sah, ließ ihr Herz für einige Sekunden gefrieren. Aufgebahrt wie Holzscheite lagen verstümmelte Menschen, denen man sämtliche Gliedmaßen abgetrennt hatte, übereinander auf einem mit Blut gemalten Symbol, das bei ihr noch größere Übelkeit hervorrief als der Anblick der Masse aus blutigen Leibern. Einige der armen Seelen waren noch immer am Leben, was ihr qualvolles Stöhnen unzweideutig verriet. Um den menschlichen Scheiterhaufen herum knieten Gestalten in schwarzen Kutten. Die größte Obszönität von ihnen Allen war jedoch die Figur von Vynnor Lucrés, welche die Anmaßung besaß, in einer triumphierenden Pose genau auf dem Menschenhaufen zu stehen, während er einen widerwärtigen, sonoren Gesang anstimmte. Cattaleya hatte die Halle von einer hoch gelegenen Nische aus erreicht, welche in einen Balkonweg überging, der das Gewölbe säumte. Bleich im Gesicht fiel die Frau auf die Knie und summte leise eine Minute lang die Litanei der Erlösung,  ehe sie wieder im Stande war ihren Geist zu sammeln um zu tun was nötig war. Zu allem Überfluss ertönte im selben Moment wie aus dem Nichts eine Stimme in ihrem Kopf.

Kratzig und widerwärtig aufdringlich erklang sie, ohne ihr eine Möglichkeit zu geben, sie abzustellen. Es war Phos Isand. Das aufgeblasene Gehabe gab Cattaleya einmal mehr Recht und bestätigte ihre nicht besonders hohe Meinung von dem Sanktionierten. Man musste auch die positiven Aspekte in Betracht ziehen: Lucius und sein Team waren eingetroffen - sogar etwas früher als geplant und nicht einen Moment zu spät. Sie konnte es nicht ertragen eine solch perfide Gestalt wie Vynnor Lucrés auch nur eine Sekunde länger am Leben zu lassen als unbedingt nötig. In einer geschickten Bewegung streifte sie das Kopfteil der synthetischen Textur vom Gesicht, befreite damit ihre glänzenden brauen Haare aus dem engen Textilgeflecht und legte sowohl ihren ungeschminkten Mund als auch Ohren frei. Dabei aktivierte sie ihr Mikrophon und flüsterte: „Der Honig ist bereit für die Bienen. Gestochen wird nur am Rumpf. Der süße Kern ist in der Wurzel. Der Sänger ist laut wie die Nacht.“ Eines musste sie dem Psioniker lassen, die von ihm entwickelte Geheimsprache war einfach und effektiv.
Einen Handgriff später lag das mächtige Gewehr in ihren Händen, während sie sich mit dem Rücken gegen das Steingeländer des Balkonwegs presste. Immerwährend drangen die ketzerischen Gesänge des Hexers zu ihr hinauf und sie sah sich schließlich veranlasst zu handeln, und zwar sofort. Sie wollte und konnte nicht mehr warten. Die folgenden Momente vergingen für sie wie in Zeitlupe. In einer fließenden Bewegung erhob sich die Frau drehend aus der Hocke und ließ den Lauf des Gewehres nach unten in die Halle weisen. Entschlossen verlängerte sich der Blick ihres rechten Auges durch das Fernrohr des Scharfschützengewehres, bis er genau auf den Kopf des Hexers traf. Sie drückte ab und verfehlte ihr Ziel nicht um einen Millimeter, doch es war bereits zu spät.

Wird fortgesetzt...
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 07. Mai 2013, 23:24:33
Zwei

Weiterhin auf Schleichfahrt und mit ausgeschalteten Scheinwerfern rumpelten die beiden schwarzen Arbites–APCs durch die windumtoste Nacht die letzten Meter des Passes an das Tor des Anwesens heran. Scans mit der fortgeschrittenen Auspextechnologie inquisitorialer Prägung hatten keinerlei technologischen Abwehrmaßnahmen oder Spähsonden erkennen lassen, so dass sich Frost dafür entschieden hatte, das Tor in klassischer Manier aufbrechen zu lassen. Ein Team aus vier Arbitratoren war gemeinsam mit Pater Thracian ausgestiegen, um mit Nachtsichtgeräten ausgestattet das feudale Hindernis zu beseitigen. Im Zwielicht seiner Speziallinsen sah das Gittertor eigenartig grün-gräulich aus, die reptilienartigen Insignien Harholdts waren unter der Schneekruste mittlerweile kaum noch zu erahnen. Der Ex-Arbitrator übersah das Voranschreiten der Arbeiten durch den knappen Sichtschlitz des Rhinos. Im Geheul des Sturmes war das trockene Knirschen des alten Metalles, welches unter dem Angriff der hydraulischen Arbites-Brechstangen rasch nachgab, vielleicht ein paar Meter weit zu hören. Die Männer schoben die Flügel mit schweren Schritten nach innen auf, und vor ihnen erstreckte sich lediglich von Schneetreiben gefüllte Dunkelheit. Sie hatten noch fast einen halben Kilometer Fahrt über die von losen Baumgruppen bewachsene Hochebene vor sich, bis sie auf die Schlucht und die Felsnase treffen würden, auf welcher das Herrenhaus stand.

Ein kurzer Zwischenstopp, bei welchem die bewusstlosen Wachen, welche dem psionischen Schrei Vox‘ zum Opfer gefallen waren, für weitere Befragungen gefesselt, geknebelt und in den hinteren Transportpanzer geladen wurden, war obligatorisch, und die geübten Hände der requirierten Gesetzeshüter versahen die Arbeit in kürzester Zeit. Noch immer gab es keinerleit Nachricht von Honeymoon, weder über die Truppenstärke, noch über die Anwesenheit des Zieles.

Lucius Frost hatte sich einen neuen Lho-stick angezündet und atmete geräuschvoll über seine Nasenlöcher aus. Er begann langsam aber sicher nervös zu werden. Die eiserne Kontrolle über seinen Körper, welche eine der Grundvoraussetzungen für einen erfolgreichen Arbites–Detektiv war, geschweige denn für einen Agenten des goldenen Thrones, führte dazu, dass die innere Unruhe des Anführers den Männern im Rhino gänzlich entging. Allein Pater Thracian warf ihm einen schwer zu deutenden Blick aus seinen erbarmungslosen, grauen Augen zu. Frost erinnerte sich im Geiste selbst daran, dass er sicherheitshalber Blender und Granit, zwei weitere Agenten seines Teams, am Raumhafen von Tulsholm stationiert hatte, nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass Lucrés die Bedrohung gewittert hatte, und untergetaucht war, um den Planeten zu verlassen.

Langsam setzte die schwarze Karawane in der Düsternis des Sturmes ihren Weg fort wie zwei monströse Käfer, die mit knirschendem Geräusch über den hartgepressten Schnee krochen. Nur hie und da brach der blässliche Mond durch die dicke Wolkendecke und gräuliches Zwielicht fiel durch das Schneetreiben. Auch wenn Frost wusste, dass diese Vorsichtsmaßnahme richtig war, drängte alles in ihm dazu, die Scheinwerfer einzuschalten und mit heulenden Motoren auf das Anwesen zuzupreschen und es im Sturm zu nehmen. Er ermahnte sich zu Geduld und Voraussicht und versuchte die Gedanken an Cattaleya zu verdrängen, seine Sorge um sie nicht überhand gewinnen zu lassen. Er hatte bisher erst zweimal ein Mitglied seiner Zelle an den Feind verlieren müssen und nur einmal davon hatte er auch das Kommando gehabt. Rikkard Horlant, so der Name des toten Kopfgeldjägers, würde ihn wohl in seinen Gedanken bis zu seinem Tode begleiten. Was hatte der verdammte Kerl auch seinen Funkspruch missachten und sich exponieren müssen? Frost schloss die Augen und nahm einen weiteren tiefen Zug von seinem Lho.

Der Funkspruch Van‘Sovreans durchdrang die angespannte Stille durch sein Microbead wie das Schlagen der gigantischen Bronzeglocken in der Kapelle des Imperators im Trikornus. Lucius entging gerade noch einem Hustenanfall, als sich sein Atemrhythmus abrupt durch die Unterbrechung der Nachricht änderte. Das Ziel war hier und im Kellergeschoß! Offenbar war mit etwas Widerstand auf der Eingangsebene zu rechnen, doch für bedachtes Vorgehen war nun keine Zeit mehr – „Der Sänger ist laut wie die Nacht!“ hallte die Nachricht in seinem Kopf wieder. Der Ex-Arbitrator schluckte schwer. Der verdammte Ketzer war offensichtlich dabei, irgendeinen unheiligen Plan in die Tat umzusetzen. Er wandte sich an Vox: „Gib ihr folgendes durch: Das Rudel kreist die Beute ein, wild bellt der Leitwolf. Der Honigmond denkt an die Porzellankiste!“ Er konnte nur hoffen, dass Cattaleya sich zurückhalten wurde, da die Unterstützung dabei war, einzutreffen, und dass sie sich an seinen Aufruf zur Vorsicht halten würde. Er wandte sich an Dvorov: „Scheinwerfer an und volle Geschwindigkeit. Und machen Sie die Lautsprecher an!“

Mit deutlichem Heulen reagierten die empörten Maschinengeister der Kettenfahrzeuge, als die Fahrer Ihnen ohne Vorwarnung ihr Äußerstes abverlangten. Die Helligkeit der Scheinwerfer, welche von den tanzenden Schneeflocken reflektiert wurde, ließ den Ex-Arbitrator trotz des Sichtschutzes blinzeln.
Schon nahm er vor sich den dunklen Umriss des feudalen Anwesen der Harholdts war. „Im Namen der heiligen Inquisition - Waffen weg und auf den Boden, Widerstand ist Häresie!“, bellte er mit rauher Stimme in den Voxponder, welcher seine Stimme etwas elektronisch verzerrt und mehrfach verstärkt von den Lautsprechern der Rhinos in Richtung des Anwesens projezierte. Der Herrschaftssitz war mit Flechten bewachsen und saß wie eine aus dunklen Augenhöhlen schielende Kröte am Rand der Klippe, hinter welcher sich das schwarze Nichts eines mehrere hunderte Meter steilen Abgrunds auftat. Noch während die Panzer, von deren Lautsprechern immer wieder Lucius Ermahnung schallte, auf das Eingangsportal zurollten, wurde das Knattern von Gewehrsalven hörbar, Zunächst nur vereinzelt, doch mit jedem Meter organisierter, und als sie schließlich mit blockierenden Ketten wenige Meter vor der Pforte anhielten, hatte sich auch das mechanische Hämmern eines Maschinengewehres darunter gemischt. „So viel zu der Idee, die Wachen könnten noch einen Funken Anstand im Leib haben und unnötiges Blutvergießen könnte vermieden werden“, dachte der Ex-Arbitrator bitter, bevor er sich wieder an Dvorov wandte: „Wir stürmen sofort, feuern sie die Rauchgranaten ab, gemeinsam mit der Deckung unserer blendenden Scheinwerfer sollte das genug Sicherheit für den Sturm der Eingangshalle bieten. Es werden keine Gefangenen gemacht.“ Untermalt von den dumpfen Einschlägen großkalibriger Projektilgeschoße an der Außenhaut des Rhinos ertönte ein dumpfes Knallen, als die Rauchgranaten kurz vor den Panzern ihren Inhalt entluden. Mit einem Knirschen öffneten sich die zugefrorenen Luken der Rhinos und die Arbites schwärmten in hundertfach geübtem Drill daraus hervor, um einen Schutzwall aus Plastekschilden zu formen, durch welche nur die schwarzen Mündungen der Gefechtsschrotflinten hervorblickten.

Lucius zögerte einen Augenblick und wurde sofort von Pater Thracian überholt, welcher unter seinem Helm mit den drei nach oben weisenden Zacken einen furchterregenden Anblick bot. Mit heulendem Kettenschwert sprang der Kleriker in den Schnee und schloss zu den Arbites auf. Als Lucius vor Vox aus dem Panzer kletterte, hörte er auch schon das Fauchen des Flammenwerfers Thracians, den der schwarze Priester wie immer einhändig führte. Qualvolle Schreie antworteten wenige Momente darauf, als aus der brennenden Pforte des Anwesens zwei in Flammen stehende Silhouetten hervor taumelten. „Spart eure Munition, lasst die Ketzer verbrennen!“, hörte er den tiefen Tonfall Gerharts über das Tosen des Sturmes hinweg in seinem im Helm integrierten Kommunikator tragen. Der Sturm auf Haus Harholdt hatte begonnen.

Als würden ihn die qualvollen Schreie der brennenden Ketzer anlocken, denn von nun an war jeder, der es wagte, sich dem Ordo Malleus entgegenzustellen, für Vox eben genau das, blickte der glatzköpfige, kleine Mann neugierig aus dem Truppentransporter der Arbites hervor. Sein Blick fiel auf Pater Thracian, der am Rande seines Sichtfeldes, welches durch Rauch und Schnee stark eingeschränkt wurde, gerade dabei war, selbst die tollkühnsten Arbites zu überholen und an vorderster Front seinen Tod zu suchen. Ganz konnte er den Pater nicht verstehen, denn war dies nicht genau der Grund, warum die Zelle die Spezialeinheit der Ordnungshüter dieses Randplaneten überhaupt erst mitgenommen hatte? Mit einem Schulterzucken sprang der kleine Mann aus dem Fahrzeug - als Letzter verstand sich.

Seine Aufgabe war es, hier die Übersicht zu bewahren, denn einer musste das ja übernehmen. Lucius Frost, den er üblicherweise als recht fähig einstufte, konnte er in dieser Hinsicht nicht mehr vollends vertrauen – einmal davon abgesehen, dass Vox sowieso niemanden richtig vertraute. Diesmal hatte er jedoch einige handfeste Gründe dafür, welche er auch vor Interrogator Immarut Railoun zu nennen gedachte, sollte es nötig sein, in den Augen von Frost unangemessen zu handeln und sich dann dafür rechtfertigen zu müssen. Zuerst war es für den gelernten Empathen nur so eine Ahnung gewesen. Es kam ihm jedoch schon reichlich seltsam vor, dass diese Augenweide namens Van‘Sovrean mehrfach auf Frost einreden musste, bevor er davon überzeugt war, sie alleine als Vorhut hinein zu schicken. Dabei sprach aus rein logischen Gesichtspunkten alles dafür. Zum einen würde sie ihnen nicht im Weg herumstehen, wenn sie gemeinsam das Anwesen stürmten, und zweitens war die Frau sowieso zu nichts anderem zu gebrauchen. Phos‘ Mundwinkel hob sich schelmisch, als er kurz darüber nachzudenken begann, ob sie nicht vielleicht noch für etwas anderes gut sein könnte. Wie dem auch sei, jedenfalls wirkte Frost seither auf seltsame Weise unruhig. Vox hatte zunächst angenommen, es sich nur einzubilden, aber mittlerweile hatte er zwei Fakten, die seinen Verdacht bestätigten. Zum einen war da dieser vielsagende Blick von Pater Thracian, der ihm nicht entgangen war. Vox war also in seiner Vermutung nicht alleine. Was ihn jedoch endgültig davon überzeugte, dass Lucius zu einem nicht unwesentlichen Teil durch Cattaleya abgelenkt war, war die Tatsache, dass der Leitwolf die Botschaft, die er gerade eben der Frau übermittelt hatte, mit Vox‘ eigenem, brillanten Geheimchiffre verschlüsselt hatte.
Dabei war das doch völlig überflüssig, da seine Telepathie unmöglich abzuhören war. Vox hatte sich dafür entschieden, ihr die Botschaft trotzdem verschlüsselt zukommen zu lassen, hauptsächlich deshalb, weil er die Sprache so mochte. Mit dem Pater mitten im Gefecht und Lucius, der folglich nicht zu hundert Prozent bei der Sache war, lag es also wieder einmal an ihm dafür zu sorgen, dass diese Operation vollstens gelang und im Nachhinein als glorreich klassifiziert werden konnte. Etwas Anderes konnte und wollte sich der Psioniker in seiner Akte auch nicht leisten.

Während der Wolf allerhand Anweisungen durch das Mikrofon heulte, folgte ihm Vox in wenigen Metern Abstand. Er selbst war mittlerweile mehr ein blasser Schemen, mehr unwirklich als real und selbst auf kurze Distanz kaum noch wahrzunehmen. Er wäre auch im Stande gewesen komplett zu verschwinden, dies wäre jedoch weit aufwendiger gewesen und aufgrund der ohnehin schlechten Sichtverhältnisse die weniger naheliegende Wahl. Sollte sich trotzdem ein Schuss in seine Richtung verirren, wäre das aber auch so kein großes Drama gewesen, da diese Hinterweltler scheinbar ohnehin nur harmlose Projektilwaffen im Einsatz hatten. Als der Eingang genommen wurde und die ersten Männer auch über die Fenster in das Innere des Hauses eindrangen, wo mittlerweile buchstäblich die Hölle los war, gespien aus dem zuckenden Flammer des Priesters, und Frost nicht den Anschein machte als würde er Rückendeckung nötig haben, beschloss er einem inneren Gefühl folgend eine zentralere Position einzunehmen und den Arbites direkt durch das bereits in inquisitioneller Hand befindliche Eingangstor zu folgen.

Von Gerhart fehlte mittlerweile jede Spur, alleine die schreiend brennenden Ketzer gaben Phos einen vagen Hinweis darauf, in welcher Richtung er ihn zu suchen hatte. Während seine Mitstreiter mit eher martialischen Waffen in den Händen das brennende Haus stürmten, betrat Phos gelassenen Schrittes und nur mit drei Glasperlen in der Hand das Herrenhaus, fast so als würde er dem hiesigen Adel einen höflichen Besuch abstatten. Vox musste lächeln, als ihm ein berühmtes Zitat eines mittlerweile längst toten Psionikers einfiel, das während seiner Zeit auf Terra gelehrt worden war. Er hatte den Namen des Mannes sofort als unwichtig eingestuft und somit längst vergessen, das Zitat jedoch war überaus treffend: „Mein Schwert kann durch Adamantium schneiden als wäre es Papier, und dennoch ist es eine stumpfe Keule verglichen mit der Schärfe meines Willens.“ Ja, dieser Satz hat Stil, denn Vox hatte wahrlich keine Verwendung für stumpfe Keulen. Als er einen weiteren psionischen Schrei manifestierte war dieser so intensiv, dass er sich nicht nur durch das Immaterium ausbreitete, sondern auch in die Wirklichkeit drang. Eine Gruppe aus sechs Wachen, welche sich hinter provisorischer Deckung verschanzt hatten und den Arbites das Leben schwer machten, sowie vier Mann, die sich irgendwo jenseits der Feuersbrunst in der Nähe von Thrasian aufhielten, fielen ohne einen Mucks um wie Reissäcke. Der Knall war diesmal ohrenbetäubend schrill und selbst Vox zuckte leicht zusammen, als in vierdutzend Metern um ihn herum sämtliche Fenster, Gläser, Spiegel und Brillengläser in Millionen kleine Splitter gesprengt wurden. Wo gehobelt wird, da fallen eben Späne, dachte er bei sich.

Wie als Antwort auf seinen psionischen Ruf erbebte das Herrenhaus in seinen Grundfesten, als ein außerweltliches markerschütterndes Brüllen aus dem Untergrund drang. Es war so widerwärtig, dass es gleich mehrfach in diversen kakophonischen Stimmlagen in seinem Kopf wiederhallte. Zum ersten Mal an diesem Abend regte sich in Phos so etwas wie Leidenschaft. Es war leidenschaftlicher Hass, der in ihm hochquoll. ‚Daemon‘, schoss es ihm durch den Kopf. Der abtrünnige Dilettant hatte es also tatsächlich gewagt einen Häscher aus dem Immaterium in diese Welt zu holen. Damit waren auch seine letzten Sympathien bei Vox verspielt. Wie er ihre gesamte Existenz verabscheute, die Unaussprechlichen, die unentwegt und ausdauernd auf einen Fehler von ihm warteten. Die, die ihn behandelten als wäre er ein Dieb, ein Dieb des Immateriums. Sie würden verdammt lange warten, denn Phos Isand machte keine Fehler.

Wie er jedoch im selben Moment verärgert feststellen musste, war er damit ziemlich alleine. Fünf oder sechs Männer der Arbites, darunter selbst Chastener Dvorov machten in diesem Augenblick verängstig kehrt. Einige von ihnen stammelten verwirrte Stoßgebete an den Imperator, der Rest von ihnen machte einfach nur den Eindruck, sich gerade einzunässen. Beim Anblick des erbärmlichen Packs griff sich Vox gequält auf die Stirn. Was hatten sie erwartet, womit sie es zu tun bekommen würden, wenn sie an einer vom Ordo Malleus geleiteten Operation teilnähmen, mit Ladendieben? Zu allem Überfluss veranlasste ihn ein Kugelhagel aus erhöhter Position dazu, in Deckung zu springen. Die Abtrünnigen nutzten scheinbar die Gelegenheit, um die Oberhand zurückzugewinnen. Aber auch wenn Vox‘ Abbild im Moment verzerrt und nur als Schimmer wahrnehmbar war, Zielen konnte man nicht gerade zu ihren Stärken zählen. Als das Krachen einer Boltpistole aus dem Hintergrund ertönte und auf dem hölzernen Balkonweg die Balken zu splittern begannen, atmete Phos erleichtert auf. Lucius war eingetroffen. Das nahm ihm lästige Arbeit ab und verschaffte ihm die Zeit, die er jetzt dringend benötigte. Als der Kugelhagel stoppte und Lucius mit einem Höllenlärm unentwegt einen Ketzer nach dem anderen ins Jenseits beförderte, brachen die Wolken über dem Anwesen derer von Harholdt auf und ein Strahl aus gleißend hellem und angenehm warmem Licht flutete das Anwesen. Er wusch die Kälte völlig aus allen Gedanken. Der Gestank von Tod, Qualm und Rauchgas wich einem berauschenden Duft aus Psalmian und Weihrauch, wie Vox ihn einmal in einem dem Imperator geweihten Tempel auf Terra wahrgenommen hatte. Es war, als würde der Gott-Imperator persönlich ein Auge auf dieses einsame Anwesen mitten im Nirgendwo richten. Jetzt erschien alles plötzlich Sinn zu ergeben, und die Möglichkeiten waren unbegrenzt. Sie mussten hier und heute einen Sieg erringen, koste es was es wolle. Dvorov selbst war es, der sich als erster wieder umwandte, und mit einem lauten, „Für den Imperator“, seine gesamte sichtlich faszinierte Truppe mitten durch die Flammen in das Herz des Anwesens führte, so als wäre er unverwundbar.

Was die Anwesenden nicht wussten war, dass Vox den Sinnen seiner Verbündeten nur einen vergleichsweise einfachen Gedankenstreich spielte, den jeder halbwegs fähige Telepath beherrschte. Das letzte was sie jetzt gebrauchen konnten waren ein paar ängstliche Hosenscheißer. Außerdem, wenn wirklich noch ein Daemon auf sie wartete, dann würden sie das Kanonenfutter bitter nötig haben.

Da ihre Opposition diese Illusion nicht wahrnehmen konnte, reagierte sie dementsprechend unbeeindruckt. Vox sechster Sinn konnte eine größere Truppe Verstärkung wahrnehmen, welche in den nächsten Sekunden aus östlicher Richtung zu ihnen stoßen und den mittlerweile fanatisch kämpfenden Arbites damit voll in den Rücken fallen würde. Kurz überlegte er seine Information an Frost weiterzugeben, entschied jedoch, dass die Verzögerung inakzeptabel sei und entschloss sich daher selbst zu handeln. Seine telepathische Verbindung war noch immer aufrecht, also gedachte er diese zu nutzen. So verstellte er seine Stimme, aufdass sie wie jene von Frost klang, und mischte ein leichtes Rauschen hinzu, sodass es sich anhörte, als würde Lucius über Funk sprechen. Dann sandte er gezielt eine Botschaft an den Fahrer des südlichen Rhino: „Frost an rechten Schuh, voller Schub durch die Hauswand etwa 14 Meter östlich des Einganges. Krachen sie voll hindurch und zerstören sie soviel sie können. Jetzt sofort!“ Dieser kaufte ihm seinen kleinen Trick ab, was ihm jedoch keiner ankreiden konnte. Selbst Lucius eigene Mutter hätte Schwierigkeiten gehabt die Täuschung zu durchschauen.

Direkt darauf antwortete der Fahrer des Rhinos durch das Voxkomm und für Frost gut hörbar mit einem deutlichen „Verstanden!“. Von draußen heulte der mächtige Motor des Transporters auf, als er nur wenig später mit voller Wucht etwa ein dutzend Meter östlich von Frost durch die Hauswand krachte.  Einen Berg aus Schutt vor sich her schleppend zerstörte er zudem eine tragende Mauer. Frost sah gerade noch, wie die vordersten Männer des geplanten Flankenangriffs jäh unter dem herabfallenden ersten Stockwerk des Nebenzimmers begraben wurden. Der Funkspruch von Van‘Sovrean, die etwas außer Atem zu sein schien, bestätigte im selben Moment, was Vox schon vermutet hatte. Die Dummeit von Lucrés, seinen eigenen Körper als Dämonenwirt zu benützen, schockierte jedoch selbst ihn: „Ein Daemon, ein geflügelter Daemon, Lucrés hat sich verwandelt. Höchste Gefahr…argh“ Damit war der hübsche Blickfang also schon mal Geschichte. Vox konnte nur hoffen, dass der Daemon der Versuchung nicht widerstehen konnte und sich noch an ihr vergreifen würde, bevor er sie tötete, oder auch in umgekehrter Reihenfolge. Das würde der Truppe Zeit bringen, die sie dringend benötigte. Die Opposition  musste jetzt mit allen Mitteln niedergeschlagen werden, damit der Häscher mit vereinten Kräften vernichtet werden konnte.

Der Eingangsbereich gehörte mittlerweile ihnen. Lucius‘ Befehle hallten durch das Microbead, und irgendwo war auch noch ein surrendes Kettenschwert zu hören, was Vox darauf schließen ließ, dass der irre Priester noch immer am Leben war. Bisher hatten sie keinen Verlust hinnehmen müssen. Lediglich einer der Arbites war an der Schulter verwundet worden, würde den Tag jedoch überleben - ein weiteres Indiz dafür, dass die Schießkünste seiner aktuellen Opposition in keine Annalen eingehen und nur mit hämischem Unterton in seinem Bericht Erwähnung finden würden. Erneut ließ ein markerschütternder und kakophonisch nachhallender Schrei das Anwesen erzittern…

Der brennende Türrahmen der Eingangshalle bot ein dramatisches Bild, als der Glaubenskrieger in der Carapacevollrüstung in großer Geschwindigkeit an den brennenden Häretikern vorbeistürmte. Rechtschaffener Hass und Leidenschaft durchfluteten ihn wie ein reinigendes Feuer. Als erster erreichte er die Türschwelle und blickte in die feudale Empfangshalle, in welcher ein Kamin am entgegengesetzten Ende eingerahmt von etlichen Gobelins thronte. Zahlreiche kleine Flammen leckten an den Dielen des alten Holzbodens der Halle und warfen gespenstische Schatten. Hinter einem hastig umgeworfenen groben Holztisch und dazugehörigem Diwan zischte ein Laserschuss in seine Richtung und hinterließ einen verkohlten Fleck am Brustpanzer Gerharts, ohne ihn jedoch zu verwunden. „Dies Irae“ murmelte er, bevor er in die Richtung des Tisches sprintete und mit einem gewaltigen Satz darüber hinweg setzte. Die Zeit des Zornes war gekommen! Thracian duckte sich unter dem Bajonettschwung eines Ketzers hinweg, welchen er mehr aus dem Augenwinkel wahrnahm und führte sein heulendes Kettenschwert in einem Halbkreis rechts unter dem Rumpf des Feindes hinweg. Mit einem hässlichen Geräusch zermalmten die scharfen, gegenläufigen Klingen der gesegneten Waffe die Beine knapp oberhalb der Knie des Mannes, welcher kaum noch die Möglichkeit hatte, einen überraschten und gepeinigten Schrei auszustoßen, bevor er in einer Lache aus Blut nach hinten umfiel. Nach einem kurzen Moment der Überraschung, welcher Gerhart gerade genug Zeit gegeben hatte, sich mit dem Rücken zur Wand zu positionieren, gingen die drei in braune Mäntel gehüllten Wachposten zum Gegenangriff über. Der Kleriker war in einer Position, die ihm durchaus nicht unwillkommen war. Von zahlreichen Entermanövern im Dienst der Raumflotte war dem Sternengeborenen der Kampf in enger Umgebung zu einer zweiten Natur geworden. Der Mann zu seiner Linken schwang den Gewehrkolben nach Gerharts Kopf und verfehlte um Haaresbreite, während der hünenhafte Glaubenskrieger dem Bajonettstoß von rechts mit einem Ausfallschritt und einer fast elegant anmutenden Parade mit seinem perfekt ausbalancierten Kettenschwert begegnete. Der dritte Ketzer traf den Kleriker am linken Oberschenkel und nur die metallverstärkte Bionik bewahrte Thrasian vor einer Verwundung, als die scharfe Klinge durch eine kleine Lücke der Panzerung drang. An der Hand des Angreifers erspähten seine wütend blitzenden Augen das grotesk missgebildete Fehlen zweier Finger und das klauenartige Horn, welches die restlichen drei bedeckte. Mutanten! Einer Welle gerechten Zornes gleich beschrieb seine Waffe zwei zuckende Kreise und wie durch Butter drang die Klinge durch die verdorbenen Formen seiner Feinde, welche der reinen menschlichen Form frevelten. Einer der Mutanten wurde von der linken Schulter bis zur rechten Hüfte gespalten und während noch der Schauer aus Blut in der näheren Umgebung einem frühlinghaften Platzregen gleich niederging, trennte Gerhart mit einem sauberen Schlag den Kopf des anderen von seinen Schultern. Der verbliebene Ketzer wollte sich gerade zur Flucht wenden, als Dvorov mit zweien seiner Männer zu Thrasian aufschloss und sie ihre Schrotgeschosse aus nächster Nähe in den verderbten Körper pumpten. Wie eine Marionette im Sturm wurde der Körper zweimal herumgerissen und fiel dann in grotesk verdrehter Haltung mit einem satten Schmatzen auf den alten Holzboden.

Gerhart deutete mit der triefenden Klinge in Richtung des Ganges rechts des Kamins und rückte, etwas in den Schutz der Schilde der Arbites zurückfallend, mit den Männern des Chasteners vor. Er wollte gerade seinen Flammenwerfer gegen einen neu erschienenen Trupp von Hauswachen erheben, als ein Schrei hinter Ihnen ertönte, so laut, dass unweigerlich die Ohren aller Anwesenden zu bluten begonnen hätten, wäre das kratzige Kreischen nicht vor allem in ihren Köpfen gewesen. Mit einem trockenen Knacken splitterte der große goldumrahmte Spiegel über dem Kamin und zerbarst in tausende kleiner Scherben, welche über dem Kleriker und den nahen Arbites niederregneten. Ein kühler Luftzug zeigte ihm an, dass auch die Fenster der Eingangshalle sämtlich zerbrochen waren und nun der von außen herein heulende Sturm die Flammen mit frischem Sauerstoff anstachelte. Er wandte sich um und erblickte den Psioniker, welcher der Zelle neu zugeteilt worden war und auf fast naive Art und Weise die Halle betreten hatte. So zentral positioniert stellte Isand eine ideale Zielscheibe dar. Gerhart zuckte mit den Schultern – „möge ihn der Imperator schützen, wenn er es wert ist“, dachte er bei sich, bevor er mit den Arbites weiter auf den Gang vorrückte.

Sie kamen gerade ein paar Schritte weit, bis ein unirdischer Schrei das Anwesen erbeben lies. Während die Psi-Manifestation des Sanktionierten zwar unangenehm, aber doch leicht erträglich gewesen war, so fühlte sich das Kreischen, welches aus den Tiefen der Erde selbst zu kommen schien, unrein und verderbt an. Dank seines unbarmherzigen Trainings auf Maccabaeus Quintus schüttelte der Glaubenskrieger die dämonische Aura, welche über sie hinweg wusch, ab wie schmutziges Wasser. Auf Dvorov und seine Männer jedoch hatte der unheilige Laut einen weit tiefgreifenderen Effekt. Einer der Arbites ließ seine Schrotflinte fallen und riss sich nach hinten taumelnd den Helm von den Ohren, um diese mit beiden Händen zu bedecken. Der Chastener selbst warf unsichere Blicke unter seinem Sturmhelm hervor und zog sich mäßig geordnet mit dem verbleibenden Rest in Richtung der nächsten Wand zurück. Gleichzeitig krachten mehrere Schüsse von der Galerie, welche linkerhand die Eingangshalle auf ganzer Länge flankierte. Thracian sah, wie Isand eilig in die unsichere Deckung hinter einem umgestürzten Bücherregal flüchtete. Als der Kleriker Frost beide Boltpistolen auf die Ketzer in erhöhter Position abfeuernd aus dem linken Gang kommen sah, gab er knapp über Funk zu verstehen: „Der Sänger hat eine Kakophonie entfesselt - ich versuche zum Abgang ins Untergeschoss vorzustoßen!“ Er war sich sicher, dass seine Zellenbrüder die Situation unter Kontrolle bekommen würden.
Als der Kleriker mit wehendem schwarzem Umhang im rechten Gang verschwand, wirkte Phos Isand seine Illusion und stachelte die Arbites-Truppen zu neuem Kampfgeist auf. Ein grimmiges Lächeln erschien auf dem Gesicht Gerharts, als er den Kriegsruf Dvorovs hinter sich vernahm. Bisher schlug sich der Sanktionierte für einen unverbesserlichen Sünder nicht übel.

Er hatte gerade eine weitere Wolke aus fauchendem Promethium in ein Nebenzimmer geschickt und wechselte nun, in eine Gangnische gedrückt, die Kartusche des Flammenwerfers, als der Funkspruch der adeligen Diebin metallisch verzerrt in seinem Helm widerhallte. Thracian hielt einen Moment inne und verschränkte seine Finger zum Zeichen der Aquila. „Imperator vult. Die Kakophonie darf den Rumpf nicht verlassen, die Schwingen müssen gebunden bleiben“,  sprach er mit fester Stimme in sein Helm-Mikro. Fast beiläufig fuhren die rotierenden Klingen seiner mächtigen Nahkampfwaffe in den brennenden Körper des letzten überlebenden Häretikers, welcher aus dem Nebenraum getaumelt kam. Gerhart nahm ihn nur peripher wahr. Sein wahres Ziel, dem nun all sein reiner Hass galt, lag tiefer in diesem Tempel der Häresie verborgen.

Einige Momente zuvor war der Augenblick seines Triumphes gekommen. Sie hatten ihn für einen Narren gehalten, einen überheblicher Kleingeist, Dabei waren sie es doch, die schlecht vorbereitet waren. Sie wollten einen Mann wie Vynnor Lucrés überraschen… wie überaus amüsant. Einen Erleuchteten seines Kalibers und seiner Größe konnte man aber nicht überraschen, niemals. Wieso wohl hatte er das Blutbad auf Palinurus Rhys überlebt? Wieso war er wohl so lange unentdeckt geblieben, ohne jemals auch nur den Hauch einer Spur zu hinterlassen? Oh, wie weit er ihnen doch allen überlegen war. Der Adelige konnte sie zu jeder Zeit sehen, wenn sie nach ihm suchten. Und diese Würmer, diese kleinen dreckigen Maden glaubten allen Ernstes ihm etwas befehlen zu können? Ihm sagen zu können, er solle sich den schwarzen Schiffen stellen? Der Gedanke war so widerwärtig, das ihm dabei fast übel wurde. Doch die Zeit des Versteckens war vorbei, die Zeit seiner Flucht bereits Geschichte. Nun würde er sich für alles rächen, für den Verrat an seinem Haus, für den Verlust seines Reichtums und des Lebens in Glorie, das er hatte eintauschen müssen für ein schmutziges Dasein in der Unterwelt. Er hatte sich dafür entschieden, sich wieder zu erheben, wie ein Phönix aus der Asche, um sein Haus zu neuem Ruhm zu führen. Jeden, der sich ihm in den Weg zu stellen wagte, würde er zerquetschen wie ein Insekt. Seien es die Arbites, der Ordo Hereticus oder auch, wenn es sein müsse, die gesamte Flotilla Calixis. Seine Macht würde bald grenzenlos sein, das hatte ihm die Stimme aus der Finsternis versprochen. Mit ihr gemeinsam würde er herrschen, sein Haus würde erstrahlen in Dunkelheit und er würde der Primarch dieses Hauses sein, den einzigen und wahrhaftigen Gott preisend.

Als er sein sonores Gebet an den Herrscher des Wandels richtete, war sein Geist von Zufriedenheit durchströmt. Zugegeben, diese kleine Gewehrschützin auf dem Geländer hatte er nicht kommen sehen, aber sie konnte ihn auch nicht mehr aufhalten. Sie hatte nichts verändert, war daher unbedeutend und es war nur allzu logisch, dass er sie deshalb nicht hatte wahrnehmen können. Würde ein Mensch einer Ameise Aufmerksamkeit schenken, wenn er von einem Raubtier bedroht wird? Nein, er würde sie einfach zerstampfen und es nicht einmal bemerken.

 Einer nach dem anderen nahm sich sein Leben, um es ihm zu geben. Diese Narren mit ihren schwachen Geistern, sie hätten die Größe seines Genies niemals erfassen können, deshalb konnte er sie auch beherrschen – er war der Puppenspieler und sie seine Marionetten. Jetzt lag es an ihm, ihre gesammelte Essenzen dem Einen und Einzigen zu schenken… Tzeentch, seinem Herrn und Meister. In seiner Hand hielt er den Schlüssel zur Zukunft. Naxarim der Seelendieb, so der Name des goldenen Dolches, eine Gabe des Herren des Schicksals an ihn, das Versprechen für seine Zukunft. Die Klinge war scharf an beiden Seiten und wies eine geschwungene Form auf. An ihr waren verschiedenste Gravuren so fein und genau, dass sie nur bei starker Vergrößerung überhaupt zu sehen waren und so perfekt, dass niemals ein Sterblicher sie hätte in die Klinge ritzen können. Die Symbole auf der Klinge beinhalteten einen Abschnitt des Codex Purus Veritatem, einem unheiligen Buch des Herrn des Wandels. Der Griff vergoldet und gewellt, der Knauf kugelförmig und mit einem blutrotem Rubin verziert. Endlich war der Moment gekommen...

Eripias me, Domine veritatis,
Venite ad me Dominus in veritate,
Ex cinere mihi Dominus in veritate,
Nunc et aeternum.

Dies waren die letzten Worte, die Cattaleya von dem Hexer gehört hatte und es sollten seine letzten gewesen sein. Als die Frau auf ihn anlegte überschlugen sich die Ereignisse. Der Ketzer stach sich mit dem goldenen Dolch in den Leib und in einer Explosion aus Blut, die aus dem Leichenhaufen und den geopferten Kuttenträgern drang, wurde Lucrés in eine rote Sphäre gehüllt. Schwarze Blitze begannen zu zucken und Eis bildete sich an den Wänden. Die Temperatur im Raum fiel so tief, dass der Adeligen selbst unter ihrer zweiten Haut zu frösteln begann. Blut floss in Strömen die Wände herunter und erstarrte noch auf halbem Wege zu rotem Eis.

Doch dieses Mal ließ sich die Adelige von all dem Wahnsinn nicht mehr beeindrucken. Ihr Blick war fixiert und die Kugel auf ihren Weg geschickt. Was jedoch vor wenigen Sekunden noch ein vitales Ziel darstellte, war nun nichts weiter als eine unbedeutende Stelle von etwas anderem. Während der Hexer das Blut in sich aufsog und die Blitze ihn verbrannten, begann er erbärmlich zu schreien. Sein Kopf versank in seinen Torso und seine Gewänder verkohlten noch an seinem Leibe, als er auf die vierfache Größe heranwuchs. Hörner aus fließendem Blut quollen aus allen Teilen von dem, was von Lucrés noch übrig war. Aus seinen Schulterblättern schossen pechschwarze Schwingen bestückt mit zerfledderten und vor Blut triefenden schwarzen Federn hervor. Auf seiner Brust formte sich schließlich ein Gesicht, dessen Nase ein langer spitzer Schnabel war. An Händen und Beinen bildete das Wesen lange geschwungene Klauen, scharf wie Messer und lang wie Schwerter. Beständig umgab den Daemon eine Schicht sich ständig veränderten und an ihm herab fließenden Blutes. Als der Prozess beendet war, schrie das Biest so laut, dass es Cattaleya beinahe betäubt hätte. Sein Schrei hallte in ihrem Kopf gleich mehrfach in verschiedensten Tonlagen wieder. Sie gab einen weiteren Schuss ab, dieses Mal frontal auf den Körper. Tatsächlich merkte das Biest kurz auf, erschien jedoch nicht sonderlich beeindruckt. Stattdessen setzte es beide Schwingen in Bewegung und schoss sich völlig der Schwerkraft widersetzend nach oben.

Mit übernatürlicher Wucht krachte der Daemon gegen den Balkonweg und schlug mit beiden Fängen nach Cattaleya. Die schiere Gewalt seines Aufpralls hatte den Beton des Balkonweges in Stücke gesprengt. Gerade noch rechtzeitig hatten sie sich mit dem Fuß vom Geländer abgestoßen um sich in den Nischenweg zu retten. Abermals schrie der Daemon so laut, dass das gesamte Herrenhaus zu beben begann. Sie hatte den Luftstoß der Klauen gefühlt, als sie die Luft vor ihrem Gesicht förmlich zerschnitten. „Thron der Erde...“, flüsterte die junge Adelige heiser vor Entsetzen. Der Nischenweg war zu klein und zu schmal für den Daemon, daher nutzte sie die Gelegenheit und gab einen dritten Schuss ab, doch die Bestie war so schnell vor dem Ausgang verschwunden wie sie davor aufgetaucht war. Cattaleya beschloss, dass sie hier nichts mehr tun konnte und zu den anderen aufschließen musste. Im selben Moment erkannte sie, wie einfältig der Gedanke doch war, lebend aus diesen Gewölben zu entkommen. Hätte sie nur auf Lucius Befehl gehört und wäre in der Porzelanvase versteckt geblieben. In einer rollenden Bewegung wich sie einer Salve spitzer, gefrorener Blutstacheln aus, welche das Wesen in den Gang geschleudert hatte. „Ein Daemon, ein geflügelter Daemon, Lucrés hat sich verwandelt. Höchste Gefahr… argh“ Sie verzichtete bewusst darauf Voxskrit zu verwenden. Die Zeit der Infiltration war vorbei, und mit diplomatischen Worten konnte sie hier auch nicht viel erreichen. So schnell wie ihre Beine sie trugen huschte die flinke Diebin durch die Gewölbe des Anwesens in Richtung Oberfläche. Ihre Größe gepaart mit ihrer Geschwindigkeit waren der einzige Vorteil, den sie in den engen Gängen gegenüber dem Daemon hatte.

Da war sie, die Wendeltreppe nach oben... fast geschafft.  Bereits schwer atmend sprintete Cattaleya dem Aufgang entgegen. Von dem Unwesen hatte sie länger nichts gesehen, und das war ihr nur recht so. Doch es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Nur wenige Meter vor ihrem Ziel explodierte die rechte Wand förmlich, als der Daemon mit seinem massiven Körper hindurch stieß. An der Schulter von einem Mauerteil erfasst, wurde sie zurückgeschleudert und zu Boden geworfen. Der Daemon benötigte keine Sekunde um sich zu orientieren und fuhr mit den Klauen auf sie herab, doch schlugen diese nur eine tiefe Kerbe in den staubigen Flur, wo Cattaleya eben noch gelegen hatte. Ihre braunen Haare wirbelten wild herum, als sie sich verzweifelt umblickte. Keine Niesche weit und breit, kein schmaler Seitengang, nur sie und das Biest und ausreichend Platz für den Daemon sie zu zermalmen. Nach kurzer Analyse ihrer Ausweglosigkeit kam ihr eine Idee, so verwegen, dass ihr Herz zu rasen begann wie nie zuvor. Ihr Körper erbebte förmlich bei dem Gefühl der Anspannung, dass jeden ihrer feinen Muskeln durchströmte, und sie liebte es. Alles auf eine Karte setze änderte sie ihre Taktik und lief todesmutig auf den Daemon zu, was ihr den erhoffen Moment der Überraschung einbrachte. Dabei zog sie Sovrean aus ihrem Stiefel, schleuderte die blaue, vor Energie knisternde Klinge in das Gesicht der Warpkreatur und versenkte sie in einem ihrer Augen. Abermals schrie der Daemon auf, was Cattaleya die Möglichkeit verschaffte, sich mit Anlauf und mit den Füßen nach vorne zu Boden zu werfen und zwischen seinen  Beinen hindurch zu gleiten. Cattaleya blickte sich nicht um, spürte jedoch den Luftstoß, den der massige Daemon erzeugte, als er sich umwandte, um ihr nachzuschlagen. Doch abermals war ihm die Diebin einen Schritt voraus. So konnte er nichts tun als zornerfüllt mit anzusehen, wie der kleine Mensch in der hautengen pechschwarzen Gewandung über die enge Wendeltreppe aus seinem Blickfeld verschwand. Das Haus erbebte ein drittes Mal, als die Warpkreatur voll des Wutes schrie. Cattaleya wurde von einem Hochgefühl berauscht, so intensiv, wie sie es noch nie wahrgenommen hatte. Jetzt musste sie nur noch das Rudel des Leitwolfes finden...

„Lucrés du verdammter Bastard“, knurrte der Ex-Arbites zwischen zwei hastigen Atemzügen, als das dämonische Geheule aus den Tiefen des alten Gebäudes ertönte. Sie konnten von Glück sagen, dass die Entfernung die Wirkung des psionischen Schreis abschwächte. Den Funksprüchen der Truppen in der Eingangshalle zu entnehmen, war der moralische Effekt dort weitaus stärker, während seine Begleiter entweder lediglich unschöne Flüche ausstießen, ein Stoßgebet zum Imperator schickten, oder im Falle Dorundys, der Frau im Trupp, es schafften, beides auf eine Art und Weise in wenigen Worten zu verpacken, die knapp ans Lästerliche grenzte.

Er war an der Spitze eines Stoßtrupps aus drei Arbitratoren über die Fensterfront an der Westseite des Gebäudes eingedrungen, wo die Auspex-Scans des Kommando-Rhinos im ersten Stock das MG-Nest, welches die Truppentransporter unnachgiebig beharkte, ausgemacht hatten. Sie waren über eine Galerie, gesäumt mit Ölbildern der Ahnen derer von Harholdt eingedrungen, die Fenster waren gezielten Schlägen mit den Kolben der Schrotflinten zum Opfer gefallen. Jahrhundertelang vor schädlichen Witterungseinflüssen bewahrte Kunstwerke würden innerhalb von Minuten von der grausamen Kälte und der hohen Luftfeuchtigkeit dahin gerafft werden. Wenn man bedachte, was mit den Adeligen geschehen würde, wenn der Hexer erst gefasst war, eine durchaus passende, schicksalshafte Allegorie. Frost riss sich von seinen Überlegungen los, als sie eine enge Wendeltreppe nach oben vorstießen.

Am Ende der Treppe stießen sie zum ersten Mal auf Widerstand. Als wären die Ketzer vorgewarnt worden, riss ein humanoides Wesen mit grässlich entstellten Gesichtszügen die Holztüre auf und stürzte sich, ein glitschig anmutendes Gurgeln ausstoßend, mit bloßen Händen auf den erstbesten Gegner: Ostiil. Frost kannte den Mann erst seit einigen Stunden und hatte trotzdem versucht, zumindest einige Worte mit ihm zu wechseln und sich seinen und die Namen der anderen Ordnungshüter einzuprägen. Die Männer und Frauen zu kennen, denen man im Kampf sein Leben anvertrauen musste, war eine der Kerndoktrinen des Ex-Arbites.

Krachend löste sich ein Schuss aus der Gefechtsschrotflinte, als die Kreatur Ostiil um Sekundenbruchteile zuvor kam und den Lauf der Waffe mit schuppiger Hand gegen die Wand schlug. Der Widerhall war trotz des in den Sturmhelmen integrierten Lärmschutzes ohrenbetäubend. Frost war zwischen Dorundy und Erwak blockiert, in der engen Marschordnung war kaum an den Einsatz seiner Boltpistolen zu denken. Die stämmige Frau vor ihm lies augenblicklich ihre Schusswaffe fallen und zog einen länglichen Stab, welcher mattes gelbliches Licht zu verströmen begann, als der Mechanismus der Schockwaffe mit tiefem Summen zum Leben erwachte. Sie drückte sich eng an die rechte Wand, als ihr Vordermann die Balance verlor und samt seinem mutantischen Angreifer in tödlicher Umklammerung gegen die linke Wand der Treppe fiel. Bevor Lucius Zeit hatte, mit seiner Boltpistole ein verlässliches Ziel zu finden, bereinigte Dorundy die Situation: Begleitet von einem knackenden Geräusch entlud ihr Schockstab seine volle Voltanzahl in das Genick des in graue Lumpen gehüllten Mutanten, dessen Geifer sich bereits auf Ostiils Sichtschutz zu verteilen begonnen hatte. Augenblicklich erschlaffte der Griff der grotesken Hände um den Hals des gefallenen Kameraden und der Körper des Mutanten zuckte noch kurz, bevor ihm die Arbitratorin einen Tritt verpasste, der den Körper die Treppe nach unten beförderte. Mit beiden Händen wischte sich Ostiil den zähen Schleim vom Helm, um sich wieder freien Blick zu verschaffen. Lucius war positiv überrascht von der Professionalität mit welcher der Mann den Schrecken der Attacke an sich abprallen ließ.

Dorundy schnappte ihre Schrotflinte mit einer geübten Handbewegung und gab per Helmmikro knapp „Ich übernehme die Führung! Der Imperator beschützt!“ durch, bevor sie aus der Hüfte feuernd in den Raum am Ende der Treppe vorrückte. Frost ließ Erwak hinter sich vorbei und deutete ihm mit einer knappen Geste seiner tollkühnen Kollegin Feuerschutz zu geben. Er deckte den Abgang mit seiner Boltpistole und reichte Ostiil die linke Hand, welcher sich mit dankbarem Nicken hochzog. Er nahm sich vor, die beiden Arbitratoren für seinen späteren Bericht vorzumerken, sollten sie die heutige Nacht überleben.
Er folgte den beiden Ordnungshütern in die schmale Turmkammer und überblickte einen kreisförmigen Raum mit erkaltetem Kamin zur Rechten und einem massiven Bücherregal zur Linken. Etliche schmutzige Matratzen und abgestandene Luft, in welcher der Geruch von altem Schweiß und feuchtem Mauerwerk miteinander konkurrierten, kündeten von einer Handvoll Männer, welche hier ihr Schlafquartier eingerichtet hatten. Eine Holztreppe führte einen weiteren Stock nach oben, von wo aus das charakteristische Knattern einer weiteren MG–Salve zu Ihnen herunter drang.

Lucius legte den linken Zeigefinger auf die Lippen und schlich die Boltpistole in der rechten zur Deckenluke erhoben durch das Zimmer. Er pausierte kurz bei einem kleinen Beistelltisch um das darauf abgestellte grünliche Fläschchen zu heben und den Inhalt zu inspizieren. Der charakteristische, stechende Geruch der öligen klaren Flüssigkeit in Kombination mit der kruden Spirale, welche als Zeichen die Flasche zierte, bestätigte seinen Verdacht: Spuk. Offensichtlich hatten die Wachposten hier noch vor kurzer Zeit die höchst illegale Droge konsumiert, deren brisante Wirkung eine tiefere Verbindung mit den Höllen des Warps darstellte. Die Erklärung für die hexerische Voraussicht des ersten Angreifers war gefunden, es blieb zu hoffen, dass die übrigen Ketzer andere Auswirkungen der Droge spürten. Mit zusammengekniffenen Augen leerte er die Flasche auf eine der Matratzen aus und  winkte die stämmige Frau zu sich. „Auf mein Signal werfen sie die Flasche im Kamin nach oben. Ihr Zerbrechen wird uns einen Moment der Überraschung gewähren. Ich stürme mit den anderen.“, flüsterte der Ex- Arbitrator ihr zu. Er positionierte sich mit den Männern an der Treppe und zählte langsam mit den Fingern von drei abwärts. Als Dorundy die Flasche im Kaminschacht nach oben warf, wartete er einen Atemzug auf das brechende Geräusch des Glases und stürmte dann gefolgt von den beiden Ordnungshütern in die letzte Kammer des gedrungenen Turmes.

Oben angekommen drehten sich vier in braune Mäntel gehüllte Figuren in einem improvisierten MG-Stand an einem zerborstenen Fenster erstaunt in ihre Richtung um. Es konnte sich nur um Augenblicke handeln, bis die Bastarde das großkalibrige Automatikgeschütz neu ausrichten würden. Dem kurzen Augenblick der Stille folgte das hochfrequente Krachen der semiautomatischen Mündungsfeuer von Ostiil und Erwak, welches rasch vom Röhren der Boltpistole begleitet wurde. Wie reife Melonen platzte der Kopf des Munitionsträgers, knapp gefolgt vom Oberschenkel des Schützen. Die aufkommenden Schreie gingen rasch im Kreuzfeuer des Sturmkommandos unter. Als Dorundy über die Treppe nach oben gehetzt kam, waren von den Mutanten am MG-Stand nur noch blutige Fetzen über.

Während sie die Waffen nachluden, hörte Frost über Helmfunk die gestammelten Stoßgebete der Trupps in der Eingangshalle begleitet vom Krachen halbautomatischer Gewehre.  In dem Chaos des Angriffs war es nicht einfach, solche Details herauszuhören, doch als Ex–Arbitrator konnte Frost das Geräusch ihrer Schrotflinten blind vom Knattern der Schnellfeuerwaffen des Feindes unterscheiden. Offensichtlich waren die Truppen im Eingangsbereich  in Bedrängnis.

„Dorundy, Erwak, sie übernehmen den Westflügel, es ist noch mit schwacher Gegenwehr zu rechnen, keine Heldentaten! Nach der Beendigung des Durchsuchens melden sie sich sofort über Funk. Keine Gefangenen!“, schärfte Frost den beiden Arbitratoren ein.
„Sie kommen mit mir, Ostiil!“, mit diesen Worten stürmte er die Treppe nach unten in die Galerie, wo sich mittlerweile die Ölgemälde in Schichten von den Stoffbezügen schälten und einen bizarren Anblick boten. Sie bogen nach rechts in einen schmalen Seitangang ein, in welchem schon der Feuerschein, welcher die Eingangshalle erfüllte, lange Schatten an die Wände warf. In klassischem Arbites–Drill deckten sich die beiden Männer gegenseitig, bis sie ihren bedrängten Verbündeten aus neuem Winkel Feuerschutz gegen die Schützen in der erhöhten Position der Galerie boten.

Mißtrauisch kniff Lucius die Augen zusammen, als wärmendes Licht die Halle flutete, erstaunt roch er Weihrauch und … einen Hauch von Myrrhe? „Hexenwerk!“, schoss es ihm durch den Kopf. Er schüttelte sein Haupt und mit der Bewegung entledigte er sich der Illusion. Das graue Zwielicht, in welchem die Flammen über dem siedenen Promethium tanzend gespenstische Schatten an die Wände warfen, kehrte in die Halle zurück. Dvorov und die restlichen Arbites schienen jedoch neuen Mut zu schöpfen, ein kurzer Blick zu Isand zeigte ihm, woher dieser überweltliche Beistand gekommen sein musste. Er konnte nur hoffen, dass sich die voranstürmenden Arbites an ihre Gefechtsdrills erinnern würden und nun nicht einen sinnlosen Heldentod suchen würden.
Pater Thracians Funkspruch in Voxskrit bestätigte Lucius Befürchtung: Sie würden es tatsächlich mit einem Daemon zu tun bekommen. Ein Glück, dass die Arbitratoren diese Warnung nicht verstehen konnten, sonst wären sie dem voranstürmenden Kleriker wohl kaum so bereitwillig gefolgt. Er ließ sich etwas zurückfallen und nahm im Gegenzug zu Isand eine gedeckte Position hinter dem umgeworfenen Tisch bei der Sitzgruppe ein, um sein Data-Slate zu ziehen und die Karte des Anwesens zu studieren. Wohl mehr instinktiv hatte der Glaubenskrieger grob die richtige Richtung gewählt. Während Frost etwas nachrückte und über sein Mikrofon Richtungsangabe und Befehle bellte, um dem Vordringen ins Innere des Gebäudes eine geordnete Struktur zu verleihen, knackte plötzlich das „Verstanden“ des zweiten Rhinofahrers durch den Äther.

Der Ex–Arbitrator drückte sich gegen einen Mauervorsprung und blickte in die Eingangshalle zurück, wo unter herabstürzendem Mauerwerk ein paar dunkle Gestalten zu Boden gingen und einer der Scheinwerfer des Truppentransporters begleitet vom Knirschen der Ketten auf trockenem, zerborstenem Ziegel sein grelles Licht in die Halle warf. Ein Blick in das selbstzufriedene Gesicht des sanktionierten Telepathen waren genug für Lucius um Isand als Ursprung dieser Aktion zu identifizieren. Kurz war er zwischen Ärger über diese Insubordination und Überraschung über die brutale, unorthodoxe Effizienz hin und hergerissen, entschied sich jedoch aufgrund des Hilferufes Honeymoons, diese Entscheidung bis auf weiteres aufzuschieben. Der Eingangsbereich gehörte Ihnen und gemäß Van‘Sovreans Beschreibung war die verbleibende Truppenstärke im Obergeschoß nur noch minimal. Eilig befahl Lucius zwei weitere Arbitratoren in den Ostflügel, oder, was davon nach der Attacke des Rhinos noch übrig war, dann gab er auf der allgemeinen Funkfrequenz durch: „Wir rücken gemeinsam bis zum Abgang ins Untergeschoß vor. Niemand dringt ohne meine Anweisung weiter vor! Isand, schließen sie auf und zwar zackig!“ Er zwang seinen hektischen Atem zur Ruhe, als er sich seinen Weg in dem schmalen Gang an den Arbites-Kämpfern vorbei bis an die Seite von Gerhart drängte. Auf dem Data-Slate zeigte er ihm den Weg in Richtung Abgang und lies sich dann in eine hängende Position hinter der Spitze des Angriffes fallen. Auch wenn die Sorge um die Thronagentin an ihm nagte und wie ein pochender Kopfschmerz im Hintergrund seines Bewusstseins ruhte, zwang er sich zur Ruhe – ohne gezieltes Vorgehen stand nicht nur ihr Leben auf Messers Schneide.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 08. Mai 2013, 21:14:40
Drei

Dem Befehl des Leithammels folgend schloss Vox zum Rest der Truppe auf. Im Eingangsbereich, wo der irre Pater zunächst ein für den Sanktionierten willkommenes Lagergrillen mit Häretikerbuffet veranstaltet hatte, war es mittlerweile ziemlich ungemütlich. Schuld daran war vor allem der brennende Holzboden, der sich langsam in hoch giftigen Rauch verflüchtigte. Frost hatte vor Beginn der Mission darauf bestanden, dass Phos sich zwei wenig komfortable Filterstöpsel in seine Nasenöffnungen steckte. Mittlerweile war er für die Voraussicht des Ex-Arbitrators durchaus dankbar, und hatte vor, diese Vorsichtsmaßnahme im Nachhinein auch löblich zu erwähnen. Denn auch wenn man es dem narzisstischen Psioniker nicht sofort ansah, so war ihm dennoch bewusst, dass selbst der fähigste Mann immer noch viel Potential nach oben hatte. War nicht der Imperator selbst der lebende Beweis dafür? So war auch er über die seltenen Gelegenheiten dankbar, in denen er sich verbessern konnte, und sich nicht dafür zu schade, dies auch einzugestehen.

 Obwohl bisher alles nach dem Geschmack von Frost ablief, durchdrang Vox ein Gefühl der Unruhe. Der Widerstand der Opposition war auf vereinzelte Schüsse kleinkalibriger Waffen reduziert, welche an den Flakschilden der unter dem Kommando des Gruppenprimus rigoros vorrückenden Arbitratoren harmlos abprallte. Ihr Ziel war ein zentral liegendes Foyer. Vox hatte seine Architektur mit den zwei breiten gebogenen Marmortreppen, die von einem Halbstockwerk schließlich in den ersten Stock des Anwesens führen würden, von dem aus man über ein Geländer von allen Himmelsrichtungen in das Erdgeschoss hinunter blicken konnte, memoriert. In dessen Zentrum würde eine Treppe sein, welche sich eng geschlungen nach unten wand um schließlich in den Weinkeller zu münden. Etwas prägnanter ausgedrückt also der ideale Ort, um in einen Hinterhalt zu laufen. Doch das war es nicht, was Vox beunruhigte. Das taktische Gespür, nicht vollkommen blindlings in diese offensichtliche Falle zu tappen, hätte er einem 12-jährigen zugetraut. Es war etwas anderes.
Um eine klarere Definition für seine Vorahnung zu bekommen duckte er sich hinter einem Kasten weg und ließ seinen psionischen Fokus im geschwungen Ballett über seine Handfläche kreisen während er seine Sinne auf Reisen schickte. Die vielen kleinen Schatten seiner Umgebung bestätigten die Vorahnung, dass der Kampf um das Anwesen noch nicht endgültig entschieden war. Seine wahre Aufmerksamkeit erhielt jedoch ein rotes Glühen, charakteristisch für ein Wesen mit enger Verbindung in die Untiefen des Irrealen. Ein Psioniker war anwesend und dieser war der Grund für seine Unruhe. „Ein zweiter Sänger spielt auf dem Parkett. Die Porzellanvase umgibt den Bruder des gerechten Feuers. Der Pianist empfiehlt den Sprühregen“, rauschte die kratzige Stimme von Isand durch das Micro.

Lucius‘ und Vox‘ Blicke trafen sich nur einen Moment später. Der Blick des Anführers war fest, rein und völlig konzentriert, wie ein Wolf, der seine Beute fixiert hatte. Auf Terra, in der Psychana Telepathica, wurde ein angehender Sanktionierter nicht nur auf übersinnliche Fähigkeiten geschult, sondern auch die weltlichen. „Ein wahrhaftiger Telepath kann die Gedanken seines Gegenübers mit einem einfachen Blick in dessen Gesicht lesen.“ Tatsächlich sah sich Vox durchaus als Meister darin, Menschen einzuschätzen und ihre Mimiken zu lesen wie ein offenes Buch. In diesem Moment verriet ihm der Blick des Ex-Arbitrators viele seiner Gedankengänge. Frost haderte damit, ob er dem Urteil seines neu zugeteilten Psionikers vertrauen konnte. Vox ahnte, dass der Mann einen durchaus gesunden Respekt vor den Mysterien des Immateriums hatte, die der einfache Verstand des Anführers nicht im Ansatz verstehen konnte. Dennoch bekam Phos in diesem Moment das Gefühl, dass seine Überlegungen tiefer begründet lagen und durchaus etwas mit seinem kleinen Trick mit dem Rhino zu tun haben mochten. Die folgenden Befehle, die der Ex-Arbitrator seinen Männern zukommen ließ, zeigten durchaus Charakter, denn dieser war zweifellos nötig, um seine eigene Taktik zu Gunsten eines Vorschlages eines Untergebenen zu verwerfen.

Wie von Vox suggeriert ließ Frost die Arbitratoren ausfächern und ausschwärmen. Sie würden sich dem Foyer mit den Stiegen von allen Seiten gleichzeitig nähern. Er selbst begleitete zwei von ihnen, bei denen seine Anwesenheit sichtliches Unbehagen auslöste, über einen Umweg durch den Westflügel, um aus nördlicher Seite eindringen zu können. Ein wie aus dem nichts auftauchender Guerillakämpfer, der sich fernab seiner verbündeten Ketzer hinter einem opulenten aber verwaist aussehenden Sofa verschanzt hatte, stieß plötzlich aus seinem Unterschlupf hervor und deckte das Trio aus kürzester Distanz mit einer vollen Breitseite seines automatischen Maschinengewehrs ein, ohne dabei jedoch auf das obligatorische irre Gelächter zu verzichten. Dem blonden, kurzgeschorenen Arbitrator mit der schiefen Nase zu seiner linken, der etwa in Vox' Alter sein mochte und dessen Namen ihn eigentlich nicht wirklich interessiert hatte, war deutlich anzusehen, dass sein unbedeutendes Leben in diesem Moment vor seinen weit aufgerissenen Augen vorbeizog. Vox reagierte schlagartig und mit einem Mal verlangsamte sich der Fluss der Zeit in seinen Gedanken bis er nur noch eine zähe Masse war. Er sah wie das Gewehr des Ketzers mit jedem Austritt einer neuen Kugel leicht verzog und das Feuer, das jede Patrone beim Verlassen der Mündung begleitete. Während er mit den Gedanken im Empyreum wob, verdichtete er den Raum des Materiellen und entzog den Kugeln jegliche kinetische sowie potentielle Energie, sodass sie wie von unsichtbarer Hand gehalten mitten in der Luft direkt vor dem Körper des jungen Arbites zu stehen kamen. Todesursache: Zwei Kugeln in den Kopf, zwei in den Oberkörper, eine in den Oberschenkel. Alle Kugeln Kaliber .45. Tod trat sofort ein. So etwas in der Art wäre wohl in dem gründlichen Bericht von Lucius Frost zu lesen gewesen.

Vox hätte nur zu gerne den dummen Gesichtsausdruck des Ketzers gesehen, den Moment in dem die Erkenntnis seiner Chancenlosigkeit, seiner völlige Unterlegenheit und seines sicherer Todes in seinem Blick Ausdruck gefunden hätte. Doch eine prompte Kugel des anderen Arbitrators, der sein Gesicht hinter einem trüben Schutzhelm verbarg, hatte den Häretiker am Hals getroffen, sodass leider nichts außer einer entstellten Mimik zurückblieb. Das leise Klacken, welches die fünf Gewehrkugeln erzeugten, als sie einen Moment später harmlos zu Boden fielen, komplettierte der Glatzkopf mit dem ungepflegten Kinnbart mit den großspurigen Worten: „Wieder einer mehr, der in meiner Schuld steht… aber machen sie sich keine Sorgen, ich lasse keinen Gefallen uneingelöst.“

Beim Rest des Weges durch das Anwesen gab es keinerlei Gegenwehr. Den Positionsangaben und vereinzelten Meldungen seiner Kollegen entnahm der Sanktionierte, dass es den anderen Truppen ähnlich erging. „Zinnober bereit, Primaris bereit“ Er ergänzte die Bereitschaftskette mit einem „Magenta in Position“. Beinahe gleichzeitig krachten aus westlicher, südlicher und östlicher Richtung die mit feinen Intarsien verzierten, hölzernen Zugänge des stattlichen Treppen-Foyers aus ihren Angeln. Unter der Deckung von Blend- und Rauchgranaten, welche als erstes den Raum blitzend erhellten und grauen Nebel verbreiteten, stürmte der Ordo Malleus mit vereinten Kräften das Foyer. Luam Harholdt hatte bereits auf sie gewartet.

Als die ersten Arbitratoren in den Raum stürmten, war nur ein leises Singen wie aus mehreren Kinderkehlen zu vernehmen. Mit erhobenen Sturmschrotflinten rückten die Teams in aufgefächerter Formation gegen die Treppe vor, deren Ende mittlerweile auch im Nebel verborgen war. Die Lampen, welche an den Waffen befestigt waren, hinterließen mit ihren fahrigen, nach einem greifbaren Ziel suchenden Bewegungen ein verwirrendes Zickzackmuster im Nebel. Mit jedem Schritt, welchen die Trupps auf die Treppe zumachten, wurde der Gesang eindringlicher.

Plötzlich fegte ein Windstoß durch den Raum und der Rauch der Granaten verflog in gespensterhaften Schlieren. Gleichzeitig wurde die düstere Halle von zahllosen kleinen Lichtern erhellt, welche von großen weißen Kerzen ausgingen. Immer mehr und mehr Lichtlein wurden auf der Galerie entzündet, gehalten von feinen Kinderhänden, bis schließlich die gesamte obere Galerie innerhalb weniger Momente von einem brennenden Lichtermeer erfüllt war.  Auch das Singen der Mädchen und Jungen hatte schlagartig an Intensität zugenommen, die Sturmtruppen sahen sich einer Masse aus Kindern gegenüber, welche das Tasten der Suchlampen aus starr zurückblickenden Augen erwiderten. Inmitten der Schar ragte eine Gestalt auf, gekleidet in einen roten Samtumhang mit Brokatbesatz. Das bleiche Antlitz starrte mit offen grinsendem Mund auf die schwarz gekleideten Angreifer herab, aus dem rechten, nach oben verzogenen Mundwinkel troff ein feiner Faden Speichel auf das Stecktuch des Adeligen. Die schielenden Augen flitzten über den Hallenboden hinweg und musterten die Ordenshüter, welche, konfrontiert mit einem Heer unschuldiger Kindersoldaten, wie erstarrt wirkten. „Geht, meine kleinen Engel! Auf den Schwingen des Windes des Wandels fliegt für mich!“, kicherte Harholdt, während seine Stimme von anfänglich tief und sonor bis in unangenehm schrille Tonlagen kletterte.

Wie ein Mann setzte sich die Schar der kleinen Kerzenträger in Bewegung und begann die Treppe herab zu marschieren, wobei bei jedem Schritt die Kerzen etwas stärker aufloderten. Thracian presste die schmalen Lippen eng aufeinander, während er sich hinter zwei Arbitratoren hervordrängte. „Ihre Seelen sind gefangen und beschmutzt. Jede Sekunde, die sie in dieser Welt verweilen, verfangen sie sich mehr im Dickicht des Chaos. Verschont niemanden, der Imperator wird die Seinen erkennen.“, stieß er hervor.

Mittlerweile hatten die ersten der kindlichen Geschöpfe das Bodenniveau erreicht. Gerhart stürmte an der linken Flanke vor und blickte nach oben in Richtung des Hexers, welcher sich irr kichernd an der Brüstung der Galerie festhielt. Entschieden richtete er seinen Flammenwerfer auf die Treppe, auf welcher die Kinder herab schritten. Die ersten Schüsse krachten in Richtung Harholdts, welcher kreischend hinter einer steinernen Balustrade Deckung suchte. Wie gelähmt ließ der Arbitrator am rechten unteren Ende der Stiegen seine Schrotflinte sinken und streckte dem blonden Mädchen vor ihm, welches ihn aus leeren Augen anstarrte die offene Hand entgegen. Ein Sprühregen aus Promethium ging auf der Treppe nieder und Gerharts Augen weiteten sich im Zorn, als die hochbrennbare Substanz sich weigerte, Feuer zu fangen. Die wenigen Flammen, welche erwachten, als der Strahl die Flammen der Kerzen berührte, erloschen nach kurzem Kampf. „Ein Pyro – vers….“, der Funkspruch von Vox ging in der Kakophonie unter, welche entstand, als die Hand des Arbitrators sich auf den Kopf des Mädchens zu senken begann. Mit einem teuflischen Grinsen hielt das Kind die Flamme seiner Kerze an den Ärmel des Mannes. Zweimal leckte die Flamme versuchend daran, wie um den Geschmack zu testen, dann loderte eine grellrote Flamme auf, deren Zungen sich nach innen zu wenden schienen und das gellende Kreischen des Mannes übertönte die weiteren Worte Isands. Sie waren ohnehin hinfällig. Thracian warf seinen Flammenwerfer zu Boden und packte das gesegnete Kettenschwert mit beiden Händen. „Tötet sie alle! Der Imperator will es!“, hallte seine tiefe Stimme in den Helmmikrofonen wieder.

In geübtem Drill knieten die vorderen Arbites nieder und die dahinter stehenden traten heran, eine Wand aus Carapace und Schrotflinten bildend. Während einige der ersten Schüsse trotz Gerharts Gebot als Warnschüsse über die Köpfe der nun wild voranstürmenden Kinder gedacht waren, fegte die darauffolgende Salve mit schrecklicher Kraft in die kleinen Körper. Die Flammen der Kerzen tanzten und verwoben sich miteinander, bis sie eine einzige flammende, wogende Decke bildeten, welche sich gierig nach allen Seiten ausstreckte. Pater Thrasian hatte auf seinen ersten Schritten die Treppe hinauf noch versucht, die kleinen Körper bloß beiseite zu schieben, doch sofort hatten sich die Kinder wie besessen auf den Kleriker gestürzt und ihn sogar beinahe zu Fall gebracht. Jetzt schwang der Glaubenskrieger seine Kettenschwert mit beiden Händen, seine Rüstung über und über mit Blut besudelt.  Plötzlich explodierte seine Umgebung in einem Feuersturm aus grellem Rot und düsterem Violett. Die Hitze griff unbarmherzig nach ihm und versengte sein Barthaar trotz des Schutzes seines Carapacehelmes und raubte ihm die Luft zum Atmen. Er ging keuchend in die Knie und schlug den linken Ellenbogen vor den Sehschlitz. Als er den Arm wieder sinken ließ, stand er in einem Kreis verkohlter Leichen, der mit Promethium getränkte Teppich auf der breiten Steintreppe hatte kurz ebenfalls Feuer gefangen, doch schon wanden sich die schwindenden Flammen gequält und erstarben. Ein unheiliges Werk. Einzelne Stofffetzen an Gerharts schwarzer Robe waren noch nicht vollständig der Feuersbrunst zum Opfer gefallen und glimmten noch. Fettiger Rauch hatte begonnen die Luft zu füllen und driftete in Schwaden nach oben. Nicht nur er war von dem Angriff betroffen gewesen. Mehrere Arbitratoren wälzten sich auf dem Boden um die Flammen, welche an ihren Körpern leckten zu ersticken und überall war der Boden mit geschwärzten Leibern übersät. Wäre der Wille und der Glaube des Klerikers nicht so eisern gewesen, er wäre in die Knie gebrochen, um den Imperator um Gnade für all die jungen Seelen anzuflehen. Thracian biss die Zähne zusammen - der Hexer würde für jede einzelne Seele büßen.

Aus dem Augenwinkel erspähte er Frost, welcher allem Anschein nach Isand mit sich in Deckung hinter eine der Steinsäulen gerissen hatte. Auf den Befehl des Primus begannen etliche der Sturmtruppen auf die Decke zu feuern. Der Sinn war Gerhart nicht klar, doch er vertraute seinem Anführer. Sein eigener Kampf lag anderswo. „Harholdt!“, brüllte er und stürmte mit weit ausgreifenden Schritten die Treppe nach oben, die verbleibenden Kinder, welche sich ihm in den Weg zu stellen begannen beiseite fegend. Er schwang sich mit einem gewaltigen Satz unterstützt durch die Servomotoren seines bionischen Beinapparates über das steinerne Geländer und setzte mit dumpfem Geräusch wenige Meter von dem abtrünnigen Hexer entfernt auf, das Kettenschwert in der rechten Hand, surrend, wartend.

Luam Harholdt war einst ein gutaussehendes Mitglied der Adelsschicht auf Zumthor gewesen - der Kleriker hatte Bilder von ihm in Frosts Briefing gesehen. Er konnte sich sogar an die neckische und lästerliche Bemerkung Van‘Sovreans über das männliche Kinn des Mannes erinnern. Seit seine psionische Begabung erwacht war, war Harholdt ein Schatten seiner selbst geworden: Er war um mehrere Jahrzehnte gealtert, wobei eher anzunehmen war, dass die Verjüngungskuren im Kontakt mit dem Makel des Warp ihren Einfluss eingebüßt hatten. Tiefe Falten bedeckten das bleiche Gesicht des einst stattlichen Adeligen, über hängenden Tränensäcken wirkten die im feurigen Widerschein gelblich glühenden Augen wie in tiefen Höhlen liegende, glühende Kohlen. Die Gestalt war gebeugt und klauenartig reckten sich die fleischigen Hände in Richtung des Klerikers. Der Brokatbesatz der Samtrobe Harholdts war an mehreren Stellen angesengt, doch insgesamt war seine Kleidung unversehrter, als sie hätte sein dürfen. Während sich Gerhart aufrichtete, vollführte der Hexer zwei verzerrte Gesten mit den Händen, welche daraufhin in dunkelviolette Flammen gebadet wurden. „Komm nur, komm, kriecherischer Sklave des falschen Imperators!“, kreischte er ihm entgegen, während ein weiterer Speichelfaden aus dem Mund des Hexers troff. Die gesegnete Klinge des Kettenschwerts heulte laut auf, als der Motor die Zähne beschleunigte und Gerhart stürzte sich mit einem lauten „Für Terra!“ auf den ketzerischen Hexer.

„Inquisition.“ Brem schauderte bei dem Gedanken. Aber noch konnte er fliehen, noch war es nicht zu spät. Sollte der irre Harholdt doch sein letztes Gefecht im Foyer führen. Mit diesem Wahnsinn wollte er nichts mehr zu tun haben. Nichts könnte ihn dazu bringen, noch einen Moment länger in diesem Alptraum zu verweilen als nötig. Sie hätten sich ergeben sollen, ja, das hätten sie. Das Knistern, Knarren und Rattern des teilweise in Flammen stehenden Anwesens und des nicht enden wollenden Feuergefechts hinter sich lassend war er im südlichsten Teil des passagenweise eingestürzten Ostflügels im großen Esszimmer angekommen. Er sah die alte Balkontür und die Freiheit, die draußen auf ihn wartete. Fünf Stunden Fußmarsch durch die Nacht, das würde er schaffen.

Niemand würde etwas ahnen. Hier würden sowieso bald alle tot sein. Er erschrak. Ein Geräusch, ganz leise, aber es war da. Konnte es möglich sein, dass noch jemand die Befehle missachtete und versuchen würde zu fliehen? Zeugen waren jedenfalls das letzte, was der Mann jetzt gebrauchen konnte. Als er nach der Quelle des Geräusches hinter sich suchte, erregte ein mattes rötliches Glühen seine Aufmerksamkeit. Unbewusst erweiterte sich seine Iris als sich sein Blick auf die feine Klinge fokussierte, die auf der altertümlichen und mit feinen Gravuren verzierten Kommode wie auf dem Präsentierteller lag. Es handelte sich um einen silbernen Dolch, dessen Klinge von einem feinen roten Schimmer umspielt wurde. War das möglich? Konnte der irre Harholdt wirklich so etwas Wertvolles hier liegen lassen? Dieser Dolch würde sein Schlüssel in ein neues Leben sein! Hastig lief er in Richtung des Schatzes und begab sich damit genau in das Fadenkreuz des Assassinen. Brem streckte noch seine Hand aus, als Cattaleya abdrückte. Sein Gesicht wurde durch die Wucht der großkalibrigen Munition völlig entstellt als er zur Seite weg kippte und zu Boden fiel. Er blieb regungslos liegen. Die Frau atmete befriedigt aus, und löste damit die Anspannung aus ihrem Körper. Elegant wie eine Gazelle und flink wie ein Raubtier huschte sie sogleich aus ihrem Versteck und verbarg die Energieklinge namens Vaniryl beiläufig wieder in ihren linken Stiefel. So schnell ihre Beine sie trugen machte sie sich weiter auf den Weg ins Zentrum des Anwesens, ohne jedoch einen Laut über das Komm von sich zu geben. Sollte der Feind doch ihren Funk abhören, so wie es Lucius ursprünglich befürchtet hatte, dann wäre sie besser dran wenn niemand von ihr wusste.

Gerade noch rechtzeitig mit dem Krachen der Türen und dem Explodieren der ersten Rauchgranaten unter ihr im Erdgeschoss erreichte Van‘Sovrean das Foyer vom ersten Stock aus, den sie mit Hilfe ihrer Kletterausrüstung über die Außenwand erreicht hatte. Ihr Spiegelschlauch hatte es ihr ermöglicht unter der Türe eines Musikzimmers hindurch zu blicken und so die zwei hinter dem Geländer der Galerie lauernden Scharfschützen zu erspähen. Unter der Deckung der Explosionen öffnete die zierliche Gestalt in der schwarzen zweiten Haut die Türe nur einen schmalen Spalt, gerade weit genug, um mit ihrem kleinen Körper hindurch zu schlüpfen.

Panus hatte sich weit über das weiße Holzgeländer der Galerie im ersten Stock lehnen müssen, aber jetzt hatte er den Mann endlich ins Visier bekommen, den verdammten Hexer, dessen Stimme noch immer in seinem Kopf dröhnte - dieser Schrei, dieser ekelhafte Schrei. Er war von Zorn erfüllt, als der Kopf des herumstolzierenden Psionikers der Inquisition genau im Fadenkreuz auftauchte. Das ließ ihn kurz zittern und verzögerte sein Handeln. Noch einmal ermahnte er sich zur Ruhe, als er tief Luft holte und seinen Lauf stabilisierte. 'Jetzt...' Er war Scharfschütze gewesen seit dem Tag, an dem ihm sein Vater mit sechs Jahren eine Waffe in die Hand gedrückt hatte. Für Momente wie diese lebte Panus. Es war der ultimative Moment. Er drückte ab... doch nichts geschah. Erst im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass seine Hand nicht mehr an seinem Körper hing…

Panus blickte sich erschrocken zu seinem Kollegen um. Er lag in einer roten Lache tot neben ihm. Noch bevor er begreifen konnte was vor sich ging, fühlte er eine wohlige Wärme in seiner Bauchgegend. Als er an sich hinunterblickte sah er die Spitze der rot glühenden silbernen Klinge, welche mit unzähligen ihm unbekannten Glyphen versehen war, zweifelsohne heilige Symbole des Mechanicum oder anderer längst vergessener Mysterien. Dann kam der Schmerz, doch ein fester Griff um seinen Mund verhinderte jeden Laut, den nicht auch eine Maus hätte von sich geben können. Als er das Gefühl in seinen Beinen verlor erwartete er, nach hinten zurückzufallen, doch etwas hielt ihn fest, fing seinen Sturz ab und ließ ihn sanft und ohne einen Laut zu Boden gleiten. Kurz bevor es dunkel wurde erhaschte er noch einen Blick auf seinen Mörder. Er sah in das Gesicht einer Frau, so makellos und wunderschön, dass er nicht wusste, ob er schon im Elysium angekommen war.

Einige Meter weiter unter dem sterbenen Panus im Erdgeschoss kauerte Phos Isand hinter einer umgestürzten Statue neben Lucius, der unaufhörlich damit beschäftigt war, kleine Kinder zu töten. Die verkrüppelte Haltung des Psionikers glich in diesem Moment der einer verängstigten Katze. Er hasste das Chaos, und das hier war Chaos in seiner reinsten Form. Doch er wusste, dass dies alles hier nur ein Vorspiel war, ein Präludium. Der eigentliche Spaß stand ihnen allen noch bevor.

Einer der Arbitratoren, der am ganzen Körper in Flammen stand und seine Sinne längst dem Wahnsinn geopfert hatte, versuchte sich in seinem Elend hinter besagter Statue zu Boden zu werfen. Zu seinem Pech war dieser Platz schon besetzt und Vox versetzte dem Mann einen Tritt mit dem Fuß, und verhinderte so, von dem brennenden Leib des mittlerweile ohnehin nutzlosen Gesetzeshüters erdrückt zu werden. Der Psioniker ächzte genervt auf, als langsam Teile des Daches unter dem Beschuss nachzugeben begannen. Hier würde es sehr bald noch ungemütlicher werden. Denn wenn der Pyromant starb, würde das auf dem Boden verteilte Promethium lichterloh in Flammen aufgehen und der halbe Raum mit ihm. Der Nebel versperrte ihm die Sicht auf Harholdt und reduzierte seine aktuelle Funktion zu der eines Statisten. Hätte er sich wenigstens eine Pistole mitgenommen, hätte er jetzt zumindest beim Schlachten der Kindersoldaten mitmachen können, welche dem gnadenlosen Kugelhagel wenig mehr als ihre kleinen Leiber entgegenzusetzen hatten. Aber eigentlich wollte er gerade einfach nur noch hier raus.

Weiter östlich im Raum mitten auf dem Halbstockwerk des Foyer stand Luam Harholdt, der vor Verzückung gluckste als er mit seinen Händen kreiste und eine mehrere Meter breite Wand aus Flammen genau zwischen ihm und dem Priester der Inquisition entstehen ließ.  Schon wollte er seinen anderen Gästen weiter eine Kostprobe seiner Talente gewähren, da erblickte er in den Augenwinkeln eine Gestalt. Sie war zunächst nur ein dunkles Schemen, und er hielt sie erst nur für eine optische Täuschung oder einen Schatten. Pater Thracian sprang mit erhobenem und surrendem Kettenschwert durch das Flammenmeer. Das Inferno leckte an seiner Rüstung, seiner Haut und seinen Haaren, doch wie von unsichtbaren Kräften umgeben wurde sein Körper vor der versengenden Hitze der Flammen beschützt. Er beschrieb einen weiten Sprung nach vorne, zog das Kettenschwert schräg von oben herab und durchschlug den Körper des Ketzers von der Schulter abwärts bis zu Hüfte. Die hochgewachsene Gestalt des Hausherren fing an zu wabern, fast so, als hätte Gerhart mit seinem Schwert durch Wasser geschlagen, zog sie viele kleine Wellen, doch von Blut war nichts zu sehen.

Einen Moment später gab der Dachboden ein lautes und gequältes Knarren von sich, das so klang, als würde er in seinen letzten Atemzügen um sein Leben ringen. Wie aus dem Nichts tauchten ein rötliches Glühen und eine kleine humanoide Silhouette hinter dem Ketzer auf. Ein schneller Satz nach vorne und die rote Klinge stach durch die Hüfte des Pyromanten wie durch einen Laib Brot. Erst jetzt sah Gerhart die braunen, funkelnden Augen Cattaleyas, die groß wie die einer zahmen Hauskatze aus geduckter Haltung an Luam vorbei zu ihm hinaufblickten. Und auch wenn die Umrisse des Psionikers abermals zu schimmern und rauschen begannen, so quoll diesmal Blut an der Klinge Vaniryls herab, der Lebenssaft des Ketzers. Gerhart zögerte keine Sekunde und beendete das Leiden des Herren derer zu Harholdt mit einem mächtig geführten Schlag gegen dessen Rumpf. Das Kettenschwert heulte wie wild auf, als sich seine Zähne durch den Leib fraßen und ihn in Begleitung eines Schwall Blutes und dampfender Eingeweide schließlich zweiteilten. Noch bevor der Oberkörper Harholdt's den Boden berührte, ging sein gesamter Körper in einer superheißen Stichflamme lichterloh in Flammen auf und zerfiel sofort zu glühender Asche.

Auch der Dachstuhl des Hauses hatte unter dem unaufhörlichen Dauerfeuer der Eindringlinge endgültig seinen letzten Atemzug getan. Als einer der Hauptträger den Halt verlor, fiel ein großer Teil des Daches wie ein Kartenhaus zusammen und krachte mit voller Wucht auf alles, was sich darunter befand. Vox hatte nicht zu viel versprochen. Beinahe gleichzeitig mit Luams Tod fing der über und über mit Promethium überzogene Boden Feuer. Eine für alle Anwesende wohl tödliche Feuersbrunst wurde von dem herunterstürzenden Dachstuhl jedoch gerade noch rechtzeitig im Keim erstickt, während sich der Großteil des Ordo Malleus schützend unter dem Vorsprung der Galerie in Deckung befand. Als das letzte Trümmerstück zur Ruhe kam, war es mit einem Schlag still. Das Tosen des Sturmes, der jetzt durch die Decke heulte, sowie das Knistern vereinzelter kleinerer Feuer, die nicht zur Gänze erstickt worden waren, nahm Cattaleya gar nicht wahr, zu groß war der Kontrast zu dem ohrenbetäubenden Lärm, der gerade eben noch im Foyer geherrscht hatte. Von Luam war nichts mehr übrig und auch sein junges Gefolge war dem Erdboden gleichgemacht. Das Gebäude schien endgültig in der gerechten Hand der Inquisition.
All die Anspannung, all das Grauen und vor allem die Eindrücke ihres sicheren Todes fielen von Cattaleya ab wie Bleigewichte. Mit einem über beide Ohren strahlend lächelnden Gesicht warf sich die charmante Frau mit einem erlösenden Anfall von Glück in die Arme Gerharts und drückte ihn fest. „Ich lebe...“, hauchte sie voll Freude wieder mit dem Wolfsrudel vereint zu sein.

Als Vox die Augen wieder öffnete sah er das verschwommene Gesicht eines Mannes, dessen Merkmale er wenig später als das Gesicht von Frost identifizierte. Aus den Bewegungen seiner Lippen folgerte er, dass er ihm gerade irgendetwas mitzuteilen versuchte, was jedoch bei den höllischen Kopfschmerzen und dem beständigen Surren in seinen Kopf unterging, sodass Phos keine Silbe verstand. Der Abend hatte so gut angefangen doch aus irgendeinem Grund hatte das Schicksal scheinbar beschlossen, ihn von nun an mit brennenden Gegenständen zu beglücken. Zuerst der nutzlose, in Flammen stehende Arbitrator und nun ein verirrter von brennenden Promethium überzogener Backstein, der sein Haupt mit voller Wucht an der Kopfdecke erwischt und ihn unsanft zu Boden geworfen hatte. Der besorgte Blick, den er in Lucius Augen wahrnahm, gab ihm Grund zur Annahme, dass die Wunde übel aussah. Dennoch war der Psioniker zuversichtlich. Schmerzen waren für ihn nichts Unbekanntes. Die Erinnerungen an die Streckbänke des Schwarzen Schiffs „Glorreiche Pflicht“ kamen in ihm hoch. Er musste schmunzeln, denn das hier war gar nichts dagegen. Jeder Schmerz bei dem man noch klar denken konnte war nichts dagegen. Er würde noch nicht schlappmachen, nicht bevor diese Sache hier erledigt war.

Als Vaniryl in den Händen der jungen Adeligen vor Vorfreude zu vibrieren begann löste sie die Umarmung, um schockiert auf ihre uralte Waffe hinunter zu blicken. Eine eiskalte Gänsehaut lief ihr über den Körper, als die Bedeutung begriff. In den „Impositis De Van'Sovrean“, dem uralten Geschichtsbuch der Blutlinie der Van'Sovreans  stand geschrieben, dass die Zwillingsklingen wie ein Paar waren, immer vereint, auf dass sie niemals getrennt werden mögen und immerdar nach Vereinigung strebten. Vaniryl konnte seinen Zwilling fühlen, als er sich schnell näherte…
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Nakago am 09. Mai 2013, 02:29:36
Wirklich gut geschrieben, die Aktionen kommen sehr dynamisch rüber. Man merkt, dass du dich ziemlich tief in die Materie und Hintergrund von 40K eingearbeitet hast. Großes Lob. Allerdings verwirrt mich persönlich der andauernde Perspektivwechsel etwas.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 09. Mai 2013, 07:04:23
Danke für das Lob  :D

Der Text stammt allerdings gar nicht von mir, sondern von zwei meiner Spieler, Sjeg und Inigo Hound, wie sie im Online-Forum des DnD-Gates heißen, die abwechselnd geschrieben haben. Da jeder der Spieler zwei Charaktere spielt, kommt es zu den häufigen Wechseln. Ich habe das Schriftstück lediglich korrigiert und im Stil meines im Anschluss foldendes Textes "Aller Gnaden Ende" formatiert. Da hier die Charaktere sehr gut eingeführt werden und ich persönlich die "Akte Vynnor Lucrés" sehr unterhaltsam finde, habe ich sie als Präludium vor dem Kampagnentext benutzt.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 09. Mai 2013, 17:02:23
Vier

„Vox, verdammt! Bleiben Sie bei uns!“ Schon mehrfach hatte Lucius dem sanktionierten Psioniker, an dessen kahlgeschorenem Schädel eine tiefe, blutende Platzwunde wie ein obszöner zweiter Mund gähnte an die Wange geschlagen. Beim Nachgeben des Daches war ein verirrter Backstein von einem Querpfeiler abgeprallt und hatte Isand am Kopf erwischt. Augenblicklich war der Mann leblos zu Boden gesackt. Frost fluchte innerlich. Was hatte der Psioniker mit dem gelinde gesagt schwierigen Charakter auch seinen Helm im Rhino gelassen? Erleichterung durchflutete ihn, als Vox seine Augen zögernd zu öffnen begann, und er lehnte den Oberkörper des Verwundeten mit einer sanften Bewegung gegen die umgestürzte Statue aus blassweißem Marmor. Er klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und rang sich zu einem „Halten Sie den Kopf unten, Vox, wenn Sie nicht noch mehr narbige Andenken sammeln wollen. Bleiben Sie wo Sie sind, ich schicke Ihnen den Pater, damit er sich das mal ansieht.“

Das Heulen des Sturmes erfüllte mittlerweile das gesamte Foyer, wenngleich der Lautstärkeunterschied den Ex-Arbitrator unangenehm an sein Gefühl von „Ruhe vor dem Sturm“ von vorhin erinnerte. Wo kurz zuvor noch Flammen getanzt hatten, wirbelten nun Schneeflocken durch die Luft, um sich auf zerbrochenem Mauerwerk, geschwärztem Boden und gebrochenen Leibern niederzulassen. Frost richtete sich auf und befahl den verbliebenen Arbitratoren sich in kampfbereiter Position zu sammeln. Während er die Boltpistolen mit raschen, routinierten Bewegungen nachlud, blickte er auf die übel zusammengeschrumpfte Truppe. Dvorov und sein Trupp sahen mitgenommen aus. Nur sechs von ursprünglich zwölf Arbitratoren waren noch auf den Beinen. Einer der überlebenden Ordnungshüter humpelte, ein anderer trug die Schrotflinte in der linken, während sein rechter Arm nutzlos herabhing. Ihre Uniformen waren versengt, und als wäre diese Erinnerung an die Flammen notwendig gewesen, nahm Lucius nun auch den Übelkeit erregenden Gestank der verkohlten Leichen war. Er überblickte den Raum und rief sich die Informationen über das Anwesen vor Augen. Laut ihrer Informanten waren wohl noch mehrere Adelige und Vynnor selbst übrig, welcher sich den verderbten Mächten hingegeben hatte. Frost presste die Lippen aufeinander und widerstand der Versuchung Dvorov mit den schwerer Verletzten seines Trupps in die Sicherheit der Rhinos zu schicken. Sie würden alle Unterstützung brauchen, die sie bekommen konnten.

„Der Imperator beschützt!“, gab er durch das Helmmikro durch und setzte sich an die Spitze der weitläufigen Formation. Es galt nun ins Untergeschoß vorzurücken. Isand war wieder auf den Beinen und hatte in der für ihn so typischen Art jede Hilfe der nahen Arbitratoren abgelehnt. Am Fuß der Treppe blickte Lucius nach oben und zog ob der engen Umarmung, in der die zierliche Honeymoon den hünenhaften Kleriker hielt, die Augenbrauen hoch. Der Kleriker erwiderte die Umarmung nicht und hatte nach wie vor das vor Blut dampfende mächtige Kettenschwert in seiner linken. Trotz des Carapace-Panzers konnte der Ex-Arbitrator der Körpersprache Gerharts entnehmen, dass ihm der enge Kontakt zu der attraktiven Adeligen unangenehm war. Er grinste und bahnte sich seinen Weg durch die Trümmer des Daches auf die Beiden zu. Auch wenn er Gerhart wegen vieler Qualitäten schätzte, es war ab und an schwierig seine pikierte Haltung nicht von einem humoristischen Standpunkt aus zu sehen. Als er die Distanz zur Hälfte zurückgelegt hatte, ließ ihn ein kaum wahrnehmbares Grollen tief unter sich inne halten. Hatte er sich die Vibrationen eingebildet? Unter normalen Umständen konnte er sich auf seine Sinneswahrnehmungen sehr gut verlassen, doch die Situation war ja auch alles andere als gewöhnlich. Über ihm lies Honeymoon mit erschrockenem Ausdruck den Pater los.

Die Zeit erschien ihm wie eingefroren, als er sich einem Bauchgefühl folgend zu den ihm folgenden Arbitratoren umwandte. Er wollte Ihnen den Befehl zum temporären Rückzug geben - irgendetwas machte ihn sicher, dass das für ihr Überleben wichtig war. Quälend langsam drehte er sich herum und nahm war, dass ausgehend von den mittleren Treppenstufen eine feine Schicht von Rauhreif die verkohlten Reste des Teppichs und die Mauerreste bedeckte. Ein eiskalter Schauer lief ihm den Rücken herunter. Mittlerweile war er sich sicher, das Grollen zu spüren, es gewann an Intensität und auch Dvorov und die vordersten seines Trupps nahmen es jetzt offensichtlich wahr, was Lucius ihren alarmierten Gesichtsausdrücken und den angespannten Haltungen entnehmen konnte.

Die zahlreichen Statuen im Raum begannen mit einem Mal dickes schwarzes Blut zu weinen. Übelkeit breitete sich wie eine Feuersbrunst in den Eingeweiden Frosts aus und er ächzte, als die Elektrizität, welche die Luft erfüllte, die Härchen an seinem Körper statisch aufrichtete.
Bei den Tränen des Imperators! Der Daemon war nahe!

Die Spannung war spürbar und ein leiser Kopfschmerz stellte sich begleitet von einem süßlichen Geschmack auf seiner Zunge ein, der ihn an irgendetwas schwer Fassbares aus seiner frühen Kindheit erinnerte. Lucius Frost hörte ein Schluchzen, hoch und klagend, wie aus einer erschütterten Frauenbrust drang es von überall und nirgendwo auf ihn ein. Es war die Stimme seiner Mutter.

Mit ohrenbetäubendem Bersten brach etwas durch die massiven Holzstufen der alten Treppe. Stein und Holzsplitter regneten durch den von Schneeflocken erfüllten Raum und das Heulen des Sturmes hallte wie tausendfach verstärkt von den Wänden wider. Lucius war von der Druckwelle nach hinten umgeworfen worden und hart gegen das Geländer geprallt.

Mit einem Kreischen aus dem unnatürlichen gebogenen Schnabel befreite das, was einst Vynnor Lucrés gewesen war, zwei pechschwarze Schwingen, welche an dem schwarz verbrannten Körper anhafteten, aus der Umklammerung des Mauerwerks. Die Kreatur war gute vier Meter hoch und steckte nun nur noch mit dem Unterleib in dem klaffenden Loch, welches Sie in die Treppe gebrochen hatte. Der gehörnte Kopf zuckte umher und in einer einzigen blitzartigen Bewegung schossen die Klauen der Kreatur vorwärts um Frost und Dvorov zu packen. Die scharfen hörnernen Dornen an den entstellten und geschwollenen Fingern hinterließen tiefe Scharten in dem Carapace–Brustpanzer, als sie sich um Lucius Brustkorb legten und ihn mit festem Druck gegen Stein und Geländer nach hinten pressten.
 
Einzelne Schüsse hallten durch den Raum, als der Daemon Dvorov im gleichen Atemzug hochhob, knapp vor sein Gesicht führte und mit seinem messerscharfen Schnabel seinen Kopf abriss. Eine blutige Fontäne schoss aus der Ruine des Halses als die Warpbestie seine Klauen um den Torso schloss. Das Knacken der Rippen war eigentlich viel zu laut hörbar, trotz des Sturmes und des Feuers der verbliebenen Arbitratoren, als die Aberration den Leichnam genüsslich zerquetschte.

<< Sieh, schwächlicher Mensch, sieh‘ nur, was Dir nun bevorsteht>> - die telepathische Intensität der Abomination ließ die Stimme Vox im Vergleich engelshafte Qualität annehmen.
Lucius hätte geantwortet, doch auch sein Oberkörper wurde nun in die Luft gehoben und ein Knacken aus seiner linken Thoraxhälfte begleitet von stechendem Schmerz ließ ihn vermuten, dass die erste seiner Rippen unter dem Druck nachgegeben hatte. Ein roter Schleier legte sich vor seine Augen und Dunkelheit waberte unter ihm wie pechschwarze, weiche Watte. Es war verlockend, sich den Versprechungen des ewigen Schlafes hinzugeben, welcher seine Sinne mit Dumpfheit und bleierner Schwere liebkoste. Mittlerweile war sein Kopf auf Höhe des Dämons angekommen. Der elfenbeinartige Schnabel war leicht gekrümmt und mit Reihen spitzer Zähne versehen. Das vogelartige Gesicht schien an mehreren Stellen die falschen Dimensionen zu haben und führte seinen Blick in sich windenden Kreisen an die schillernden pupillenlosen Augen der Bestie, in deren bizarren Wirbeln er schier zu versinken drohte. „Denk immer als erstes an deine Pflicht und nur an sie!“ – schossen ihm da die Leitsprüche der Arbitesakademie auf Luggnum durch den Kopf.
Gequält keuchte er auf und bleckte die Zähne.

<<Guuuuuuuut – ein starker Wille macht dies soviel köstlicher>> hallte das höhnische Lachen der Kreatur in seinem Kopf wieder.
Als ihn der Dämon ein wenig näher an sich heranführte, wehte ihm der heiße und übelriechende Atem ins Gesicht.
„Fahr zur Hölle!“, presste Frost zwischen den Zähnen hervor und richtete die Boltpistole in dem einzigen Winkel der seinen eingeklemmten Armen geblieben war gegen die Wand an der linken Seite des Foyers.

Der Dämon legte den Kopf schief und sah ihn mit einem fast fragenden Ausdruck an. Dann schnellte sein Schnabel nach vorne und auf das Gesicht Lucius zu, die Geschwindigkeit und Kraft der Bestie ausreichend, um ihm auch trotz seines Helmes den Kopf zu zertrümmern.
Ein Rasseln war zu hören, als der gewaltige schmiedeeiserne Luster mit einem Krachen seine Halterung an der linken Wand, über welcher er aufgespannt gewesen war, geschwächt von einer scheinbar vergebenen Boltpatrone aus der Wand riss und mit aller Macht über der Treppe niederging. Ein hässliches, reißendes Geräusch ertönte, als die Konstruktion auf den linken Flügel und Rücken des Dämons traf und ihn in bizarrer Linksseitenlage auf die Treppe zwang. Das Kreischen der Warpkreatur schoss durch den Raum wie ein fehlgeleiteter Kugelblitz.
Fast schwanden Lucius die Sinne, als er immer noch gehalten in der mörderischen Umklammerung wieder auf die Treppe prallte.
<< Das wirst Du mir büßen, Sterblicher! >> stach die Stimme wie ein Dolch in seinen Kopf. Weitere Rippen brachen.

Nachdem Vox sich wieder aufgerappelt, kratzte sich dieser eine Kruste gehärteten Blutes von der Wange. Einer der Arbitratoren hatte zuvor die zweifellos laienhafte Diagnose verlauten lassen, Vox würde durchkommen. Das beruhigte ihn jedoch wenig. Sie hätten auch schlecht sagen können, er wird den nächsten Morgen nicht mehr erleben. Doch die schlimmsten Blutungen schienen mittlerweile gestoppt. Dennoch war Vox schwindlig, und mittlerweile hatte sich auch ein Gefühl von Übelkeit hinzu gemischt. Einer der Arbites, Vox hätte schwören können, es war dieser Naseweis, dem er selbst vor wenigen Minuten noch das Leben gerettet hatte, bot ihm an ihn zu stützen. Phos Isand wollte sich nicht von jemandem stützen lassen, der nicht einmal vernünftig auf sich selbst aufpassen konnte, womöglich so jemandem auch noch sein Leben anvertrauen. Das fehlte ihm gerade noch.

So hatte er es vorgezogen, sich an eine westliche Wand zu lehnen und mit einem Blick, den man als Außenstehender nur verwirrt bezeichnet hätte, in die Runde zu starren, während er selbst darauf bedacht war, wieder vollständig Herr über seine Sinne zu werden. Und auch wenn er es sich nach außen hin nicht anmerken lassen wollte war er davon noch weit entfernt. Sein Blick war verschwommen, sein Gleichgewichtsinn gerade ausreichend, um oben von unten zu unterscheiden, und er hatte dieses Pfeifen im Ohr, dieses lästige Pfeifen. Wie durch einen Schleier betrachtete er Frost, der in Richtung des Halbstockwerkes quer über das sicher nahezu vierzig Meter weite Foyer auf zwei Gestalten zuging, wo eben noch der irre Pyromant Luam gestanden hatte. Und auch wenn er nicht erkennen konnte, um wen es sich bei dem Pärchen im Treppenhaus handelte, folgerte der Psioniker, dass die Gefahr gebannt war, jedenfalls hatte die Schießerei aufgehört, was eine Wohltat für seine gequälten Ohren war. Er musste innerlich fluchen, als er fühlte, wie abermals eine warme Flüssigkeit an seinem Kopf herabzufließen begann. Er griff danach und blickte auf den dunklen, fast zähflüssigen Stoff. Er ließ seinen Blick weiter nach oben wandern und musste seine Augen schützen, denn erst jetzt erkannte er, dass dies nicht sein Blut war. Die Statuen waren voll der Trauer, und Blut lief aus ihren Augen und Mündern, Nasen und Ohren, das auf sein Gesicht herunter tropfte. Wie war das möglich? Luam war tot, und auch er war sich sicher, keinen derartigen Fehlgriff getan zu haben. Verwirrt blickte er in Richtung von Frost, der aufgebracht wirkte. Da war es wieder, und diesmal lauter als zuvor, das Pfeifen in seinem Kopf. Er kniff die Augen zusammen und hielt sich beide Ohren zu. Es schmerzte. Das Pfeifen veränderte sich zu einem Surren, und schließlich zu einem Flüstern, das immer lauter wurde, bis Vox schließlich Worte in einer Sprache, die er noch nie zuvor vernommen hatte, hören konnte. Trotzdem verstand er jedes Wort:
<<fffzfzfzzzzz….. WWWir sind uns eben, Beseelter. Der Warp gibt uns Kraft, wir sind eins mit dem Warp. Wir sehen es - Du bist auf der Suche! Du hast vieles bereits erkannt, nicht wahr? Sie sind nicht wie Du, sie sind schwach, sie sind unbegabt, seelenlos. Sie sind Deiner nicht würdig. Sie behindern Dich, verzögern Dich. Aber Du kannst Deinen Weg finden, nur ohne sie. Du siehst es doch auch, nicht wahr?>>
 „Ja, sie sind schwach…“, antwortete Vox trocken.
Die Antwort darauf kam leiser als vorher, und auch verzerrter: <<Ja, das sind sie, schwach, unwürdig, erbärmlich. Du weißt, dass Du Deinen Weg gehen kannst. Du brauchst sie nicht. Deine Mutter hat es Dir damals schon prophezeit.>>
„Meine Mutter war ein Narr, genauso wie mein Vater.“, begann Vox leicht aufgebracht.
Jetzt antwortete ein singender Chor, laut und klar, in hoher Stimmlage: <<Jaaa, weil sie den falschen Weg eingeschlagen hatten. Den Weg eines Dieners, einen Wurmes. Sie haben sich dem Imperator gebeugt. Sie haben ihm ihr Leben gegeben, einfach so, seine linke Hand hat es genommen.>>
„Seine linke Hand?“, antwortete der Psioniker verwirrt.
Die Stimme einer alten Frau, kratzig und schrill, meldete sich nun zu Wort. <<Die Inquisition hat sie geholt, sie hat keinen am Leben gelassen.>>
Auch wenn sich die Antworten grundverschieden in Vox´s Kopf manifestierten, so wusste er doch, dass sie immer den gleichen Ursprung hatten.
„Sie hat mich am Leben gelassen… “
Vox hörte sich nun selbst. Überrascht musste er feststellen, dass er seine Stimme noch niemals unverfälscht wahrgenommen hatte. Zugegebenermaßen hatte sie etwas Unangenehmes an sich: <<…Um Dich zu versklaven. Um Dich zu ihrem Diener zu machen. Um Dich im Namen des falschen Imperators zu knechten. Siehst Du sie nicht, die Ironie?>>

Vox öffnete die Augen. Der Schmerz war weg, die Übelkeit vergessen, sein Blick frei. Endlich war ihm alles klar. Die Szenerie um ihn herum hatte sich stark verändert. Er sah die von Reif überzogenen Carapace-Rüstungen der Arbitratorem furchtvoll zittern, als Dvorov der Kopf abgebissen wurde. Das Knacken des Rückgrats ging durch Mark und Bein. <<Nutzlos und schwach>>, schoss Vox’ Stimme ihm in einer über alle Maßen überheblichen Art und Weise durch den Kopf. <<Wie Du es immer schon gewusst hast>>. Er sah Lucius schmerzverzerrten Gesichtsausdruck als die ersten Rippen zu brechen begannen. Vox kam der Gedanke in den Sinn, dass sie verglichen mit der brutalen Gewalt, die der Daemon aufzubringen im Stande war, nichts weiter als dürren Holzästen glichen.

Das Unwesen erschien ihm vor seinem sechsten Sinn wie ein einziges grelles Leuchten im realen Raum, die Verbindung, die das Wesen in die Untiefen des Empyreums darstellte, war massiv und überwältigend. Jegliches Wissen über Derartiges war im Imperium per Todesstrafe verboten, und doch faszinierten den Psioniker schon immer all diese Dinge, wohl gerade auch, weil sie verboten waren. Er war kein Experte auf diesem Gebiet, aber dennoch ahnte er, dass keine Waffe, die der Ordo Malleus hier aufzubieten vermochte, es würde zur Strecke bringen können. Eine Ahnung schoss in ihm hoch, eine überwältigende und endgültige Empfindung - noch nie zuvor hatte Vox das Gefühl gehabt, dem Tode so nahe zu sein wie in diesem Moment. Vielleicht war es wirklich an der Zeit, einen anderen Weg zu finden.

„Wie kann ein Mann über Nacht so mächtig werden? Lucrés war ein Feigling, ein Psioniker, der sich über Jahrzehnte lang versteckt hatte.“
Die Stimme war jetzt ein Flüstern und schmatzte genüsslich vor sich hin. Es klang so widerwärtig, dass Vox sich anstrengen musste, nicht die Fassung zu verlieren. <<Ja, er ist schwach, und dennoch. Wir gaben ihm Kraft. Kraft, die Du suchst. Perfektion! Etwas, das Dir sonst niemand geben kann. Nicht Frost, nicht Railoun und auch nicht Varitani. Doch Du bist würdig. Du bist stark. Du hast nichts Geringeres verdient. Es ist Zeit, Deine Fesseln endlich zu lösen!>>

Phos vernahm einen Schrei. Es war die zarte Stimme Van‘Sovreans, die schockiert nach Lucius rief, als sich der Daemon seinem Anführer zuwandte. Den toten Körper des Chasteners Dvorov ließ das Wesen fallen wie einen unnützen Sack. Nicht mehr lange und der Kopf der Truppe würde abgeschlagen werden - im wahrsten Sinne des Wortes. Die ersten Arbitratoren hatten sich dazu entschlossen zu schießen - ungeachtet der Gefahr, auch ihren Anführer dabei treffen zu können. Vox konnte es ihnen nicht verübeln. Es war ein Überlebensinstinkt, dem sich nur die wenigsten in einer derartigen Situation würden entziehen können. Darauf waren sie nicht vorbereitet – darauf war niemand von ihnen vorbereitet. Die Treffer, die das Biest hinnahm, vermochten entweder nicht einmal den Panzer der Kreatur zu durchdringen oder wurden von dem ständig an ihm herabfließenden schwarzen Blut in Windeseile wieder geschlossen. All das bekräftigte ihn nur noch weiter in seiner todbringenden Vorahnung.

„Meine Eltern waren Narren und die linke Hand ist wertlos verglichen mit dieser Gewalt. Wie bei allen Mächten dieser Welt, wie kann ich so mächtig werden?“
<<Wir kennen Wege! Wir zeigen Wege. Du wirst einen Fokus erhalten. Er wird Dir Macht verleihen. Macht, die seines Gleichen suchen wird. Er wird Dich erleuchten. Du wirst durch die Sterne wandern. An einem Tag wirst Su viele Welten verschlingen, an einem Tag wirst Du ganze Sektoren versklaven. Unzählige werden Dir folgen. Du bist stark. Du weißt es. Du hast es immer gewusst. Du…>>

Vox hörte nicht mehr hin. Er sah es jetzt auch. Das, wonach er schon die ganze Zeit gesucht hatte. Das fehlende Stück des Puzzles. Das unheimliche Strahlen der Warpentität hatte seinen sechsten Sinn so sehr geblendet, dass er es zuerst nicht wahrnehmen konnte. Der Riss im Realen, erzeugt von einem Stück Metall, verborgen unter einem Horn der Bestie. Einen so mächtigen Daemon hält ein Gefäß wie Lucres nicht so leicht. Das war jedenfalls die einzige und letzte Hoffnung gewesen, an die er sich geklammert hatte, und die flüsternde Stimme in seinem Kopf hatte seine Vermutung jetzt bestätigt – er hatte Hilfe, die er immer noch bei sich trug. Er blinzelte und fokussierte seinen Geist noch stärker auf den Rumpf des Wesens, bei dem er die Quelle des Risses wahrnahm. Ein Stück Metall, ein Griff, eine Klinge… natürlich!
„Der Daemon hat ein Horn in der Bauchgegend. Darunter befindet sich ein Dolch. Er muss aus seinem Körper! Es ist wahrscheinlich sein einziger Schwachpunkt. Tut es!“, herrschte Vox telepathisch seine Mitakolythen an!
Kreischend fuhr die Stimme durch seinen Kopf: <<Was tust du?! Du Narr! Du geblendetes nutzloses Gefäß! Du…>>

Vox unterbrach die Stimme in seinem Kopf und begann auf eine ruhige, eindringliche und unheimlich wirkende Art zu sprechen, dass die Entität in seinem Kopf verstummte. „Schweig, nutzloses Ding! Eine schmutzige Straßenhure wirkt verführerischer auf mich! Ich soll Dir helfen?! Dir, den ich so leicht für meine Ziele ausnutzen konnte? Jämmerlich und schwach sind nicht sie, das bist Du selbst! Verschwinde aus meinem Kopf, widerliche Warpkreatur, und zwar jetzt! Und sieh her, wozu seine linke Hand im Stande ist  - die linke Hand unseres Gottes!“

Stille. Endlich hatte Vox wieder Ruhe, und noch war es nicht zu spät, um sein persönlich gesetztes Ziel, nämlich einen ruhmreichen Missionsabschluss, in die Tat umzusetzen. Auch wenn dies jetzt, so musste er sich eingestehen, nicht mehr ausschließlich in seinen Händen lag – aus einem für ihn nicht ganz nachvollziehbaren Grund war er jedoch plötzlich zuversichtlich. Seine Mitakolythen würden ihren Teil beitragen, dessen war er sich sicher, so wie er seinen beitragen würde! Lucius war noch am Leben, der Daemon kurz von dem massiven Kronleuchter abgelenkt. Die Gelegenheit! Die fünf noch lebenden Arbitratoren, die sich in seiner Nähe befanden, blickten Vox fassungslos und mit einem Hauch von Entsetzen an, als dieser sich aus seiner Deckung begab um direkt auf den Daemon zu zu marschieren, welcher sich gerade wieder aufzurichten begann, um sein Werk an Frost zu vollenden. Vox wusste, dass es verrückt war, aber noch verrückter wäre es gewesen, untätig zu bleiben. Auch den unzähligen Augen des geflügelten Schnabelwesens entging der Psioniker nicht, der sich in Verachtung seines eigenen Lebens völlig ohne jegliche Deckung auf ihn zu bewegte. Der Mann lief nicht, er ging einfach nur gemäßigten Schrittes auf ihn zu, welch Anmaßung! Ihn würde Lucrès als nächsten vernichten! Im gleichen Moment, als er Lucius Körper zwischen seinen Klauen endgültig zerquetschen wollte, meldete sich Vox zu Wort. „Vynnor Lucrès, Letzter des Hauses derer von Lucrés, ich befehle Dir, lass den Mann los und stelle Dich einmal in Deinem erbärmlich Leben zum Kampf!“ Vox begann beinahe zu taumeln. Der Wille des Ungeheuers war eine zähe sich ständig verändernde Masse, und er fühlte ihn jetzt ganz deutlich. Er stand der Stärke seines Körpers um nichts nach, ja übertraf diese wohl sogar noch. Unter normalen Umständen hätte der Daemon Vox´ Geist bei dem Versuch manipuliert zu werden einfach zermalmt. Doch Vox fühlte dass er einen Nerv getroffen hatte, und das sicherte ihm seinen Erfolg. Der Daemon schenkte Lucius keine Sekunde länger Beachtung, ließ ihn los und wandte sich Vox zu.

 <<Du kleiner dreckiger Wurm, so redet niemand mit mir!>> In diesem Moment war Vox sich nicht sicher, ob das Handeln des Wesens eine Reaktion auf seine Herausforderung oder einer erfolgreichen telpathischen Suggestion war. Das Resultat sollte jedenfalls das Gleiche sein.
Lucius schien gerettet - vorerst. Vom festen Griff des Daemons erlöst ging der Leitwolf zu Boden, etliche Knochen gebrochen, doch er war am Leben – das zählte. Langsam wurde dem Psioniker wieder schummrig im Kopf, was jedoch auch daran liegen mochte, dass ihm langsam völlig bewusst wurde, gerade einen tödlichen Daemon auf sich gehetzt zu haben. Vox zuckte zusammen, als einen Daemon einen Satz in seine Richtung machte. „Der Dolch! Jetzt Pater! Jetzt oder nie!“, ertönte der Ruf des Psionikers im Kopf des Sternengeborenen.

„Die Häretiker dürsten nach dem reinigenden Feuer aus Schmerz und Absolution. Sie brauchen nicht zu fürchten, denn wir sind hier um es Ihnen zu gewähren“, trug die tiefe Stimme Thracians von der Treppe in das Foyer, nachdem der Hexer gefallen war. Er wurde von der fast stürmischen Umarmung der viel kleineren Adeligen geradezu überrumpelt und widerstand dem ersten Impuls, sie von sich zu stoßen. Gerhart mochte es nicht, ohne Vorwarnung berührt zu werden, doch er sah die Erleichterung in den Augen Van‘Sovreans. Es war keine unlautere Absicht, die aus der Suche nach körperlicher Nähe sprach, sagte er zu sich selbst. Er erwiderte die Umarmung zwar nicht, ließ sie jedoch schweigend zu und hob etwas ungeschickt die rechte, bionische Hand um Cattaleya beruhigend auf den Rücken zu klopfen. Er suchte gerade nach den passenden Worten, um ihr würdig und doch bestimmt klar zu machen, dass der Kampf noch nicht gewonnen sei, da löste sie sich ganz von selbst von ihm.

„Ihr braucht euch nicht zu entschuldigen, Cattaleya, Extremsituationen wie diese können dazu verleiten, sich ungebührlich zu benehmen“, brachte Gerhart in zunächst beruhigendem, danach immer zögerlicherem Tonfall hervor, als die junge Frau mit kaltem Schrecken auf eine ihrer Zwillingsklingen blickte. Sein Blick erfasste suchend Lucius, welcher von einer inneren Unruhe beseelt war, wenige Momente, bevor die Treppe in einer Kakophonie aus berstendem Holz, Stein und Eisen zerbrach.

Noch während sich der Staubschleier in dem Raum legte, spürte Thracian die Präsenz von etwas Unheiligem, lange, bevor seine Augen die Bestie wahrnehmen konnten. In sich fühlte er die Bestimmung, seine Bestimmung, die Aberration des Warps zu stellen und zu bekämpfen. Oben auf der Galerie war der Schleier aus feinen hölzernen und steinernen Staubpartikeln am hartnäckigsten, lag sie doch in einem natürlichen Windfang, zu welchem der heulende Sturm, welcher durch das Dach hereinfegte, wenig direkten Zugriff hatte. Der Glaubenskrieger tastete stumm und mit eiserner Miene unter dem Carapace-Helm nach dem Geländer, um seinen Weg zur Treppe zu finden. Rechts von ihm tauchte eine weibliche Marmorbüste aus dem Zwielicht auf, welche schwarze Tränen weinte.
<< Nein! >>
Ein seltsam metallischer Geschmack lag auf Gerharts Zunge als sich die Figur aus dem Staub - ? -  aus dem Dampf der Hygienekabine schälte. Olivia Novarst war eine herausragende Pilotin und zu Recht als die beste Staffelführerin des imperialen Schlachtkreuzers bekannt. Gerhart maß sie mit lüsternem Blick. Sie war auch vollkommen zu Recht aufgrund anderer, eher körperlicher Vorzüge bekannt. Ihre kurzen schwarzen Haare waren noch nass von der Dusche und die Adlertätowierung prangte stolz an ihrer linken Schulter. Der junge Offizier verfolgte mit seinen feingliedrigen Fingern die Schwinge des imperialen Symbols, wie sie vom Schulterblatt über das Schultereck zog und lies seine Finger danach an der Klaue herabgleiten, bis er sich nicht länger halten konnte und sie wild küsste, während er ihr einen herben Klaps auf den Hintern gab. Sie erwiderte seinen Kuss heftig und stieß ihn nach hinten, so dass sie gegen den Spiegel knallten. Dieser krachte wie mehrere Schüsse, was Gerhart jedoch nur am Rande wahrnahm. Die Nässe ihres nackten Körpers drang langsam durch seine gestärkte dunkelgrüne Uniform. Sie löste sich kurz von ihm, grinste und flüsterte ihm ins Ohr: „Du wildes Tier!“, um ihn daraufhin schmerzhaft ins linke Ohr zu beißen.  „Warte nur, bis ich anfange“, knurrte Gerhart spielerisch und nagte an ihrer vollen Unterlippe.
Emotionen durchfluteten ihn. Sie waren beide auf dem aufsteigenden Ast einer strahlenden Flottenkarriere. Bei dem letzten Schlag gegen die Piraten an den Grenzwelten hatten sie sich beide durch außergewöhnliche Disziplin und Ruchlosigkeit einen Namen gemacht. Was waren schon die geopferten Entermannschaften im Gegensatz zu dem Ruhm? Niemand würde sich an die namenlosen Toten erinnern, die er wie in einem Regicide–Zug geopfert hatte. Sein Name jedoch würde noch in hunderten von Jahren als leuchtendes Beispiel in der Tactica Imperialis erwähnt werden. Ja, Thracian wollte hoch hinaus, ein eigenes Kommando war das mindeste, was in seiner Reichweite lag. Und er wusste, dass er sich mit den passenden Leuten umgeben musste. Die Gruppe aus ehrgeizigen jungen Männern und Frauen war an Bord der Jocasta dafür berüchtigt, ebenso gut aussehend wie herausgeputzt und draufgängerisch zu sein. Vor keinem Risiko zurückzuscheuen und bei ihren Feiern dem dekadenten Stil der Adeligen in nichts nachzustehen. Dies war sein Leben!  … Dekadenz? … Selbstsüchtigkeit? … Ehrgeiz? … Lasterhaftigkeit? …
Ein reines Licht fiel auf die verblassende Olivia, als Gerhart sie bestimmt von sich schob. Er erkannte es wieder. Es war das Licht, welches er gesehen hatte, während die Medicae an Bord des Schlachtkreuzers Angevins Hammer nach der von der Inquisition befohlenen Enteraktion um sein Leben gekämpft hatten. Eine einzelne Träne schimmerte im linken Augenwinkel Thracians. Wie gerne wäre er in dieses Licht gegangen, doch es war ihm verwehrt gewesen.

„Noch nicht…“ Glockenrein hatte die Stimme in seinem Kopf gehallt wie die silbernen Glocken in der strahlenden Kathedrale zu Scintilla. Und damals wie heute hatte er so viel Kraft aus dieser Reinheit geschöpft. Das Licht blieb bloß für Bruchteile einer Sekunde bei ihm, doch Gerhart fühlte sich wie neu geboren. In der kurzen Zeit fegte der Glanz all die Illusionen, die ihm der Daemon vorgegaukelt hatte davon wie Staub.

Gerhart war zurück in der tosenden Hölle auf Zumthor, doch selbst als er die geflügelte Gestalt des Biestes sah, kannte er keine Furcht, nur Bestimmtheit und Hass.
Das Kettenschwert halb in der Rechten erhoben gelangte er an das Ende der Treppe und sah den Psioniker auf den Daemon zugehen, sah Lucius zu Boden fallen, sah Cattaleya mit schreckgeweiteten Augen neben sich. Er nickte der jungen Frau zu, als Vox sein Ablenkungsmanöver begann. „Der Imperator beschützt, Cattaleya – und er erwartet. Er erwartet, dass Ihr alles gebt um die Kreatur zu bezwingen. Ich werde Euch die Gelegenheit verschaffen.“
Mit laut surrendem Kettenschwert hastete Thracian mehrere Stufen an die Seite Lucius und hielt die gesegnete Waffe vor dem Abschaum des Immateriums in die Höhe.
„Daemon! Ich kenne Dein Gesicht und es erfüllt mich mit Zorn!“
„Ich sehe Deine unreine Form, Wandler, sie hat hier keinen Platz!
„Ich verdamme Dich und ich befehle Dir, im Namen des Gottkaisers zu Terra,
Weich zurück!“
Wie von einem Hammer getroffen taumelte der Vogeldaemon zur Seite und mit dem Geräusch von reißendem sprödem Leder trennte sich die blutige linke Schwinge des Daemons, welche nach wie vor von dem schweren eisernen Kronleuchter gehalten wurde, von seinem Körper. Taumelnd prallte er gegen die Brüstung der Treppe, um sie zu durchbrechen und mit einem lauten Krachen auf dem Boden daneben aufzuschlagen.
Thracian warf wenig mehr als einen Seitenblick in die Richtung von Lucius und Vox, er konnte ihnen im Moment ohnehin nicht helfen. Mit wenigen Sätzen war er auf der Treppe über dem gestürzten Daemon angelangt und blickte zu Cattaleya hoch, welche auf der Galerie in perfekter Position über ihnen stand. Er nickte ihr zu und hob abermals seine Klinge, während ihn das Monster mit stechenden Augen anblickte.
„Vynnor Lucrés, im Namen der heiligen Inquisition und des Imperators verurteile ich Dich für Deine Sünden zum Tode. Möge ER Dich unbarmherzig richten!“
Mit diesen Worten warf sich der schwarze Priester mit singendem Kettenschwert nach unten und in die wartenden Fänge des geschnäbelten Monsters.

Cattaleya hatte ihren Blick noch immer auf ihre Energieklinge fixiert, als sie bereits ahnte was passieren würde. Der Zwilling ihrer uralten Klinge nahte, der Daemon musste Sovrean immer noch in seinem Körper tragen. Die Stimme Gerharts erschien ihr weit entfernt zu sein, und sie verstand nur einzelne Silben. Die schiere Gewalt des Wesens bereits am eigenen Körper erlebt, quoll eine tief sitzende Angst in ihr hoch, und als die rote Klinge in ihrer Hand plötzlich so grell zu leuchten begann, dass sie  geblendet wurde…
…?...
…war sie wahrscheinlich eine der glücklichsten Frauen des Imperiums. Bei dem Gedanken daran, wie viel sie auf sich nehmen musste und an welch gefährlichen Ort sich dafür zu begeben hatte, lächelte sie. Sie konnte die Sorgen in Lucius Gesicht sehen, wenn er sie anblickte. Doch Cattaleya war zuversichtlich, denn alles was für den Moment zählte war, dass sie zusammen waren. Varitani, Immarut und die anderen durchsuchten einen fernen Teil des unterirdischen Komplexes. Sie waren getrennt von den anderen, ein seltener Moment, den sie sich nicht von ihrer Umgebung, die sich in all ihren Facetten danach zu sehen schien die Eindringlinge zu vernichten, zerstören lassen wollte.

Ständiges Tropfen undichter Leitungen verursachte ein buntes plätscherndes Orchester. Der Rest ihrer Umgebung war undeutlich, grau, vernebelt wie durch einen Schleier, aber was spielte es schon für eine Rolle. Wichtig war nur, dass sie vereint waren, dass sie endlich glücklich war, dass sie zum ersten Mal geliebt wurde. Ein Lachen unterbrach jäh und scharf ihre Gedanken, es war tief, sonor und markerschütternd, und ließ ihre Sicht verschwimmen. <<MAAHHAHAHAAA…. dummes Kind, Du wirst das alles verlieren, alles was Du Dir jemals gewünscht hattest, ALLES. Sieh nur!>>

Etwas Unmenschliches erschien, schnell und plötzlich, wie aus dem Nichts. Seine Haut rosafarben, der Körper humanoide, aber riesig, sehnig, muskulös, gebeugt, gehörnt… und kräftig. Ein mächtiger Hieb stieß Lucius zur Seite. Sein Körper beschrieb einen weiten Bogen und krachte mit ungeheurer Gewalt gegen eine Wand, wo er völlig regungslos liegen blieb! „LUCIUS!“ schrie sie voller Entsetzen. Das Wesen war schnell, unglaublich stark, und schwer. Sie konnte sich nicht wehren, nichts tun, hilflos auf den Rücken gepresst wie eine Schildkörte konnte sie nur strampeln, doch er war über ihr, er leckte an ihr, das widerliche Ding. Sie war ihm ausgeliefert, doch hatte sie ihre Gedanken nicht nur hier. Immer wieder versuchte sie ihren Kopf zu drehen um Lucius zu finden, zu sehen, wie es ihm ging, doch es war ihr nicht möglich, das Wesen war zu kräftig, zu stark… Es zerriss ihr die Kleider bis sie fast völlig nackt war. Eine plötzliche Übelkeit übermannte sie, als sie den Unterleib des männlichen Wesens erblickte und erkannte, was gleich passieren würde. Alles schien ihr jetzt wieder wie eine Ewigkeit vorzukommen, der Moment erschien wie eingefroren, und sie konnte nichts tun als hilflos zusehen… hilflos zusehen, wie sie ihr gesamtes Leben in Angst verbrachte, vor dem was kommen möge!

Neues Leben durchflutete in dem Moment ihren Körper, als die lichte Gestalt einer Frau vor ihren Augen auftauchte und ihre restliche Umgebung langsam verblasste. Es war die wunderschönste Frau, die Cattaleya je in ihrem Leben gesehen hatte. Sie lächelte und sprach: „Mein Engel, denke daran was ich Dir über das Leid dieser Welt erzählt habe! Sei unbesorgt, Deine Flügel werden Dich überall hintragen, wohin Du auch willst! Deine Freunde brauchen Dich, ER braucht Dich! Und jetzt geh und siege! Der Imperator beschützt!“ – es war das Antlitz ihrer toten Mutter.

Wie von einem mächtigen Stoß erfasst war sie wieder zurück im verwüsteten Foyer derer von Harholdt, und musste erst einmal tief Luft holen. Die abschließenden Worte Gerharts gingen ihr durch den Kopf! „Der Imperator beschützt!“, sie glaubte in diesen Moment nicht nur daran. Nein, sie wusste es! Es dauerte einige Augenblicke, bis sie das ganze Ausmaß und die Bedeutung der Situation begriffen hatte, in der sie sich jetzt befand.

Pater Thracian war soeben mit heulendem Kettenschwert auf dem gewaltigen Leib des am Boden liegenden Daemons gelandet. Dieser fuhr herum, um den Priester mit seiner rechten Pranke zu zerreißen, doch der Mann hielt mit eisernem Willen und scheinbar übernatürlicher Kraft stand. Eine Fontäne violetten Blutes ergoss sich über den Boden des Foyers als Hieb gegen Hieb prallte und sich die Zähne des rechtschaffen geführten Kettenschwertes wild in die Pranke der Beste fraßen. Der Daemon heulte auf, doch er war lange nicht besiegt. Stattdessen benützte er seine andere klauenbewehrte Hand um den jetzt wehrlosen Priester einen mächtigen Schlag gegen die rechte Seite seines Brustkorbs zu versetzen, welcher ihn etliche Meter zur Seite schleuderte. Für einen kurzen Moment schien alles verloren. Lucrés überkam ein kurzes Gefühl von Hochmut, aber dieser sollte nicht lange währen. Erst jetzt erblickten die dutzenden Augen des Wesens ein ihm bekanntes Gesicht. Die Augen glasklar, ihr Blick fest entschlossen, Bewegungen voll Energie und Leidenschaft, doch etwas war diesmal anders… konnte es möglich sein…. die Mundwinkeln ihrer vollen Lippen leicht gehoben…sie hatte ein Lächeln auf ihren Lippen!

Der Kletterhaken war am Geländer des ersten Stockwerks perfekt gesetzt geworden, der Absprung aus dem Halbstockwerk auf die Sekunde genau abgewartet. Wie eine Zirkusakrobatin hatte sich der kleine, schlanke und in schwarz gekleidete Körper Cattaleyas mit ihrer linken Hand an dem Seil festgehalten, die Energieklinge Vaniryl in der rechten Hand. Als sie das Seil losließ nutze sie den Schwung der Bewegung und vollführte eine Punktlandung auf dem Bauch der Kreatur – vorbei an dessen rechter Pranke, in der sich immer noch das Kettenschwert Thracians fauchend verkrallt hatte, vorbei an der linken Klaue, die den Priester erst vor einer Sekunde mit voller Wucht erfasst hatte.

Dies war der perfekte Augenblick – das wusste sie. In diesem Moment war der Daemon komplett wehrlos. Sie rammte die rote Klinge Vaniryls in den Bauch des Wesens. Alle Kraft, die ihr gegeben war, zusammen nehmend nutze sie Vaniryl als Hebel und riss an dem Horn. Blitze stießen aus der Wunde des Daemons und beinahe gleichzeitig fingen Lucrés, Cattaleya und auch Vox - von Schmerzen gepeinigt - an zu schreien. Aber Cattaleya gab nicht auf. Ihre Flügel würden sie tragen, das wusste sie. Sie ignorierte das Leiden, das ihren Körper durchströmte und zog noch ein letztes Mal und noch fester daran. Ein dumpfer lang hallender Knall ertönte, den man noch kilometerweit in der einsamen Winterlandschaft rund um das Anwesen derer von Harholdt hören konnte, als Cattaleya, von einer mächtigen Druckwelle erfasst, von dem Körper des Wesens weggeschleudert wurde - das Horn des Daemons in Händen, an dessen Unterseite eine goldene, unheilige Klinge blitze.

Der Schrei des Daemons, als er verwelkte, sollte an Widerlichkeit und Abscheulichkeit bis zum heutigen Tage unübertroffen bleiben. Überzogen von Blitzen, die sich wie schwarze Zungen in alle Richtungen austreckten, als würden sie versuchen, sich im Materium festzuhalten, stoppte der scheinbar unendliche Fluss aus schwarzem Blut, der bislang seinen Körper überzog. Seine Schwingen zerfielen zu Asche und seine Beine verbrannten ihm noch am Leibe in violettem Feuer. Wie ein widerwärtiger Fötus begann sich der Kopf von Lucrés wieder aus seinem Rumpf zu erheben, während die dutzenden Augäpfel, die seinen gesamten Oberkörper bedeckten, einfach aus ihren Höhlen fielen und der massive Körper langsam zu schrumpfen begann.

Schließlich war der Daemon endgültig aus seinem Gefäß gewichen und Vynnor Lucrés war wieder er selbst, zumindest der erbärmliche Rest, der von ihm noch übrig blieb. Seine Haut war wund und er blutete am gesamten Körper. Seine Beine waren nur noch verkohlte Stümmel, seine Hände dürr und ausgemergelt. An seinem Bauch klaffte eine tiefe Wunde und es fehlte ihm ein Auge… er hustete rotes Blut.

Die rechte Hand auf die linke Seite seines Brustkorbes gepresst, hatte sich Lucius mit schmerzverzerrtem Gesicht an die durchbrochene Brüstung geschleppt. In seiner linken lag die schwere Boltpistole, deren dunkle Mündung das letzte war, was Lucrés in seinem durch und durch verderbten Leben noch sehen sollte. Ein dumpfer Knall ertönte, als sich das Raketengeschoß auf den Weg machte, und kurz darauf platzte der Kopf des Erzketzers wie eine überreife Melone. Erschöpft ließ sich der Ex-Arbitrator auf ein Mauerbruchstück zurücksinken, nahm den Helm ab und entzündete mit zitternden Fingern einen Lho am noch heißen Lauf seiner Boltpistole.

Die geschickte Akrobatin hatte den Sturz gekonnt abgefangen und war beinahe unbeschadet geblieben. Etwas, das man von Thracian, der im südlichen Teil des Foyers zu Liegen gekommen war und sich nun mit grimmigen Gesicht an der Seite hielt, sowie Lucius, an dessen Körper wahrscheinlich jede einzelne Rippe gebrochen war - der jedoch gerade einen ziemlich selbstzufriedenen Eindruck machte - nicht behaupten konnte. Auch der Psioniker namens Isand, der eine üble Kopfwunde erlitten zu haben schien, dürfte schon einmal bessere Tage gehabt haben. Aber all ihre Freunde waren am Leben, es hätte also wahrlich schlimmer kommen können. Erst jetzt fiel der Adeligen auf, dass sie lächelte, ja dass sie es schon die ganze Zeit über getan haben musste, seit sie aus dieser seltsamen Vision zurückgekehrt war – sie musste lauthals und vor Freude lachen: ‚Mutter, mach Dir keine Sorgen, ich werde wie Du eine Dalrea sein, wann immer ich kann!‘ Ihr Blick fiel auf Lucius ‚Und auf Dich werde ich wohl jetzt ganz besonders aufpassen müssen, mein Wolf!‘
Für den Moment zählte aber nur eines – sie hatten gesiegt!

Vox war wenige Momente zuvor mitten im Raum zu Boden gegangen. Das Schließen des Warprisses hatte ihm sehr zugesetzt. Es erforderte ungeheure Anstrengung während der Instabilität nicht von den Untiefen des Immateriums beeinflusst oder in den Wahnsinn getrieben zu werden. Er musste seine gesamte Konzentration darauf verwenden seinen Geist abzuschotten, sodass nicht ein Gedanke übrig blieb, der seinen Körper in dieser Situation hätte aktiv steuern können. Dies war etwas, auf dass einen niemals jemand irgendwo im Universum vorbereiten kann.
 <<Aas! Abschaum! Lügner! Made!>> Vernahm er schließlich ein weiteres Mal die verachtend klingende, telepathische Stimme in seinem Kopf.

 <<Dein Verrat wird dir teuer zu stehen bekommen, oh ja! >> Langsam aber kontinuierlich schien die Stimme leiser und schwächer zu werden.

<<Ich werde Dich suchen, und ich werde Dich finden. Ich werde da sein, verlass Dich drauf. Du wirst leiden, so wie Du es dir nicht in Deinen schlimmsten Träumen vorstellen kannst. Du wirst einen Fehler machen und ich werde auf Dich warten!>>

„Die linke Hand hat gesiegt, Widerling, und sie wird es wieder tun, wo immer sie auftaucht! Such Dir schon mal ein gutes Buch, denn auf mich kannst Du lange warten!“, entgegnete Vox ihm tollkühn und trocken.

<<Ghhhhhrrrrrr>>, war das letzte was Phos Isand seither von dem mysteriösen Wesen aus dem Jenseits gehört hatte.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Sjeg am 10. Mai 2013, 00:43:53
Zitat
Allerdings verwirrt mich persönlich der andauernde Perspektivwechsel etwas.

Im Prinzip erzählt jeder Abschnitt den Zeitraum eines Kapitels aus 4 unterschiedlichen Perspektiven (zumindest wenn nicht explizit im Text anders erklärt), wobei jede Perspektive zeitlich immer etwas mehr von dem jeweiligen Kapitel preisgibt. Das hat uns vor allem als Stilmittel gedient, und die Hauptprotagonisten ein wenig näher zu beleuchten. Das das mitunter verwirrend ist, kann ich aber durchaus nachvollziehen. Evtl. könnte man Gedankenstriche einfügen, damit der Szenen und Zeitwechsel klarer verdeutlicht werden? Jedenfalls ändert sich die Erzählweise mit Ende des Präludiums zu einer etwas klassischeren Art.

Freut mich, dass es gefällt. Noch viel Spaß damit.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 10. Mai 2013, 13:46:28
Epilog

Die heilige Inquisition des Gott-Imperators hat viele Gesichter. Alle sind hart und unbarmherzig. Denn Barmherzigkeit und Mitgefühl sind Eigenschaften, die sich kein Mitglied der Inquisition leisten kann. Tatsächlich gab es einige Vertreter dieser erhabenen Gemeinschaft, welche nach ihren gerne zitierten großen drei Feinden, die da wären Nichtmensch, Mutant, Daemon, gerne noch Mitgefühl hinzufügen würden.

Die aus gutem und wohl behütetem Hause stammende Adelige würde sich wohl nie ganz an das gewöhnen, was nach jedem Einsatz auf sie zukam. Je schwerwiegender die Ereignisse, desto strenger und härter fiel das Nachspiel aus. Zwölf Vertreter der lokalen Arbitratoren, man hatte ihnen versichert, es sei der hervorragendste, am besten ausgebildetste, ambitionierteste und elitärste Haufen, den Zumthor stellen konnte, waren auserwählt worden, um ein Quartett Thronagenten bei ihrer streng geheimen jedoch mutmaßlich höchst ruhmreichen Mission zu begleiten. Cattaleya hatte das Vergnügen gehabt, jeden von ihnen kennen zu lernen. Tatsächlich waren es hervorragende Männer und Frauen gewesen. Manche von ihnen wild und ungestüm, manche ausgelassene Spaßvögel, andere erfahren und abgebrüht. Doch sie alle teilten die gleiche grenzenlose Ergebenheit zum Imperator und zu der Pflicht, für die sie in seinem Namen ausgewählt worden waren. Sieben von ihnen hatten tapfer ihr Leben lassen müssen. Nur noch fünf von ihnen blieben übrig, und wie Gerhart ihr unmissverständlich zu verstehen gab, würden erfahrungsgemäß noch einmal weit über die Hälfte von ihnen - wenn nicht sogar alle - niemandem von ihren Heldentaten berichten können. Groß war der Einfluss des Chaos gewesen, denen sie alle ausgesetzt gewesen waren, höchst pervertiert der Anblick, den sie alle hatten ertragen müssen. „Nur ein wahrhaft reiner Geist bleibt davon völlig unbeschadet. Wir werden diejenigen, die befleckt sind, richten, auf dass der göttliche Imperator vielleicht noch ihre Seelen retten möge. Es ist besser, tausende Unschuldige zu töten, als auch nur einen Ketzer leben zu lassen.“,  waren die finsteren Worte des Priesters gewesen.
Auch wenn Lucius jedem einzelnen der fünf überlebenden Arbites bewusst die volle Wahrheit über die Natur der „routinemäßigen“ Befragung nach dem Einsatz verschwiegen hatte, so war ihnen doch allen anzusehen, dass sie ahnten, um wie viel mehr es gehen würde. Einer der Gründe, weswegen der Name der Inquisition im ganzen Imperium nur mit Schrecken und oft nur flüsternd erwähnt wurde, war, dass niemand vor ihrer Verfolgung sicher war. Ein kleiner Verdacht würde schon genügen... Frost hatte darauf bestanden, dass Cattaleya diesmal selbst an den Befragungen teilnahm.

Das Verhör, das hauptsächlich der schwarze Priester selbst durchführte, war subtil und methodisch. Während der Kleriker in schlichte, nachtschwarze Roben gehüllt immer gegenüber des Beschuldigten Platz nahm, verweilten Lucius und Cattaleya in einer angrenzenden Observationskammer. Zudem hatte sich ein weiterer Mann hinzu gesellt. Dieser ältere Herr, der lediglich eine schmucklose, graue Kutte trug, hatte sich kurz mit Mandrim Zal vorgestellt und war im Namen der lokalen Behörde des Ordo Hereticus gesandt um den „Selektionsprozess“, wie er es bezeichnet hatte, zu überwachen. Der Begriff 'Stoiker' wäre noch eine lebhafte Umschreibung für den Mann gewesen, denn er gab über den gesamten Verlauf keinen Laut von sich, machte sich nur im Stillen Notizen, welche zweifellos seinem Bericht dienen würden, und schien selbst von der Anwesenheit der schönen Adeligen wenig beeindruckt zu sein – Frost hatte sie später darüber in Kenntnis gesetzt, dass es sich bei ihm um einen Eunuchen gehandelt hatte. Ihr lief bei den Gedanken ein kalter Schauer über den Rücken, dass auch ihnen noch eine ähnliche Untersuchung bevorstand, von Männern wie etwa Mandrim Zal. Ob diese noch hier von den lokalen Behörden oder erst auf Scintilla passieren würde, wusste keiner von ihnen. Sicher war nur, dass es geschehen musste.

Mit Preo Taskk, einem jungen, durchtrainierten Mann, dessen rechter Arm seit dem Zwischenfall im Foyer derer von Harholdt schlaff zu Boden hin, war Gerhart bereits nach etwa zwanzig Minuten fertig. Zwanzig Minuten, in denen der Redemptionist keinen Laut von sich gab und den eingeschüchterten Taskk einfach nur anstarrte. Nach nur fünf Minuten begann der Mann kurz zu kichern, unterdrückte es jedoch sofort wieder. Gerhart sagte nichts, ja, Cattaleya hätte schwören können, der Priester hatte nicht einmal geblinzelt. Beim ersten Mal hatte sie noch nicht verstanden, was den Arbitrator veranlasst hatte, in so einer Situation zu lachen, doch als es sich noch zwei weitere Male wiederholte, war es um Taskk geschehen. Die Festung des Mannes, die ihn vom Wahnsinn um ihn herum hätte schützen sollen, war gefallen. Seine Grundfesten waren unterwandert, und der Makel schlich in den Katakomben seines Geistes umher und war dabei, seine giftigen Fänge weiter auszubreiten. Ihn hatte Frost noch an Ort und Stelle dem Imperator übergeben.

Bei den anderen war der Prozess langwieriger, manche hätten sich aber im Nachhinein wohl gewünscht, ihnen wäre so wie Taskk viel Leid erspart geblieben. Die Tests waren vielfältig. Es reichte von einfachen Befragungen des Wohlergehens, ihrer letzten Träume, ihrer Auffassung zum Imperialen Kredo, ihres Lieblingsgebets oder den einfachen Testen von Reflexen im Kniegelenk, bis hin zu Schmerzempfinden an verschiedensten Stellen und in schwierigeren Fällen, auch in verschiedensten Stärkegraden. Niemand gab ihr über das Urteil über die restlichen Arbitratoren Bescheid, doch alle durften sie die Kammer lebend verlassen. Allein die Tatsache, dass sich Lucius mehrfach kurz mit ihrem Mitakolythen Rubens Arn - Codename Blender - unterhielt, ließ sie darauf schließen, dass die Entscheidungen rasch getroffen wurden.

Die junge Arbitratorin Dorundy war die letzte gewesen, aber Cattaleya hatte bereits genug gesehen und Frost sie gnädigerweise entlassen. Mit einem fahlen Geschmack auf der Zunge verließ sie die Observationskammer. Sie hatte vor, nach Isand zu sehen, der seit dem Tod von Lucrés im Koma lag, dessen Integrität jetzt angezweifelt wurde und dessen Zukunft ebenfalls ungewiss schien. Dabei fiel ihr Blick auf Blender, der an die Verhörraumtüre gelehnt in einer lockeren Haltung Wache stand, als sei es für ihn das natürlichste auf der Welt. Der schneidige Assassine war gerade dabei sich irgendetwas mit einem Zahnstocher aus seinen Zähnen zu holen. Als er Cattaleya in den Augenwinkeln wahrnahm, stoppte er abrupt und leckte sich mit seiner Zunge die Zähne: “Ich wette um heute Nacht, dass die Frau da drinnen keine Stunde übersteht.“ Worauf der Mann anspielte war ihr durchaus bewusst.
Sie verlor keinen Moment die Fassung: „Meinen Glückwunsch, Arn. Das war soeben der pietätloseste Versuch eines Mannes, mit mir die Nacht zu verbringen.“
Ein schelmisches Grinsen war alles, was Cattaleya als Antwort erntete, doch sie verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran. Viel mehr dachte sie an Dorundy, die in diesem Moment eine der entschiedensten Augenblicke ihres Lebens durchstehen musste. Etwas stimmte sie zuversichtlich. Die Frau hatte etwas Ehrliches und Entschlossenes in ihren Augen. In gewisser Weise erinnerte sie die Aribitratorin an sich selbst. Umso mehr hoffte die Adelige, dass Dorundy morgen noch am Leben sein würde.

Aus dem Orbit betrachtet glich Zumthor mit den zahlreichen Wirbeln und der wolkenverhangenen Atmosphäre der Nordhalbkugel, welche sich unter dem Shuttle präsentierte, einem Gegenstand, an welchen er seit Jahren nicht mehr gedacht hatte. Seine Mutter hatte von einer Pilgerreise nach Maccabäus Quintus eine durchsichtige Plastek-Kugel mitgebracht, in welcher man den Schrein des heiligen Drusus als Miniaturnachbildung sehen konnte. Umgeben war das klerikale Gebäude von zahllosen weißen Kunststoffflocken, welche sich in wildem Tanz um die Kirche drehten, wenn er den Gegenstand geschüttelt hatte. Ähnlich verworren und geheimnisvoll erschien ihm nun der kleiner werdende Planet unter ihm. Er blickte in das gepanzerte Glas und in sein Spiegelbild, halb von Zumthor überlagert, war mehr ein Schemen denn ein wirkliches Abbild. Ein Schemen aus der Vergangenheit…

Was war aus dem klugen Jungen auf Luggnum geworden, dessen Aufgewecktheit stets der Stolz seiner Mutter gewesen war? Er hatte auch lange nicht mehr an seine Mutter, Otthilia, gedacht, diese prägende Person seiner Kindheit. Während seine älteren Brüder von seinem Vater solange er denken konnte auf das Geschäft gedrillt worden waren, hatte er als Nachzügler weniger Aufmerksamkeit von väterlicher Seite „genossen“. Vielmehr hatte er viel Zeit mit den weiblichen Mitgliedern seiner Familie und ihren Geschichten zugebracht. Fast alle von Ihnen waren tiefgläubig gewesen. Nicht gläubig in demselben Sinn, welchen der schwarze Priester Thracian dem Begriff gab, dennoch fest in der Liturgie verankert. Er erinnerte sich an die Geschichten, welche ihm seine Tante von der weiten Pilgerreise nach Maccabäus Quintus erzählt hatte. Eine Welt voll Kälte, Schnee und mit Sonnenlicht, so grell dass es in den Augen schmerzt. Eine Welt voll lichter Reinheit und spiritueller Wahrheit. Als er das erste Mal seinen Fuß auf die Schreinwelt gesetzt hatte, war er schier entsetzt gewesen. Von all den Erzählungen war nur die spirituelle Wahrheit richtig gewesen. Kalt, unnahbar und erbarmungslos waren eher Adjektive, die ihr gerecht wurden. Fern von jeglicher Romantik hatte sie sich präsentiert und ein weiterer Kindheitstraum Lucius‘ war zerplatzt wie die Schneekugel, als sein ältester Bruder Voldro sie gegen den Küchenboden geschlagen hatte, um zu sehen, ob der Schneefall auch nach draußen gelangen würde. Seine Mutter hatte geweint. Dreimal hatte er sie weinen sehen. Zum ersten Mal, als sich Voldro ohne jedes Schuldgefühl gegen seine Bestrafung gewehrt hatte, zum zweiten Mal als Voldro - dieser Bastard – den Mord an ihrem gemeinsamen Vater gestand, und das dritte Mal, als Lucius ihr Lebewohl gesagt hatte. Als er den Handelssitz der Frosts danach aufgesucht hatte, um sich zu verabschieden, hatte er es nicht über das Herz gebracht, sie anzulügen. Gerüchte über die rote Hölle auf dem Anwesen der Grays waren trotz der hohen Geheimhaltungsstufe durchgesickert. Er hatte ihr etwas von einer strahlenden Arbites-Karriere auf Scintilla erzählen wollen, doch schlussendlich hatte er sie fest an sich gedrückt und ihr die Wahrheit so schonend wie möglich beigebracht. Und sie war stolz gewesen - stolz und tieftraurig zugleich.

Lucius Frost riss seine Gedanken aus der Vergangenheit los und seinen Blick von Zumthor. Er trat an die Luke auf der anderen Seite des Shuttles und blickte hinauf auf die majestätische Silhouette der schlanken Sancta Simplicitas, auf welcher sie einen guten Teil der Reise zurücklegen würden.
Ein Agent der heiligen Inquisition – das war aus dem aufgeweckten und belesenen Jungen geworden. Lucius zog einen Lho aus der Brusttasche seines halbzugeknöpften Hemdes, unter welchem die Bandagen sichtbar waren, die ihn seit drei Wochen begleiteten, und entzündete es mit einem Seufzen. Er ermahnte sich, nach vorne zu sehen. Lucrés war tot, sein ketzerischer Dolch geborgen und sicher verwahrt, seine Verbündeten gerichtet, das Anwesen der Harholdts gesprengt. Im Einverständnis mit dem lokalen Büro des Ordos war die Reinigung der Stufe 3 erfolgt, um alles an Landschaft, was dem Makel des Chaos ausgesetzt worden war, endgültig zu tilgen. Wo einst die Harholdts geherrscht hatten, klaffte nun eine breite Spalte im Fels. Offiziell ein bedauerlicher Unfall mit einem defekten Energiewandler, bei welchem das gesamte Geschlecht seinen Niedergang gefunden hatte. Zu seinem Bedauern waren von den überlebenden Arbitratoren nur zwei zu retten gewesen, welche stark genug gewesen waren, von der Präsenz des Daemons nicht verdorben zu werden. Lucius musste husten und hielt sich die schmerzenden Rippen mit zusammengebissenen Zähnen. Diesen Teil seiner Arbeit hatte er noch nie gemocht. Selbstverständlich war sich der Thronagent darüber im Klaren, worin seine Verantwortung gegenüber der Menschheit bestand. Dennoch war er froh, bei den Verhören selten selbst eingreifen zu müssen. Thracian hingegen schien diese Bürde nichts auszumachen. Lucius blies den graublauen Lho-rauch langsam durch den linken Mundwinkel. Mit dem Anliegen eines schmerzlosen Todes hatte er Blender gesandt, um den Willen des Einen geschehen zu lassen, und im gleichen Atemzug für finanzielle Sicherheit der Hinterbliebenen gesorgt, welchen eine raffinierte Lügengeschichte über den heroischen Einsatz gegen ein Unterweltsyndikat präsentiert werden würde. Trotzdem war ein schaler Nachgeschmack zurückgeblieben. Umso mehr, als es ihm bevorstehen mochte, noch einem seiner eigenen Männer das Leben zu nehmen. Isand war noch immer nicht aus dem Koma erwacht, obwohl ihm die Medicae und Chirurgen versichert hatten, dass die Hirnblutung geheilt wäre. Er wäre nicht er selbst gewesen, wenn er Gerharts Wunsch nachgekommen wäre und Vox präventiv hätte entschlafen lassen. Frost zweifelte nicht daran, dass Hrubens den Befehl komptent und ohne zu Zögern ausgeführt hätte. Doch Isand verdiente gerade wegen seiner Sturheit und Eigenwilligkeit mindestens die Chance, sich zu beweisen. Er blickte entschlossen auf die sargartige, stählerne Truhe, in der der Psioniker an zahlreiche Überlebensmechanismen angeschlossen war. Das Gesicht sah mit der verheilten Wunde an der Stirne fast friedlich aus, doch er würde sich nicht täuschen lassen. Seine Hand tastete an die Boltpistole an seiner rechten Hüfte. Er würde bereit sein.

Als Vox blinzelnd seine Augen öffnete, kam ihm sein gesamtes bisheriges Leben wie ein Traum vor. In seinem Fall wie ein langer, schmerzhafter Traum, beziehungsweise wie ein lebendiger Alptraum. Es dauerte keinen Augenblick, da ihm bewusst wurde, dass er nicht geträumt hatte. Als er wieder Herr über seinen Gehörsinn war, ortete er schnell den Grund seines Erwachens. Da war es wieder, dieses widerwärtige Raunen, das von dem Gellarfeld der Sancta Simplicitas erzeugt wurde. Bei ihrem Flug nach Zumthor hatte es den Psioniker beinahe in den Wahnsinn getrieben. Phos war davon überzeugt, dass der Gellarfeldgenerator eine Störung hatte, doch wie sich zunächst herausgestellt hatte, war er der einzige Mann an Bord des weit über einen Kilometer langen Raumschiffes gewesen, der es wahrgenommen hatte. Erst nach mehrmaligem Nachharken hatte er herausgefunden, dass der Astropath an Bord des Schiffes es ebenfalls wahrnahm, es jedoch mangels Vergleich als normal eingestuft hatte. Es änderte nichts daran, dass Vox dieses Schiff hasste, und mittlerweile auch davon überzeugt war, dass diese Fregatte ähnliches für ihn empfand. Nicht umsonst stand in seiner Akte unter negativen Eigenschaften geschrieben: ‚unregelmäßig auftretende, milde Form von Paranoia‘. Davon wollte er selbstverständlich nichts wissen.
 
Erst jetzt bemerkte er Frost, der angeregt von den lauter werdenden Signalen der lebenserhaltenden Maschinen und dem erwachten medizinischen Servitor aufgestanden war, um nach dem Komapatienten zu sehen. Man hatte Vox an mehreren Stellen seines Körpers mit einer Maschine verbunden, die ihn völlig umschloss, wie einen Sarg, dessen Deckel jedoch durchsichtig war. Phos sah zu, wie sein Anführer aufgeregt auf ihn zuschritt und zugleich über Voxkomm mit jemanden Kontakt aufnahm. Den genauen Wortlaut konnte er ob der Entfernung und dem Wirrwarr aus piependen Signalen um ihn herum nicht verstehen. Ein kurzer Moment der Freude durchflutete ihn bei dem Gedanken daran, dass jemand sich die Mühe nahm, während seiner Bewusstlosigkeit über ihn zu wachen. Die angespannte Haltung von Frost, der an seine Boltpistole gelehnte Arm, und der Gesichtsausdruck, der einen Hauch zweifelnder Erleichterung und eine kräftige Prise Entschlossenheit ausstrahlte, ließen ihn diesen Gedanken jedoch schnell verwerfen. Er ahnte jetzt, was gespielt wurde. Frost war nicht hier aus Sorge, zumindest nicht ausschließlich, sondern er hielt Wache. Wache über jemand, der gut und gerne korrumpiert oder sogar besessen sein konnte - und das nicht zu unrecht. Wenn ein Psioniker nach Ereignissen wie jenen aus Zumthor einfach aus den Latschen kippt, ist höchste Vorsicht geboten. Alleine die Tatsache, dass die Ärzte auf Zumthor eine Hirnblutung diagnostiziert hatten, welche einen Überdruck in seinem Gehirn zur Folge gehabt und ihn schließlich ins Koma hatte fallen lassen, hatte Vox es zu verdanken überhaupt noch am Leben und nicht schon auf Zumthor exekutiert worden zu sein. Die örtliche Vertretung des Ordo Hereticus hatte jedoch trotzdem noch auf einen Gedankenscan bestanden, um auf Nummer sicher zu gehen.

Auch wenn Vox im Koma gelegen hatte, eine intime Verschmelzung wie die des Gedankenlesens vergisst man nicht so schnell, vor allem wenn sie unfreiwillig passiert. Noch jetzt hatte Vox das Bild des verdutzten Telepathen vor Augen, als er in seinem Kopf durch kahle weiße Gänge wanderte, voller Türen, hinter denen ebenfalls nur weite leere Gänge warteten. Der Vertreter des Ordo Hereticus ging völlig leer aus, und erst nach mehrmaligen Versuchen und Beteuerungen von Frost, dass sein Psioniker gegen diese Arten von Befragung völlig geschützt sei, auch wenn er selbst nicht wirklich die Bedeutung davon verstand, verblieb die Akolythenzelle dabei, sein Bett ständig zu überwachen um im Falle von Korruption die nötigen Entscheidungen treffen zu können. Ehrlich gesagt wusste selbst Vox nicht, wieso sein Geist eine derartig unüberwindliche Festung darstellte – noch keinem seiner Kollegen war es gelungen auch nur einen Blick darauf zu werfen.
„Na?“ Vox musste husten, als er bemerkte wie staubtrocken seine Kehle war. „Wie geht’s Ihren Rippen, Frost?“
Tatsächlich trug Lucius noch immer einen Stützverband am gesamten Oberkörper unter seiner Kleidung. „Seit wann sind Sie denn um das Wohlbefinden von anderen besorgt, Isand?“. Da war sie, die forschende Strenge in Frosts Stimme, die er erwartet hatte. Vox beschloss einfach ganz natürlich zu wirken, um Frost ja nicht auf falsche Gedanken zu bringen.
„Ich habe Ihnen das Leben gerettet, schon vergessen? Das Knacken der Rippen hat man ja durch das ganze Foyer hören können.“ Vox rang sich zu einem Lächeln durch. „Ich will nur sichergehen, dass sich mein Einsatz gelohnt hat.“
„Sie verdammter Idiot, Isand.“, brach es aus dem Leitwolf entrüstet hervor, „Ich habe Ihnen gesagt, nein befohlen, dass während des Einsatzes absolute Helmpflicht besteht. Aber Sie mussten ihn ja im Rhino zurücklassen. Und versuchen Sie gar nicht erst meinen Intellekt mit der Lüge zu beleidigen, Sie hätten ihn vergessen. Das ist mit Ihrem eigenen Verstand nicht kohärent.“
„Eine feine Art Danke zu sagen haben Sie, Frost. Gefällt mir gut.“, Vox sah, dass sich der Griff seines Anführers um dessen Boltpistole gelockert hatte. Zu versuchen, ihn mit einer Projektilwaffe zu erschießen, wäre ohnehin einer Beleidigung gleichgekommen.
„Wer nicht nach meinen Regeln spielt, hat in meinem Team nichts verloren, Isand. Und das nächste Mal, wenn es heißt: Helmpflicht, dann werden Sie einen tragen, und wenn ich ihn eigenhändig auf ihrem ruinierten Glatzkopf ankleben muss!“
 „Verstanden. Aber das wird nicht nötig sein, ich habe vor bei Ihnen weiterzumachen, ab jetzt mit Helm... Psionikerehrenwort.“ Wie viel man auf das Ehrenwort eines Psionikers geben konnte, dass würde Frost wohl auf die harte Tour herausfinden müssen.
In diesem Moment erst bemerkte Vox den Schatten im toten Winkel seines Sichtfeldes, wo Blender sich auf einen Wink Frosts aus seiner Position löste und die gezogenen Klingen wegsteckte. Mit einem Schulterzucken drängte er sich an Priester Thracian vorbei, der im selben Moment förmlich durch die Türe gestürmt kam, die Hand am Griff seines Kettenschwertes. Er hielt kurz inne, als er sich der Situation versicherte, tauschte einen vielsagenden Blick mit Frost und wandte sich um, um den Raum mit seiner typisch schwebenden Gangart wieder zu verlassen, und, wenn Phos es nicht besser gewusst hätte, mit einem leichten Ausdruck von Enttäuschung, der ihm ins Gesicht geschrieben stand.
„Sie haben also auch anders vorgesorgt. Gut – denn mit der Pistole hätten Sie ziemlich oft auf mich schießen müssen.“
 „Rein nach -“ „- Protokoll“, sagten beide Männer beinahe zugleich, was sie zu einem Schmunzeln veranlasste. „Der Ordo Hereticus wird Sie auf Scintilla ziemlich in die Mangel nehmen, das ist ihnen bewusst, oder?“, fügte Frost an.
Phos seufzte und meinte zynisch: „Aber Sie werden ein gutes Wort für mich einlegen, nicht wahr?“
„Ehrlich gesagt haben Sie einen guten Job abgeliefert, aber das wird unsere Kollegen ziemlich wenig interessieren, fürchte ich. Die Sache mit dem Rhino ist aber im Protokoll. Außerdem erwarte ich ihren Bericht.“
Mittlerweile schien das Eis gebrochen.
„Aber hoffentlich unter dem Motto 'Kreative Eigeninitiative'. Keine Sorge, Frost, ich habe nicht vor, Sie lange warten zu lassen. Holen Sie mich einfach aus diesem verfluchten Maschinensarg und ich werde meinen Bericht in null Komma nichts fertig stellen.“
„Nur mal langsam. Sie bleiben noch mindestens eine Woche hier angeschlossen“, meldete sich schließlich eine Stimme unbekannten Ursprungs irgendwo hinter ihm zu Wort. „Oder wollen Sie riskieren, noch einmal umzukippen, und dann trage ich die Verantwortung für die innerlich verblutende Schweinerei, die Sie zurücklassen.“ Vox mutmaße, dass es sich um einen Arzt mit Tendenz zum Makaberen handeln müsse.
„Das tut nichts zur Sache! Ich verlasse mich lieber auf meine Selbstheilung, als auf ihren Maschinenkram, von dem Sie wahrscheinlich auch noch weniger verstehen als ich.“ Vox wirkte ob des Widerspruchs empört, was seiner ohnehin unangenehmen Stimme ein kratziges Begleitgeräusch verlieh.
„Ist der Mann immer so... anstrengend?“ gab der Arzt wohl an Frost gewandt in relativ gelassenem Tonfall von sich. Die politisch korrekt formulierte Betonung des Wortes anstrengend war dabei nicht zu überhören.
„Ja, absolut immer...!“ kam da die Antwort von Frost fast wie aus der Boltpistole geschossen.


In der Stille der Morgenstunden ertönte das Klacken seines bionischen linken Fußes geradezu hallend durch die halbleeren Hallen und Gänge im Turm des Ordo Hereticus. Gerhart trug eine frische schwarze Ordensrobe der schwarzen Bruderschaft von Maccabäus Quintus aus schwerem Stoff, geziert von dem blütenweißen, dreieckigen Brustteil, auf welchem eine schlichte goldene Aquila prangte. Die Schritte seiner Bewacher waren trotz ihrer schweren rot-goldenen Carapace-Rüstungen kaum hörbar, als die beiden Männer in einem kleinen Respektsabstand hinter dem Hünen her schritten.

Thracian nahm es ihnen nicht übel. Sie taten nur ihre Pflicht, so wie er auch. In wenigen Stunden würde er sich in die Hände des Ordo Hereticus begeben, um geprüft zu werden, so wie er die Arbitratoren auf Zumthor geprüft hatte. Er dachte ohne Furcht daran. Er hatte nichts zu verbergen, Terra war mit ihm. Würdevoll durchquerte das Gespann eine breite Halle, deren große Fensterfront einen beeindruckenden Blick über das Meer bot. Die See schien fast ruhig zu sein, sich sonst wild gegen die Klippen werfemd. Ein oranges Glimmen zeigte den Ort an, wo sich der Stern des Sektors bald aus den Fluten heben würde, um die Spitze der Makropolwelt in sein Licht zu tauchen. Gerhart hielt einen kurzen Moment an und lies seinen Blick auf dem leuchtenden Palast des Sektorgouverneurs ruhen, dann ging er die letzten Schritte auf den Alkoven zu, welcher von den Messingstatuen zweier verstorbener inquisitorialer Würdenträger flankiert wurde. Die stahlgrauen Augen des kantigen Mannes mit dem unnahbaren Gesichtsausdruck musterten ihn, ohne eine Gefühlsregung zu zeigen. Thracian verbeugte sich leicht und erwiderte danach den Blick Inquisitor Varitanis. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt fiel dessen Blick rasch auf den Koffer in Gerharts linker Hand, der mit einer Kette an dem bionischen Ersatzglied fixiert war.
 „Wie geht es Isand?“
Gerhart hatte nicht damit gerechnet, dass der Inquisitor, den er als zielgerichteten Mann kannte, als erstes diese Frage stellen würde.
„Dem Anschein nach ist er auf dem Weg der Besserung“, brummte der Kleriker.
„Sie klingen beinahe enttäuscht. Offensichtlich hegen Sie für den Psioniker ähnliche Gefühle wie für das Ihnen überantwortete Beweismittel.“
Es war kein Geheimnis, dass sich der schwarze Priester dagegen ausgesprochen hatte, den Dolch Lucrés, die Wurzel des Übels, nach Scintilla zu bringen. Ein solcher unreiner Gegenstand konnte nur einem Ziel zugeführt werden: Dem der Vernichtung. 
„Und aus ähnlichem Grund, Inquisitor. Ich halte beides für ein unnötiges Risiko.“
„Das Risiko lassen Sie meine Sorge sein, Thracian.“ Etwas weniger energisch danach: „Selbst ein Mann in meiner Position kann nicht immer das tun, was er selbst tun möchte. Ich denke, Sie können diesen Standpunkt nachvollziehen.“
Der ehemalige Raumflottenoffizier kniff die Augen zusammen. „Ihr seid der Inquisitor, Varitani. Ihr seid mir natürlich keine Rechenschaft schuldig. Ebensowenig wie ich Euch darüber Rechenschaft schuldig bin, wenn ich in naher Zukunft ein besonderes Auge auf Isand haben werde.“
Er bückte sich um mit den feingliedrigen Fingern der linken Hand die gengesteuerte Verschlüsselung des Koffers zu lösen. Mit spitzen Fingern übergab er die Schatulle an Varitani.
Der Inquisitor nahm den Gegenstand in Empfang. Mit einem knappen „Der Imperator beschützt“, welches der Kleriker umgehend erwiderte, wandte sich der Mann in seinem taillierten Ledermantel rasch zum Gehen um. Auf halbem Weg aus der Halle drehte er sich noch einmal um, als Gerhart gerade zu seinen Bewachern aufschloss.
„Und, Thracian … passen Sie auf sich auf!  … Ich erwarte den Bericht ihrer Zelle bis spätestens übermorgen.“
Der finstere Kleriker musste trotz seiner Natur lächeln. Gemessen daran, dass die Verhöre durch den Ordo Hereticus bis zu drei Tage in Anspruch nehmen konnten, gab man ihm hier unmissverstehlich zu begreifen, dass ihr Inquisitor damit rechnete, seine Akolythen rasch vollzählig wiederzusehen. Er richtete sich auf und straffte seinen Rücken. Mit dem Koffer und seinem unheiligen Inhalt war eine Last von ihm gefallen, welche ihm erst jetzt, da sie ein anderer trug, vollständig bewusst wurde. Er beneidete ihren Träger nicht, doch er war weit davon entfernt sich um ihn Sorgen zu machen.

40 Stunden später…

Mit einem erleichterten Seufzen zündete sich der sehnige junge Mann einen Lho-stick an, welchen er soeben aus der Brusttasche seines etwas zerknitterten Hemdes gezogen hatte. Er ignorierte den missbilligenden Blick eines karmesinroten Inquisitions-Gardisten und trabte durch den langen Gang, welcher ihn von Interrogator Railouns Büro weg in Richtung Ausgang bringen würde.
Mehr und mehr erschienen ihm die Erlebnisse auf Zumthor wie ein böser Traum, akzentuiert von den stundenlangen Befragungen durch die Prüfkommission, der sein gesamtes Team nach ihrer Rückkehr ausgesetzt worden war. Er inhalierte tief und blies den Rauch gedankenverloren aus dem linken Mundwinkel. Wie so oft hatte man Pater Thracian nach nur zwei Stunden als erstes entlassen, gefolgt von Granit und Blender, denen der Großteil der unangenehmen Erfahrungen erspart geblieben war. Lucius war als nächster entlassen worden und hatte draußen gewartet, bis auch Honeymoon und Vox für weiterhin einsatzfähig befunden worden waren. Seine Lhos waren ihm in den Stunden, die sie auf den Psioniker hatten warten müssen, ausgegangen, und die verhohlenen Laute, welche aus den schallgedämpften Kammern gedrungen waren, hatten nicht dazu beigetragen, die in ihm aufsteigende Unruhe zu lindern. Zum Glück hatte er in Cattaleya eine Begleiterin gehabt, die es verstanden hatte, ihn mit gehaltvollen Gesprächen abzulenken, bis Isand noch übellauniger als sonst, humpelnd, mit einigen blauen Flecken und einem nicht jugendfreien Fluch auf den Lippen zu ihnen gestoßen war.
Er blies die Sorgen mit einem kleinen Rauchkringel fort. Mittlerweile war sein Bericht auf dem Schreibtisch von Varitanis Interrogator angekommen, das letzte Mosaik des Falles war somit an seinen Platz gelangt.
Die Akte Vynnor Lucrés war geschlossen.

Frost war mittlerweile durch die Sicherheitsschleusen gelangt und bei seinem fahrbaren Untersatz angelangt. Fast zärtlich glitt seine Hand über den eleganten Rumpf der schnittigen Kathro-Sennis 3-24. Er schwang sich mit einer flüssigen Bewegung in den Sattel und dachte an die Männer und Frauen, welche ihn nach Scintilla zurückbegleitet hatten: Honeymoon, Blender, Thracian, Granit, Vox, Dorundy und Erwak. Er nahm einen weiteren tiefen Zug des aromahaltigen, blauen Rauches. Zwei neue Rekruten für Inquisitor Varitani, und er hatte niemanden aus seiner Zelle verloren. Nur das zählte.
Er grinste und schnippte seinen Lho gegen die Scheibe einer Limousine des Fuhrparks des Ordo Hereticus. Dann betätigte er den Kick-Start und das Motorrad erwachte mit einem rassigen Röhren zum Leben. Ohne zurückzublicken raste Lucius Frost mit überhöhter Geschwindigkeit in das Nachtleben der Makropole hinaus.

ENDE
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 10. Mai 2013, 13:58:24
Das war die Akte Vynnor Lucrés. Im nächsten Post folgt das von mir selbst verfasste "Aller Gnaden Ende".
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 10. Mai 2013, 18:05:16
Handelnde Personen:

Inquisition:
Lord Inquisitor Caidin - Leiter der Inquisition im Raumsektor Calixis
Lord Inquisitor Zephraim Kandotates Arethrus - Senior Inquisitor des Ordo Malleus
Lord Inquisitor Eirut Bahan - Senior Inquisitor des Ordo Xenos
Lord Inquisitor Rembrandt Gillenstern - Senior Inquisitor des Ordo Hereticus
Serpentin Varitani - Inquisitor des Ordo Malleus
Immarut Railoun - Interrogator Varitanis
Lucius Frost - Ex-Arbitrator, Akolyth von Varitani, wird oft nur "Lho" genannt
Phos Isand - Telepath, Akolyth von Varitani, wird "Vox" genannt
Cattaleya Amalia VanSovrean - Adelige Akolythin von Varitani, ehem. Diebin, wird oft "Honeymoon" genannt
Gerhart Thracian - Redemptionistisch ausgerichteter Schwarer Priester von Maccabeus, Akolyth Varitanis
Hrubens Arn - Professioneller Assassine, Akolyth Varitanis, wird "Blender" genannt
Nick Runsit - Ex-Gardist der Imperialen Armee, Stammeskrieger (Name: Chnishnit liutstam Hrun'Sith), Akolyth Varitanis, wird "Granit" genannt
Frederiq DeVetter - Adeliger Telepath, Akolyth von Varitani, stammt von Xeiros Prime
Arian Dorundy - Ex-Arbitratorin, Akolythin von Varitani
Inquisitor-Captain Francis Delinn - kommandiert das Schwarze Schiff Lodernde Gerechtigkeit
Inquisitor Globus Vaarak - vom Ordo Hereticus
Hiron Kessler - Vaaraks Interrogator
Alexandros Deneva - Priester und Akolyth von Vaarak, wird "Xandros" genannt
Cid Sorrow - Krimineller und Akolyth von Vaarak, wird "Verbal" genannt
Jorge Burgos - Assassine und Akolyth von Vaarak
Kyrill Anders - Ex-Gardist und Kopfgeldjäger, Akolyth von Vaarak

Adeptus Mechanicus:
Transmechanicus Ert Zalsmid
Magos Biologis Armendin Xyrrton

Adeptus Ministorum:
Erz-Kardinal Ignato - Oberhaupt der Ecclesiarchie im Raumsektor Calixis
Drusian Fidelius Sebatianus - Kardinalsekretär und Stellvertreter von Erz-Kardinal Ignato
Orian Sibellian - Assistent von Erz-Kardinal Ignato

Adeptus Sororitas:
Celeria Angelia -  Principalis des Ordo Militaris Calixis

Adeptus Astartes:
Lucian Verus - Brother-Paladin der Grey Knights

Imperiale Flotte:
Lord Admiral Vire Anderton - Oberkommandierender der Raumflotte Calixis
Admiral Eira Kanakouris - Kommandantin des Schlachtschiffs Furor Calixis
Commander Sandr Taran - Erster Offizier der Furor Calixis
Lieutenant Aenthon De'Varro - Kommunikationsoffizier der Furor Calixis
Lord-Captain Franse Zaiphus - Kommandant des Kreuzers Beständiger Ansturm

Diener des Erzfeindes:
Velfur Zaabesz - Chaoshexer und erster Verführer von Flengler
Astrion Malqevis - Einer der Unruhestifter auf Xeiros Prime, mächtiger Krieger
Der Fremde - Mysteriöse Gestalt, Wächter über die "Saat"
Tereen und Alrihn - die Zwillinge

Sonstige:
Lord Sektor Marius Hax - Gouverneur des Raumsektors Calixis
Augustus Vaarn - Generalfeldmarschall der Imperialen Armee im Raumsektor Calixis
Elena Lakrio - Junge Professorin an der Schola Chymystria, in einer Beziehung mit Lucius Frost
Doktor Drususton Flengler - Wissenschaftler, auf Xeiros Prime tätig
Captain Friel Guntr - Freihändler und Kommandant der Tarbeter
Garrinald Crim - Vorstand der Ersten Klasse des Transozeanischen Express auf Xeiros Prime
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 10. Mai 2013, 18:21:05
Aller Gnaden Ende

Prolog

„Mein Herr, mein Imperator, wenn trotz aller Mühe, trotz aller Opfer jene Welt nicht mehr errettet werden kann, so will ich selbst sie ihrem Schicksal überantworten, in Deinem Namen und mit Deiner Macht. Dies schwöre ich.“
In seinem Inneren war Stille – für einen Moment. Ein neuerliches Rütteln des kleinen Shuttles ließ Varitani deutlich erkennen, dass der Eintritt in die Atmosphäre bereits erfolgt war. Er öffnete die Augen, sein Gebet immer noch in seinem Geist. Trotzdem er nie Mitglied der Ecclesiarchie gewesen war, fühlte er sich in den Momenten des Gebets stets verbunden mit seinem Herrn, fühlte eine ungebremste Urmacht in seinem Inneren tosen.

Zahllose Welten bilden das Imperium der Menschheit. Andauernd umkämpft, von den Wogen des Krieges umspült ist jede davon eine Zelle dieses monströsen Gebildes. Schon seit den Tagen vor dem Großen Bruderkrieg vor zehn Millenien, als Horus Lupercal sich gegen seinen Vater gewandt hatte, ihren geliebten Imperator, war das Bewusstsein im Imperium herangereift, dass wie bei einem Tumor kranke Teile des Körpers abgestossen werden müssen, wenn eine Heilung aussichtslos ist. Entsprechende Waffen gab es sogar noch länger. Von den Atomwaffen früherer Zeiten zu den weit effektiveren, tektonisch wirksamen Zyklon-Torpedos bis zum Lebensfresser-Virus, der jegliche Biomasse einer Welt in gasförmigen Rückstand umzuwandeln fähig ist - das Arsenal des Imperiums war wahrhaftig nicht zu knapp für solch ein Unterfangen bestückt.
Varitanis Zunft nun fiel es zu, in seltenen Augenblicken, wenn eine Welt von Chaos, Verderbtheit oder Xenosbefall zu einem solchen Tumor im Körper des Imperiums geworden war, das Urteil zu sprechen, diese Welt zu verdammen. Dieses Urteil lautete: Exterminatus, die vollständige Vernichtung alles Lebens eines Planeten oder gar des Planeten selbst. Die Ultima ratio war dieses Urteil, gleichzeitig das Eingeständnis der eigenen Grenzen, eine Problem einzudämmen ebenso wie mächtiges Abschreckungsmittel, denn jede Anwendung dieses Mechanismus brachte Milliarden Stimmen für immer zum Verstummen, hinterließ noch mehr der Leere in dem großen Weltenall, und selten wurde so laut vom Exterminatus gesprochen, dass es über vorsichtiges Raunen oder Flüstern hinausginge.

Serpentin Varitani war ein Inquisitor – ein Agent der linken Hand des Imperators, wie die Ordos der Inquisition auch genannt wurden. Er war Teil des Ordo Malleus, der Daemonenjäger, die sich intensiver und vornehmlicher mit der Bedrohung durch die Mächte des Chaos, des großen Erzfeindes seit der Zeit von Horus, widmeten als alle anderen Fraktionen des großen Adeptus Terra. Noch nie zuvor war er gezwungen gewesen, Exterminatus anzuordnen, sich mit jenem verhängnisvollen Befehl an die Schwarzen Schiffe seiner eigenen Zunft oder an die Angriffskreuzer des Adeptus Astartes, der mächtigen, übermenschlichen Elitesoldaten des Imperators, zu richten. Die nächsten Tage würden weisen, ob er den Befehl bereits hätte geben sollen.

Er dachte an DeVetter, seinen Telepathen, der als sein erster Akolyth begonnen und ihm zum Freund geworden war. Varitani, von den straffen Gurten in einen der Sitze des Personalabteils gepresst, hob seine Hand vor Augen und dachte an die Worte seines Freundes: „Die Faust des Imperators.“ Seine Finger schlossen sich, als die Durchsage des Piloten durch den Voxprojektor schallte: „Anflugvektor Makropole Sibellus, Eintreffen am Trikornus in zehn Minuten.“


1 - Getreue des Imperiums

Interrogator Immarut Railoun schlenderte gelassen die Kommerzia entlang. Wie immer zu jeder Tages- und Nachtzeit herrschte hier eine Menge Betriebsamkeit. Jeder Atemzug durchströmte die Wahrnehmung des Agenten mit einer Fülle an olfaktorischen Eindrücken. Railouns Geruchssinn war schon seit seiner Kindheit sehr ausgeprägt gewesen, was seiner Meinung nach gut zu dem Spürhund passte, der er ja im übertragenen Sinne war. Wenn der Ansturm der Gerüche einmal zu intensiv wurde, hatte er immer eine einfache Nasenklammer oder Filterstecker dabei, mit der sich auch im Mittelhive einer gigantischen Makropole wie Sibellus ganz gut zu behelfen war. Der Interrogator betrat das Straßencafé „Zum Freihändler“, sah sich in der rauchigen Atmosphäre kurz um, und erspähte dann sogleich das Ziel seines kleinen Ausflugs.

Lucius Frost hatte es sich in einem Separee des altmodisch holzvertäfelten Cafés gemütlich gemacht, in dem man Rauchen, Trinken und auch recht ordentlich essen konnte, wenn man das nötige Kleingeld für diese kostspielige Lage hatte. Der Ex-Arbitrator blickte mit einem schiefen Lächeln in Richtung seines Vorgesetzten und Freundes und hob kurz den Arm zu Gruß, dann wanderten seine Augen sofort wieder zu der Datentafel, die sich in seiner Linken befand. Frost trug wie die meiste Zeit ein kragenloses, weißes Hemd und eine schwarze Hose, eine etwas abgetragen aussehende Lederjacke und ein Lho-Stäbchen im einen oder anderen Mundwinkel.
Railoun nahm ihm gegenüber Platz und lächelte Frost herzlich an. „Schön, Sie wiederzusehen, Lucius.“
Frost nickte nur. „Ja, ebenfalls.“ Sein Blick flog über die letzten Zeilen seines Einsatzberichts. Frost war als designierter Gruppenprimus für die operative Leitung einer der Akolythenzellen von Inquisitor Varitani verantwortlich.
Railoun fischte ein kleines Tech-Gerät aus einer Innentasche seines weiten, beigen Mantels und stellte es vor sich auf den Tisch. Der Verzerrer würde ein Abhören jenseits der vom Benutzer zugelassenen Frequenzen unmöglich machen, ebenso ein Lauschen aus den benachbarten Separees. „Alles glatt gegangen im Golgenna-Arm, nehme ich mal an?“ Railoun strich sich sein schulterlanges, blondes Haar aus dem ebenmäßigen, hellen Gesicht.
Frost nickte. „Jo, Loviat ist erledigt.“
Railoun räusperte sich. „Wo sind denn die anderen?“
Frost blinzelte kurz, dann zog er ein Micro-bead aus seiner Tasche und reichte es Railoun. „Honeymoon sichert, Granit schläft, Gerhart ist in der Kathedrale und Blender ist bei seinem Bruder, denke ich mal. Vox ist – hm, wer kann das schon sagen.“
Railoun aktivierte das Kommunikationsgerät. „Test, eins, zwei.“
„Na wen haben wir denn da?“, erklang die glockenhelle Stimme von Cattaleya VanSovrean am anderen Ende der Leitung. „Der Löwe ist also auch schon eingetroffen.“
Ein Grinsen hatte in Railouns Mundwinkeln Einzug gehalten. „Sein Sie mir gegrüßt, Cattaleya.“ Die adlige Ex-Diebin hatte darauf bestanden, ihm den Spitznamen „Löwe“ zu verpassen, war er doch einer der wenigen in den Diensten von Varitani, die normlaerweise einfach nur beim Namen angesprochen wurden.

Frost beobachtete Railouns Reaktion auf den Gruß seiner Kollegin. Er kannte den Interrogator schon ein ganzes Weilchen. Die beiden hatten Honeymoon, wie Catt auch genannt wurde, damals gemeinsam dingfest gemacht, nachdem die anscheinend aus Langeweile im Oberhive von Sibellus ordentlich Unruhe gestiftet und einige sehr einflußreiche Adelshäuser um Wertgegenstände und Informationen erleichtert hatte. Ihr Vater hatte zwar alles wieder geradebiegen können, aber ganz in Ordnung war ihr Verhältnis zu ihrem Elternhaus nicht, da war sich Frost sicher. Sie sprach so gut wie nie von ihrer Kindheit und besuchte ihre Familie auch nicht, selbst wenn sie die Gelegenheit dazu hatte.

Frost war für sie wohl sowas wie ein Ersatzbruder geworden. Naja, zumindest ein guter Freund, dachte er bei sich. Railoun hingegen war wohl immer schon ein bisschen in sie verknallt gewesen, aber durch die ritterliche Zucht, die ihm während seiner Kindheit und Adoleszenz auf der Feudalwelt Acreage eingedrillt worden war, viel zu zurückhaltend, um bei einer Frau wie ihr landen zu können. Im Endeffekt kümmerten solche Dinge den Ex-Arbitrator wenig. Es gab eigentlich immer so viel zu tun, dass wenig Zeit blieb, sich für die Privatangelegenheiten seiner Kollegen zu interessieren.
„Perimeter ist gesichert.“, gab Cattaleya nun an alle Beteiligten gerichtet bekannt. „Wir sehen uns dann später.“ Damit klinkte sie sich aus.
„Der Inquisitor braucht uns schon wieder?“, erkundigte sich Frost.
Railoun nickte. „Scheint wohl so. Er hat Sie und Ihre Zelle schon in Einsatzbereitschaft versetzt.“
„Recht ungewöhnlich, so direkt nach dem letzten Gig.“ Frosts Lho tanzte beim Sprechen auf und ab.
Wieder ein Nicken. „Kann nicht viel dazu sagen. Aber irgendwas ist am Laufen. Ich treffe ihn in einer Stunde im Trikornus. Könnte sein, dass es schon in ein paar Tagen losgeht. Er hat Sie alle ganz spezifisch angefordert, und auch mich, obwohl er mir direkt vor seinem Abflug diese elend verschachtelte Dar Vardenil-Akte aufgehalst hat.“
„Das war doch so ein Adelshaus, oder?“
„Ja, die hat die Truppe vom alten Gillenstern vor paar Jahren gekascht. Seither spricht den Namen kaum noch jemand aus.“
„Hm. Klingt langwierig. Was gibt’s da überhaupt zu tun? Die Hexenjäger lassen doch normalerweise nur Asche zurück.“
„Sagt Ihnen der Name Arethrus was?“
„Klar. Einer der alterwürdigen Lords im Dreierturm.“ Lucius Frost spielte damit natürlich auf den Trikornus an, den Sitz der Inquisition auf Scintilla und gleichzeitig auch das Hauptquartier dieser Organisation im ganzen Calixis-Sektor.
„Varitani hat gemeint, ich soll mal sehen, ob ich ihn irgendwie mit Dar Vardenil in Verbindung bringen kann.“
Frosts Mundwinkel wanderten nach oben. „Oho, Streit im Haus, oder wie?“
Railoun zuckte mit den Achseln. „Kann ich ehrlich nicht sagen. Aber Arethrus weiß, dass Varitani die Akte durchsieht – und er ist ihm darob nicht quer. Vielleicht hat er ihn ja sogar darauf gebracht.“
Frost nickte. „Na schön, Railoun, dann trommle ich die Truppe mal zusammen. Kontaktieren Sie mich einfach später auf den üblichen Kanälen, dann treffen wir uns alle im Büro vom Chef.“
„Und richten Sie ihm einen schönen Gruß aus.“, flötete Cattaleya per Funk.

Hrubens Arn betrachtete gedankenversunken das Lho-Stäbchen zwischen seinen Fingern. Eigentlich rauchte er nicht wirklich, außer eben, wenn Troo ihm im Anschluß eines der dünnen Dinger reichte. Nun kokelte der Tabak vor sich hin, während eine zittrige, dünne Rauchfahne von der Spitze zu der abblätternden Zimmerdecke aufstieg.
Troo legte eine blasse Hand auf seine Brust und kraulte die Locken, die wie die darunter liegende Haut noch vom Schweiß glänzten. Sie lachte. „Ist immer erstaunlich, wie anders es doch mit Dir ist.“
Er brummte bestätigend.
„Warum habe ich nicht mehr Kunden wie dich?“ Sie kitzelte ihn an der Hüfte und er wand sich leicht.
Blender zuckte mit den Achseln. „Kann ich nicht sagen. Sehe keinen Grund, warum nicht jeder Mann zu Dir kommen sollte.“ Er grinste leicht, beobachtete weiter den Rauch.
Sie stützte ihren Kopf auf ihre Handballen und sah ihn an. „Warum gibst Du eigentlich Geld für mich aus? Mit Deinem Aussehen kannst Du doch locker auch sonst jemanden finden.“
Nun blickte er sie endlich an. „Du meine Güte, sind solche Fragen normalerweise nicht schlecht fürs Geschäft?“ Er streichelte über ihre Wange, ihr eigentlich brünettes Haar leuchtete golden im Licht der Abendsonne, die ihre Strahlen für wenige Minuten zwischen den Makropoltürmen hindurch in das kleine Zimmer im Mittelhive schickte. „Wenn ich mir irgendwo draußen Eine abschleppe, zahle ich doch dasselbe für Essen, Unterhaltung, Beförderung und Rauschmittel, je nachdem, wie sie so drauf ist. Da kann ich doch gleich zu Dir kommen. Da weiß ich wenigstens, dass ich Dich auch wirklich leiden kann. Außerdem zahlt mein Chef gut.“
Sie lächelte. „Du weißt, was Du einem Mädchen sagen musst.“
„Na klar.“
„Was macht Du denn überhaupt beruflich? Wer ist Dein Chef, der so gut zahlt? Kannst Du mir da vielleicht einen Job besorgen?“ Sie grinste schelmisch.
Arn erwiderte das Grinsen. „Also meine Geldquellen wechseln, bin sozusagen ein Gelegenheitsarbeiter. Mein Sponsor dieses Mal hieß Loviat oder so ähnlich und nein, ich glaube, der kann Dir keinen Job mehr geben.“ Arn war Auftragskiller. Zusammen mit seinen Kollegen „ich rauch mal ein Lho“ Frost, „scharfes Outfit, aber zugeknöpft bis oben“ VanSovrean, „Telepathen-Glatze“ Phos Isand, der eigentlich ganz ok war, und dem „Strafkolonie-Arbeitstier“ Granit war er gerade von einem Einsatz im Golgenna-Arm heimgekehrt, wo sie einem Halunken namens Loviat den Garaus gemacht hatten. Und Blender war durchaus nicht der Typ, der Skrupel hatte, eine Gelegenheit beim Schopf zu packen. Wenn diese Gelegenheit eine ordentliche Ladung Thröne war, umso besser. So hatte Loviat wenigstens noch etwas Gutes tun können, dachte der Assassine bei sich. Oh, den Pater hätte er fast vergessen, Gerhart Thracian, Feuer und Schwert.
Seine Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf seine Bettgenossin.
„Hast Du noch Lust auf ne Runde?“ Sie blickte an ihm herab. „Sieht nämlich ganz so aus.“
„Also ohne jetzt übertreiben zu wollen, Baby, aber ich hätte noch genug Vorrat für etliche Runden, aber ich muss noch bei Andreus vorbeischauen, bisschen was von dem Geld auch bei ihm abliefern. Und wenn ich hier meinen Willen hätte, dann wäre ich gleich pleite.“
Sie nickte verstehend. „Wie geht es ihm denn?“
Blender zuckte mit den Achseln. „So wie immer nehme ich an. Wie soll es dem schon gehen.“ Blenders Bruder war schwer behindert und nur die finanziellen Zuwendungen des Assassinen ermöglichten es ihm überhaupt, in dem harschen System einer Makropolwelt wie Scintilla zu überleben, in dem Produktivität alles und menschliches Leben nichts zählte.
Troo lächelte verspielt. „Geht aufs Haus, Süßer. Aber nur ausnahmsweise.“ Damit wälzte sie sich auf ihn.
Blender zog die Schultern hoch. „Na dann.“

Eine Stunde später stand Hrubens Arn in der Türe zum Schlafraum seines Bruders. Ella, die Frau, die sich für ihn um Andreus kümmerte, hatte ihren Lockenkopf über die Schlafstatt des sich immer wieder unruhig bewegenden und unverständliche Laute ausstoßenden Krüppels gebeugt und wischte diesem Schweiß aus der Stirn.
Blender zog die Stirn kraus, dann schlich er zurück an den Küchentisch, auf dem ihm Ella seinen Becher Kaffein hinterlassen hatte. Er nippte an der hellbraunen Flüssigkeit und brummte anerkennend. Kurz schoß der Gedanke Schmeckt wie daheim durch seinen Kopf, bis ihm einfiel, dass dies wohl am ehesten sein Zuhause war. Hrubens hörte leise Schritte hinter sich und blickte Ella ruhig an. Die Frau war Mitte vierzig und hatte wohl ebenso viel Pech in ihrem Leben gehabt wie Blenders echte Mutter. Nur, dass ihr die Kinder gestorben waren und nicht umgekehrt. Sie sorgte rührend für Andreus und konnte auch recht bissig und entschlossen sein, wenn die Nachbarn aufgrund seiner Schreie manchmal Ärger machten. Auch dem Magistratum war ihre Beherztheit mittlerweile wohlbekannt und Blender hatte als Geldgeber auch immer einige Thröne extra für diese Belange aufzutreiben.
Es belastete Blender kaum, die beiden zu unterstützen, nicht bei seinem passablen Gehalt und bei den Nebeneinkünften, die immer wieder einmal hereintrudelten. Er hatte irgendwann beschlossen, sich um seinen Bruder zu kümmern, und wenn Ella der Weg dazu war, dann, beim Thron, sollte es eben so sein.
„Wieder einmal Fieber, hm?“
Ella nickte. „Ja, wird schon wieder vergehen. Er ist einfach empfindlich wie ein kleines Pflänzchen.“
„Was haben wir nicht für ein Glück.“, brummte Hrubens. „Auf dem ganzen Scheiß-Planeten keine Pflanze – Oberstadt mal außen vor – aber wir im Mittelhive haben ein richtig empfindliches abbekommen.“
Ella lächelte schwach. „Bleibst Du noch zum Essen, Hrubens? Ist bald fertig.“
Da musste er nicht zweimal überlegen. „Klar, aber dann muss ich wieder. Gibt anscheinend Arbeit.“
„Ach? Schon wieder? Du bist in den letzten Jahren kaum noch hier.“
Blender kratzte sich am Kopf, nur um sich anschließend seinen Pferdeschwanz neu binden zu müssen. „Tja, was soll ich sagen, Ell – keine Ruhe für die Gerechten.“
Sie schnaubte. „Na dass ich nicht lache. Setz Dich hin und iss.“

Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 11. Mai 2013, 07:55:42
2 – Lord Inquisitor

Der brausende, in Böhen auf- und abflauende Wind war eine beständige Konstante, sobald man sich auf gewisser Höhe in einer Makropole wie Sibellus befand. Die Landeplattform Süd 2-Gamma des Trikornus war solch ein Ort.
Interrogator Immarut Railoun zog seinen Mantel enger um sich und blickte mit zusammengekniffenen Augen dem Shuttle vom Typ Arvus entgegen, das auf das Plateau zuhielt. Er sah kurz zu den automatisierten Flak-Geschützen und zu den schwarz uniformierten Inquisitionsgardisten mit ihren kalten und unmenschlich wirkenen Maskenhelmen. Die Verteidigungssysteme des Trikornus waren stets bereit.
Langsam wurde das Röhren der Triebwerke sogar über das Pfeiffen des Windes hörbar. Railoun trat noch einen Schritt zurück, als der Pilot mit einem besonders waghalsigen Manöver heranschoß, eine Kehre flog und anschließend schnörkellos aufsetzte. Kampfpilot – Erfahrung beim Absetzen von Truppen während laufender Kampfhandlungen, schlußfolgerte der Interrogator.
Nur einen Moment wurde eine Luke geöffnet, aus der sofort eine Gestalt sprang, in die Hocke ging und sich aus dem Umkreis des Transporters herausbewegte, dann hob das Plärren der Triebwerke erneut an und das Gefährt war schon wieder in der Luft.

Die kurzen, schwarzen Haare mit dem Ansatz von Grau an den Schläfen, der harte Zug um den Mund, das etwas hagere und strenge Gesicht, dass ohne weiteres einem Gardeoffizier hätte gehören können oder vielleicht einem Kommisar, der flattende, taillierte Mantel aus schwarzem Leder, die Kampfstiefel – das war Inquisitor Varitani.
Railoun streckte ihm die Hand entgegen und der Inquisitor schlug ein. „Gut, Sie wiederzusehen, Herr Inquisitor.“ Man merkte Varitani keine Augmentationen an, doch er hatte welche. Beide Arme waren künstlich und extrem leistungsfähig. Er hatte außerdem zahlreiche Schnittstellen und Neuralinterfaces, um sich mit diversen Maschinen verbinden zu können.
Varitani verzog das Gesicht. „Werden wir noch sehen, ob das gut für Sie ist, aber es freut mich, dass Sie mich direkt vom Landeplatz abholen.“
Railoun grinste. „Was liegt an?“
Varitani deutete zu der Rampe, die durch die Türe und zu den Sicherheits-Checkpoints führte. „Lassen Sie uns im Gehen sprechen, Railoun. Ich sollte mich gleich bei Lord Inquisitor Arethrus melden.“
Railouns Gesichtsausdruck verriet seine Überraschung. „Bei Arethrus? Das ist ja ein Zufall. Ich habe vor kurzer Zeit mit Frost über ihn gesprochen.“
Varitani sah ihn an, während die Männer nebeneinander herschritten. „Ach ja?“
Railoun nickte. „Hab‘ ihm gegenüber kurz die Akten erwähnt, die Sie mir zur Bearbeitung gegeben haben. Dar Vardenil.“
Varitanis Augen verengten sich. „Sie sollten das sonst nicht an die große Glocke hängen – ist eine diskrete Angelegenheit. Der Lord Inquisitor hat mich darum gebeten, diese Untersuchung persönlich durchzuführen. Er war wahrscheinlich nicht besonders erbaut darüber, dass ich das Ihnen aufgetragen habe.“
Der Interrogator schwieg, da sie sich dem ersten Checkpoint näherten. Nach der Passage fragte er jedoch: „Wie kommt es, dass Lord Inquisitor Arethrus Ihnen solche Aufträge zuschanzt? Ist doch normalerweise gar nicht Ihr Metier, diese Büroarbeit.“
Varitani lächelte kurz. „Ach, haben Sie diesen Eindruck von mir.“
Railoun senkte den Blick.
„Sie haben ja Recht.“, beruhigte ihn der Inquisitor. „Sagen wir mal so – ich schulde ihm noch einen Gefallen. Er ist zumindest dieser Ansicht. Er war mein Sponsor, als ich Interrogator war und befördert wurde.“
„Ah, das wusste ich nicht.“
Varitanis Gesicht wurde auf einmal wieder ernst. „Ist angenehm, wieder auf andere Gedanken zu kommen. Es war hart diesmal. Kann gut sein, dass ich Sie und Frosts Zelle wieder nach Xeiros Prime mitnehme.“
Railoun blickte ihn an. „Ungewöhnlich. Ein Folgeeinsatz?“
Varitani nickte. „Es ist aber etwas komplizierter als das. Ich muss das erst mit Arethrus besprechen. Er kennt einige Leute, deren Unterstützung ich brauche. Sagen Sie Frost und den anderen, sie sollen sich bereithalten. Ein paar Tage werden sie wohl noch haben, aber dann geht’s hart auf hart.“

Hätte ein anderer als er selbst Arbeitsräume mit ähnlicher Ausstattung besessen, so wäre er mit Sicherheit schon lange als Ketzer verhaftet und prozessiert worden - vielleicht sogar von jemandem wie ihm selbst. Dieser Gedanke hatte schon oft im von zahlreichen Cerebralimplantaten verstärkten Verstand von Zephraim Kandotates Arethrus, einem Lord Inquisitor im Ordo Malleus Calixis, Gestalt angenommen, wenn er in ruhigen Momenten die Muße gefunden hatte, Blicke über die in zahlreichen Glasvitrinen und teilweise in Hochsicherheitsschaukästen untergebrachten Exponate zu werfen.
Da war der Codex Maleficari, siebenmal versiegelt und durch hexagrammatische Runen abgeschirmt, der Armreif, den Lord Inquisitor Garibald Yspen während der Pazifikation der Bicentenniumsunruhen auf Asguld getragen hatte, der Ritualdolch, der einst dem Ketzer Vynnor Lucrés gehört hatte und der ihm von Inquisitor Varitani überlassen worden war. Und da war auch die Plasmapistole von Brother-Captain Grimme der White Scars - dem Lord Inquisitor als Geschenk anlässlich seines Triumphes über die Allsehenden gegeben. Natürlich war das eine rein symbolische Geste gewesen, da schon mehrere Dekaden verstrichen waren, seit Arethrus selbst an einem Kampf teilgenommen hatte. So lag die uralte Waffe hier in der Vitrine, bis Arethrus sich vielleicht einmal dazu würde durchringen können, sie wieder in den aktiven Dienst zu stellen.

Momentan hatte Arethrus allerdings ganz andere Sorgen. Generell war die letzte Zeit ziemlich sorgenreich für den eigentlich so fest im Sattel sitzenden und stets ausgeglichenen Lord Inquisitor gewesen. Doch bis vor wenigen Wochen waren es rein private Sorgen gewesen. Ungelöste Probleme seiner Vergangenheit hatten in Form des Hauses Dar Vardenil begonnen, ihrem angestammten Platz in der jüngeren Geschichte des Planeten Scintilla zu entwachsen und wie ein rachsüchtiges Gespenst seine Gedanken zu durchspuken. Er hatte natürlich nichts übrig für ungebetene Besucher - sei es in seinen Arbeitsräumen oder in seinen Gedanken - und hatte seinen besten Kammerjäger, Inquisitor Varitani, darauf angesetzt. Den hatte er natürlich nicht über die genaue Natur des Problems in Kenntnis setzen können, da dies ein grober Verstoß gegen allerhand Geheimhaltungsvorschriften gewesen wäre. Aufgrund der Situation mit Haus Dar Vardenil war sich Lord Inquisitor Arethrus vollends der Aufmerksamkeit bewusst, die seine Feinde innerhalb der Inquisition speziell zu dieser Zeit all seinen Tätigkeiten und Plänen zukommen ließen. Da stellte jeder Fehltritt ein gewaltiges Risiko dar. Nein, soll Varitani nur selbst herausfinden, worum es da geht, hatte Arethrus gedacht und ihn nur mit äußerst vagen Informationen losgeschickt. Varitani - so war sich der Lord Inquisitor sicher - würde bei Aufdeckung der brisanteren  Elemente, die seine Person mit dem Haus Dar Vardenil in Verbindung brachten, eine diskrete Lösung für die Misere finden. Arethrus hatte seiner Erhebung in den Stand eines Inquisitors als Sponsor vorgestanden, und er hielt es seit einiger Zeit so, dass er jenen, die einmal unter seinem Schutz gestanden hatten, immer wieder einmal die Möglichkeit gab, ihm seinen Großmut auch entsprechend zu vergelten. Varitani hatte das bereits oft getan und war bisher noch nicht in die Falle des Hochmuts und der Überheblichkeit getappt, die schon einige seiner Vorgänger in ein tiefes Loch hatten stürzen lassen. Arethrus‘ Mund umspielte ein grimmiges Lächeln, wenn er daran dachte, dass tatsächlich einige Frauen und Männer, die er kannte – und die ihn lieber nicht gekannt hätten - die Korrelationskammern des Dicasteriums von Scintilla bevölkerten.

Man kann sich nun vorstellen, wie signifikant der Ärger gewesen war, als Varitani diese für Arethrus so wichtige Arbeit zugunsten einer anderen Mission seinem Interrogator übertragen hatte, einem für den Geschmack den Lord Inquisitors viel zu weibisch und schwach aussehenden Mannes, der erst noch Erfolge der Kathegorie vorzuweisen hatte, die ihn in den Augen des Lord Inquisitors als vertrauenswürdig genug für solch eine heikle Aufgabe erscheinen lassen würden.
Dazu kamen noch die Ereignisse der letzten Tage. "Häresie ungekannten Ausmaßes auf Xeiros Prime. Exterminatus momentan nicht ratsam. Unterstützung zur Errichtung einer systemweiten Quarantäne erbeten." Das war die bedeutungsschwangere, doch herzlich detailarme Kurznachricht von Varitani gewesen, die ihm von Hiron Kessler, einem Interrogator in den Diensten von Inquisitor Globus Vaarak, zugespielt worden war. Leider schien er nicht der einzige zu sein, der diese Nachricht erhalten hatte, denn bereits einen Tag später hatte es diverse Anfragen der Lord Inquisitoren Gillenstern und Bahan gegeben und letztendlich sogar eine von Lord Sektor Marius Hax, der nun beharrlich darauf bestand, einen Rat einzuberufen, um den Sachverhalt zu klären. Das bedeutete noch mehr Rampenlicht für Arethrus und eine Position, in die er sich selbst nie hineinmanövriert hätte. Sein ehemaliger Lieblingsinquisitor hatte einiges zu erklären.

Immarut war merkwürdig erschüttert. Er nahm an, dass das an der langen Zeit lag, die er sowohl DeVetter als auch Dorundy gekannt hatte. Bei der Durchquerung des Komplexes, ein Unterfangen, das nicht zuletzt aufgrund der Kontrollposten und Sicherheitsbestimmungen einiges an Geduld erforderte, hatte ihm Inquisitor Varitani kurz vom Ableben der beiden Akolythen berichtet.
Er trat vor und wies sie beide bei der letzten Sicherheits-Barriere aus. Auch die inneren Bereiche des Trikornus waren von Inquisitionsgardisten geschützt, Elitesoldaten in schwarzen Flakuniformen, das I der Inquisition auf der linken Brust und Samtumhänge in Rot und Schwarz von den Schultern hängend.

Während es weiter unten im Trikornus aufgrund der akustisch stark reflektierenden Oberflächen niemals still war, man immerzu das Echo von Schritten oder gemurmelten Worten, das Zischen von Türen, die auf- und zuglitten, das Rattern von Cogitatoren und in manchen Trakten auch unheimlichere und verstörendere Geräusche hörte, veränderte sich, sobald man in einem der drei Türme eine gewisse Höhe erreicht hatte - Varitani und sein Interrogator waren jetzt fast ganz an der Spitze des Turris Malleus - sowohl die Anzahl der arbeitenden Menschen als auch die Inneneinrichtung hin zu angenehmerem Ambiente, zwei Eigenschaften, welche die höheren Stockwerke zu manchen Zeiten des Tageszyklus fast totenstill wirken ließen.
So sagte Railoun nur ganz leise: "Ich kann nicht behaupten, dass mich das kalt lässt, Herr Inquisitor. DeVetter war schon hier, als ich zu Ihnen kam und Dorundy hat sich seit der Sache mit Lucrés als wirklich loyale und kompetente Kollegin erwiesen.“
Varitani blickte ich ihn kurz über die Schulter hinweg an, ohne sein Schritttempo zu verlangsamen, und seine Augen wirkten dabei traurig. Sie durchquerten gerade einen Säulengang, dessen Marmorboden mittig von einem Langteppich aus Quast bedeckt war, auf dessen violettem Grund schwarze Symbole und Insignien prangten.
Er nickte kurz und schien dann einen Moment in Gedanken verloren zu sein. "Ja, mir geht es auch nahe. Sehen wir zu, dass wir Ihr Opfer durch unsere harte Arbeit ehren und dass wir Ihre Mörder ihrer gerechten Strafe zukommen lassen, so wie es der Wille des Imperators ist."
Railoun formte die Aquila vor der Brust. „So sei es.“
Sie kamen an die große Doppelpforte, ein Tor von dunkelbraunem Kirandhru-Holz, mit für Varitanis Geschmack viel zu protzigen Schnitzereien verziert. Eine Schädelsonde war linker Hand aus einer mittlerweile wieder unsichtbaren Öffnung in der Wand geflogen und schwebte abwartend zwischen dem Tor und den Inquisitionsagenten.
"Wir sehen uns nachher in meinen Räumlichkeiten, Railoun.", sagte Varitani schroff und ließ seinen Interrogator stehen, ohne ihn noch einmal anzublicken.
Railoun legte die Stirn in Falten und seufzte, bevor er sich abwandte und auf den Rückweg machte. Varitanis Arbeitsbereich war einige Stockwerke weiter unten.

Mit einem mechanichen Surren verengte sich die Linse des optischen Scanners der kleinen Schädelsonde, als Varitani vor sie trat, um seine Retina einem Zutrittsscan unterziehen zu lassen. Zarter Gesang umfing den Inquisitor, als sich die Tore öffneten. Majestätisch begleitet von einer Hundertschaft der besten Musiker des Dragi Verrede-Orchesters liebkoste ihn der prickelnd erregende und zugleich frische Sopran von Madame Arvelise D'Isatore, die sich duch die Arie Tempestas sensus aus Grand Maestro Frederico Perricis Eterna sang. So hätte es wohl Lord Inquisitor Arethrus beschrieben, dachte Varitani. Ihm ging das erbärmliche Gejohle einfach nur auf die Nerven.
Er blickte sich in dem Vorraum um. Leicht abgerundet nach außen hin mit Aussicht durch die Glaswände, die ihresgleichen suchte, innen mit geschmackvollem, hellem Mobiliar eingerichtet und mit Holzparkett ausgleget - darüber kostbare Teppiche - bildete dieser Raum einen starken Kontrast zu den vergleichsweise tristen und vor allem drückenden Gängen des oberen Turris Malleus.

"Serpentin.", hörte er da die vertraut ruhige, großväterliche Stimme des Lord Inquisitors, deren leicht angespannter Mitklang ihm jedoch nicht entging. Die helle Gestalt kam ihm aus dem inneren Arbeitsbereich entgegen. Lord Inquisitor Zephraim Kandotates Arethrus war trotz seines Alters, das Varitani nicht genau bekannt war, aber schon im mehrhundertjährigen Bereich lag, eine mehr als imposante Erscheinung. Hier spielte die von Natur aus große, stämmige Gestalt mit Kleidung, Auftreten und Körperhaltung zusammen. Arethrus war genau so groß wie Varitani, also fast zwei Meter, sah aus wie ein rüstiger Mann in der Mitte seines sechsten Lebensjahrzehnts und war fast immer strahlend weiß gekleidet. An diesem Tag trug er einen weiß emailierten Brustplattenpanzer über einer weißen, mit güldenen Stickmustern gesäumten Robe. An dem Brustpanzer waren mehrere Reinheitssiegel angebracht, und das Wappen der Imperialen Inquisition prangte an der linken Seite über einer stilisierten Brustwarze. Arethrus' volles Haar war schlohweiß, passend zur Kleidung und setzte sich stark von der durchweg gut gebräunten Haut ab. Die linke Seite des vollen Gesichts des Lord Inquisitors war zu nicht geringem Teil von Narbengewebe bedeckt -  eine Plasmaverbrennung, die er absichtlich nie hatte entfernen lassen. Zwei Schläuche ragten aus dem hinteren linken Kieferbereich und mündeten hinter seinem Kopf in zwei Ösen im Rückenpanzer. An derselben Seite des Kopfes befand sich auch eine Schnittstelle für direkte Cogitatorverbindungen. Die unter dem Brustpanzer hervortretende, bodenlange Faltenrobe war durch einen rötlich bestickten Gürtel eng tailliert gehalten. Die Beine des Lord Inquisitors steckten in allem Anschein nach sehr bequemen Stiefeln aus weißem Rauhleder. Arethrus trug die meiste Zeit über hauchdünne Handschuhe; an seinem Gürtel hing außerdem noch eine bronzebeschlagene Miniaturversion des Canti Fidei, eines Gebetsbuches, dessen Front Drusus zeigte. Um seinen Kopf schwebte eine weitere der kleinen Schädelsonden.

„Mein Herr.“ Varitani neigte kurz den Kopf. „Ich bedaure, gleich zur Sache kommen zu müssen, aber wir haben viel zu besprechen.“
Arethrus zog eine seiner buschigen Augenbrauen hoch. „In der Tat, das sehe ich auch so.“
Varitani hatte sich nicht getäuscht. In seinem Tonfall schwang eine gewisse Ungehaltenheit mit. „Sie haben die Nachricht erhalten, die ich gesandt habe.“
„Nicht nur ich – so scheint es.“ Arethrus sah ihn nicht an, sondern bewegte sich zu einem breiten Stuhl, der vor einer holzvertäfelten Wand mit Cogitator-Panelen stand, ließ sich nieder und tippte an einer Armlehnenkonsole herum.
„Ich – verstehe nicht.“
„Ihre Nachricht ist der gesamten Führung des Sektors bekannt, ebenso den Lord Inquisitoren Gillenstern und Bahan, ebenfalls Lord Inquisitor Caidin.“
Varitani wirkte verdattert. „Da muss etwas bei der Überbringung passiert sein.“
Arethrus‘ Gesicht war kurz von Zorn erfüllt, aber er kämpfte ihn nieder. „Das wundert mich auch gar nicht, wenn Sie dieses Wiesel Kessler als Boten benutzen.“
„Kessler?“ Varitani überlegte.
„Hiron Kessler, Interrogator von Globus Vaarak.“, führte der Lord Inquisitor ungeduldig aus.
Varitani verzog das Gesicht. „Ich erinnere mich. Da ist etwas nicht nach Plan gelaufen, ich habe ihn nie als Boten vorgesehen. Ich benutzte einen alten Bekannten, den Freihändler Captain Guntr, der die Nachricht für mich nach Valon Urr brachte, von wo aus sie astropathisch nach Scintilla übermittelt und direkt zu Ihnen persönlich überbracht werden sollte.“
„Das hat anscheinend nicht so funktioniert. Irgendwie ist dieser Kessler ins Spiel gekommen – oder es hat vorher schon ein Leck gegeben – und die Informationen sind durchgesickert. Inquisitor Vaarak halte ich für zu integer, um bei solch einem Spiel mitzumachen. Überhaupt ist die Tyrantinische Kabale viel zu sehr in eigene Probleme verwickelt – Vaarak würde den Fall Xeiros Prime sicher mir überlassen. Es war also entweder Kessler oder jemand, der vor ihm die Nachricht hatte. Ich möchte, dass Sie dem nachgehen, Serpentin. Ich möchte den haben, der hier geredet hat.“
Varitani räusperte sich. „Genauso wie ich, Lord Inquisitor, aber ich denke, wir haben gar nicht die Zeit für solch eine Operation. Die Lage auf Xeiros Prime ist nicht…“
„Die Zeit hat sich durch diese Lücke in der Informationsübertragung sozusagen schon gefunden, Herr Inquisitor.“ Arethrus war jetzt offen wütend. „Lord Sektor Hax hat eine Ratssitzung einberufen, um mit allerhand Vertretern von Militär, Ecclesiarchie und natürlich auch der Inquisition das weitere Vorgehen in dieser Causa zu besprechen.“
Varitanis Augen hatten sich verengt, seine rechte Hand schloß sich mehrmals zur Faust und öffnete sich wieder. „Dafür ist keine Zeit. Darüber setzen wir uns hinweg.“
„Ach ja?!“, fuhr ihn Arethrus an. „Tun wir das? Nun, wenn wir – wie von Ihnen vorgeschlagen, die Flotte zur Unterstützung brauchen und vielleicht sogar die Garde, dann tun wir das nicht. So weit reicht auch mein Einfluß nicht. Lord Inquisitor Caidin selbst hat zugestimmt, dieser Ratssitzung beizuwohnen und damit ist die Initiative aus unserer Hand, bis sie Lord Sektor Hax wieder abgibt. Wir könnten momentan wahrscheinlich nicht einmal mehr selbst den Exterminatus befehlen, ohne uns gehörig aus dem Fenster zu lehnen.“
Varitani erschauerte. „Beim Thron, was für ein Schlamassel. Geschwindigkeit ist alles, worauf es jetzt ankommt, nicht Schlagkraft oder Schläue.“
„Wir müssen mit den Mitteln arbeiten, die uns jetzt noch zur Verfügung stehen. Lord Admiral Anderton ist auf dem Weg nach Scintilla, Großkardinal Ignato hat sowieso die meiste Zeit nicht so viel um seine gesegneten Ohren, dass er nicht etwas Raum für die Anliegen der Inquisition schaffen könnte, und die anderen Ratsteilnehmer werden auch bald eintreffen – sagen meine Quellen. Es wird sich also um eine Verzögerung von ein paar Tagen handeln.“
Varitani nickte.
„Nutzen sie also die Zeit und beauftragen Sie diesen Railoun oder einen anderen Ihrer Leute mit den Ermittlungen. Es wäre gut, sie in den nächsten Tagen abzuschließen. Ich will den haben, der dafür verantwortlich ist – und wenn es bis Vaarak geht, dann auch ihn!“
„Mit Verlaub, Lord Inquisitor – ich bin nicht Ihr Handlanger. Meine Ressourcen sind beschränkt und ich als Inquisitor des Thrones sehe momentan keine Veranlassung…“
Lord Inquisitor Arethrus hob die Hand und sein ehemaliger Schützling verstummte zögernd. „Das genügt, Varitani. Wirklich, das genügt. Suchen Sie sich ausgerechnet diese Zeit aus, um zu rebellieren, ja? Kein weiser Zug ist das. Sie, alter Freund, stehen momentan an der Kippe. Sie wollen meine Unterstützung und die sollen Sie auch haben – mein Name ist durch diese Panne auch mit der Sache verstrickt. Wie ich mich aber anschließend verhalte, wer tatsächlich die Schuld zugeschoben bekommt, das ist noch ungeschriebene Geschichte. Lassen Sie mich Ihnen versichern, ich werde das eine oder andere Wörtchen bei der endgültigen Fassung mitzureden haben. Sie werden sich also gut überlegen, ob Sie sich wirklich ausgerechnet jetzt so undankbar für die Unterstützung zeigen wollen, die ich Ihnen über all die Jahre habe zukommen lassen.“ Oder Sie sehen die Korrelationskammern von innen, mein alter Freund.
Ein Beben lief durch Varitanis Körper, während er die Drohung verdaute. Er hoffte, der alte Politiker vor ihm würd es nicht mitbekommen. Ich hätte mich nie auf ihn einlassen sollen. Er ist vor allem sich selbst verpflichtet. Wenn ich jetzt Widerstand leiste, ist alles aus. Dann hätte ich auch gleich auf Xeiros sterben können.
Varitani zwang sich zu einem Nicken. Kaum brachte er die nächsten Worte hinaus, so sehr schnürten ihm Scham und Entrüstung die Kehle zu: „Ja, das sehe ich auch so. Es ist nicht die Zeit für Streitigkeiten. Ich bitte um Verzeihung.“ Er räusperte sich erneut. „Ich habe eine Zelle auf Scintilla, die anderen sind im Einsatz. Ich werde diese Leute darauf ansetzen.“
Arethrus Miene zeigte eine Spur von Genugtuung und Befriedigung, bevor er sich wieder unter Kontrolle bekam und wächsern wie zu Beginn des Gesprächs fortfuhr: „Wie gefährlich ist denn die Lage auf Xeiros? Warum kein Exterminatus, wenn die Welt verloren ist?“
„Die Gefährlichkeit lässt sich noch nicht genau einschätzen. Das System ist verloren, jeder Xeiros-Stämmige muss beseitigt werden, sei er dort oder irgendwo sonst. Es könnte sich aber durchaus zu einer Gefahr für den ganzen Sektor ausweiten. Ein Exterminatus könnte in letzterem Fall unsere einzige Chance zerstören, der Situation doch noch Herr zu werden.“
Arethrus‘ Stirn lag in schweren Falten. „Was genau ist dort passiert, Serpentin?“
„Ich werde Ihnen alles berichten, alles. Dann entscheiden wir, was wir dem Rat sagen.“
Der Lord Inquisitor nickte. „Überlassen Sie den Rat mir, Serpentin. Das Parkett der Sektoren-Politik ist nichts für ungeübte Tänzer.“
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 11. Mai 2013, 22:23:49
3 – Xeiros Prime

„Wo sind sie, Frederiq?“ Auch wenn Varitani sich Mühe gab, jegliche Nervosität aus seiner Stimme herauszuhalten, so gelang ihm das nicht vollständig. Nicht, dass er DeVetter irgendetwas hätte vormachen können. Der Telepath kannte Varitani jetzt schon lange genug, um zu wissen, wie es ihm ging, auch wenn er ihn nicht sehen konnte. Dazu bedurfte es nicht einmal des Einsatzes seiner Fähigkeiten. Als jemand, der sich im Allgemeinen mit menschlichen Emotionen und Gedankengängen auskannte, konnte er andere Personen generell gut einschätzen, einen alten Freund wie Serpentin Varitani überhaupt.
DeVetter löste sich mit einer einfachen Konzentrationsübung aus seinem fleischlichen Körper und glitt durch die Gänge und Korridore, wo er zahlreiche Präsenzen wahrnahm, die sich ihrer Position näherten. „Sie kommen. PDF, recht zahlreich. Einige davon sind sicher infiziert.“
„Dann sagen Sie ihm, er soll sich beeilen.“ Varitani knöpfte die Ärmel seines Ledermantels auf und lockerte seine Gliedmaßen.
DeVetter kratzte sich an seiner recht prominenten Nase und drang dann in den Verstand des Nyunga ein, der sie in den Komplex geführt hatte und gerade versuchte, sich Zugang zu einer Datenbank zu verschaffen, um die Informationen sicherzustellen, deretwegen sie überhaupt noch auf dem verfluchten Planeten waren. Wenige Wochen später würde es Feuer und Tod regnen, dessen war sich DeVetter sicher. Noch niemals zuvor hatte Varitani einen Exterminatus befohlen, doch dieses Mal konnte er nicht anders. Wie immer wirkte die Andersartigkeit des Xeno-Hirns abstoßend und löste einen spontanen Würgereiz bei dem Telepathen aus – doch wer wenn nicht ein sanktionierter Psioniker sollte in der Lage sein, diese Aufgabe zu lösen.
Selbst wenn ein Mensch es auf sich nahm, die glucksende Sprache der Nyunga zu erlernen, so konnte er sie höchstens verstehen, nie jedoch sprechen. Dazu waren die menschlichen Sprechorgane einfach nicht gemacht. DeVetter war also nur die Möglichkeit geblieben, es auf kreative Art und Weise zu versuchen. Also hatte er Bilder ins Bewusstsein des Ureinwohners von Xeiros Prime geschickt. Der Verstand der Nyunga war eine weiche, formlose Sache. Leicht zu lesen, aber unangenehm, so als ob man sich nackt in einen Bottich voller Schnecken legen würde. Man konnte leicht ausgleiten und untergehen.
Einige Nyunga sprachen auch schwer verständliches Niedergothisch, aber nur wenige. Als Ureinwohner von Xeiros Prime waren sie seit langen Jahrhunderten eine unterdrückte Minderheit. Sie wurden toleriert, solange sie ihren Platz kannten. Dass dem so war, dafür hatte die imperiale Regierung schon gesorgt. In den Jahrhunderten nach dem ersten Eroberungskrieg bei Besiedelung des Planeten hatte es eine Reduktion der Nyunga in Form von mehreren Progomen gegeben, bis der Arbeiterbestand auf ein leicht beherrschbares Maß und sein Kampfeswille auf null gesunken waren.
Varitani verstand sehr wohl die Notwendigkeit dieser Maßnahmen, war sich jedoch des Wertes der Nyunga bewusst. Als immer noch in fast allen Schichten der Gesellschaft als Bodensatz präsenter Teil hatten die Nyunga überall Augen und Ohren und konnten mit der richtigen Motivation als eine nicht unbedeutende Wissensquelle erschlossen werden. In Form von DeVetter hatte Varitani einen hervorragenden Motivator gefunden. Wie ihm sein meistgeschätzter Telepath versichert hatte, waren die Nyunga zu keinem Teil psionisch begabt und konnten sich seiner Macht nicht widersetzen. Dementsprechend waren sie leicht zu beherrschen, sobald man ihre Denkmuster etwas kannte. Noch eine Eigenschaft zeichnete sie aus, dank der sie für Varitani nützlicher waren, als er vor seinem Besuch vermutet hätte. Ihre Nahrung setzte sich aus anderen Bestandteilen zusammen, als die der menschlichen Einwohner von Xeiros Prime – und dadurch waren sie allesamt einem Befall durch die Saat entgangen. Varitani konnte nicht sagen, welchen Durchseuchungsstand die menschliche Bevölkerung aufwies, doch er ging von hundert Prozent aus. Alles andere ließ seine skeptische Inquisitorenanalytik nicht zu.
Durch den Spalt in der Türe, den Varitani beobachtete, waren schon erste Lampen von Sturmgewehren zu sehen, auch war das Geräusch von sich nähernden Kampfstiefeln zu hören.
„Lichter aus! Sie sind da. Nachtsichtgeräte! Halten Sie den Nyunga ruhig.“ Varitani hatte es nicht auf sich genommen, den Namen des Xeno zu lernen und auszusprechen. DeVetter und er selbst trugen Linsen, die ihnen auch in vollkommener Dunkelheit ein gewisses Maß an Sichtvermögen geben würden. DeVetter konnte sich darüber hinaus auch mit seinen Psi-Sinnen ein gewisses Bild seiner Umgebung machen.
Varitani hörte ein Glucksen und Schnarren, als der Nyunga Geräusche von sich gab, die nach Angst oder zumindest Besorgnis klangen. Sofort drang DeVetter in seinen Verstand und zwang ihn zur Stille.
Der Inquisitor hielt den Atem an, als die Schritte langsamer wurden und schließlich kaum noch hörbar waren. Die Strahlen der Suchlampen fuhren langsam nach links und rechts. Dann waren sie plötzlich verschwunden. Varitani zwang seinen Atem fast zum Innehalten und bewegte Millimeter für Millimeter den Kopf zur Seite, um einen Blick nach draußen zu werfen. Er zog scharf die Luft ein, als er rot glühende Augenpaare erblickte, die alle in seine Richtung starrten.
Mehr noch als dass er sie sah, spürte er die Bewegung. Er stieß sich nach hinten ab, als die Tür unter einem Schlag erzitterte und aufsprang. Mit einem tierischen Fauchen drang eine Gestalt in den Raum ein und hechtete nach Varitani. Sofort riß der eine Hand nach oben, sein kybernetisch veränderter Unterarm gab eine Klinge frei, die nach vorn klappte, noch einmal so lang wie sein Unterarm. Er fuhr dem Angreifer in die linke Achselhöhle und trennte ihm dabei fast den Arm ab.
DeVetter benötigte nur einen Gedanken, um den Nyunga von dem Pult weg und gegen den nächsten PDF-Gardisten zu schicken. Der Reptiloid sprang den Soldaten an und riß ihn zu Boden. Auch dieser Gegner gab ein tierisches Grunzen von sich, das nicht einmal entfernt an einen Menschen erinnerte. DeVetter ließ seine Las-Pistole in seine Hand gleiten und legte auf die Türe an. Ein Wesen mit einem klingenartigen Fortsatz statt einer Hand trat gerade in den Durchgang, also ließ er seinen Daumen den Schalter auf Burst-Mode schieben und drückte ab. Etliche der gleißend hellen Geschosse bohrten sich in die Brust des Angreifers, doch das schien ihn nicht aufzuhalten. DeVetter grunzte frustriert und konzentrierte sich dann auch einen der Angreifer. Dieser riß auf einmal eine Schrotflinte vom Rücken, nur um dem Wesen mit der Klinge direkt von hinten den Leib voll Blei zu pumpen, was diesen fast entzwei riß. DeVetter grinste.
Varitani hatte in der Zwischenzeit noch zwei Gardisten den Garaus gemacht, was den Mann unter DeVetters Kontrolle wohl zu dem einzigen Gegner machte, der sich ihnen momentan entgegenstellte – auch wenn in wenigen Minuten weitere auftauchen würden.
„Hier ist wohl auch nichts zu holen.“, murmelte Varitani gerade laut genug, dass DeVetter es hören konnte und sah ihn dabei fragend an, als ob er eine Bestätigung erwartete.
Der Telepath warf einen kurzen Blick auf den kontrollierten Nyunga, dann schüttelte er den Kopf. „Ich fürchte, so ist es, Herr Inquisitor.“
„Dann werden Sie den da los“, Varitani deutete salopp auf den verbleibenden PDF-Gardisten, der – ebenfalls unter DeVetters Kontrolle – mit einem debilen Gesichtsausdruck einfach nur dastand und gegen die Wand glotzte, „und dann sehen wir zu, dass wir hier rauskommen. Wir müssen uns überlegen, wie wir weiter vorgehen sollen.“
Der Gardist warf auf einmal die Schrotflinte weg, zog sein Messer und schnitt sich die Kehle durch. Mit einem röchelnden Gurgeln verließ ihn die Kraft und er sank zu Boden. Bis zum Ende behielt der Telepath mit kaltem Blick in den Augen die Kontrolle über ihn. Seltsames Gefühl zu sterben, dachte er bei sich.
Varitani hatte kurz zugesehen und war dann zu den Überresten des Wesens mit der Klinge hinübergegangen. Er kniete nieder und ließ seinen Blick rasch über die Kreatur gleiten. Einst mochte sie einmal ein Mensch gewesen sein, doch lag hier nur noch ein Schatten der reinen menschlichen Form vor ihm. Der Kopf war entstellt und mit knochigen Platten überzogen, ein vollkommen blutroter Augapfel weit aus der Höhle hervorgetreten, auch das restliche Gesicht zur Grimasse verkommen, der Unterkiefer zu zwei mit Reißzähnen besetzten Mandibeln geworden, die nur durch ein Stück Haut am Kinn miteinander verbunden waren. Der restliche Körper war muskulös, das Fleisch des rechten Arms reichte nur bis zum Ellenbogen, wo es in einer knöchernen Klinge auslief, wild gezackt und wahrscheinlich höllisch scharf.
DeVetter hatte anscheinend den Nyunga angewiesen, noch aus der Datenbank zu sichern, was er konnte, dann war er zu seinem Inquisitor getreten. „Ein Daemon?“
Varitani blickte ihn an. „Hat etwas von einem Daemon an sich. Ich denke aber, es ist ein Befallener in einem forgeschrittenen Stadium – weiter verändert, als der gute Doktor es bisher beschrieben hat.“
DeVetter erschauderte. Er selbst war von Xeiros Prime – das war seine Heimat gewesen – und er hatte, seit er vor etlichen Wochen hier angekommen war, wieder von der hiesigen Nahrung gegessen. Nun wussten Varitani und er mittlerweile aus den Forschungsergebnissen von Doktor Flengler, dass die Saat, die Ursache für all das Chaos auf Xeiros Prime, mit dem Essen aufgenommen wurde. Nur für Xeiros-Stämmige verträglich, war Varitani vor den Folgen anscheinend geschützt, doch DeVetter war zu sich selbst ehrlich genug, um genau zu wissen, was das bedeutete. Flengler hatte in seinen Berichten von einer Inkubationszeit von mehreren Wochen gesprochen, vielleicht Monaten, aber das spielte keine Rolle. DeVetter würde Xeiros Prime nicht mehr verlassen. Die Chancen waren hoch, dass er den Rückflug nicht als der Mensch beendete, der er jetzt noch war. Er würde nicht einmal versuchen, seiner Heimatwelt den Rücken zu kehren – er war sich nur noch nicht sicher gewesen, ob er es über sich bringen würde, sich selbst das Leben zu nehmen. Vielleicht hätte er mit Varitani darüber reden sollen, doch er wusste, dass auch der Inquisitor selbst mit dieser Entscheidung zu ringen hatte. Dieser Mann war niemand, der in so einem Fall viel Schwäche zeigte, das waren wohl die wenigsten Inquisitoren, deshalb rührte sein innerer Kampf den Psioniker. Wer hätte das einst auf den Schwarzen Schiffen erwartet?
Inquisitor Varitani würde DeVetter wohl richten und der Obhut des Imperators anvertrauen, bevor es hier zu Ende ging, doch der Telepath wollte verdammt sein, wenn er nicht wenigstens noch half, seinen Vorgesetzten und Freund erst von dieser verdammten Welt wegzuschaffen, wenn er es nicht noch zustande brachte, dass seine Heimat Xeiros Prime durch Serpentin Varitani den reinigenden Flammentod würde sterben dürfen und nicht zur Quelle für noch mehr Leid werden würde.
Von draußen waren bereits wieder Geräusche zu hören. Arian, Dich bräuchten wir jetzt. DeVetter dachte an Arian Dorundy, die Ex-Arbitratorin, die in solchen Situationen immer recht überzeugende Argumente hatte vorbringen können, seien es irgendwelche Granaten, Schrotflinten oder einfach nur ihr Schockschlägel, den sie immer mit grimmigem Lächeln geschwungen hatte. Während er den Nyunga von der Konsole wegsteuerte, gingen ihm die Szenen durch den Kopf, als man sie geholt hatte. Sich des gewaltigen Ausmaßes der feindlichen Übernahme von Xeiros Prime noch unbewusst, hatte DeVetter einfach nichts getan – Dorundy ebenso wenig. Sie hatten darauf vertraut, dass die Rosette der Inquisition sie schon würde freibekommen können. So hatte er einfach nur dagestanden und sie abführen lassen. Bis zu diesem Moment war ihm nie bewusst geworden, wie sehr das an ihm nagte. Was sie wohl mit ihr gemacht hatten? Ob sie noch lebte?

Sie stürmten die oberen Gänge entlang. Immer wieder hörten sie hinter sich Rufe, Alarmsirenen erschallten aus den unteren Stockwerken den breiten, quadratischen Liftschacht nach oben, während das Zugwerk bis an die Grenzen strapaziert wurde. DeVetter hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, es abzuschießen, ihn aber verworfen. Wenn sie etwas erwischen würde, dann nicht die nachrückenden Truppen in dem langsamen Lift sondern die Hindernisse vor ihnen.
Mit ruhigen, tausende von malen durchexerzierten Bewegungen tänzelte Inquisitor Varitani um zwei der Klingenwesen herum und hinterließ mit den mittlerweile aus beiden seiner Unterarme hervorragenden, eigenen Schwertfortsätzen blutige Vernichtung. Er selbst hatte auch schon etwas abbekommen, ließ sich dadurch aber nicht einschränken. Er warf einen schnellen Blick in Richtung seines Psionikers.
Dieser stand über dem gerade zusammengesunkenen Körper des Nyunga und nahm einen Datenkristall an sich, als zwei PDF-Gardisten hinter einer Ecke hervortraten. „Kniet nieder.“, rief da der Telepath aus und psionische Kraft lag hinter dem Befehl. Die Männer zögerten kurz, dann taten sie, wie ihnen geheißen ward. DeVetters Las-Pistole beendete ihre Leben.
Vartani sah einen Schatten hinter DeVetter und rief, doch da drang eine Knochenklinge direkt durch den Psioniker und ragte vorne aus seinem Brustbein.  Der Inquisitor, seine Klingen wieder in seinen Armen verschwunden, sprang herbei und prügelte mit blanker Faust auf den Schädel der Kreatur ein, die Probleme hatte, ihre Waffe freizubekommen. DeVetter umklammerte sie mit beiden Händen, beide zerschnitten, sein Gesicht schweißüberströmt, Blut auf seinen Lippen.
Immer wieder fuhren zornig die künstlichen Arme von Varitani auf die Daemonenbrut hernieder, bis dieser ein Knacken wahrnahm und der Schädel nachgab. Zweimal schlug er noch auf die Masse darin, dann war das Wesen so tot, wie es sein konnte.
DeVetters Beine gaben nach, als ihn sein Gewicht und das des noch immer in ihm steckenden Wesens niederzogen. Seine Augen weiteten sich, seine Brust stach und brannte und er konnte nur schwer atmen.
„Frederiq.“, sagte Varitani und besah sich die Wunden. DeVetter selbst konnte mit seinen Kräften heilen, doch die Stärken des Inquisitors lagen nicht in der Behandlung von Verletzungen.
„Die Faust des Imperators.“, sagte der Telepath hustend. „Das – sind Sie, Serpentin.“ Er tastete mit seinen blutenden, zerschnittenen Händen zitternd umher und fand schließlich das Gesuchte. Er griff nach Varitanis Hand und legte den Datenkristall hinein. „Ziehen – ziehen Sie den Dreckskerl aus mir raus.“
Varitanis Augen waren glasig. „Das  - werden Sie nicht überleben.“ DeVetter brauchte keine Telepathie, um zu erkennen, dass Varitani genau wusste, wie unsinnig der Gedanke an ein Überleben für DeVetter überhaupt war.
Die Rufe hinter ihnen wurden lauter. „Keine Zeit – mehr.“ Jedes Wort war ihm Tortur. Der verdammte Varitani sollte schneller machen.
Der Inquisitor nickte. Von einem zu einem gequählten Seufzen unterdrückten Schmerzensschrei DeVetters begleitet, hieb Varitani mit einer seiner monomolekularen Armklingen die mit Widerhaken versehene Klinge direkt hinter der Eintrittswunde an DeVetters Rücken ab und begann dann, sie nach vorne durchzuziehen. DeVetters Augen klafften riesig auf, er spuckte Blut und packte in letzter Anstrengung nach Varitanis Arm, was diesen innehalten ließ.
Der Inquisitor hielt inne. „Es ist zuviel, nicht wahr?“ Varitani erhob sich, weiterhin den flehenden Blick seines Telepathen und ältesten Akolythen haltend, und zog seinen Schicksalsbringer-Langrevolver. „Ich danke Ihnen im Namen des Thrones für alles, was sie geleistet haben, Frederiq. Und auch dafür, dass Sie mir ein Freund waren. Leben Sie wohl an Seiner Seite.“ Damit drückte er ab. Unzeremoniell riß er anschließend das Knochenschwert aus dem Leib seines toten Freundes und wandte sich den nachrückenden Feinden zu. Beide seiner Armklingen schnellten hervor, bläuliche Energieentladungn zuckten die Schneiden entlang.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 12. Mai 2013, 10:08:11
Die im nächsten Abschnitt vorkommende Gruppe von Charaktere (Xandros, Verbal, Burgos und Kyrill) sind Spieler-Chars einer zweiten Dark Heresy-Gruppe, die von Inigo Hound, dem Spieler von Frost und Thracian, geleitet wird. Die Gruppe dient unter Inquisitor Vaarak sowie (noch) unter Interrogator Hiron Kessler. Ranos ist ein beliebter NPC aus dieser Gruppe. Ihr Vorkommen in "Aller Gnaden Ende" ist eine Verbeugung an den hervorragenden Inigo sowie an alle anderen Mitspieler für die tollen Momente mit diesen Charakteren. Dies nur also Info, damit das plötzliche Auftreten und Verschwinden so vieler Personen ins richtige Licht gerückt wird.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 12. Mai 2013, 10:12:38
4 – Undichte Stellen

„Das ist aber doch nicht der Grund, warum er uns direkt nach der Golgenna-Arm-Tour alle hier zusammenholt, oder?“ Blenders Tonfall verriet seinen Unmut über die wenig ertragreich scheinende Mission.
„Fühlen Sie sich unterfordert, Arn?“ Frosts Blick wanderte – wie schon die ganze, verdammte Zeit – zwischen diversen Unterlagen hin und her. „Ich denke, gemessen an dem Zeitlimit ist das schon eine Herausforderung.“
Hrubens Arn machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, wirkt einfach überzogen, eine so große Zelle für so eine Schnitzeljagd herzunehmen.“
„Es steht uns wohl kaum an, die Entscheidung von Inquisitor Varitani in Zweifel zu ziehen.“ Damit meldete sich Gerhart Thracian erstmalig seit einer vollen Stunde zu Wort. „Und mir persönlich geht Euer Gejammer auf die Nerven.“
„Und wir wissen ja noch gut von der Sache mit Lucrés, wohin es führt, wenn der Pater so richtig entnervt ist, nicht wahr.“ Phos Isand, nach DeVetters Tod der einzige Telepath in den Diensten von Inquisitor Varitani, wählte die Lautstärke durchaus so, dass jeder im Raum seine unangenehm unter die Haut gehende Stimme vernehmen konnte, auch wenn der Kommentar seiner Gestik folgend nur für den Assassinen gedacht gewesen war.
„Das kenn ich nur aus Berichten.“, erwiderte Arn. „Wenn wir aber schon bei Parallelen mit Zumthor sind, dann schlage ich vor, dass Granit und ich wieder irgendeinen Raumhafen bewachen, während VanSovrean ihren hübschen Hintern schwingt und die Informationen besorgt, die wir brauchen.“
Die Augen von Pater Thracian verengten sich. „Ich kann die Art gar nicht gutheißen, wie Ihr über unserer Mitakolythin sprecht, Meuchelmörder.“
„Das ist genug, Leute.“, drang da die Stimme von Interrogator Railoun durch den kleinen Raum. Der blonde, gutaussehende Mann war gerade in Begleitung von Nick „Granit“ Runsit eingetreten und wurde von dem riesenhaften Stammeskrieger und Ex-Gardisten der Imperialen Armee um mehrere Köpfe überragt. „In der Tat hat sich das Problem, um dessen Lösung wir hier bemüht sind oder“, er sah Blender an, „bemüht sein sollten, erst vor kurzem ergeben. Unser Einsatz ist also ein Produkt des Zufalls und kein Grund für irgendwelche Unmutsäußerungen. Machen Sie sich keine Sorgen, Arn, Sie bekommen schon noch richtig was zu tun.“
„Zufälle gibt es nicht. Alle Dinge geschehen in Seinem Willen.“, kommentierte Gerhart Thracian, der seinerseits vollkommen unbeachtet blieb.
Mit zusammengekniffenen Augen schob Blender den Zahnstocher vom linken in den rechten Mundwinkel, spuckte aus dem Fenster, neben dem er gegen die Wand gelehnt da stand, dann sah er Frost an und fragte, als ob nie etwas gewesen wäre: „Haben Sie ein Lho für mich, Lho?“ Der Ex-Arbitrator ließ, ohne aufzublicken, ein Päckchen des Gewünschten in Blenders Richtung segeln, der es gekonnt auffing, ein Stäbchen in jeder seiner Manteltaschen verschwinden ließ, sich eines hinters Ohr steckte, dann eines in den Mund schob – ohne den Zahnstocher loszuwerden – und es anzündete, wobei er auch Frosts Feuerzeug verwendete, dass dieser stehts in dem Päckchen Lhos verwahrte. Dann retournierte er das merklich dünnere Behältnis in den Besitz des Gruppenprimus.
Granit war zu ihm getreten, hatte ein riesenhaftes Kampfmesser gezogen und beobachtete anscheinend mit voller Aufmerksamkeit die Lichtspiegelungen in der blankpolierten Klinge, als er auf einmal sagte: „Honeymoon kommt zurück.“ Seine Stimme klang, als würden in seiner Kehle Felsen oder Mühlsteinen aneinander mahlen. Er hatte nicht aufgesehen, doch die Figur der schlanken Adeligen bemerkt, die sich durch den Strom der heimkehrenden Arbeiter schlängelte, als wäre dieser kaum vorhanden. Granit fühlte sich immer noch recht eingeengt unter diesen Massen von Menschen, den Geräuschen und Gerüchen. Zu seinem Glück war seine Statur nicht gerade dazu angetan, in einer Menschenmasse leicht unterzugehen. Es war der Weg der Weisheit, sich an Cattaleyas Stelle entsprechende Wendigkeit und Übersicht anzueignen.
Er wusste das an der Adeligen zu schätzen. Sie war recht anpassungsfähig und klug. Er mochte sie – alles in allem – auch wenn sie trotzdem etwas zerbrechlich war. Man musste ein Auge auf sie haben und zwar nicht so, wie der Gedankenleser oder auch der blonde Mann, der Fragen stellte, das immer taten. Er hatte ein Auge auf sie, so wie er immer auf seine Leute ein Auge gehabt hatte damals auf Crest N’darr, von den Dienern des Vha’tuss orn gaartha, des Häuptlings auf dem goldenen Thron, auch Envir III genannt, und wie er auch in der Kompanie auf die geachtet hatte, die am schwächsten gewesen waren. Vor den Gefahren von innen hatte er sie immer schützen können, aber denen, die von außerhalb auf sie eindrangen, war schwieriger beizukommen. Seine Leute auf Crest N’darr hatte er vor den anderen Stämmen bewahrt, war mit ihnen mächtig geworden, aber dann war das Imerium gekommen und sie waren gewichen. In der Strafkompanie hatte er die Schwächsten vor dem Haß der eigenen Kameraden geschützt, wenn diese das gewollt und ihn entsprechend behandelt hatten, doch dann waren die Schlachten gekommen, die ausweglosen Situationen und nicht nur die Schwächsten waren durch Patrone, Las-Strahl, Schwert oder Krankheit von seiner Seite gerissen worden. Hier nun beschützte er diese zerbrechliche VanSovrean vor den Gedanken ihrer Mitakolythen, die nicht sie wollten, sondern nur ihr leider viel zu offen dargestelltes Ilyiaa, ein Wort, dass die anderen nicht verstanden, dass Blender aber gestikulierend mit einer geschwungenen Form seiner Hände sehr gut dargestellt hatte.
Da betrat sie auch schon den Raum und wie so oft, wenn sie das tat, waren die Blicke aller Anwesenden auf sie gerichtet – das schloß sogar den hübschen Frost ein, der normalerweise tief eingegraben in Arbeit und Gedanken seine Aufmerksamkeit nur in kleinsten Portionen anderen Dingen zuwandte.
Cattaleya Amalia VanSovrean setzte ihr strahlendes Lächeln auf, durchquerte mit kokettem Hüftschwung den Raum und nahm dann an Frosts Seite Platz.
Vox, wie der Telepath Phos Isand auch genannt wurde, sah zu Blender hinüber und dieser grinste dreckig. „Also? Wer hat den Kristall nun wirklich genommen?“, fragte der Psioniker und strich sich mit der Handfläche über die kahle Platte seines Schädels.
„Ein Akolyth der Inquisition, Ordo Hereticus. Ein gewisser Gestrat Ranos, arbeitet für Inquisitor Vaarak. Ihre Infos waren gut, Vox.“ Cattaleya blickte stolz in Richtung von Frost und Railoun, ihr Gesicht zierte ein ebenso selbstzufriedenes Grinsen wie das des soeben gelobten Telepathen.
„Natürlich wären die Infos gut. Der Kerl hat sich total in die Hosen gemacht, als ich ihn ausgequetscht habe.“
Vox‘ Kommentar entlockte Pater Thracian ein Schnauben. „Er hätte noch viel härter sühnen müssen, nachdem er solch wichtige Daten so leichtfertig verloren hat.“
„Also wenn ich mir vorstelle, dass mich so ein riesiger weißhaariger, Kerl in die Mangel nimmt, dann weiß ich nicht, ob ich nicht auch kooperieren würde. Botengänge sind eben riskant, vor allem, wenn die Inquisition an einem dran ist.“ VanSovreans Finger trommelten über die zerkrazte Plastekplatte des Tisches, der das Zentrum der schmuddeligen Hab-Einheit darstellte.
„Der arbeitet doch auch für Vaarak?“, richtete Arn eine Frage an VanSovrean.
„Das heißt Inquisitor Vaarak, guter Mann.“, korrigierte Railoun. „Aber Sie haben Recht, Arn, oder sagen wir – so was in der Art. Der Weißhaarige heißt Zane und arbeitet eigentlich für Hiron Kessler, der wiederum ein Interrogator von Inquisitor Vaarak ist –„
„- und der die Informationen schlußendlich an Lord Inquisitor Arethrus weitergegeben hat.“, vollendete VanSovrean. Auch wenn Immarut Railoun nicht gerne unterbrochen wurde, hatte er dem ihm anschließend zugeworfenen Lächeln nichts anderes zu entgegnen als ein eigenes, schüchternes Anheben der Mundwinkel.
„Wir haben also die Verbindung. Zane hat diesen Boten Jore also am Weg von den Astropathen einkassiert und bearbeitet. Der hatte neben den von Kessler oder Inquisitor Vaarak gewünschten Infos eben auch den Kristall mit der Nachricht von Inquisitor Varitani bei sich. Und da Zane nicht so ist, hat er den einfach auch mit eingestreift. Dieser Ranos hat die Beute dann zu Kessler gebracht, stimmt das, Cattaleya?“ Frost unterbrach seinen Gedankengang mit einem kurzen Blick auf die Adelige.
Sie nickte. „Genau. Direkt vom Ort des Geschehens. War gar nicht leicht, jemanden zu überzeugen, in dieser Sache den Mund aufzumachen, aber in Sibellus bleibt eben nichts, was in den Straßen passiert, unbeobachtet.“
Will mir gar nicht vorstellen, was sie dafür machen musste.“, hörte Hrubens Arn da die Stimme von Phos Isand in seinem Kopf und begann dreckig zu lachen, was er schnell mit einem Husten kaschierte.
„Also bleibt für uns noch zu klären, ob Ranos oder Kessler selbst die undichte Stelle war, oder ob es vielleicht andere Mittelsmänner dazwischen gegeben hat.“ Frosts Analyse war beendet.
„Also mein Geld setze ich auf diesen Kessler. Der hat vielleicht Zugang zu den Entschlüsselungs-Codes. Die kann ein einfacher Akolyth wie dieser Ranos doch gar nicht haben.“, dachte Hrubens Arn laut.
„Wissen Sie, Arn“, entgegnete Railoun mit einem leichten Lächeln, „Sie würden nicht glauben, wie einfallsreich und überrasched manche Akolythen sein können.“
Blender setzte einen verletzten Gesichtsausdruck auf, während sich alle anderen erhoben und fertig machten. „Hey, Chef, was wollen Sie denn damit sagen?“
Granits Hand klopfte Blender die gespielte Empörung flugs aus dem Körper, als er ihm auf die Schulter schlug. „Er ist nicht umsonst Interrogator.“
Railoun wandte sich an alle: „Also – finden wir diesen Ranos. Ich möchte selbst mit ihm sprechen, also geben Sie Bescheid, wenn Sie ihn haben.“

„Der Kerl da hat nach Dir gefragt, Syd.“ Lafris ließ durch seine Körperhaltung nicht erkennen, dass er irgendwie zur Kenntnis genommen hatte, dass sich Sydne Htek gerade zu ihm an die Bar gestellt und ein Glas Dyne bestellt hatte. Lafris selbst trank ein Bier, und er wusste, dass Sydne niemals Bier trank, immer nur diesen künstlichen, destillierten Mist.
„Der Große mit den Tattoos?“ Sydnes Stimme war nur ein Hauch, gerade eben laut genug, dass Lafris sie irgendwie wahrnehmen konnte. Sydne war mittelgroß, hatte schulterlanges, pechschwarzes Haar, sehr blasse Haut und trug wie immer einen dunkelgrauen Mantel, der weitere Details verbarg.
Lafris wusste, dass Sydne immer bewaffnet war und dass er auch hervorragend auf sich selbst aufpassen konnte. Er war auch ziemlich sicher, dass Sydne gar nicht sein richtiger Name und er ein Cop oder so etwas war, aber wen störte da? Lafris sicher nicht, denn Sydne zahlte verdammt ordentlich, und außerdem war er auch kein so übler Kerl. Ein Mann an der Grenze zum Abstieg in den Sumpf des Niederhives und dem damit verbundenen einzigen Ausweg – den Gang in die vollkommene Gesetzlosigkeit – durfte bei der Suche nach Geldgebern nicht wählerisch sein. Lafris war es eigentlich schnuppe, ob er sein Geld von irgendeinem Unterweltboss oder von den Cops bekam, nur dass hier die Chancen weniger schlecht standen, irgendwann mit durchgeschnittener Kehle in der Gosse zu liegen oder sich eine Kugel einzufangen und dann erbärmlich an irgendeiner Wundfäule zu krepieren.
„Hat Dich ziemlich gut beschrieben, aber nen anderen Namen verwendet. Ranof oder so.“
Das schien genug Information für Sydne zu sein. Er legte einige Münzen auf den Thresen, die wesentlich mehr als die Bezahlung für das von ihm kaum angerührte Getränk waren – augenscheinlich eine Aufmerksamkeit für Lafris‘ Wachsamkeit und dieser musste den mürrisch dreinschauenden Wirt mit einer verdammt grimmigen Visage davon abhalten, sofort alles einzustreichen.

Ranos verließ die Schenke und schlug den Kragen seines Mantels hoch. Dann entfernte er sich rasch und tauchte in der Menschenmenge unter. Verstohlen warf er Blicke über die Schulter, wenn sich die Gelegenheit bot. Tatsächlich folgte ihm der riesige, dunkelhäutige, tätowierte Mann. Entweder ist derjenige, der ihn geschickt hat, ein absoluter Vollpfosten, oder aber, er ist gar nicht mein eigentlicher Verfolger, sondern das hier ist eine Treibjagd. Wenn die von meinem wirklichen Namen wissen, ist es auch wahrscheinlich, dass sie meinen Beruf kennen. Warum also einem Inquisitionsagenten folgen? Wer waren die, die hinter ihm her waren? Erneut blickte er sich um. Der Kerl war weg. Ranos blieb stehen und wandte sich vollständig um. Ein Arm war unter seinem Mantel verschwunden und lag auf dem Griff des Nadelwerfers, der ihm einst bei der Ergreifung von Kyrill Anders so gute Dienste geleistet hatte.
Da war der Kerl wieder, viel näher diesmal! Ranos duckte sich zur Seite und verschwand hinter einer Gruppe von Passanten, denen sein merkwürdiges Verhalten nicht gleichgültiger hätte sein können. Er glitt in eine Seitenstraße dieser heruntergekommenen Gegend. Vor ihm lag ein Obdachloser in einem Haufen Unrat, sonst war die Gasse menschenleer. Links und recht stiegen die nackten Habblöcke zig Meter in die Höhe, so dass selbst zu dieser Tageszeit schummriges Zwielicht die Szene dominierte. Übelriechende Dämpfe und Rauch aus Abluft- und seltener aus Klimatisierungsanlagen erschwerte das freie Atmen. Die Lage gefiel ihm nicht besonders und er bedauerte, diesen Engpass betreten zu haben, doch nun musste er durch. Er konnte wohl auch einfach seine Marke zücken und „Inquisition!“ rufen, aber er war nicht in seinem Beruf, weil er Herausforderungen ablehnte und ein wenig Spannung nicht zu schätzen wusste. Die „Inquisition!“s-Nummer konnte er ja immer noch bringen. Sollte der massige Typ doch mal zusehen, wie er sich in dieser engen Gasse an seine Fersen heftete.
Der Verfolger, der einige Meter nach ihm die Gasse betrat, war jedoch alles andere als schwerfällig und groß. Eine schlanke, zierliche Person in einem ziemlich eng anliegenden Körperanzug, augenscheinlich weiblich, deren lange, dunkelbraune Haare ein recht hübsches Gesicht einrahmten.
Ranos war viel zu lange in dem Geschäft, um gefährliche Menschen nicht sofort zu erkennen. Die arbeitete wahrscheinlich in einem ähnlichen Zweig wie er vor seiner Zeit bei der Inquisition. Er glaubte, an ihren Beinen Waffenscheiden gesehen zu haben. Ranos erkannte, dass er bereits fast lief, während er sich diese Gedanken durch den Kopf gehen ließ. Verdammt, wer waren diese Typen? Er hatte definitiv Recht mit der Treibagd gehabt.
Er griff an sein Microbead: „Ranos an Vogelschar. Benötige Unterstützung. Sofortiger Einsatzbefehl.“ Er hoffte, dass seine Leute schnell genug sein würden. Wieviele mochten es wohl sein, die ihn verfolg– er bog um die nächste Ecke und blickte direkt in ein strenges, von Narben gezeichnetes Gesicht unter einem sauber gestutzten, grauen Haarschopf. Noch einer!
Er riß die Augen auf und seine Hand griff nach der Marke, die ihn als Inquisitionsagenten ausweisen würde. „Ich bin von der…“ Die Faust des anderen krachte in sein Gesicht.
„Ich weiß. Wir auch.“, sagte Gerhart Thracian, während er sich nach dem erschlafften Körper bückte.

„Der ist ja komplett benommen. Wird aber schon wieder aufwachen, oder?“ Es war eine verdammt unangenehme Stimme, die Ranos am Rande seines Bewusstseins wahrnahm.
Etwas schlug unsanft in sein Gesicht. „Na komm, komm, wach auf. Ich weiß ja, unser Pater hat einen harten Schlag, aber sei mal lieber froh, dass Granit nicht als erster da war.“ Ranos bewegte den Kopf und stöhnte gequält. Vor ihm stand ein Mann, ungefähr so groß wie er, mit hellbraunem Haar, dass zu einem Pferdeschwanz gebunden war. In einer Hand hielt er ein Messer, die andere lag an Ranos Wange, im Mund hatte er einen Zahnstocher, der mit seinen Worten auf und ab tanzte. „Na schau, wer wieder wach geworden is?“
„Ist gut, danke.“ Eine andere Stimme. Aber nicht die unangenehme von gerade eben. Weiter hinten stand ein Glatzkopf an der Wand. Gerade eben hatte aber der Blonde gesprochen, der – in einen bodenlangen, hellbraunen Mantel gekleidet  - nicht weit entfernt von ihm in der Hocke war und fast auf Augenhöhe direkt zu ihm hinsah.
„Sie sind Gestrat Ranos, richtig?“, fragte der Mann.
Ranos spürte, wie ihm die Kotze hochstieg und musste schlucken. Seine Nase war anscheinend gebrochen, blutete ihm das Gesicht voll und sandte pulsierende Schmerzen durch sein Bewusstsein. „Erst zuschlagen und dann Fragen stellen, was?“
„Oh, das würde ich nicht persönlich nehmen – also das mit dem Schlag.“, erwiderte der Blonde und erhob sich.
„Richtig.“, sagte da die Stimme des Mannes der ihn geschlagen hatte. Er stand anscheinend hinter ihm. „Tut mir Leid wegen der Nase, Ihr habt Euch leicht bewegt. Der Imperator möge es Euch vergelten.“
„Das Fragenstellen ist übrigens reine Höflichkeit.“, fuhr der Blonde fort und kam näher.
Ranos spuckte etwas Blut zwischen ihnen auf den Boden. Er konnte seine Hände nicht bewegen, wurde anscheinend gehalten. „Ruhig, Junge.“ Tiefes Grollen drang an sein Ohr, als ob man Steine aneinander reiben würde.
„Ich kann Meister Glatze da drüben auch ein Zeichen geben und der saugt die Informationen einfach aus ihrem Kopf.“ Der Blonde wies zu dem Mann an der Wand, der etwas beleidigt dreinschaute. Scheiße, ein Psioniker, dachte Ranos. Entweder der Typ ist sanktioniert oder ich bin total im Arsch.
„Oder beides.“, sagte da der Mann. Er war tatsächlich der, den Ranos zuerst gehört hatte.
„Hey!“, wandte sich da der Blonde zu ihm um.
Der Glatzkopf hob entschuldigend die Hände. „Ich hab nicht gelauscht, ehrlich, aber der brüllt seine Gedanken ja mehr oder weniger heraus momentan.“ Sofort blickte der Telepath ihn an. „Mach den Mund auf, dann können wir alle wieder nach Hause gehen. Sonst grabe ich mich in Deinen Kopf und wenn ich fertig bin, kannst Du nicht mal mehr alleine pissen, kapiert?“ Er hatte ganz ruhig gesprochen. Die Kombination aus dieser Gelassenheit und der wirklich entnervenden Stimme war extrem einschüchternd.
„Was wollen Sie von mir?“, Ranos blickte wieder den Blonden an. „Wenn Sie wissen wer ich bin, werden Sie auch wissen, für wen ich arbeite.“
„Und das bedeutet“, sang eine Frauenstimme von hinten, bevor sich die schlanke und extrem aufreizend gekleidete Verfolgerin von vorhin um ihn herum und an die Seite des Blonden schälte, „dass wir mit dem Risiko leben können oder befugt sind, das zu tun, was wir hier tun.“ Sie lächelte. „Schön, dass das geklärt ist.“
Der Mann mit dem Pferdeschwanz warf wirbelnd das Messer in die Luft, nur um es gleich wieder aufzufangen und erneut zu werfen.
„So, jetzt aber mal raus mit der Sprache. Der Datenkristall, den Zane Ihnen gegeben hat, den er dem Boten abgenommen hatte, was haben Sie mit dem gemacht?“ Der Blonde sah ihn durchdringend an und wirkte seltsam entschlossen.
„Sie wissen, dass ich darüber nicht sprechen kann.“, grunzte Ranos.
„Würde einer von Euch in so einer Lage reden?“, fragte da wieder eine andere Stimme. Wie viele von den Typen gab es denn? Ein Mann mit einem kragenlosen weißen Hemd, Lederjacke und graublauer Hose blickte sich in der Runde um, nachdem er von der hinteren Wand weggetreten war. „Ich will für Euch hoffen, dass jetzt niemand die Hand hebt. Wir müssen ihm glaube ich schon ein bisschen was sagen zu der ganzen Sache.“
Der Glatzkopf schüttelte den Kopf. „Also „müssen“ ist ein wenig übertrieben.“
Der Neue schob sich ein Lho in den Mund, entzündete es und blies nach einem genüßlichen Zug bläulichen Rauch aus dem Mund. „Wir sind auch von der Inquisition.“, begann er. „Mein Name ist Frost. Wir arbeiten für Inquisitor Varitani.“
Ranos Augen zuckten hin und her, während er sich alle, die er sehen konnte, nochmals einprägte. „Varitani – Ordo Malleus, glaube ich.“, murmelte er. Auf einmal hielt Wut in seinem Gesicht Einzug: „Und was soll dann der Zirkus?!“
„Der Kristall enthielt Informationen, die exklusiv für einen bestimmten Adressaten bestimmt waren. Diese Informationen wurden veruntreut – massiv veruntreut. Sie können sich vorstellen, welchen Ärger undichte Stellen bedeuten können.“
Ranos blickte zwischen Frost und dem Blonden hin und her. „Davon – weiß ich nichts. Ich habe den Kristall direkt weitergegeben. Kenntnis von seinen Inhalten habe ich nicht.“
Der Blonde kniff die Lippen zusammen, dann die Augen. „Warum haben Sie ihn überhaupt genommen?“
„Weil man ihn mir gegeben hat? Ich war nur der Bote.“
„Sie hatten also keinen Auftrag, speziell diesen Kristall zu entwenden?“, erkundigte sich die Frau.
„Ich hatte den Auftrag, von einem Mann etwas entgegenzunehmen und es einem anderen zu geben. Das – ist – alles.“ Ranos Antworten waren trotzig, wirkten aber ehrlich.
„Wem haben Sie den Kristall gegeben?“
„Das kann ich nicht…“
„Wir sollen dieses Leck finden und stopfen. Außerdem sollen wir rausfinden, wohin das Leck führt.“, erläuterte Frost. „Glauben Sie, wir nehmen Sie hier gern auseinander?“
„Keine Ahnung, wie Ihr das beim Ordo Malleus so handhabt.“
„Also Typen aus dem eigenen Lager zu bearbeiten ist eher die Spezialität von einem anderen Ordo, was?“ Der Mann mit dem Pferdeschwanz grinste verschmitzt.
„Wir tun, was getan werden muss. Also helfen Sie uns weiter oder es wird schmutzig.“ Der Blonde verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir haben nicht sehr viel Zeit.“
„Es kommt jemand.“, sagte der Glatzkopf plötzlich. „Es sind drei, nein, vier.“
Es bedurfte keiner Befehle, sofort setzten sich alle in Bewegung. Ranos wurde auf die Beine gezerrt, weiterhin gut festgehalten. „Ganz ruhig.“, dröhnte wieder die Mahlsteinstimme in seinen Ohren.
„Haben Sie Hilfe gerufen, Ranos?“, fragte Frost.
Ranos nickte. „Läuft wohl doch nicht alles so geschmiert wie gedacht, was?“
Frost lächelte, dann zog er an seinem Lho. „Wäre auch traurig, nicht. Also, wer hat die Informationen weitergegeben? Kessler?“
Ranos Augen bewegten sich weit genug, um Frost ein Wiedererkennen des Namens zu bestätigen. „Hören Sie, Ranos. Ich persönlich denke, man würde ohne die Entschlüsselungscodes sowieso nicht viel mit dem Kristall machen können. Die sollte weder ein Akolyth wie Sie noch ein Interrogator wie Kessler haben. Über Sie hört man eigentlich nur Gutes, über Kessler eher weniger. Ihm würde ich das also eher zutrauen als Ihnen.“
Ranos blickte grimmig geradeaus.
„Wegen irgendeines spionierenden Bastards wissen jetzt Leute ausserhalb unserer Organisation über Details einer heiklen Operation. Ich glaube, dass es einfach Zufall war, dass der Kristall in Ihre Hände geraten ist. Ich bin auch der Meinung, dass es in Ordnung war, wie Sie sich verhalten haben – falls sie ihn einfach weitergegeben haben. Die Frage, die ich mir stellen muss, ist folgende: Könnte Kessler den Kristall jemand vollkommen anderem gegeben haben? Hat er sich Codes beschafft? Oder hat Inquisitor Vaarak vielleicht damit zu tun?“
Ranos Augen funkelten wütend. „Der Inquisitor hat sicher keine Informationen veruntreut! Wenn er hier wäre, würden Sie nicht so sprechen.“
Frost zuckte mit den Achseln. „Kann sein. Sind schon verdammt einschüchternd, diese Inquisitoren, was? Was meinen Sie, wie es Ihnen ginge, wenn Varitani hier wäre? Meinen Sie, der hätte gezögert, den Telepathen auf Sie zu hetzen?“ Frost schüttelte den Kopf. „Nein, Ranos, ihr Hirn wäre bereits Muß. Eins muss ich Ihnen noch sagen: unser Interrogator da drüben“, und er deutete in Richtung des Blondschopfs, der nahe der Frau an einer Ecke in Deckung stand, „sieht zwar vielleicht nicht so einschüchternd aus, aber der wird genau dasselbe machen, wenn diese Sache hier geklärt ist.“
Ranos sah Frost abschätzend an. „Sie haben vorher schon Recht gehabt, Frost. Würden Sie an meiner Stelle reden?“
Frost kniff die Lippen zusammen und schnippte dann den Rest des Lho-Stäbchens in den Dreck. Dann schüttelte er den Kopf. „Anfangs sicher nicht. Denken Sie mal drüber nach. Falls Kessler unser Mann ist, wollen Sie dann, dass Vaarak so einen direkt unter sich hat? Wollen Sie einen Inquisitor Kessler erleben, der Geheimnisse ohne das Wissen seines Chefs verkauft? Vor allem sind diese Daten wohl zuerst innerhalb des Ordo Hereticus herumgereicht worden, wie es den Anschein hat. Mir scheint also, Inquisitor Vaarak sollte ein wenig in seinem eigenen Haus putzen, bevor er wieder Ketzer fängt.“
Ranos dachte nach. Wenn das stimmte, dann – dann hatte dieser Frost Recht.
„Lassen Sie ihn los, Granit.“
Sofort lockerte sich der Griff um Ranos hinter dem Rücken verdrehten Armen, und dieser bewegte die schmerzenden Glieder vorsichtig durch. Dann berührte er seine gebrochene Nase.
„Unser Psioniker kann das…“
„Der soll sich hüten.“, fauchte Ranos.

„Gibt’s hier ein Problem?“, rief da eine strenge Stimme die Gasse herunter. Einige Gestalten standen im Sichtfeld von Frost, Ranos und Granit, während die restlichen seiner Entführer in der Seitennische verborgen waren. Der Mann, der gesprochen hatte, trug einen robenartigen Überwurf, hatte graues, recht kurzes Haar und blickte sie aus blauen, harten Augen an.
„Ach, wir unterhalten uns hier nur ganz freundlich.“, erwiderte Frost.
„Ja, Ihr seht mir auch wie beschissen freundliche Typen aus.“, rief da ein anderer Mann. Er war über und über mit Waffen behängt, von Narben übersäht und sah aus, als lebe er beständig auf einem Schlachtfeld. Sein Tonfall ließ keine Zweifel daran, dass er bereit war, jeden Moment loszuschlagen.
Ein dritter Mann, eigentümlich gut gekleidet für diese Gegend, schwang einen Spazierstock oder etwas in der Art. „Ich denke, wir können die Sache vielleicht auch friedlich regeln.“
„Schnauze, Burgos!“, fauchte der zweite Mann. „Los, rückt ihn raus, oder Ihr kriegt mehr Ärger als Ihr Euch vorstellen könnt.“ Er spuckte aus. „Scheiße, Mann, mein Abzugsfinger juckt.“

„Ranos, Sie können gehen.“, sagte Frost.
Ranos merkte, wie Railoun ihn darob überrascht ansah, doch auch der Blonde nickte ihm zu. Ranos Retter hatten den Blick ihres zu Rettenden natürlich bemerkt. Der erste Mann sagte: „Wir wissen schon, dass da noch jemand hinter der Ecke steht. Der Imperator stehe mir bei, wenn wir uns davon ins Bockshorn jagen lassen.“
„Genau.“, sagte da eine vierte Stimme. Die Augen aller Beteiligten wanderten zu ihrer Quelle, die ihren Oberkörper durch eine unwahrscheinlich enge Luke gute vier Meter über dem Boden der Gasse gezwängt hatte und zwei Revolver auf die Gruppe gerichtet hielt. Der junge, ungewöhnlich hübsche Mann blickte sie freundlich an. „Schön entspannt bleiben allerseits, dann bleiben meine Kleinen hier auch schön ruhig.“ Er grinste Cattaleya an. „Na“, rief er fröhlich nach unten, „alles klar bei Dir?“
Die fing spontan an zu lachen. Es dauerte nicht lange, aber kam von Herzen, so wie es sich anhörte. „Das war’s?“, rief sie amüsiert nach oben. „Funktioniert das normalerweise?“
„Mein Eloquenzdefizit mache ich sonst durch mein verflucht gutes Aussehen wett.“, kam die prompte Antwort.
„Darf das denn wahr sein!“, grollte der erste Mann. „Verbal, konzentrieren Sie sich auf Ihre Aufgabe.“
„Ich denke, Sie sollten Ihre Leute zurückpfeiffen, Ranos, bevor die Fassade der Professionalität noch mehr bröckelt.“, raunte Frost.
Ranos fasste sich an den schmerzenden Kopf und löste sich dann von der Gruppe. „Verbal, ziehen Sie sich zurück.“, rief er nach oben. Dann taumelte er weiter, stützte sich mit einer Hand ab. „Wir rücken ab.“, rief er seinen Leuten zu.
„Scheiße.“, grollte der zweite Mann. „Sind Sie sicher?“
„Ja, ich bin sicher, Anders, ich bin sicher. Wir haben andere Dinge vor uns, um die wir uns kümmern müssen.“ Damit sah er zu Frost zurück. Die Hand von Pater Alexandros Deneva fasste nach seinem Arm, um ihn zu stützen. „Danke.“, sagte Ranos.

„Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich mich da etwas weit aus dem Fenster gelehnt habe.“, sagte Frost zu späterer Stunde an Immarut Railoun gewandt.
Dieser nickte. „Na, Sie waren zumindest nicht der, der das am Offensichtlichsten getan hat.“
Frost lächelte. Der Rückzug dieses Verbal durch das enge Fenster war nicht ganz so eindrucksvoll gewesen, wie sein plötzliches Auftauchen. „Trotzdem war es ein Risiko. Ich denke aber, dass Ranos der Sache gründlicher nachgehen wird, als wir das je könnten.“
Railoun nickte zustimmend, während er an einem Glas Wasser nippte. „Ich kenne zwar Inquisitor Vaarak nicht, aber ich denke auch, dass er kein solches Verhalten dulden wird. Wer weiß, vielleicht ist dieser Kessler ja gar nicht mehr lange unter seinen Mitarbeitern, sondern schmort in irgendwelchen Kammern im Trikornus.“
„Wird Varitani zufrieden sein?“
Railoun sah Frost direkt in die Augen. „Ich denke, der hat momentan ganz andere Sorgen.“
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 12. Mai 2013, 17:16:58
5 – Verbrennt die Ketzer

Die beiden Ordo Malleus-Inquisitoren Arethrus und Varitani verließen den Hochsicherheitsaufzug, der sie in die Schlünde unter dem Trikornus gebracht hatte. Sie waren sogar jenseits des Dicasterium Invisibilis, des unsichtbaren Kollegiums, das sozusagen den Bodensatz des Trikornus bildete, sowohl wortlich als auch im übertragenen Sinne. Nachdem sie erneut ihre Idendität mittels diverser Retina- und DNA-Scanner hatten bestätigen lassen, durchquerten sie das Sub-Atrium, einen breiten, quadratischen Raum aus dunkelgrau poliertem Stein. Eckige Säulen flankierten sie links und rechts, als sie auf die zentral stehende Statue zuhielten, die drei Inquisitoren zeigte, jeder in einer überstilisierten Ordos-Tracht jeweils des Ordo Hereticus, des Ordo Xenos und des Ordo Malleus. Hexenjäger, Alienjäger und Daemonenjäger vereint im Kampf gegen die Feinde des Imperiums, alle drei mit gerecktem Kinn und gezogenen Waffen zu einem fernen Imperator aufschauend. Unter der Statue aus hellem Marmor standen auf einer Tafel die Worte: "Hütet Euch vor dem Alien, dem Mutanten, dem Ketzer. Brennen sollen sie!" Weiter ging es durch einen schmucklosen Steingang - den einzigen, der von dem Raum wegführte. Vor ihnen befand sich ihr Ziel.
Die unterste Ratskammer des Trikornus, die Caidin als Durchführungsort der Beratungen ausgewählt hatte, war mit jeglicher dem Imperium der Menschheit bekannten Abschirmungstechnologie geschützt und wurde an diesem Tag von Mitgliedern der Death Watch beschützt, mächtigen Astartes im Dienste der Imperialen Inquisition. Zwei der Krieger standen links und rechts der riesigen Tore, die den Zutritt zur Ratshalle gewährten. Die schwarzen Rüstungen der übermenschengroßen, genetisch veränderten und mutierten Soldaten waren mit einigen Reinheitssiegeln versehen. Die linken Armpartien der Rüstungen waren von Silber, die rechten Schulterplatten wiesen die Farben und das Symbol der Kapitel auf, aus welchen die Battle-Brothers ursprünglich stammten, in diesem Falle die Ultramarines und die Space Wolves. In ihrem Armen lagen Boltgewehre, zu groß und zu schwer, als dass ein Mensch sie hätte tragen oder verwenden können.

Arethrus und Varitani passierten die Space Marines, ohne dass einer der beiden in irgendeiner Form zu erkennen gab, ihre Anwesenheit auch nur bemerkt zu haben. Es war keine gewöhnliche Versammlung, das war klar. Einige Servitoren waren noch immer mit der Dekoration der Ratskammer beschäftigt, die nur äußerst selten benutzt wurde.
Der kreisrunde Raum mit fünfzig Metern im Durchmesser wurde von den Sitzen der Ratsherren dominiert. Von einem Säulenkreis unweit der Marmorwände des Saales gesäumt stand ein aus mehreren voneinander getrennten Teilen angedeutetes Tischrund auf einer kreisförmigen Plattform zentral im Raum. Es gab bis auf die technischen Gerätschaften, die gerade von zwei Tech-Priestern des Adeptus Mechanicus gesalbt wurden, und den Stoffen der Banner fast nur Stein. Kein Stuhl, kein Tisch, nichts davon war aus Holz, Metall oder Kunststoffen. In der Mitte des Tischrunds war die Rednerfläche, eine tiefergelegene - wer zu den Ratsherren sprechen wollte, musste zu ihnen aufsehen – Platte aus Marmor, deren Zentrum ein riesiges, die ineinander verschlungenen Inquisitionsrosetten der verschiedenen Ordos darstellendes Mosaik enthielt.

Varitani war noch nie in dem Saal gewesen, Arethrus schon mehrmals. Er ging zielstrebig auf einen Platz an dem Steintisch zu, während Varitani die Atmosphäre des Raumes auf sich wirken ließ. Der Lord Inquisitor musste einige Stufen erklimmen, bis er das kreisförmige Podest erreicht hatte, auf dem dann ein Bereich des Tisches stand, hinter dem weit über ihnen ein riesiges, mittelbraunes Banner von der Kuppeldecke hing, auf dem das rote I mit dem Totenschädel in der Mitte - das Symbol der Inquisition, der linken Hand des Imperators - zu sehen war. Arethrus rückte einen Stuhl aus hellem, poliertem Stein zu Recht und nahm Platz. Neben ihm stand ein weiterer der Stühle und Varitani machte sich auf den Weg. Er sah noch andere Banner, eines davon wurde gerade von zwei Servitoren entrollt, die sich auf einem Wartungsgang in schwindelnder Höhe mit absoluter Sicherheit bewegten.
Arethrus hatte damit begonnen, eine beträchtliche Anzahl an Datentafeln zu schlichten, auch eine Konsole entblößt, die in der von Intarsien verzierten und auf absoluten Hochglanz polierten Tischfläche untergebracht war.

Servitoren mit langen Stangen betraten nun den Raum. Varitani sah ihnen dabei zu, wie sie an Eisenketten hängende Kohlebecken entzündeten, die in großer Höhe an Haltevorrichtungen von den bildhauerisch mit zahlreichen Mustern, Darstellungen und Verzierungen versehenen Säulen angebracht waren. Das Licht wurde gedimmt und die Atmosphäre in dem Saal veränderte sich schlagartig. Die Kohlepfannen gaben warmes Licht ab, jedoch schwächer als die Leuchtglobi, die man gerade abgeschaltet hatte.

Einer der Tech-Priester bewegte sich auf Varitani zu. Er war in die weiten roten Roben der Marsianer gekleidet, die ungeahnte Geheimnisse zu verbergen schienen, bewegte sich jedoch mit federndem und leisem Schritt, was Varitani vermuten ließ, dass er noch seine natürlichen Beine besaß. Selbst der kleine Bereich des Gesichts jedoch, den man unter der schweren, ebenfalls dunkelroten Kapuze sehen konnte, zeigte deutliche Spuren von Veränderung. Ein Auge war durch einen Sensor-Okular ersetzt worden, zahlreiche Schläuche liefen den Hals entlang und verschwanden unter der Robe, und obwohl Varitani beide Arme sehen könnte, war er sich sicher, dass sich die Robe vor der Brust des Tech-Priesters unnatürlich bewegt hatte - vielleicht ein Mechadendrit - ein mechnischer Arm, den das Geschöpf mit seinem Willen frei bewegen konnte.
"Sie sind Inquisitor Varitani, stimmt das?", fragte der Marisaner frei heraus ohne jegliche Begrüßungsfloskeln.
Varitani schätzte das. Er konnte der logischen und effizienten Art des Adetus Mechanicus einiges abgewinnen. "Ja, ich bin Varitani."
Der Rote nickte. "Ich bin Transmechanicus Zalsmid. Ich werde Ihnen mit den hololithischen Systemen assistieren, also mit der Aufarbeitung gesegneter Datenströme in audiovisuell erfassbare Form."
"Mögen uns die Maschinengeister gewogen sein.", erwiderte Varitani.
Das gesunde Auge des Transmechanicus zog sich kurz zusammen, bevor er unmelodisch antwortete: "Möge es so sein."
Mittlerweile hatte sich auch der zweite Tech-Priester genähert. Dieser war ungleich beeindruckender anzuschauen. Seine Robe war zwar vom gleichen Rot wie die Zalsmids, doch mit goldener Borte gesäumt und von selbst für Varitanis scharfe Augen schwer zu erkennenden, in das Gewebe eingearbeitenden Mustern übersäht. Der Inquisitor meinte Schaltpläne und Schemata zu entdecken, rot in rot eingewoben in die weiten Gewänder dieses zweifellos hochrangigen Mitglieds der so geheimnisvollen Tech-Priesterschaft des Mars.
"Das ist Magos Biologis Xyrrton." Zalsmid trat zurück.
Der Magos stand turmhoch vor dem Inquisitor. Sein sichtbarer Körper war vollständig durch Technik ersetzt worden, zwei hell leuchtende, weiße Strahlen drangen aus seinen Okularkonstrukten, sein Mund war ein unbeweglicher Schlitz in einer dunkelgrauen Techmaske. Links und rechts entsprossen mächtige Mechadendriten seinen Schulterblättern, die über den Kopf des Techlords ragend seine ohnehin schon beträchtliche Körpergröße noch furcheinflößender erscheinen ließen.
"Magos.", grüßte Varitani mit leichtem Kopfnicken.
"Inquisitor. Man hat mich mit der Analyse der technischen Aspekte ihres letzten Einsatzes betraut, ebenso mit der Einschätzung des von Ihnen entdeckten Erregers TKK-221." Die einem Voxponder entströmende, körperlos kalte Stimme des Magos fuhr Varitani unter die Haut, aber er hatte natürlich schon viel Schlimmerem gegenüber gestanden. Er meinte, während der ersten Worte des Magos eine höchstwahrscheinlich an Zalsmid gerichtete kurze Passage in der Lingua technis, dem Maschinencode, gehört zu haben, die der Techpriester gleichzeitig mit dem Niedergothisch des Voxponders ausgestoßen hatte. Zalsmid entfernte sich wortlos und kehrte zu dem hololithischen Projektor zurück, wo er anscheinend seine Arbeit wieder aufnahm.
"Sie haben mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit gut daran getan, Xeiros Prime nicht schon der Vernichtung preisgegeben zu haben.", ließ der Magos noch verlauten, dann wandte er sich ab.
Ihm ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, wie sehr mir das hilft, dachte Varitani und konzentrierte sich kurz, um sein schnell schlagendes Herz ein bisschen zu verlangsamen. Was mochte der Tech-Priester gefunden haben, dass sein Handeln rechtfertigte. Er hatte Arethrus Worte „Wenn es schlecht läuft, kommen Sie dort gar nicht mehr als freier Mann hinaus“ noch im Kopf. Varitani wusste genau, was die Inquisition mit denen tat, die ihrer Meinung nach Verräter waren.
Hinter ihnen waren die Servitoren mit dem Entrollen des letzten Banners fertig und dieses zeigte - wie passend - auf schwarzem Grund den von einem Zahnrad umfassten Totenschädel, zur Hälfte natürlich, zur Hälfte mit Tech-Implantaten versehen, das Wappen des Adeptus Mechanicus. Dort waren also die Plätze der Marsianer.

Im Laufe der nächsten zwanzig Minuten kamen die restlichen Ratsmitglieder an. Servitoren waren nur mehr wenige in dem Saal, um sich der körperlichen Bedürfnisse der Ratsmitglieder anzunehmen. Varitani hatte neben dem Lord Inquisitor Platz genommen. Er hatte zwar auf dem Felde der Politik selbst noch relativ wenig zu tun gehabt, doch als Inquisitor kannte er die meisten der Ankommenden zumindest vom Namen her.
Am selben Tisch wie sie beide saß in einigem Abstand Lord Inquisitor Eirut Bahan vom Ordo Xenos Calixis, ein Mann in scheinbar mittlerem Alter. Pechschwarzes, kurz geschnittenes Haar und ein sauber gepflegter Vollbart rahmten ein nobles Gesicht von hellbrauner Hautfarbe ein. Sein Kopf war von einer grauen Kapuze bedeckt gewesen, die Bahan abgenommen hatte. Varitani war aufgefallen, dass er viel Schmuck trug, sowohl an den Händen als auch sonst. Goldene Ohrringe, unaufdringlich und gutaussehend und eine feingliedrige Kette, die von einem kleinen Goldring im linken Nasenflügel zum linken Ohr verlief, ließen das Bild eines wohlhabenden und auf sein Aussehen bedachten Mannes in Varitani auferstehen. Er wusste, dass alle Inquisitoren, die so lange im Geschäft waren, erstens einmal seltsame Charakterzüge entwickelten – oftmals eine leichte oder schwere Art von Paranoia – und dass sie zweitens in dem, was sie taten, gut waren. Man musste schon eine effektive Art entwickelt haben, seine Arbeit zu erledigen, ohne dass sie einen selbst umbrachte oder ins Vergessen stürzte, wenn man so lange diesen Beruf ausüben wollte.
Eirut Bahan, der hier in einem leichten, hellgrauen Kettenpanzer vor ihm saß, einen Zeremoniendolch im Gürtel, wurde von Arethrus meist nur als hochnäsig, eitel, eingebildet, machthungrig und viel zu sehr auf die Politik innerhalb der Inquisition fixiert dargestellt – was für Varitani insofern interessant war, als dass er selbst Arethrus die meisten dieser Eigenschaften ohne viel Federlesens zugeschrieben hätte. Eirut Bahan hatte anscheinend Unsummen auf die Anwendung von Juvenat-Behandlungen ausgegeben, um sich sein jugendliches Aussehen zu erhalten.
Varitani war auch aufgefallen, dass sich Lord Inquisitor Bahan zum Gehen eines Stocks bediente, hüfthoch, aus einem edlen Dunkelholz, vielleicht Nalholz, und einem Griff in Form eines Tierkopfes. Ein leichtes Hinken im linken Bein war zu erkennen. Varitani war nicht ganz klar, warum Bahan nicht auf ein prostethisches Bein wechselte. Als er Arethrus hinter vorgehaltener Hand darnach fragte, entgegnete dieser in gedämpfter Lautstärke: "Vielleicht findet er Prothesen unästethisch, vielleicht beleidigen Implantate seine Vorstellung der reinen menschlichen Form. Vielleicht meint er, so eine Eigenschaft hätte einen gewissen Stil. Seine Stärke liegt auf dem politischen Parkett und am Planungstisch, nicht im Feldeinsatz. Das war schon so, als er früher noch Interrogator war."

Der dritte mit ihnen unter dem Banner der Inquisition Sitzende war Rembrandt Gillenstern, ein Lord Inquisitor des Ordo Hereticus. Der alte Puritaner war zwar auch Ziel einiger Verjüngungskuren gewesen, doch hatten die augenscheinlich nicht darauf abgezielt, ihn auch jung oder hübsch aussehen zu lassen. Der furchteinflößende Lord Inquisitor steckte in einer Servorüstung, gar nicht so unähnlich der, die von den Astartes getragen wurde oder auch von der Schwesternschaft, des Adeptus Sororitas. Pechschwarz war sie, von einer Unzahl an Reinheitssiegeln und Ornamenten bedeckt, eine hohe Halsberge von den geraden und breiten Schultern aus den Kopf umschließend. Die Hälfte seines Gesichts war Kämpfen zum Opfer gefallen und durch metallisch schimmernde Prostethik ersetzt worden. Man konnte lautlos arbeitende Zahnräder und Servos sehen, Schläuche, die in der Rüstung verschwanden.
Der roh dargestellte Übergang von maschinellen zu fleischlichen Teilen seines Körpers war ebenso ein Zeugnis für die nicht vorhandene körperbezogene Eitelkeit dieses Mannes wie das Aussehen der intakten Stellen. Die Reste seines schütteren, grauen Haares waren kurz geschnitten, am Hinterkopf tonsuriert, und vom linken Ohr weg zog sich ein mächtiger, natürlich einseitiger Backenbart bis kurz vor den immer verzerrten Mund, aus dessen rechtem Winkel ebenfalls Schläuche in die Mechanik der rechten Gesichtshälfe führten. Wenn der Lord Inquisitor sprach und sich ausnahmsweise nicht seines eingebauten Voxponders bediente, wurden durch diese Schläuche unter anderem Sekrete abgesaugt, die ihm sonst aufgrund fehlender Gesichtsmuskelbeherrschung aus dem Mund laufen würden. Daher war seine ohnehin nur schwierig zu verstehende Rede immerzu von einem leicht gurgelnden, widerlichen Schlürfen begleitet. Bis auf das eisblaue Auge zeigte seine Mimik nur Unbeweglichkeit - jegliche Darstellung von Emotion durch seine Lähmung ausgelöscht. Die für Varitani im Moment bedeutsamste Eigenschaft von Lord Inquisitor Gillenstern war jedoch seine fast schon offene Feindschaft zu Lord Inquisitor Arethrus. Die Animosität bestand schon solange sich Varitani erinnern konnte. Sein ehemaliger Mentor hatte ihm nie verraten, worauf sie sich gründete, doch hatte Varitani ihre Auswirkungen schon öfters in Form von Sticheleien und dem Vorenthalten von Unterstützung durch den Ordo Hereticus erfahren müssen.
Eirut Bahan und Rembrandt Gillenstern waren primär für diese Sitzung verantwortlich. Es war Gillenstern gewesen, der wohl als erster nach diesem Hiron Kessler – von dem Varitani hoffte, dass er mittlerweile in der Hölle schmorte – den Datenkristall mit seinem vorläufigen Bericht erhalten und ihn anstatt in Varitanis Sinne vor allem zu eigenem politischen Nutzen verwendet hatte. Laut Arethrus, der sich in innenpolitischen Dingen wesentlich besser auskannte als Varitani, hatte Bahan Gillenstern einmal aus einer schlimmen Klemme geholfen und war seither mit ihm verbündet, wenn es um den politischen Machtgewinn ging.
Fast hätte Varitani die letzte Gestalt, die nur einfache, braune Roben trug, für einen Assistenten oder dergleichen gehalten, vielleicht auch für einen Abgeordneten des Ministorums. Dann jedoch hatten sich alle drei Lord Inquisitoren erhoben und vor der Gestalt verbeugt, die fern von jeglichem Prunkt und Trara zu einem weiter hinten stehenden Stuhl gegangen war und sich niedergelassen hatte. Sofort schien sich dort ganz besonders viel Schatten zu sammeln, und Großinquisitor Caidin war kaum noch schemenhaft zu erkennen.
Varitani erschauerte. Er hatte den Mann noch nie gesehen, nur von ihm gehört. Bis heute war er sich gar nicht sicher gewesen, ob es ihn überhaupt gab. Es waren durchaus auch Gerüchte im Umlauf, es wären mehrere Personen oder eben nur ein Gespinst, um das fragile Gebilde der Inquisition im Calixis-Sektor halbwegs unter einem Banner zu halten.

Das war also die Abordnung der Imperialen Inquisition, die personenstärkste der anwesenden Gruppen. Erst nach dem Eintreffen aller bisher genannten Amtsinhaber schwebte auch eine Hoverplattform an den Raum, die den greisen Kardinalsekretärs des Adeptus Ministorum Calixis, der Ekklesiarchie, trug. Sein Erscheinen konnte nur bedeuten, dass Erz-Kardinal Ignato der Ratssitzung nicht beiwohnen würde. Die schmächtig wirkende Figur in viel zu großen und mit allerhand Aufputz versehenen Roben versank in einem geradezu unappetitlich opulent ausgeführten und ausgestatteten Thron, der auf besagter Hoverplattform in den Raum glitt. Ihm voran schritten zwei asperigillschwingende Akolythen des Ministorums, die den Weg mit Weihwasser benetzten. Der markante Geruch verteilte sich sofort im ganzen Saal und Varitani sah sich an seinen Interrogator Railoun erinnert, der ja mit solch prominenten Geruchssinnen ausgestattet war.
Der Kardinalsekretär Drusian Fidelius Sebatianus selbst war schon seit langer Zeit in Amt und Würden und nur mehr ein Schatten seines alten Selbst. Alle Juvenat-Technologie würde ihm nicht mehr nützen. Die kachektische Gestalt mit den müden Augenliedern, den hängenden Tränensäcken, dem nur mehr von letztem Flaum bedeckten, fast kahlen Haupt und den zittrigen Händen würde jeder halbwegs vernünftige Mensch wohl eher ins Bett schicken als zu solch einer wichtigen Entscheidungsfindung. Doch solange die Mitarbeiter des Kardinalaspiranten seine Arbeit machten und der Erz-Kardinal keinen neuen Sekretär berief, würde er bis zu seinem Tod diese Position innehaben. Er hatte schon mehrere Erz-Kardinäle überlebt, sich wohl früher einmal selbst Hoffnungen auf diese Position gemacht, sie augenscheinlich aber nie erhalten. Varitani verstand auch sofort, warum man ihn nicht absetzte. Er bildete auf diese Weise ja einen natürlichen Schutzschirm, hinter dem man sich im Falle eines Fehlers verbergen konnte. Aber nein, WIR wollten das nicht, das war die Entscheidung des Kardinalsekretärs. Sehen Sie ihn sich nur an, ich denke, wir müssen uns über die Nachfolge Gedanken machen.

Hinter dem schwebenden Thron folgten zwei weitere Abgesandte des Erz-Kardinals und Varitani vermutete, dass er seine letzten Gedanken wohl einem der Beiden würde zuschreiben können, noch ehe die Ratssitzung beendet sein würde. Die zweifellos imposantere Erscheinung bildete eine mittelgroße Frau in schwarzer Servorüstung - eine ranghohe Angehörige des Adeptus Sororitas. Obligatorische Reinheitssiegel und Rosenkränze, ein in Gold geschlagenes Gebets- oder Gesangsbuch, sowie eine mit Ornamenten verzierte Inferno-Pistole und ein mit Gravuren versehenes Energieschwert verliehen der in federndem Gang Einherschreitenden eine ehrfurchtsvolle Aura. Die kurz geschnittenen Haare der Kriegerin waren von bleichem Weiß und ihre Haut bis auf eine Narbe, die sich unter ihrem linken Auge über ihre Wange zog, makellos. Ihre Bewegungen waren geschmeidig, und Varitani fand ihre Aura des Glaubens und der unnachgiebigen Härte, die er einfach aufgrund des Rufs des Adeptus Sororitas mit ihr in Verbindung brachte, seltsam anziehend. So deutete Varitani eine leichte Verbeugung in ihre Richtung an, als sich ihre Blicke kurz trafen. Es fiel Varitani durchaus auf, dass sie niemand sonst in die Augen sah. Bei seiner Verbeugung nickte sie fast unmerklich mit dem Kopf.
Der zweite Begleiter des Kardinals, gute drei Schritte hinter der Schwester des Adeptus Sororitas hergehend, war eine schmächtige Gestalt mit tief in den Höhlen liegenden, unruhig wässrigen  Augen, mit einer prominenten Stirnpartie aber fliehendem Kinn und hängenden Schultern. Er trug eine fast ebenso prächtige Robe wie der Sekretär, doch auch ihm war sie etwas zu groß, und er musste sie mit der einen Hand gerafft halten, während er mit der anderen einen Stapel aus einigen Datentafeln und Büchern schleppte. Weder die Kriegerin der Schwesternschaft noch der zweite männliche Adjutant des Erz-Kardinals waren Varitani oder Lord Inquisitor Arethrus bekannt.
Als letzte Partei traf abschließend Lord Sektor Marius Hax samt Gefolge ein, der Sektor-Gouverneur und damit Regierungsoberhaupt des gesamen Raumsektors, und als er den Raum betrat, wurde kein Wort mehr gesprochen, keine Bewegung mehr ausgeführt. Mit Ausnahme von vielleicht Caidin – das ließ sich einfach nicht sagen - richteten alle ihren Blick auf den schlanken, hochgewachsenen Mann anscheinend Mitte Fünfzig, der sich - in einfache, dunkle Roben gekleidet und kaum durch Schmuck geziert - gefolgt von einem guten halben Dutzend Beratern, die sich keineswegs so bescheiden gaben - sei es in Erscheinungsbild noch Gehabe - mit ruhigem, zielsicheren Schritt einen Weg zu seinem nochmals leicht erhöhten Platz des Ratsleiters bahnte, als ob er diesen Saal jeden Tag benutzen und es für ihn nur um eine Formalität gehen würde. Die Züge des Lord Sektor waren ehern, seine Gedanken nicht zu durchschauen. Doch - und Varitani erschauerte kurz - auch er warf dem Inquisitor - und nur ihm - einen kurzen Blick zu, bevor er sich setzte und begann, ihm gereichte Datentafeln durchzusehen.
Seine Berater nahmen an ihren Plätzen unterhalb der Banner und Wappen des Departemento Munitorums, der Imperialen Armee und der Imperialen Flotte Platz.

"Meine Herren", und Hax überging die Präsenz der zwei weiblichen Ratsteilnehmer ohne mit der Wimper zu zucken, "sind wir soweit?" Seine Stimme war ruhig, doch unmißverständlich authoritär und trug problemlos durch den ganzen Saal, auch wenn er nicht besonders laut sprach. Die Frage war rein rhetorisch.
"Nicht ganz, Lord Sektor." Lord Inquisitor Arethrus hatte sich erhoben und dem Gourverneur zugewandt. "Eine Person fehlt noch."
Hax blickte ihn fest an. "Wir beginnen trotzdem. Unser aller Zeit ist kostbar und die Tatsache, dass wir diese Ratsversammlung hier im Trikornus abhalten müssen und nicht im Leuchtenden Palast, ist dem auch nicht zuträglich."
"Über die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme kann erst nach Abschluß der Sitzung korrekt geurteilt werden."
"Dem mag so sein, Lord Inquisitor, oder auch nicht. Müßig, sich jetzt darüber Gedanken zu machen. Also, fangen Sie..."
Das Aufspringen des Portals ließ den Sektor-Gouverneur innehalten. Eine Gestalt von gebirgsgleicher Imposanz stand einen Moment lang im Eingangsbereich des Saales, bevor sie sich in Richtung von Arethrus und Varitani in Bewegung setzte. Der übermenschengroße Krieger steckte in voller Terminator-Servorüstung, silbern von Kopf bis Fuß und mit zahlreichen Sigillen, Reinheitssiegeln und Insignien verziert, ein Energieschwert an seiner Seite. Am linken Arm der Rüstung sah Varitani über dem Handrücken die Doppelmündung eines Sturmbolters. Der rechte Schulterpanzer trug ein golden stilisiertes, offenes Buch, beide sichtbaren Seiten mit Schlachtgebeten an den Imperator beschrieben.
Im bis auf das Knistern der Flammen in den Kohlebecken totenstillen Raum war das Arbeiten der Servos der Terminatorrüstung des Astartes deutlich zu hören, ebenso wie die schweren Schritte der gepanzerten Gestalt. Für die selbst nach Maßstäben des Adeptus Astartes härtesten Kampfeinsätze konzipiert, jedoch auch als Zeichen besonderer persönlicher Ehre getragen, war der Anblick der Rüstung dieses Kriegers wohl einmalig im Leben fast aller Ratsteilnehmer.
Arethrus faßte sich, als der Astartes hinter dem Tisch der Inquisition, knapp bei den beiden Mitgliedern den Ordo Malleus zum Stehen kam: "Lord Sektor, ich stelle Ihnen Brother-Paladin Lucian Verus vor, vom Orden der Grey Knights des Adeptus Astartes."
"Willkommen.", brachte Hax hervor. Auf das Kopfnicken des Astartes in Richtung des Sektor-Gouverneurs folgten einige peinliche Momente der Stille, die erst von Eirut Bahan unterbrochen wurden.
"Meine Damen und Herren!", begann der Lord Inquisitor und trat gemessenen Schrittes in die Mitte des Raumes. "Ich bin Inquisitor Eirut Bahan. Wir haben uns hier auf Wunsch von Lord Sektor Hax versammelt, um über die dramatische Situation von Xeiros Prime zu hören und darüber zu beraten, wie der sich dort entwickelnden Krise beizukommen ist. Da es Seine Inquisition war, die zuerst Kenntnis über die Situation auf Xeiros Prime erhielt, werden wir die Fakten präsentieren. Ich darf meinen geschätzten Kollegen Lord Inquisitor Arethrus bitten, diesen Teil zu übernehmen. Zuvor jedoch möchte ich Sie alle ersuchen, für das Protokoll klar und deutlich Ihren Rang und Ihren Namen zu nennen.“
Die mitschwingende Drohung war für alle Anwesenden klar und verständlich – zumindest hoffte Varitani das. Wenn hier Gesprochenes diesen Raum verließ und das der Inquisition bekannt würde, so hätte es gravierende Konsequenzen für die Betroffenen.
Jetzt erfuhr Varitani endlich die Namen der Principalis des Adeptus Sororitas, Celeria Angelia, sowie des ihm bisher unbekannten Assistenten von Erz-Kardinal Iganto, Prediger Orian Sibellian, der eine schrille und unangenehme Stimme hatte. Die Vertreter des Adeptus Terra waren neben Lord Sektor Marius Hax der Generalfeldmarschall der Imperialen Armee, Augustus Vaarn, sowie Lord Admiral Vire Anderton. Die Namen der Funktionäre des Departemento Munitorum und des Magistratums blieben nicht lange in seinem Gedächtnis.
Der Mann, den Varitani für Großinquisitor Caidin hielt, sagte nichts – niemand nahm Anstoß daran. Auch der Krieger des Adeptus Astartes blieb stumm.

"Dann wollen wir beginnen." Lord Inquisitor Arethrus trat in die Mitte des Vortragsbereichs und wandte sich in dann in Richtung der Delegation des Adeptus Mechanicus: "Daten über Xeiros Prime, wenn ich bitten darf, Transmechanicus Zalsmid."
Der Marsianer hatte sich mit einer Konsole an seinem Tisch verbunden und im Nu war das zartgrüne Leuchten der hololithischen Systeme zu sehen, als sie ihre Arbeit aufnahmen. Über Arethrus und knapp hinter ihm befanden sich nun mittem im Raum Darstellungen eines Planeten und diverser Diagramme, die Angaben über Dinge wie Bevölkerungsdichte, Niederschlagsmengen, Wirtschaftsleistung, militärische Kapazitäten und bedeutende Personen von Xeiros Prime enthielten.
"Ich möchte mit generellen Informationen zu unserem Problemfall Xeiros Prime beginnen. Ich nehme an, Sie kennen die Position der Welt."
"Ich denke, um das Verständnis aller Anwesenden zu gewährleisten, sollten Sie uns alle Informationen zukommen lassen, die entfernt relevant sein könnten. Xeiros Prime war ja für die meisten der hier Anwesenden eine bisher unbedeutende Entität.", ließ Lord Sektor Hax verlauten.
"Hört, hört.", rief Prediger Sibellian und lächelte breit in Richtung von Hax, der den schmächtigen Priester jedoch ignorierte. Kardinalsekretär Sebatianus kämpfe offensichtlich schon einen aussichtslosen Kampf gegen seine zufallenden Augenlieder.
"Das Xeiros-System liegt tief und fern anderer Welten im Malfianischen Subsektor. Als einziger bewohnter Planet des Systems scheint Xeiros Prime auf. Er verfügt über ein standardisiertes, imperiales Abwehrsystem aus Satelliten und einem kleinen Außenposten, der mit Abfangjägern bestückt ist. Xeiros hat keine relevante Rolle als Produzent von Gütern jedweder Art, ist aber aufgrund diverser Charakteristika, auf die ich noch zu sprechen komme, in seiner Versorgung prinzipiell autonom. Zusätzlich zu einigen kleinen Vorkommen von Bodenschätzen auf Xeiros Prime selbst befindet sich in dem System ein Asteroidengürtel nahe Xeiros Quintus. Dort wird mittels der Bergbaustation Khelors Hoffnung nach Korrelit, Armenin und Platin geschürft. Die einzige wirkliche Bedeutung, die Xeiros Prime im dem Sektor hat, ist seine Schöhnheit und die damit verbundene Attraktivität als Urlaubs- und Wohnort für wohlhabende imperiale Bürger.
Xeiros Prime selbst ist ein schwach besiedelter Planet mit geschätzten vierkommazwei Milliarden Einwohnern. Die Hauptstadt des Planeten heißt Antimon und befindet sich auf dem südlichen der drei Kontinente, Arrtjeha." Bei Arethrus in gemessener Geschwindigkeit vergetragenen Erläuterungen zoomte Zalsmid auf die Form des Planeten und ein Punkt auf dem südlichen Kontinent glomm auf.
"Xeiros Prime verfügt über eine Besonderheit, die den Planeten in gewissem Sinne einzigartig macht. Das Ökosystem hat sich aufgrund einer Sonnenstrahlung im Xeiros-System anders entwickelt als im restlichen uns bekannten Raum. Dürfte ich Sie bitten, das zu erläutern, Magos?"
Wortlos betrat die Gestalt des Tech-Priesters den Kreis mit dem Mosaik. Die tonlose Stimme ließ nach dem menschlich klingenden Vortrag Arethrus‘ in den meisten Zuhörern ein unangenehmes Gefühl aufsteigen.
"Die Solarstrahlung von Xeiros bewirkte eine molekulare Umstrukturierung in den sich auf Xeiros Prime entwickelnden Spezies, sowohl den vernunftbegabten als auch den noch minderwertigeren.", erläuterte der Magos. "So ist es Besuchern aus anderen Welten unmöglich, Nahrung von Xeiros Prime zu verzehren und umgekehrt. Dementsprechend besteht ein großer Prozentsatz der Importe, die das abgelegene Xeiros Prime tätigt, aus Nahrungsmitteln auswertiger Welten, zum Beispiel von Saatwelt AFG:218, um den beträchtlichen Anteil an Außenweltlern ernähren zu können."
"Verzeiht, Magos, doch inwiefern äußert sich denn diese Unverträglichkeit?", erkundigte sich mit sonorer Stimme Lord Inquisitor Bahan.
Arethrus antwortete statt dem Techpriester: "Sie können die Nahrung zwar zu sich nehmen und sie auch sehr schmackhaft finden, doch werden Sie bei der Verdauung keine Nährstoffe zu sich nehmen und die Nahrung unverdaut wieder ausscheiden."

"Das führt, nehme ich an, noch zu etwas?", ließ Prediger Sibellian verlauten, der mit einem Stift relativ gelangweilt auf eine Datentafel klopfte.
"Selbstverständlich.", gab Arethrus zurück. "Meinen Sie, die Inquisition würde Ihre kostbare Zeit verschwenden, Prediger?"
"Natürlich nicht!", rief Marius Hax dazwischen. "Das würde der Herr Inquisitor nicht wollen, also lassen Sie bitte die Unterbrechungen sein, damit wir endlich dahinter kommen, weswegen wir hier alle sitzen." Der rechte Mundwinkel des Lord Sektor war verärgert nach nach unten gewandert. Sibellian ließ sich resigniert in seinen Sessel zurücksinken.

"Es ist möglich, sich an dieses Ökosystem anzupassen, doch das erfordert jahrelangen Aufenthalt im Xeiros-System. Eine Anpassung beeinträchtigt übrigens in keiner Form die Aufnahmefähigkeit herkömmlicher Nahrung.", führte Magos Xyrrton weiter aus.
"Ebenso wie Außenwelter nur nach jahrelanger Gewöhnung Nahrung von Xeiros Prime verdauen können, ist es umgekehrt auch. Zusammengefasst: Bürger von Xeiros Prime nehmen nur lokale Nahrung zu sich, solange sie sich nicht schon jahrelang auf anderen Welten aufhalten.", ergänzte Arethrus. "Abschließend sei noch gesagt, dass sich die Bevölkerung von Xeiros Prime zu 97% aus Menschen und zu 3% aus Nyunga zusammensetzt." Das hololithische Bild eines Reptiloiden flackerte auf.
"Xenos.", entfuhr es einem hoffnungsfroh aufblickenden Prediger Sibellian.
Der sollte sich mal mit Lord Inquisitor Bahan über eine Stelle bei den Alienjägern unterhalten, dachte Varitani. Diese Expertise.
"Ja, Xenos.", bestätigte Arethrus mit einem entnervten Blick auf den Kardinalsadjutanten. "Die Bevölkerung dieser nativen Kultur wurde im Zuge der Befriedung durch die imperialen Befreier auf ein gesundes Maß gestutzt und fungiert nun als wertvoller Bestandteil der lokalen Aufrechterhaltung des imperialen Lebensstandards. Auf die Nyunga komme ich später noch zurück."
Sibellian ließ den Kopf hängen.
"Das soll Ihnen als Basisinformation zu Xeiros Prime dienen. Nun", und Arethrus nickte dem Magos dankend zu, was diesen dazu veranlaßte, die Arena wieder dem Lord Inquisitor zu überlassen, "kommen wir zu den Ermittlungsergebnissen, die eine Untersuchung der Imperialen Inquisition zutage gefördert hat und die für das Schicksal des ganzen Sektors von existentieller Bedeutung sind. Serpentin Varitani, der mit diesem Fall betraute Inquisitor, wird weiter ausführen."
Varitani erhob sich, versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen und tauschte Platz mit Arethrus. "Eine Reihe von ungeklärten Morden an Außenweltern hat einen Akolythen von mir nach Xeiros Prime geführt. Nachdem ohne Mithilfe der lokalen Organe eine kultische Verbindung von ihm zerschlagen wurde, informierte er mich über Unregelmäßigkeiten, die er in der dortigen Administration festgestellt hatte."
Der Beamte, der das Magistratum vertrat, sog hörbar die Luft ein.
"Ich schickte eine weitere Ermittlerin nach Xeiros. Beide stießen im Zuge ihrer Nachforschungen auf einen gewissen Doktor Drususton Flengler, einen von Xeiros stammenden Wissenschaftler." Hinter Varitani schien die überlebensgroße Darstellung eines Gesichts mit eingefallenen Wangen und schütterem, blonden Haar.
"Er war auf Xeiros Prime zu der Zeit der Nachforschungen noch eine der einflußreichsten Personen, auch wenn vorerst nicht klar ersichtlich wurde, warum. Die Bemühungen meiner Agenten beunruhigten jedoch die lokalen Behörden dermaßen, dass einer der Beiden von ihnen festgenommen und dem lokalen Ordo Hereticus übergeben wurde."
Lord Inquisitor Gillensterns Auge verengte sich, so als würde er Varitani ins Fadenkreuz nehmen.
"Ich reiste daraufhin persönlich nach Xeiros Prime und nahm zusammen mit meinem verblieben Akolythen die Ermittlungen im Geheimen wieder auf. Wir untersuchten die von Doktor Flengler mitgegründete Firma Chemistro Frangh, einen nach außen hin vollkommen unbedeutenden, pharmakologischen Konzern. Wir verhörten Flengler, zu dem wir uns Zutritt verschaffen konnten und haben dort das erfahren.", Varitani trat zurück. Die Darstellung von Flengler verblasste und die Abbildungen von zahlreichen Dokumenten, Scans und Bauplänen erschienen.
"Die Daten, die wir zutage gefördert haben, sind ungeheuerlich und stellen in der Tat die Sicherheit des Calixis-Sektors in Frage. Doktor Flenger hat sich zu Beginn seiner Karriere vor zirka 30 imperialen Standardjahren mit Energiegewinnung beschäftigt. Die genauen Details übersteigen mein Verständnis der Technologie - ", Varitani blickte kurz zu Magos Xyrrton hinüber, fuhr aber fort, als dieser keine Anstalten machte, etwas zu dem Thema Technologie beizutragen, "doch resultierten daraus unsanktionierte Forschungen über das Immaterium."
"Ketzerei.", sagte Gillenstern ruhig durch seinen Voxponder.
"Ja!", rief Sibellian und sprang auf.
"Was haben Sie denn gedacht, meine Herren, worüber wir hier unterrichtet werden?", fragte Lord Inquisitor Arethrus. Das ließ beide stumm Platz nehmen.
"Flengler lernte kurz, nachdem er seine Arbeit in diese ketzerische Richtung gelenkt hatte, zwei andere Wissenschaftler kennen, die nicht von Xeiros Prime stammten. Die Idenditäten, unter denen sie auftraten, tun nichts zur Sache, da diese nur Deckung waren. Aufgrund des Wissens, das sie Flengler zur Verfügung stellten, kann ich nur annehmen, dass es sich um Agenten des Erzfeindes handelte."
Varitanis Kehle wurde trocken und er winkte einen Servitor heran, der ihm einen Becher mit Wasser brachte. "Flengler war von den beiden sehr beeindruckt und erzielte erste Erfolge in anderen Arbeitsfeldern. Wir können nicht sagen, wie es zu seiner endgültigen Korruption gekommen ist, doch es ist irgendwann zu dieser Zeit geschehen. Die beiden Agenten des Chaos verschafften Flengler die Möglichkeit ein winziges Warpportal in einer Anlage auf Xeiros Prime zu öffnen und offen zu halten."
"Wie klein?", fragte Bahan und stützte seinen Kopf nachdenklich auf seine ineinander verspreizten Finger.
"So klein, dass es anscheinend niemandem auffiel. Schon damals begannen Mitarbeiter Flenglers zu verschwinden, wohl weil sie Details aufgeschnappt hatten, die ihm hätten gefährlich werden können. Immerhin unterhält die Inquisition auch Einrichtungen auf Xeiros Prime."
"Hmpf.", ließ Gillenstern verlauten.
Varitani fuhr fort. "Gleichzeitig war das Portal aber groß genug, dass etwas aus dem Empyreum in unsere Welt übertreten konnte." Sibellians Augen leuchteten, als er an den Lippen des Inquisitors hing. "Mikroorganismen."
Alle starrten Varitani an.
"Ein mikroskopisch kleiner Erreger. Jetzt bewegen wir uns definitiv aus dem Gebiet meiner Expertise. Würden Sie das erläutern, Magos?"
Erneut betrat der Tech-Priester des Adeptus Mechanicus die Fläche. "Diese aus dem Immaterium sickernden Mikroorganismen wurden von Doktor Flengler genau untersucht, und als Wissenschaftler hat er alles säuberlich dokumentiert. Das ermöglichte mir eine genaue Rekonstruktion der Vorfälle nach dem ersten Öffnen des Warpportals auf Xeiros Prime. Die Mikroorganismen reichern die Nahrung an, gewisse Bestandteile von. So werden sie von auf biologische Nahrung angewiesenen Lebensformen über die Verdauung aufgenommen und wandern dann ins zentrale Nervensystem und das Gehirn des entsprechenden Wesens. Dort kommt es zu strukturellen Veränderungen." Magos Xyrrton sprach einige Silben im Maschinencode zu Zalsmid und dieser projezierte zwei Bilder eines Gehirns, das auf einem Seziertisch lag.
"Betrachten sie diese Veränderungen hier und - hier." Der Magos leuchtete mit seinem Blick zwei Stellen ab, was nicht wirklich notwendig war, da niemandem die schwarzen, spinnwebenartigen Geflechte entgingen, die das Gehirn bedeckten und auf dem zweiten Bild daneben den Querschnitt durchzogen.
"Das da - ist durch diese Mikroorganismen entstanden?", erkundigte sich Gillenstern mittels Voxponder. Der Lord Inquisitor war aufgestanden und lehnte auf beiden Armen, während er gebannt die Bilder studierte.
"Ja. Doch nicht sofort. Das Gehirn, das Sie hier sehen, ist diesen Mikroorganismen bereits mehrere Jahrzehnte ausgesetzt gewesen."
"Jahrzehnte.", seufte Bahan.
"Wie lange dauert diese Ketzerei den nun schon an?", fragte Gillenstern.
"Und was bewirken diese Veränderungen?", schloß sich die Principalis der Adepta Sororitas an.
Varitani atmete erleichtert auf. Sie verstanden. "Die Mikroorganismen bewirken mikroskopische Fragmentierungen der Realität. Sie sind wie Stecknadeln, die immerfort die Wand zum Immeraterium durchstoßen."
"Dadurch", ergänzte der Magos Biologis, "kommt es zu minimalen Manifestationen von immeratiumsgespeisten Kräften, die wiederum diese Veränderungen hervorrufen."
"Also Mutationen?", fragte die Principalis nach.
"Nicht im herkömmlichen Sinne, nein. Es werden keine bestehenden Zellen betroffen, es wird auch kein Gen-Material verändert. Es kommt zur Neubildung aus dem Immaterium direkt."
Einige Sekunden war es still.
"Aber was bewirkt das nun?", ließ sich sogar Lord Sektor Hax zu einer Frage hinreißen.
Lord Inquisitor Arethrus nahm wieder die Zügel in die Hand. "Zuerst - also nach den ersten Monaten der Exposition - kommt es zu leichten Krankheitssymptomen, in Schüben auftretendem Fieber, Kopfschmerzen und Übelkeit begleitet von emotionalen Schwankungen. Flenglers Aufzeichnungen zufolge war er sich der Präsenz und der Herkunft der Mikroorganismen zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, als die ersten Mitarbeiter krank wurden. So nahm er als Biologe selbst die ersten Untersuchungen vor, bis auch er begann, darunter zu leiden. Der Krankheitsprozess dauert einige Wochen allem Anschein nach. Dann bessert sich der Zustand und die Hauptfunktion des wachsenden Gewebes wird offenbar." Arethrus gestattete sich eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. "Zuerst beschränkte, dann jedoch absolute Gedankenkontrolle."
Varitani nahm wahr, wie gut der Hälfte der vor ihm sitzenden Ratsmitglieder die Farbe aus dem Gesicht wich. "Das, was ich jetzt sage, bezeuge ich aus eigener Erfahrung.", fuhr der Inquisitor fort. "Durch das Gewächs in den Gehirnen wird anscheinend nach jahrelanger Exposition die Entscheidungsfähigkeit jedes Betroffenen vollkommen ausgesetzt und eine uns nicht bekannten Entität, wahrscheinlich eine mächtiger Wille aus dem Empyreum, kann jederzeit die Kontrolle über Befallene übernehmen. Ich habe erlebt, wie die Augen völlig unauffälliger imperialer Bürger rot zu glühen begannen und sie sich auf uns stürzten wie wilde Bestien."

„Wird in solch einem Fall eine Welt nicht gesäubert?“, erkundigte sich Lord Admiral Anderton.
„Reinigendes Feuer.“ Gillensterns Augen brannten vor Eifer.
„Das ist ja einer der Gründe, warum wir hier sind. Inquisitor Varitani wird uns hoffentlich bald erläutern, warum er nicht diesen Weg gegangen ist.“ Lord Inquisitor Eirut Bahans freundlicher Tonfall verbarg die Implikation eines Versagen Varitanis kaum.
"Lassen Sie mich fortfahren in der Entwicklung dieser Bedrohung.", entgegnete dieser und räusperte sich. "Flengler geriet also zusehends unter den Einfluß der Agenten des Erzfeindes, ebenso imperiale Bürger in seinem Umfeld. Zwar dauerte es Jahre, doch die Geduld der Ketzer und das langsame Fortschreiten des Befalls zeigte sich als wirksam. Flengler begann mit Planung und Bau einer gigantischen Anlage -"
"Tech-Häresie.", unterbrach ihn Magos Xyrrton.
"Einer gigantischen Anlage, welche die Energie des Planetenkerns dazu verwendet, das Warpportal zu vergrößern. Sie wird in den Unterlagen nur der Extraktor genannt."
"Ist Ihnen klar, was das heißt?", meldete sich wieder Lord Inquisitor Arethrus zu Wort. "Es existiert zu dieser Zeit, in diesem Moment, ein von Planetenkernenergien gespeistes, künstlich offengehaltetes und sich ständig vergrößerndes Warpportal in diesem Sektor. Sie können sich sicher vorstellen, was als erstes passiert ist."
Schweigen.
"Der Fluß der Mikroorganismen hat zugenommen.", erklärte der Magos.
"Damit einhergehend ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte ganz Xeiros Prime von diesen Mikroorganismen befallen worden."
"Varitani!", rief da Gillenstern aus und seine Absaugeinheit begann wieder ihre Arbeit. "Sie waren dort und Sie tragen keinen Makel in sich?!"
„Ich kann Ihnen versichern, Lord Inquisitor Gillenstern, dass ich keinen solchen Makel in mir trage. Der Befall findet ausschließlich über die lokale Nahrung statt. Insofern kann ich als Außenweltler nicht davon betroffen gewesen sein, ebenso wenig wie jeder andere Außenweltler."
Gillensterns Blick fuhr misstrauisch zu Magos Xyrrton. Dieser nickte Zalsmid zu und diverse Diagramme und Tabellen erschienen. "Lord Inquisitor, hier sehen Sie einen Teil der Arbeit, der sich Flengler bis zu dem Zeitpunkt gewidmet hat, als Inquisitor Varitani ihn aufspürte. Er beschäftigte sich mit Methoden, die Mikroorganismen auch kompatibel zu der Nahrung von Fremdweltlern zu machen – ein lange andauernder Forschungsprozess."
"Von Erfolg gekrönt?", fragte Gillenstern.
Die Stimmen aus den Voxpondern der beiden Gesprächspartner waren nur schwer voneinander zu unterscheiden, denn sie zeichneten sich vor allem durch Emotionslosigkeit und Monotonie aus.
"Bisher nicht.“, antwortete Varitani. „Doch der Erzfeind arbeitet sicher nach wie vor verbissen an der Lösung. Vor allem, da die Entdeckung durch die Inquisition nicht unbemerkt geblieben ist. Ich habe Flengler der Gerechtigkeit überantwortet."
"Verbrennt die Ketzer!", rief da Sibellian so laut, dass Kardinalsekretär Sebatianus aufschreckte und laut stöhnte. Alle blickten den Prediger an. Man konnte Zorn, Unglauben, Amüsement und Gleichgültigkeit in den Gesichtern sehen.
"Wir sind hier zusammengekommen, um genau das zu machen.", erklärte schließlich Lord Inquisitor Arethrus. Sibellian nickte ihm bestimmt zu.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 13. Mai 2013, 14:51:59
6 – Schicksalsspruch

"Flenglers Forschungen, was die Kompatibilität zu Fremdnahrung angeht, sind nicht abgeschlossen. Das ist jedoch nur eines der Probleme, derer wir uns annehmen müssen, wenn der Sektor gerettet werden soll."
"Herr Inquisitor!", warf Hax ein. "Sie sprechen wiederholt von Gefahr für den Sektor. Selbstverständlich entnehme ich Ihren Ausführungen, dass es um Xeiros Prime gelinde gesprochen nicht gut steht, doch Ihre vehementen Verweise auf Gefahr für Calixis sind mir ein Rätsel. Kommen Sie doch darauf einmal zu sprechen!"
Varitani zögerte kurz und neigte dann gehorsam sein Haupt. "Das Warpportal vergrößterte sich soweit, dass wir von einer Durchseuchung von hundert Prozent der nativen Bevölkerung von Xeiros Prime ausgehen müssen. Es gibt wohl mehrere Tausendschaften an Fremdweltlern auf dem Planeten, die nicht betroffen sind und auch die Nyunga sind es nicht, doch -"
"Was hat es damit auf sich? Warum sind diese Xenos nicht betroffen? Entschuldigen Sie die erneute Unterbrechung, Herr Inquisitor."
Varitani blickte scharf in die Richtung von Lord Inquisitor Bahan, der sich gelassen den Bart strich. "Es liegt an deren Ernährung. Ich weiß nicht, wie das vor sich geht, aber kein Nyunga scheint betroffen zu sein. Ich habe einige angetroffen und mir diese Tatsache zunutze machen können."
Bahans Augen zogen sich zusammen.
"Wir haben also verstanden, dass die Bedrohung von der Nahrung auf Xeiros Prime ausgeht. Was ist mit den nicht auf dem Planeten lebenden Bürgern von Xeiros Prime? Denen im System und denen in anderen Systemen?", fragte Lord Inquisitor Gillenstern barsch.
"Das System Xeiros ist definitiv in der Hand des Erzfeindes. Dazu folgende Erläuterungen:", Varitani blickte in Richtung von Transmechanicus Zalsmid. "Die Berichte von Akolythin Dorundy, bitte." Sofort flackerten einige Textdateien und Bilder von Politikern Xeiros' auf.
"Meine Mitarbeiterin Arian Dorundy, eine Ex-Arbitratorin, hat herausgefunden, dass die Zahl der Aussenweltler in einflussreichen Positionen im Laufe der letzten drei Dekaden stark zurückgegangen ist. Politiker, ansässige Geschäftsleute und Klerus sind entweder verstorben, ermordet, abgesetzt oder degradiert worden. Alle Positionen wurden durch langjährige Bewohner von Xeiros Prime besetzt. Diese Entwicklung war zu dem Zeitpunkt, an dem Dorundy sie feststellte, lediglich merkwürdig, doch im Hinblick auf die Durchseuchung mit den Mikroorganismen ist sie mehr als besorgniserregend.
Alle im Xeiros-System befindlichen Menschen werden von Xeiros Prime versorgt, dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass auch die Arbeiter auf der Bergbaustation bei Xeiros Quintus sowie die Raumabwehrkontingente vollkommen korrumpiert sind. Über außerhalb des Xeiros-Systems lebende Abkömmlinge des Planeten haben wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Informationen."
Marius Hax schlug mit der Hand auf den Tisch. "Also ist ein ganzes System in der Hand des Erzfeindes, ohne dass jemand etwas bemerkt hat? Das klingt doch unwahrscheinlich."
"Das war auch mein erster Schluß.", stimmte Lord Inquisitor Arethrus zu. "Aber bedenken Sie die langen Zeiträume dieser Entwicklung und auch, um welchen Planeten es sich handelt. Wen interessiert denn Xeiros Prime?" Arethrus blickte sich im Saal um, während seine Zuhörer größtenteils über das nachdachten, was er gesagt hatte. "Der Planet ist prinzipiell unbedeutend. Was die dortigen Behörden machen, interessiert niemanden, solange es keine finanziellen Unauffälligkeiten gibt. Gab es die?"
Marius Hax schüttelte den Kopf. "Nein. Ich verwalte die fiskalen Elemente der Sektorenfinanz meistens selbst und es gab nichts dergleichen vonseiten Xeiros Primes."
"Es konnte niemandem auffallen, weil sich an dem äußerlichen Erscheinungsbild des Lebens auf Xeiros Prime nichts geändert hat.", fuhr Varitani fort. "Machen Sie sich doch ein Bild davon. Mein Team und ich waren wochenlang mit den Recherchen beschäftigt, ehe wir auf handfeste Beweise stießen. Wenn jemand von Ihnen morgen nach Xeiros Prime aufbräche, würde er eine blühende imperiale Welt vorfinden - vollkommen gesund wirkend. Der Planet hat seine Schönheit auch nicht eingebüßt. Es sind okkulte Dinge, um die wir uns sorgen müssen. Die Mikroorganismen bewirken auch nicht eine durchgehende Kontrolle der Befallenen. Sie verhalten sich vollkommen unauffällig. Auch das Glühen in den Augen, das ich kurz angedeutet habe, tritt erst auf, wenn die betroffene Person wirklich kontrolliert wird. Die Bevölkerung, alle Schichten des Lebens von den höchsten Vertretern von Militär und Regierung bis hin zu den Kindern in den Scholae verhalten sich vollkommen normal - doch ist jeder von Ihnen ein Agent des Erzfeindes."
Es war wieder still im Raum. Man hörte die gleichmäßigen Atemgeräusche des Kardinalsektretärs sowie das Knistern aus den Kohlepfannen.
"Benennt Doktor Flengler in seinen Unterlagen auch diesen Mikroorganismus?", erkundigte sich Lord Inquisitor Bahan schließlich.
Varitani nickte. "Zu Beginn seiner Forschungen bezeichnete er ihn als Subjekt TKK-221. TKK steht für transkosmische Komponente. Später jedoch, als seine Aufzeichnungen stärkeren Einfluss des Erzfeindes aufzuweisen begannen, hat er den wahren Namen genannt."
"Und der ist Ihnen bekannt?", hakte Bahan nach.
Erneut nickte Varitani. "In der Tat. Doch halte ich es nicht für ratsam, ihn hier auszusprechen. Unzureichend abgeschirmte Personen würden Schaden nehmen. Umgangssprachlich wird er einfach die Saat genannt."
"Ich mache mir Sorgen um Sie, Inquisitor.", ertönte da die monotone Voxponderstimme Gillensterns. "Sie waren dem Chaos intensiver ausgesetzt als für einen Menschen gesund ist. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass Sie uns hier von dieser Sache berichten, anstatt nur einen Bericht über den Grund von Xeiros Primes Exterminatus zu übermitteln. Wieso leben die Diener des Erzfeindes noch, Herr Inquisitor?" Damit war die Anklage endlich heraus.
Varitanis Blut rauschte hinter seinen Ohren, er sah alles leicht verschwommen. „Darauf komme ich natürlich noch zu sprechen, Lord Inquisitor. Es war eine bewusste Entscheidung, erst noch weitere Maßnahmen einzuleiten.“
„Dieser Rat wurde aber nicht von Ihnen einberufen, Inquisitor Varitani.“ Lord Sektor Hax lehnte sich nach vorne. „Es war mein ausdrücklicher Wunsch; nur deshalb werden wir hier alle von diesen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt. Sonst wüssten wir nichts von dieser Bedrohung.“
„Wissen ist Macht. Behütet es gut.“, Caidins ruhige Stimme erschallte im Raum. Alle blickten in die Richtung der im Schatten sitzenden Gestalt. Es war nicht möglich, seiner Stimme irgendeine Persönlichkeit zuzuschreiben. Es war fast, als wäre alles, was er sagte, schon nach wenigen Augenblicken eine ferne Erinnerung. „Die Linke Hand des Goldenen Thrones hat sich nicht vor Ihnen zu verantworten, Lord Sektor. Unser Hiersein ist ein Entgegenkommen, mehr nicht. Sie haben auch nicht Gericht zu sitzen über unsere Inquisitoren. Das überlassen Sie uns.“
Die Augen von Lord-Sektor Hax verengten sich, aber er neigte das Haupt.
„Varitani?“, Caidins Frage war ebenso eine Aufforderung.
Varitani schluckte, machte einige Schritte auf Zalsmid zu und flüsterte einige Worte. Der Transmechanicus nickte und konzentrierte sich einige Sekunden lang. Dann erschien ein einziges, hololithisch projeziertes Bild im Raum. Es zeigte eine ehemals menschliche Gestalt mit grotest verunstaltetem Körperbau in den Überresten einer Uniform der planetaren Verteidigungsstreitkräfte von Xeiros Prime. Seinem Ellenbogen entsprang eine teuflisch aussehende Knochenklinge.
Ein Raunen ging durch die Anwesenden.
"Das sieht aus wie ein niederer Besessener.", erläuterte Brother-Captain Lucian Verus.
"Das ist ein rekonstuiertes Bild aus meinen mnemonischen Speicherelementen." Varitani legte einen Finger an seine Schläfe. "Diese Wesen haben sich spontan manifestiert, die Bessessenheit meine ich. Der Mann hier war ein planetarer Gardist, der sich mir entgegenstellte. Erst als ich ihn fast besiegt hatte, traten die daemonischen Elemente spontan in Erscheinung. Keine okkulten Rituale waren notwendig, keine ketzerischen Symbole im Fleisch des Mannes zu erkennen. Lediglich seine Augen haben rot geglüht - wie bei den anderen Gegnern auch. Das ist sehr besorgniserregend. Es scheint eine fortgeschrittene Stufe der Saat zu sein. Wenn mehr Menschen auf Xeiros sich so verwandeln, dann wird der Befall offensichtlich."

"Zusammenfassend kann man also sagen, dass Xeiros Prime komplett von Agenten des Erzfeindes, die durch diese Mikroorganismen TKK-221 direkt aus imperialen Bürgern rekrutiert wurden, besetzt ist und zusätzlich ein Warpportal durch die Kernenergie des Planeten sich zunehmend vergrößert.“, rekapitulierte Hax. "Was ist Ihrer Meinung nach das Schlimmste, was passieren kann? Was ist die zu erwartende Entwicklung?"
Lord Inquisitor Arethrus stand nun auf. "Lord Sektor, das ist schwer zu sagen. Das Vorgehen lässt jedoch den Schluß aufkommen, dass aufgrund der Geradlinigkeit bei der Durchführung dieser Häresie und der Geduld, die dafür aufgebracht werden musste, ein einziger, dominanter Wille hinter all dem steckt. Ich weiß nicht, ob wir es mit einer der Verderbten Mächte selbst zu tun haben oder vielleicht einem Daemonenprinzen, doch ist das Ziel dieser Macht - wie fast immer bei daemonischen Plänen - eine Manifestation in die materielle Welt. Davon ausgehend besteht die wirkliche Gefahr nicht in der Übernahme eines ganzen Planeten durch diese Mikroorganismen, auch wenn das Problem jetzt vielleicht emminenter erscheint und man sich dessen auch definitiv annehmen muss. Das hauptsächliche Übel ist das Warpportal."
Varitani räusperte sich und ergänzte: "Als nächstes wird der Erzfeind weitere Planeten korrumpieren, auf dieselbe Art und Weise. Ich darf zu bedenken geben, dass - sobald es gelungen sein wird, die Mikroorganismen auch in normaler Nahrung einnehmbar zu machen, kein weiteres Warpportal mehr notwendig sein wird. Es würde reichen, die Nahrung auf Xeiros Prime anzureichern. Dann könnte man nicht nur Aussenweltler vor Ort korrumpieren, auch der Export verseuchter Nahrung wäre möglich. Potentielle Agenten wären ab diesem Zeitpunkt fast nicht mehr aufzuspüren, während man jetzt einfach nur nach Xeirosstämmigen suchen muss und die sich aufgrund der genannten körperlichen Unterschiede recht leicht finden lassen."
"Das einzige Mittel, das hier angebracht scheint, ist ein Exterminatus.", fuhr erneut Lord Inquisitor Gillenstern dazwischen. „Ein Mittel, dass man schon vor Wochen hätte anwenden können.“
"Ja! Verbrennt sie alle!", johlte Sibellian erneut, was Kardinalsekretär Sebatianus hochfahren ließ.
"Ich stimme zu.", war schwach hörbar zu vernehmen; der erste Beitrag des greisen Vertreters der Ekklesiarchie seit Beginn der Besprechungen.
"Der Standpunkt des Adeptus Ministorum ist zur Kenntnis genommen.", bestätigte Marius Hax mit kaum verhohlenem Ärger und ließ seinen Blick dann durch den Saal schweifen.
„Sagen Sie uns endlich, warum Sie den Exterminatus herausgezögert haben, Inquisitor!“, rief Gillenstern mit seiner menschlichen Stimme und die Absauger schlürften bedrohlich laut.
"Flengler hat an einem Heilmittel gearbeitet."
Wieder gingen die Emotionen hoch. Rufe wie "Dieser Ketzer!", "Also doch noch Hoffnung?!", "Brennen sollen sie alle!" und "Das ist irrelevant!", waren zu hören.
Hax rief mehrmals zur Ruhe, bis der Geräuschpegel langsam wieder sank. "Erläutern Sie das, Herr Inquisitor!"
Varitani verneigte sich kurz. "Zu der Zeit, als die ersten Mitarbeiter Flenglers krank wurden, war er sich der Wirkung des Warpportals nicht bewusst. Seinen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass es für ihn - so wie man ihn hatte glauben lassen - lediglich eine Energiequelle darstellte, sobald es nur groß genug sein würde, um ohne Hilfe zu bestehen. Von der Existenz der Mikroorganismen wusste er zu der Zeit noch nichts, und so falsch und ketzerisch sein Handeln auch war, so kann man davon ausgehen, dass er zu dieser Zeit noch kein vorderrangig ketzerisches Gedankengut pflegte. Als demnach die ersten Mitarbeiter erkrankten und er aufgrund der häufig ähnlichen Symptomatik Verbindungen zu seiner Arbeit herstellte, begann Flengler damit, die Ursache zu untersuchen. Dabei ist er auf Möglichkeiten gestoßen, dem Befall entgegenzuwirken und ihn auch wieder zu reduzieren."
"Er hat diese Forschungen aber nicht abgeschlossen.", warf Xyrrton ein und erhob sich. "Flengler wurde kurz darauf selbst von der Krankheit niedergestreckt und befand sich ab dem Zeitpunkt seiner körperlichen Gesundung wohl soweit unter Kontrolle des Erfeindes, dass er die Forschungen nicht abschloss. Er hat sie aber wenigstens auch nicht gelöscht."
Varitani nickte zustimmend. "Genau. Flenglers Aufzeichnungen zufolge hat er die bisherigen Ergebnisse nach seiner Gesundung als unbedeutend archiviert und sie im Datenkern eines zentralen, unterirdischen Cogitators abgespeichert."
"Haben Sie sich diese Daten beschaffen können, Inquisitor? Können wir das Heilmittel fertigstellen?", fragte nun Lord Inquisitor Bahan, der die Antwort natürlich kannte.
"Bedauerlicherweise nicht. Beim Versuch, in die Anlage einzudringen, wurden wir aufgehalten. Ich denke, dass zu diesem Zeitpunkt der Wille aus dem Empyreum, der sich hier gegen uns richtet, zum ersten Mal mitbekam, dass wir Bescheid wussten. Ich musste fliehen, als meine Mitarbeiter getötet und ich von diesen daemonischen Wesen bedrängt wurden. Kurz darauf hat man auch Flenglers Leiche entdeckt, und ich konnte Xeiros Prime gerade noch verlassen.", berichtete Varitani.
"Dann wissen wir also weder, ob das Heilmittel funktioniert als auch, ob wir es überhaupt herstellen können?" Bahans Tonfall klangt stark suggestiv.
"Ich habe durch die mit dem Leben meiner Mitarbeiter erkauften Daten Kenntnis einer weiteren Einrichtung, die weit vor jener, die ich infiltriert hatte, in Betrieb war. Dort werden die Daten sein. Ob das Heilmittel herstellbar ist, kann ich nicht sagen.", musste Varitani zugeben. „Aber Flengler wusste, was er tat. Er war gut in seiner Arbeit. Seine Aufzeichnungen besagen, dass er kurz vor dem Ziel war. Ein Exterminatus hätte diese Daten sicher vernichtet. Ich kam also nach Scintilla zurück, um eine Quarantäne von Xeiros Prime sowie eine Säuberung aller anderen systemweiten Anlagen zu erwirken. Anschließend beabsichtigte ich, erneut ein kleines Team von Agenten nach Xeiros Prime zu führen und die Daten zu bergen.“
„Das ist leichtfertiges Verhalten, Herr Inquisitor.“ Eirut Bahan sah Varitani tadelnd an. “Der Exterminatus hätte sofort erfolgen müssen.”
“Meine Analyse der technischen Daten des Extraktors, mit dem das Warpportal gespeist wird”, mischte sich der Magos erneut ein, “hat ergeben, dass Energiezufuhr, wie sie auch Bombardement und Sprengung der Planetenkruste bedeuten würde, direkt in die Anlage und durch sie in das Warpportal fließen würde. Neben der Zerstörung von Xeiros Prime hätte ein vollständiger Exterminatus also auch eine Expansion des Portals zur Folge.“
Einen Moment herrschte Stille.
„Was würde das bedeuten?“, fragte Lord Sektor Hax.
Magos Xyrrton schwieg.
„Wer kann das bei den Mächten sagen, mit denen wir uns hier befassen.“, antwortete Lord Inquisitor Arethrus langsam. „Möglichweise könnten noch mächtigere daemonische Entitäten den Weg auf unsere Seite finden – was wohlgemerkt das ganze Endziel des sich uns entgegenstellenden, verderbten Intellekts sein mag. Möglicherweise würde die Grenze zwischen Materie und Empyreum auch so dünn, dass ein Warpsturm den ganzen Subsektor verschlänge.“
„Und davon haben Sie gewusst, Varitani?!“, fragte Gillenstern anklagend scharf.
Varitani schüttelte den Kopf. „Bisher nicht, Lord Inquisitor.“
„Dann steht meine Anklage! Sie haben die Sicherheit zahlloser Welten wegen eines Heilmittels riskiert, für dessen Einsatz kein Bedarf besteht, dessen Forschung noch nicht einmal abgeschlossen ist und dessen genaue Wirksamkeit Sie nicht kennen.“
„Über die Gegenständlichkeit eines möglichen Fehlers von Inquisitor Varitani sollten wir uns Gedanken machen, wenn dieses Problem gelöst ist.“, entgegnete Lord Inquisitor Arethrus. „Lassen Sie uns eine Lösung finden.“
„Dem stimme ich zu.“, pflichtete ihm Großinquisitor Caidin bei. „Xeiros Prime wird gereinigt, das steht fest. Eine Kombination des Lebensfresser-Virus sowie Lanzenschlägen und Zyklon-Torpedos. Es darf nichts übrig bleiben. Wissen wir, wo sich dieser Extraktor befindet?“
Varitani konnte nicht mehr sprechen. Arethrus erkannte das mit einem Blick. „Nein, Großinquisitor, das wissen wir nicht. Großflächige Auspex-Scans der Exterminatus-Flotte könnten dies aber bewerkstelligen.“
„Ein gezielter Lanzenschlag würde den Extraktor ausschalten.“, erläuterte Magos Xyrrton. „Die Vernichtung eines so großen tech-häretischen Apparats ist im Sinne des Omnissiah.“
Da Sie ja die Baupläne haben, Magos Xyrrton. Varitani war sich gewiss, dass die Tech-Priesterschaft sich andernfalls gegen diesen Schritt ausgesprochen hätte – nicht, dass sie ihn hätte verhindern können. Die Inquisition hatte in der Tat höchste Autorität in solchen Dingen.
„Nach der Zerstörung des Extraktors würde das Portal innerhalb von Stunden in sich zusammenfallen.“, fuhr Arethrus fort. „Ein Exterminatus würde dann keine Gefahr mehr darstellen.“
„Nach der Einschätzung des Adeptus Mechanicus ist dem so, Lord Inquisitor.“, pflichtete ihm der Magos bei.
Lord Inquisitor Arethrus warf einen schnellen Blick in Richtung Caidin, dann sagte er: „Ich bin dafür, Inquisitor Varitanis ursprünglichen Plan umzusetzen.“
Allgemeines Gemurmel folgte, doch Gillenstern und Bahan intervenierten nicht.
Arethrus fuhr fort: „Ein Team unter seiner Führung wird nach Xeiros Prime reisen. Direkt im Anschluß soll eine Quarantäne den Planeten umschließen. Es bleibt Lord Admiral Anderton überlassen, welche Schiffe er dafür abstellt. Das System wird gesäubert und Xeiros abgeriegelt. Das wird die Lage dort natürlich anheizen. Der Erzfeind wird mit der baldigen Vernichtung rechnen und versuchen, so viel Schaden wie möglich anzurichten. Inquisitor Varitani hat nun einige Zeit, sich der Daten zu bemächtigen, dann mit der Flotte Kontakt aufzunehmen und extrahiert zu werden. Bis dahin haben wir den Extraktor gefunden und ausgeschaltet. Anschließend kann der Exterminatus erfolgen.“
„Und auch Varitanis Beurt…“, begann Gillenstern, wurde jedoch von Caidin unterbrochen: „Das hört sich nach einem soliden Plan an, Lord Inquisitor Arethrus. Ich denke, damit können wir die Sitzung schließen, würden Sie mir da nicht zustimmen, Lord Sektor?“
Hax wirkte etwas gequält: „Es ist mir immer eine Freude mit der Imperialen Inquisition zusammenzuarbeiten, Großinquisitor. Meine Herren, Sie erhalten rechtzeitig entsprechende Details. Machen wir uns an die Arbeit. Die Sitzung ist geschlossen.“
„Die Mitarbeiter der Imperialen Inquisition verbleiben im Ratssaal.“, befahl Caidin und sein Tonfall suggerierte Zorn.
So überraschte es Varitani auch nicht, dass sich alle anderen Mitglieder beeilten, die Stätte der zu erwartenden Züchtigung zu verlassen.

Als die schweren Tore geschlossen waren, begann es: „Das war erniedrigend! Entwürdigend! Die Inquisition steht Rede und Antwort?! Wenn das die Hohen Herren zu Terra erfahren! Rat abzuhalten wegen einer Sache, die durch und durch nur Angelegenheit unserer Einrichtung ist, ungeheuerlich! Wer hat diese Informationen nach draußen gegeben?!“
Stille.
„Wer?!“
Stille.
„Na schön.“ Caidin beruhigte seinen Tonfall. „Varitani, sie sehen besser zu, dass dieser Auftrag erfolgreich ist, sonst haben Sie weit mehr Schaden angerichtet als nur andere Welten zu gefährden. Vor allem in Hinblick auf die Eröffnungen von Magos Xyrrton in Bezug auf das Warpportal und diesen Extraktor ist Ihre Entscheidung aber tragbar. Da Sie jedoch keine Kenntnis dieses Faktors hatten, kann ich sie zu diesem Zeitpunkt nur als Fehler einstufen. Wir werden uns nach Ihrer Rückkehr damit befassen. Sie können gehen!“
Varitani verneigte sich. „Sehr wohl.“, brachte er krächzend hervor, dann verließ er schleunigst den Saal.
„Gillenstern, Sie sorgen sich ab sofort um die Säuberung anderer Welten im ganzen Sektor von Bewohnern von Xeiros Prime. Informieren Sie auch angrenzende Sektoren und Terra von der Maßnahme. Der Ordo Hereticus muss wachsam sein.“
„Wie stets, Großinquisitor.“, antwortete Gillenstern.
„Bahan, Sie werden an Bord eines unserer Schwarzen Schiffe die direkte Kontrolle über die Mission vor Ort übernehmen.“
Der Lord Inquisitor nickte und sah süffisant zu Arethrus herüber, für den dieser Befehl eine Ohrfeige darstellte.
„Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit, Brother-Paladin Verus.“, wandte sich Caidin dann an den immer noch stoisch verweilenden Astartes.
„Lord Inquisitor.“, quittierte dieser höflich. Wohl keiner der Anwesenden konnte verstehen, wie wenig ihn diese mikrigen Zwistigkeiten interessierten.
Caidin erhob sich. „Noch etwas: Dieser Prediger, Sibellian. Erledigen Sie ihn. Arethrus, sagen Sie Varitani, er soll das übernehmen. Ich verlasse mich nicht auf die Verschwiegenheit dieses sich ereifernden Wiesels.“ Damit verließ er den Saal. Keiner konnte für sich selbst sagen, ob es das letzte Mal gewesen war, dass er den mysteriösen Führer der Inquisition des Calixis-Sektors gesehen hatte. Auch der Space-Marine verließ die Inquisitoren.
„Sie hätten Varitani einfach so unterstützt?“, fragte Gillenstern an Arethrus gewandt, der sich daran machte, seine Datentafeln aufzusammeln.
„Das werden wir jetzt wohl nicht mehr herausfinden, Rembrandt. Ich weiß nicht, seit wann Sie sich dazu hergeben, an mich übermittelte Datenkristalle zu entwenden, aber…“
„Meine werten Herren.“, unterbrach Bahan und hob beschwichtigend die Arme. „Wir werden doch keine solchen Anschuldigungen aussprechen, wenn es wirklich gar keine Beweise gibt, nicht wahr?“
Arethrus blickte die beiden an. „Warum Hax? Caidin hat Recht, wissen Sie. Das tut der Inquisition nicht besonders gut.“
Gillensterns Absauger taten ihr widerlich anzuhörendes Werk, als er wieder einmal seine menschliche Stimme verwendete. „Wird es schon überstehen. Ist zäh, die Inquisition.“ Er erhob sich endlich, die Servos seiner Rüstung surrten. „Er ist erledigt. Varitani, meine ich.“
Arethrus senkte den Blick. „Wenn alles gut geht…“
„Hoffnung ist der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung, Zephraim. Ersparen Sie sich und uns diesen Gang. Er ist erledigt.“, beharrte Gillenstern. „Sie wissen ebenso gut wie Eirut oder ich, dass es so ist. Xeiros Prime nicht sofort zu verdammen, die ganze Sache mit dieser Saat, das Warpportal. Meine Güte, wer würde da nicht zweifeln? Er ist korrumpiert. Etwas anderes kommt nicht in Frage. Sein ganzes Team und er – sie müssen entfernt werden, falls sie zurückkehren. Falls noch mehr passiert, falls irgendetwas schief geht, werden noch weitere Köpfe rollen.“
Arethrus Blick wurde hart. „Das werden wir noch sehen.“ Damit wandte er sich um und ging.
„Er will es nicht einsehen.“, kommentierte Bahan das offensichtliche.
„Sie müssen brennen. Ihre Seelen sind verdorben.“
„Wissen Sie, Rembrandt. Bis heute wusste ich kaum, wer Varitani war.“
Gillenstern wandte steif den Kopf herum. „Ist mir egal, wer er war. Was er ist, das zählt. Er wird bezahlen. Am besten, Sie jagen ihn mit diesem Xeiros Prime einfach hoch.“
Bahan tippte mit der Spitze seines Stocks auf den Boden. „Wir werden sehen. Wir werden sehen.“
„Wie auch immer.“ Gillensterns Servorüstung schnarrte, als er sich auf die Tore zubewegte. „Ich habe eine Hexenjagd zu leiten.“
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 13. Mai 2013, 21:02:08
7 – Chaotische Ränke

Der betäubende Schleier des Halbschlafs lag über allen Wahrnehmungen, über allen Sinnen, die Arian Dorundy verblieben waren. Ein kleines, wehrhaftes Fragment ihres alten Selbst, das einzige, was davon noch übrig war, dankte dem Imperator für diese Momente der Ebbe. Was ihr unwirklich weit weg schien, Erinnerungen an eine Zeit vor der Zerstörung von nahezu allem, was Arian Dorundy gewesen war, begannen aufzutauchen und Gesichter standen vor ihrem inneren Auge auf - ihre Mutter Anille, ihre Schwester Dara, DeVetter, Varitani, Frost, Dvorov.
Äußerlich war von all dem nichts zu sehen. Dorundy war bereits seit Wochen lethargisch und hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Ihre kahle, wunde, zerbrechlich schwache Gestalt war an den Speichen eines Eisenrades aufgespannt, Arme und Beine gespreizt. Seit Wochen war sie dort, trotz all der Qual von kompetenter Hand am Leben erhalten. Die ersten Tage hatte sie noch selbst getrunken, als dann der Horror unerträglich geworden war, hatte sie damit aufgehört - die schimmernde Hoffnung eines baldigen Todes im Herzen. Eine Apparatur leitete seither Flüssigkeit und auch zu geringen Teilen Nährstoffe in ihren Blutkreislauf, die Eintrittsstelle der Sonde gerötet, entzunden und unter normalen Umständen schmerzhaft. Jene mickrige Art von Schmerz war jedoch schon lange jenseits von allem, was Arian Dorundy noch wahrnehmen konnte.
Man hatte sie gleich zu Beginn der Folter kahlgeschoren und ihr die Kleider vom Leib gerissen. Dann waren die Interrogatoren und Inquisitoren gekommen und hatten mit pervertierten imperialen Verhörtechniken begonnen, ihre Gedanken zu sezieren - das rote Glühen immerzu hinter den Glaskörpern ihrer Augen präsent. Schon zu dieser Zeit hatte sie alles offenbahrt, alles gesagt, was sie gewusst hatte. Sie hatte damals begriffen, dass jeder befreite Gefangene, der auf gewisse Art oder eine gewisse Zeit lang gefoltert worden war und behauptete, nichts verraten zu haben, ein Lügner war. Scham und Enttäuschung über die eigene Schwäche waren noch da gewesen - zu Beginn jedenfalls. Die Befragungen hatten aufgehört und die korrumpierten Imperialen waren gegangen.
Dann war er gekommen - ein Daemon in Menschengestalt, so war es ihr erschienen, auch wenn sie schon kurz darauf eines Besseren belehrt worden war. Er war ein Chaos-Psioniker, ein Hexer, der sich mit den dunklen Kräften des Immateriums abgab und sie benutzte, sich selbst als Tor für sie zur Verfügung stellte, doch er war nur ein Mensch. Dennoch hatte mit seinem Auftreten ihr endgültiger Auflösungsprozess begonnen. Seine Gefolgschaft bestand aus mehreren erbärmlich wirkenden, sklavischen Untergebenen, die krude, blutverkrustete Metallkonstrukte unter der dünnen, entzündeten Haut ihrer Rücken trugen, die allerhand Fetische, Knochen und Schädel über ihren Köpfen aufgespießt zeigten.
Erst hatten sich diese widerlichen, stinkenden Sklaven über mehrere Tage hindurch mit ihr beschäftigt und sie nach Belieben benutzt. Der Hexer hatte ihren Körper anschließend zur Ermattung gequält, hatte sie mit Muskelkrämpfen zur Besinnungslosigkeit getrieben. Er hatte keine Fragen gestellt, nur manchmal gelacht und sie aufgezogen. Er hatte nichts verlangt, weder Gefolgschaft noch Verrat. Er hatte etwas von Rezepten und Zubereitungen gemurmelt und war sehr konzentriert erschienen, doch hatte er sich ihr gegenüber nicht erklärt.
Als ihre Lethargie begonnen hatte, war der erste Schnitter gekommen, ein echter Daemon diesmal - wie der Hexer erläuterte. Der hatte sie mit einer Klinge bearbeitet, die seinem Fleisch entwachsen war und aus rasiermesserscharfem Knochen zu bestehen schien. Wie ein Gourmet war er vorichtig gewesen, sich nie soweit gehen zu lassen, dass sie ihm hätte in die Sicherheit des Todes entkommen können. Dorundy hatte gebrüllt, sich gewunden, gestrampelt, gebettelt, gejohlt, gefaucht und geweint. Nichts hatte etwas daran geändert, das meiste dem Daemon sogar Freude bereitet. Nach seiner Behandlung war sie verstümmelt gewesen und mit Bolzen an dem achtspeichigen Eisenrad befestigt, da die Seile das, was von ihrem Körper noch übrig war, nicht mehr halten konnten.

Mehrere Tage später trafen die Flügel der Ebenholztüre hart gegen die kleinen Stopper, als der hühnenhafte Mann den Gouverneursspeisesaal von Antimon betrat, ohne sein Schritttempo wesentlich zu verringern. Seine über einem rostroten Kettenhemd liegende Plattenrüstung steuerte das beständige Klirren von aufeinanderschlagendem Metall zu dem satten, dumpfen Aufprall seiner Stiefel bei, zwei Kettenäxte hingen an seinem Gürtel, an jeder Seite eine. Astrion Malqevis' Blick flog durch den Raum und erfasste innerhalb einer Sekunde alle darin befindlichen Personen; den Hexer am Kopfende der Speisetafel, der sich gerade ein dünnes Stück Fleisch in den Mund schob, die beiden wie immer aneinander klebenden, androgyn wirkenden Zwillinge, lasziv gekleidet und sich lüstern anlächelnd, Garnug, den gebeugten, alten Leibdiener des Hexers, der sich gerade mit einem unter dem Arm geklemmten Goldtablet in Richtung eines Bedienstetenausgangs links hinten davon machte und schließlich die gebückte und in Lumpen gehüllte Gestalt, die sich ganz an einen Beistelltisch gezwängt hatte.
"Wieder mal an den Rand der Gesellschaft verbannt, was, Fremder?!", rief der Krieger mit rauher, kehliger Stimme und hielt in seiner Bewegung inne. Jeder, der ihn nicht besser kannte, hätte einen Anflug von Humor hinter der Bemerkung vermuten können.
Ein Hüsteln war die kaum wahrnehmbare Antwort, und die Hand des Vermummten fuhr zu seinem von einer mit grünlichem Schimmel bewachsenen Kapuze verhangenen Gesicht. Selbst aus dieser beträchtlichen Distanz nahm Malqevis gute Nase den verderbten Verwesungsgeruch wahr, der dem von Fliegen umschwärmten Körper des Fremden entströmte.
Ein süffisantes Grinsen zeigte sich auf dem Gesicht des Hexers, als er sich mit dürren, knochenbleichen, von langen spitz zulaufenden Nägeln gekrönten Fingern ein weiteres hauchdünnes Scheibchen Fleisch aus einem mit einer rostbraunen Flüssigkeit gefüllten Schälchen fischte. "Ich will doch nicht, dass mein Mahl verdirbt, bevor ich es zu mir nehmen kann." Seine Stimme war höher als die des Kriegers, aber genauso fest und grausam.
Ein mißgünstiges Schnauben entfuhr Malqevis, und er setzte seinen Gang bis an das dem Hexer gegenüberliegende Ende der Tafel fort. "Was haltet Ihr eigentlich von Dorundy, Hexenmeister?"
Velfur Zaabesz schlürfte die Scheibe gerade zwischen den Reihen seiner angespitzten Zähne hindurch, die sich elfenbeinfarben von dem hellroten Zahnfleisch abhoben und verdrehte genüßlich die Augen. "Überaus köstlich.", antwortete er. "Die Art der Zubereitung ist wirklich entscheidend, und langsam aber sicher erreiche ich eine gewisse Perfektion. Nach so vielen Jahren sollte man das auch erwarten. All diese Vielfalt: Dem fast überwältigenden Bombast der Agonie des Todeskampfes folgt zuerst der berauschende Sturm aus bei vollem Bewusstsein erlebtem Schmerz, dann geschmacklich immer stärker durchkommend die Qual, langsam und über lange Zeit eingezogen in jede Pore, zart vermengt mit Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Doch dann -", und der Hexer erhob sich bei diesen Worten und blickte mit glänzenden Augen in eine anscheinend nur ihm sichtbare, glorreiche Welt, "dann kommen die zarten Spuren von Schamverlust, Trauer und einsetzendem Selbstzweifel durch, zuerst vollkommen überlagert von den starken Emotionen der letzten Phase der Zubereitung, doch fein konserviert und für den Gourmet der wahre Höhepunkt des Mahles." Selbstzufrieden seufzend ließ sich Zaabesz wieder in seinen mit roten Seidenkissen bepolsterten Stuhl sinken, nicht ohne auf den makellosen Sitz seiner karmesinroten Robe zu achten, die in präzisen Falten an ihm herabfallend die genauen Merkmale seines Körpers verborgen hielt. "Dem Carpaccio folgt anschließend noch ein Filet, gebraten im eigenen Fett. Ihr dürft Euch gerne anschließen, Astrion."
Gelbe Reißzähne blitzten unter dem schwarzen Bart des Kriegers auf: "Behaltet Euer Aas für Euch, Velfur. Ich bin nicht für tote Nahrung zu haben, das wißt Ihr doch. Gegen einen Schluck Herzblut hätte ich aber nichts einzuwenden."
Zaabesz lächelte gönnerhaft, griff nach einer kleinen Glocke, die neben seinem Pokal auf der polierten, dunklen Tischfläche stand und läutete. Garnug betrat augenblicklich den Raum. "Ruft eines der Dienstmädchen herein!", befahl ihm der Hexer, woraufhin sich Garnug verneigte und den Raum verließ. Zaabesz teufliches Grinsen funkelte dem Krieger entgegen: "Für Euch nur das Beste." Sofort war er wieder ernst. "Wie ist es Euch denn im Westen ergangen?"
"Pff.", schnaubte Malqevis. "Wir haben die ganze Bande dieser primitiven Echsenmenschen ausgemerzt. Alle, die zu dem Stamm gehörten, aus dem dieser Inquisitor seine Helfer rekrutiert hat. Eine unwürdige und ruhmlose Aufgabe war das!"
"Tja, wir müssen alle unsere Opfer bringen.", erwiderte Zaabesz und wandte seine Aufmerksamkeit flugs wieder seinem Mahl zu. "Herrlich.", flötete er.

Der Krieger verzog erneut das Gesicht. "Ich nehme an, die Inquisitionsschlampe hat uns alles gesagt, was sie wusste.", sagte er, als er seinen massigen Körper auf einen ächzenden Stuhl fallen ließ, dessen kunstvoll geschnitzte Beine über den blanken Parkettboden qietschten.
"Natürlich. Das tun sie immer und das auch lange, bevor sie sterben." Zaabesz fischte wieder in sein Schälchen.
"Wie ist sie denn gestorben?"
"Der Verschlinger hat ihr seinen Samen verabreicht.", schnurrte da Tereen, der männlichere der Zwillinge, die sich an der von Malqevis gesehen aus linken Seite der langen Tafel auf einer Sitzbank räkelten. "Und seine Brut hat sich dann aus ihrem Bauch gefressen."
"Ich mag es, wie Du das Wort Samen aussprichst und woran ich dabei denken muss.", flüsterte da Alrihn, die weiblichere der Beiden, wobei Malqevis durchaus auffiel, dass sie gerade laut genug flüsterte, dass zumindest Velfur Zaabesz und er es hören mussten. Was den Fremden anging, so war sich Malqevis nicht sicher, was und wieviel der Pestilente wahrnahm. Er betrachtete die beiden ineinander verschlungenen Gestalten auf der Bank und bemerkte sofort eine Schwellung zwischen seinen Beinen. Er verspürte das nur schwer zu unterdrückende Bedürfnis, Alrihn gleich hier wie ein Tier zu nehmen, wieder und wieder, um sie dann in einem Versprechen von höchster Lust, nein, Extase mit bloßen Händen zu zerreißen und auszuweiden, genau am Höhepunkt. Er schüttelte den Kopf, angewidert über seine Schwäche. Er wusste, dass er das nicht tun durfte, zumindest noch nicht. Immer wieder jedoch durchfuhren ihn solche wolllüstigen Gedanken, wenn er sie ansah und jedes Mal musste er eine andere Frau benutzen, um sich anschließend Luft zu verschaffen. So wohl auch an diesem Tag.
"So groß ist das Portal bereits? Wir haben einen Verschlinger?" Fragend richtete Malqevis seinen Blick zurück auf den Hexenmeister.
"Eigentlich waren es bereits mehrere, nachdem sich seine Brut den Weg aus der Akolythin gefressen hatte, doch war er nicht besonders kooperativ, sobald seine erste Begierde gestillt war." Zaabesz schob die Schale weg, nachdem er das letzte Stückchen Carpaccio zu sich genommen hatte. "Ich musste ihn fesseln und seine Brut vor seinen Augen quälen und vernichten. Wir werden keine weiteren Probleme mit ihm haben, denke ich, auch wenn wir eine gewisse Zeit warten müssen, bis er sich wieder fortpflanzen kann. Dann aber werden wir bald genug Verschlinger in unseren Diensten wissen, vorrausgesetzt, wir finden geeignete Mütter."
Ein röchelndes Husten kam vom Fremden zu ihnen hinüber. „Gib einem der nächsten Brut diese Essenz zu trinken.“ Damit wies er auf ein Fläschchen, das auf einmal auf der Tafel zu stehen schien. Es sah seltsam alt und abgenutzt aus. Darin befand sich eine schlammig wirkende, zähe Substanz.
Velfur Zaabesz zog eine Augenbraue hoch. „Er wird dann kein Verschlinger werden, richtig?“
Ein Husten antwortete ihm. „Es wird ein Traumplünderer aus ihm wachsen. Er wird allen, die nicht von der Saat beglückt wurden, den Schlaf raubend Qual und Horror sein. Die restlichen der Brut lasse Verschlinger werden. Wir benötigen nicht mehr als einen Traumplünderer, um diese Welt mit Alpträumen zu überziehen.“
„Ich hoffe, er vermehrt sich bald wieder, dieser Verschlinger. Ich bin erpicht darauf, dieses Wesen zu erblicken.“, flötete Zaabesz.
"Ja, sie nehmen nicht jede, diese Verschlinger.", gurrte Tereen.
"Ganz anders als Du.", fügte Alrihn hinzu.
Malqevis bemühte sich rasch wieder, seine Aufmerksamkeit auf Zaabesz zu richten. "Was wissen sie? Dieser dreckige Inquisitor ist uns ja entwischt. Wie bald müssen wir mit einer Reaktion rechnen? Wie heftig wird diese wohl ausfallen?"
"Diese Arian Dorundy wusste wenig. Sie hatten Flengler gefunden, ein paar grobe Informationen über seine Arbeit vor seiner Erleuchtung." Zaabesz leckte sich mit einer unnatürlich langen und dünnen Zunge über seine Zähne, polierte sie förmlich.
"Aber wusste sie von der Saat?" Malqevis war angespannt.
"Dorundy wusste nichts darüber. Dieser Inquisitor, Varitani heißt er übrigens, ist jedoch in den nördlichen Komplex eingedrungen, offenbar auf der Suche nach Beweisen. Dort ist er mit Berührten der Phasen zwei und sogar drei zusammengetroffen."
"Und er hat das überlebt." Malqevis Erwiderung war eine Feststellung, und fast lag ein bisschen Respekt in seiner Stimme.
"Er hat die Berührten der Phase drei sogar getötet, soweit das möglich ist. Es kann also durchaus angenommen werden, dass er mehr Details kennt als Dorundy."
"Und damit auch die Schoßhunde des falschen Imperators!" Die Faust des Kämpen sauste krachend auf den Tisch.
"Jetzt heißt es einerseits die Ruhe zu bewahren und andererseits mit feurigem Eifer weiterzumachen. Ich habe bereits veranlaßt, dass die Bemühungen verdoppelt werden. Die Feldgröße erlaubt es bei den Studien mittlerweile bedeutende Fortschritte zu erzielen, was die Verlegung des Saatgebietes betrifft." Zaabesz legte die Finger ineinander. "Bald können wir auch andere Welten bestellen."
"Wie sieht es überhaupt mit der Ernte aus?", fragte Malqevis, den Blick nun auf den Fremden gerichtet.
Ein Hustenanfall anwortete ihm, dann folgten mit krächzender, schwacher Stimme gesprochene Worte, wobei bei jedem Atemzug ein wässriges Rasseln zu hören war: "Phase eins hat den gesamten Planeten umschlossen, Phase zwei schreitet entsprechend des Plänen meines Herren voran." Ein kehliges Würgen des Fremden förderte einen gelblichen Batzen Schleim zutage, der mit einem Klatschen auf dem Boden des Saales aufschlug. Malqevis meinte zu sehen, dass er sich auf dem Boden noch ein wenig bewegte, bevor er zum Stillstand kam. "Mehr Angehörige von Phase drei zu gewinnen hängt vor allem von der Kraft des Portals ab. Es gibt bereits einige, aber noch nicht genug."
"Lasst uns die Kraft des Extraktors erhöhen!"
"Nein.", widersprach Zaabesz sofort. "Der Extraktor ist und bleibt der Verantwortungsbereich von Tzerbennek. Wenn wir die Fördermengen zu sehr steigern, wird dieser gesamte Planet zerbersten und was haben wir dann noch, um es ins Empyreum zu ziehen?"
"Die Diener des falschen Imperators werden kommen! Bald!" Malqevis Faust schlug erneut auf den Tisch, so dass alle darauf befindlichen Gefäße einen Sprung machten. "Wer wird sich Ihnen stellen, wenn es eine ganze Flotte ist?! Ihr etwa?!"
"Ich denke, Ihr schätzt das falsch ein, Malqevis. Selbst falls sie so viel wissen; sie können uns nicht großflächig angreifen, ohne das Portal mit Energie zu versorgen. Sie werden wohl nicht riskieren, den ganzen Subsektor an einen Warpsturm zu verlieren. Und der Extraktor ist verborgen. Sie werden ihn nicht finden. Dieser Varitani hat den Schwanz eingezogen und ist auf und davon. Habt Vertrauen in unseren Herren." Der Hexer blickte auf, als das Öffnen der Seitentüre zu hören war und eine junge Frau mit hängenden Schultern in der Aufmachung eines Dienstmädchens eintrat. Ängstlich näherte sie sich der Gesellschaft. Zaabesz erhob sich und machte einige Schritte auf sie zu, was sie zurückzucken ließ.
Er lächelte sie breit an und seine angespitzten Zähne blitzten. Sie schrie kurz auf und wollte davonlaufen, doch eine Handbewegung des Hexers später stand sie wie gelähmt da, ihre Augen vor Entsetzen weit aufgerissen, ihr offener Mund zu einem Schrei geöffnet, der ihre Kehle wohl nie verlassen würde. "Phase eins, wie unterhaltsam." Er gluckste. "Da wehren sie sich noch..." Seine Stirn legte sich in Falten und wie von unsichtbaren Fäden gehalten wurde das Mädchen hochgehoben und schwebte in einem Meter Höhe auf Malqevis zu. Als sie direkt vor und über ihm zum Stehen kam, rief Zaabesz: "Auf Euer Wohl, Astrion, auf Euer Wohl. Ihr Herzchen schlägt rasch, der Blutdruck dürfte angenehm hoch sein." Ein hauchdünner, violetter Lichtstrahl fuhr von der Position des Hexers aus durch den Körper der immer noch in der Luft gehaltenen Frau, direkt durch ihr Herz, worauf hin sich zwei zarte Blutfontänen aus ihr ergossen. Gib dem Affen seinen Zucker, dachte Zaabesz bei sich.
Malqevis breitete die Arme aus und öffnete lächelnd seinen Mund, während die warme Flüssigkeit durch seinen Bart sowie über Gesicht und Rüstung lief, und trank. "Blut!", gröhlte er und lachte auf. Das ging für einige Zeit so, dann erschlaffte der Körper und glitt zu Boden. Die Gestalt des Kriegers war über und über besudelt und auch die Zwillinge hatten einiges abbekommen. Tereen leckte den roten Lebenssaft gerade von Alrihns zierlichem Körper.

Die rasselnde Stimme des Fremden zerschnitt unerwartet scharf die Atmosphäre der Extase, in der sich sowohl die Zwillinge als auch Malqevis befanden: "Nachdem nun der Durst gestillt ist, können wir uns doch wohl den Problemen widmen, die anstehen." Ein heftiger Husten beutelte den gekrümmten Leib des Verhüllten und erneut spuckte er aus. "Alles Vertrauen in unseren Herren wird uns nicht vor seinem Zorn bewahren, wenn wir uns einer Nachlässigkeit schuldig machen. Die Inquisition weiß genug, um zu handeln. Das kann nur zweierlei Dinge bedeuten: Wissen sie so viel, um die Gefahr halbwegs einschätzen zu können, werden Sie mit aller Macht zuschlagen, mit dem erklärten Ziel, diese Welt auszulöschen. In diesem Fall ist der Extraktor unser einziger Schutz, da sie den Planeten nicht bombardieren oder sonst entvölkern können, ohne das Portal zu katastrophaler Expansion zu bringen - damit wäre der Subsektor verloren. Wissen sie nicht viel, werden sie zumindest weitere Agenten schicken um Untersuchungen anzustellen." Der Fremde hustete wieder und rang nach Luft. Es war überaus selten, dass er so lange sprach.
"Dem stimme ich zu.", sagte Malqevis. "Ein rein militärisches Eingreifen würde ich zwar als Herausforderung begrüßen, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Sie werden erneut Würmer schicken, um noch tiefer zu bohren."
"Für den Fall, dass sie wirklich mit großem Gefolge hier auftauchen, kann es wohl nicht schaden, Ihnen einen gehörigen Empfang zu bereiten. Ich denke an Raumminen und sowas alles.", fügte Zaabesz hinzu.
Malqevis grinste. "Ich werde das veranlassen. Außerdem werde ich bei der hiesigen Inquisition die Meldung eingehen lassen, es handle sich bei Varitani um einen Verräter am Goldenen Thron zu Terra. Sollten er oder andere Mitglieder der Inquisition es wagen, noch einmal einen Fuß auf Xeiros Prime zu setzen, werden wir diesmal nicht zögern."
"Hervorragend.", meinte Zaabesz.
Der Krieger warf erneut einen Blick auf die Zwillinge. Tereen hatte Alrihn mittlerweile von ihren blutdurchtränken Kleidern befreit und liebkoste lüstern ihren Körper. Mit einem tiefen Brummen wandte Malqevis sich um und ging in Richtung der Tore. Es war Zeit, sich eine Frau zu suchen.
Der Hexenmeister wartete noch einen Moment, nachdem der Krieger den Raum verlassen hatte, dann jagde er mit angewidertem Gesichtsausdruck und einer raschen Handbewegung einen Stromschlag durch die beiden ineinander verschlungenen Geschwister, der beide erschrocken und verärgert aufzischen ließ wie Schlangen. "Wenn Ihr Malqevis unbedingt reizen müsst, so will ich das tolerieren, da mir sein Unbehagen sehr wohl auch Vergnügen bereitet, doch sobald er sich nicht in meiner Gegenwart befindet, erspart mir gefälligst diesen Anblick. Ich habe zu denken und zu planen und ihr solltet Euren Platz kennen!"
Während Tereen noch immer wütend auf Zaabesz blickte, zog ihn die nackte Alrihn mit einem verspielten Lächeln zu sich hoch. "Komm, Bruderherz! Der Zauberer muss denken und planen und unser Platz ist anderswo!", ihre Stimme troff vor beißendem Spott. "Lasst es uns wissen, oh großer Meister, wenn ihr unserer Dienste bedürft. Bis dahin werden wir uns die Zeit schon vertreiben." Sie machte eine grazile Verbeugung und blickte dann starr ins Zaabesz wütendes Gesicht. Plötzlich schnellte ihr Arm zur Seite und schleuderte den Stuhl, auf dem Malqevis vorher gesessen hatte, blitzartig durch den ganzen Saal, wobei er nicht unweit des Fremden in tausend Stücke zerbarst. Tereen lachte schrill auf und umarmte seine Schwester.
"Kindischer Unfug.", murmelte der Fremde und erhob sich. In einigen Metern Umkreis sah es so aus, als ob der Saal hunderte Jahre gealtert wäre, die Farben waren verblasst, die Stoffe vergilbt und spröde, der Lack auf dem Holz blasig und aufgesprungen und der Parkettboden morsch und brüchig. "Seht zu, dass der Verschlinger sich vermehrt und dass das Portal stetig wächst. Bald schon wird sich zeigen, was die schillernden Ströme des Schicksals für uns bereithalten."
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 14. Mai 2013, 17:20:52
8 – Philosophische Annäherung

"Auch wenn ich auf die genauen Details wie gesagt nicht eingehen kann - noch nicht eingehen kann - möchte ich hier nochmals auf das ungemein hohe Gefahrenpotential dieser Mission hinweisen, sowohl was körperliche als auch was seelische Gesundheit angeht. Es ist durchaus möglich, dass wir nicht zurückkommen." Varitani strich sich über die Narbe unter seinem Kinn und sah die vor ihm Versammelten einen nach dem anderen an - und sie sahen ihn an, alle außer Blender. Der Assassine stand leger an ein Bücherregal gelehnt da - der schwarze Ledermantel hing ihm von den Schultern  - und blickte ins abendliche Dämmerlicht hinaus.
"Ist doch immer gefährlich, wenn Sie uns wo hinschicken, Herr Inquisitor.", brummte Nick Runsit, auch Granit genannt. Er saß breitbeinig in seinen beigen Hosen und seinem dunkelgrünen, eng anliegendem Hemd auf einer Couch, die eigentlich drei Personen hätte Platz bieten sollen.
"Das ist aber nicht dasselbe.", erwiderte Interrogator Railoun, der rechts von Varitani neben einer Glasvitrine stand. "Das Maß an Gefahr ist dieses Mal so erheblich, dass Sie eine mündliche Warnung des Herrn Inquisitors persönlich bekommen. Das sollten Sie sich also schon zu Herzen nehmen."
Granit brummte etwas Unverständliches.
"Eine Warnung und auch eine Empfehlung.", fuhr Varitani fort, stützte beide Arme mit den Ellenbogen an der dunkelbraunen Platte seines Schreibtisches auf und legte die Finger ineinander. "Sie haben noch zwei Tage Zeit. Verbringen Sie diese Zeit mit Menschen, die Ihnen nahe stehen, sagen Sie Ihren Lieben Lebewohl. Es könnte durchaus das letzte Mal sein, dass Sie dazu Gelegenheit haben werden. Sobald wir unser Ziel erreichen, besser gesagt, sobald wir von Scintilla aufgebrochen sind, werde ich keine außerdienstliche Kommunikation mit Unbeteiligten mehr gestatten."
Betretenes Schweigen antwortete ihm.
"Pater, Sie und Sie, Immarut, bleiben bitte noch bei mir, die anderen sind vorerst entlassen. Wir sehen uns morgen zur Vertiefung der Infiltrationstaktik." Varitani erhob sich und alle taten es ihm nach.
"Natürlich, Herr Inquisitor.", antwortete Pater Gerhart Thracian, der Redemptionistenpriester, in seiner sonoren Predigerstimme. Das Aussehen des Mannes war stahlhart, wie er in seiner dunklen Ordenstracht unter ihnen stand, dem Aussehen nach als einziger mit der Härte und Unbeugsamkeit von Varitanis Ausstrahlung konkurrierend.
Hrubens Arn alias Blender warf Varitani einen säuerlichen Blick zu und verließ als erster den Raum, seine dunklen Augen finster nach vorne gerichtet. Cattaleya Amalia VanSovrean hatte sich grazil aus dem bequemen Ohrensessel geschält, in den sie sich mit einem genüßlichen Stöhnen hatte sinken lassen und lächelte den neben ihr stehenden Lucius Frost verschmitzt an, während sie mit einem Kopfnicken in Richtung des Assassinen deutete. Der Ex-Arbitrator schnalzte nur ein wenig mißbilligend mit der Zunge, bot ihr seinen Arm und geleitete sie aus dem Arbeitsraum von Inquisitor Varitani. Hinter den beiden schob sich der dunkle Hühne aus dem Raum.
"Ich denke, es geht dorthin, von wo sie gerade gekommen sind, nach Xeiros Prime. Stimmt's, Inquisitor?" Obwohl der Tonfall des Telepathen Phos Isand weder scharf noch unfreundlich gewesen war, rief seine unangenehme Stimme oft ganz ähnliche Reaktionen hervor.
"Ich denke, Sie sind manchmal klüger als Ihnen gut tut, Vox.", gab Railoun schnell zurück und warf einen raschen Blick in Richtung Varitani, dessen sorgenvoller Aspekt dem scharf beobachtenden Telepathen bereits die Bestätigung seiner Vermutung gab, ganz ohne dass er irgendwelche Kräfte hätte einsetzen müssen.
"Und ich denke", schloß sich Varitani selbst an, "dass ich Ihnen alles gesagt habe, was ich für wichtig und vertretbar halte, Isand. Wie Sie sicher wissen, habe ich DeVetter auf Xeiros Prime verloren. Er hat mir das Leben gerettet. Ich will ganz offen in dieser Sache sein. Ich hätte lieber ihn dabei, aber das geht nicht. Sie haben sich mir immer als wertvoll und verläßlich präsentiert, Isand, deshalb habe ich keine Bedenken, wenn ich Sie nun mitnehme, wenn Sie nun die Möglichkeit bekommen, sich den Platz zu verdienen, den DeVetter innehatte."
Der Psioniker nickte nachdenklich. "Ich verstehe, Herr Inquisitor. Natürlich."
"Jetzt aber raus mit Euch, Isand!", bellte ihn Pater Thracian an. "Ihr wurdet bereits entlassen."
Ein kaltes Lächeln zog über die Züge des Telepathen, als er eine Verbeugung andeutete und sich ebenfalls zurückzog.

Als sich die Türe zischend hinter ihm geschlossen und er den Vorraum des Arbeitsbereichs von Inquisitor Varitani betreten hatte, sah sich Phos Isand um. Alle anderen Akolythen waren noch anwesend: Lucius Frost, der verbissene Ex-Bulle, stand links von ihm in einer Ecke neben einer übermannshohen Zimmerpflanze und hantierte mit seinem Kommunikator herum, nicht weit weg von ihm - welch Überraschung  - hatte sich die Adelige auf einer gepolsterten Bank niedergelassen und eine Datentafel gezogen, die sie gerade an eine Wandkonsole anstöpselte. Blender und Granit standen einige Meter vor dem Psioniker an der breiten Fensterfront des Turris Malleus und unterhielten sich gedämpft. Die Laune des Assassinen war nach der kleinen Abreibung, die ihm Varitani gerade verpasst hatte, noch immer düster. Tja, sind halt nicht alle solche Goldjungen wie unser Löwe oder der Pater.
"Tatsächlich, da ist es ja!", rief Honeymoon fröhlich aus und aktivierte einen kleinen hololithischen Projektor, der abwechselnd Bilder einer schrill überstylten Nachrichtensprecherin und diverser Videos und Fotografien in den Raum warf.
"Der von mehreren Kugeln durchbohrte Körper von Prediger Orian Sibellian, dem persönlichen Assistenten von Erz-Kardinal Ignato, wurde heute morgen von Bediensteten in seinem Appartement aufgefunden. Nach Bekanntwerden des gewaltsamen Todes hat sich umgehend das Adeptus Arbites und das Magistratum eingeschaltet."
"Das Adeptus Arbites, sieh‘ an, sieh‘ an. Das wird ja richtig heiß. Das also hat Varitani gemeint, als er vorher "Es sollte nach einem Unfall aussehen" gedonnert hat." Das kecke Grinsen stand der Diebin noch immer ins Gesicht geschrieben.
Arn verzog erneut das Gesicht. "Es soll auch schon Unfälle mit Feuerwaffen gegeben haben, wenn ich mich recht entsinne."
"Nach Begutachtung der drei Brusttreffer wird von einem Unfall ausgegangen.", fingierte Cattaleya lachend einen weiteren Bericht der Nachrichtensprecherin.
"Pah.", Blender machte eine wegwerfende Armbewegung. "Vielleicht werde ich ihm empfehlen, das nächste Mal Dich zu schicken, Honeymoon. Aber welche Sauerrei es dann aufzuräumen gibt, will ich mir gar nicht vorstellen."
"Varitani weiß schon, was er tut.", ließ da Vox verlauten, und alle außer Lucius Frost zuckten ein wenig zusammen. Der Ex-Arbitrator blickte auf das kleine, hololithische Bild einer Frau und sprach in gedämpftem Ton mit ihr: "Freut mich. Dann lade ich Dich zum Essen ein. In Tremiens Garten der Sinne vielleicht? Um 20 Uhr? Gut, dann hole ich Dich zehn Minuten vorher ab." Ein kurzes Lachen folgte der Erwiderung der Frau. "Aber Elena, wann hat mich ein bisschen Verkehr jemals aufgehalten? Wir werden schon pünktlich sein. Wir sehen uns dann." Das Holo-Bild verschwand und Lucius wandte sich den anderen zu, die ihn fast ausnahmslos anblickten. "Hm?", brummte er fragend.
"Ich denke, wir fliegen nach Xeiros Prime. Dort muss etwas passiert sein. Das erklärt die rasche Rückbeorderung und die dringliche Einsatzorder. Und könnt Ihr Euch erinnern, wann wir das letzte Mal von Inquisitor Varitani selbt begleitet wurden? Und von Railoun?", tat der Telepath kund und ging auf eine Bank zu seiner Rechten zu. In seiner Hand begannen drei Glasperlen zu rotieren, sich zu überschlagen und geräuschlos zu tanzen - seine Konzentrationsübungen.
"Er hat uns noch nie begleitet...", brummte Granit.
"Mich schon.", warf Lucius ein. "Ist aber schon einige Zeit her und war auch nicht angenehm damals." Rikkard Horlant kam ihm ins Gedächtnis. Varitani hatte damals dem Ex-Arbitrator das Kommando über einen Trupp gegeben und Akolyth Horlant hatte es nicht zurückgeschafft. Seither war Lucius doppelt darauf bedacht, dass wenn irgend möglich alle überlebten.
"Ist Euch aufgefallen, wie krank Varitani aussieht?", meldete sich nun wieder Hrubens Arn zu Wort. "Die Augenringe und die Falten."
Frost nickte; er hatte ja vor einigen Tagen vom Interrogator Railoun bereits erfahren, dass eine Mission nach Xeiros Prime wahrscheinlich war. Auch Varitanis reduzierten Zustand hatte er natürlich bemerkt. "Ist mir nicht entgangen. Ich stimme den Ausführungen von Vox zu. Es müssen schlimme Dinge auf Xeiros Prime passiert sein. Vergessen wir nicht Frederiq und Arian." Seit der Sache mit Vynnor Lucrés war sie bei uns. Ich hoffe, sie hat nicht gelitten. Wie konnte man die auch vergessen. Es war schon durchaus nicht unüblich, dass ein Akolyth starb, doch tat es zumindest Lucius Frost jedes Mal weh, an die eigene kurze Lebenserwartung erinnert zu werden und auch an die seiner Leute, die er zum Großteil gern hatte und für die er auch meistens die Verantwortung trug. Irgendwie beruhigte es den Ermittler, dass er dieses Mal vielleicht einmal wieder nur ein kleineres Rädchen im Getriebe sein würde.
"Was haltet Ihr von dem Hinweis, unseren Frieden mit der Welt zu machen? Das klingt schon ein wenig theatralisch, oder nicht?", wollte Cattaleya wissen. "Wir waren ja schon in schlimmen Klemmen - denkt nur einmal an Zumthor."
"Ich kenne den Blick vom Herrn Inquisitor.", mahlten da die Steine in Granits Kehle. "War damals bei den Büßern auch nicht anders, wenn die Männer dem Tod ins Gesicht geblickt haben. Das sollte uns schon zu denken geben." Mit den Büßern bezeichnete der ehemalige imperiale Gardist das Strafregiment, dem er einige Zeit zugewiesen gewesen war. Dem Regiment, dessen Mitglieder fast ausschließlich Verbrecher und Halsabschneider gewesen waren, Männer, die gegen Regeln verstießen oder wie in seinem Fall Zwangsrekrutierte, waren immer wieder höchst undankbare Positionen auf Schlachtfeldern zugewiesen worden bis hin zu regelrechten Himmelfahrtskommandos. Irgendwie hatte es der hühnenhafte Stammeskrieger geschafft, das alles zu überleben und war von Varitani als Mann fürs Grobe eingestellt worden, eine Aufgabe, die der ruhige und erfahrere Krieger seither mit Bravour erfüllt hatte.

Inquisitor Varitani hatte sowohl sich selbst als auch Interrogator Railoun ein Glas Wein eingeschenkt. Dem Maccabeus-Priester hatte er Wasser gegeben. "Der Grund, warum ich mit Ihnen sprechen muss, Pater, liegt in der Natur des Auftrags, bei dem sie alle mich begleiten werden."
Gerhart Thracian nickte.
"Wie zumeist geht es gegen den Erzfeind und wie zumeist, wenn die Inquisition involviert ist, hat er sein Angesicht noch nicht enthüllt. Wir müssen uns wie zuvor bereits erwähnt vorsichtig bewegen und unerkannt bleiben."
Die Miene des Priesters verdüsterte sich.
Varitani brachte ein schwaches Lächeln zustande. "Ich weiß, wie sehr das Ihrer herkömmlichen Arbeitsweise entgegensteht, Pater. Doch diesmal wird das reinigende Feuer nicht von uns ausgehen. Diesmal ist der Gegner zu zahlreich und zu verbreitet, um chirurgisch vor Ort entfernt werden zu können."
Die Augen des Priesters weiteten sich. "Wir ziehen also in vom Feind besetztes Gebiet? Hier, im Calixis Sektor?"
Varitani nickte. "Wobei dieses Gebiet als solches noch nicht zu erkennen ist. Wir ziehen nicht gegen den Feind - zumindest nicht direkt. Doch wir können ihm durch unsere Heimlichkeit viel mehr Schaden zufügen als durch offenen Kampf."
"Dieser Gedanke ist nur schwer zu fassen.", gab Gerhart zu.
"Das weiß ich und darum spreche ich mit Ihnen darüber, Pater. Doch nicht um Ihr Verständnis und Ihr Wohlergehen mache ich mir Sorgen. Mir ist klar, dass ich darob keine Bedenken zu haben brauche. Es geht mir um den Rest der Truppe. Es könnte unwahrscheinlich belastend für die seelische Verfassung der Akolythen werden und an den Ort, an den wir fahren, scheint das Licht des Imperators nicht mehr länger."
Jetzt riß der Priester die Augen auf. "Ketzerei!"
"Ketzerei der schlimmsten Art.", stimmte Railoun zu und nahm einen Schluck. "Sie sollen für uns der Anker sein. Sie werden möglicherweise der einzige Träger Seines Lichtes sein, wenn der Erzfeind sein Haupt erst vollständig erhoben hat."
Stählerne Entschlossenheit breitete sich auf den Zügen des Kampfpriesters aus und brandete über Railoun und Varitani hinweg. "Des Erfolges wird gedacht, des Versagens wird sich nur erinnert."
"Wie gedenken Sie denn Ihre verbliebene Zeit hier auf Scintilla zu verbringen?", erkundigte sich Varitani nach einigen Augenblicken der Stille.
"Fernab von aller Sünde und aller Falschheit, die stets in den Menschen ruht. In Einsamkeit und Einkehr will ich mich stählen, auf dass Sein Wille mich allzeit durchströme."
Varitani nickte. "Wir werden zusammen reisen, wir beide, Pater, und nehmen noch Chnishnit liutstam Hrun'Sith mit." Varitani nannte Granit stets bei seinem Stammesnamen, den der Krieger beim Eintritt in das imperiale Leben in Nick Runsit geändert hatte, um einerseits den sprachlichen Fähigkeiten des imperialen Durchschnittsbürger entgegenzukommen und um andererseits wenigstens nicht des Namens halber vollkommen fremdartig zu wirken. "Wir werden uns als Pilger ausgeben, die den Drusus-Schrein von Xileiphos besuchen wollen. Sie werden aus offensichtlichen Gründen die Rolle des Pilgerführers einnehmen."
Thracian nickte. "Ich verstehe. Das kommt mir verhältnismäßig entgegen. Ich bedanke mich für diese Rolle, Herr Inquisitor."
Varitani machte eine wegwerfende Handbewegung. "Dafür brauchen Sie mir nicht zu danken, Pater. Ich bin ein Diener des Imperators und erfülle meine Pflicht so gut ich kann. Nach meinem Dafürhalten sind Sie ein lausiger Schauspieler, also halte ich die Erfolgschancen für besser, wenn ich Ihre Rolle nahe an Ihrem Milieu halte."
"Ich verstehe."
"Das wäre dann alles, Pater. Der Imperator beschützt."
Der Maccabeus-Priester verneigte sich kurz und steiff: "Der Imperator beschützt." Dann verließ er den Raum.

"Du triffst heute also noch Dein Mädchen.", stellte Cattaleya an Lucius Frost gewandt fest.
Dieser nickte. "In der Tat. Ich muss sogar bald los, sonst komme ich nicht rechtzeitig."
"Na dann viel Spaß."
Lucius Frost konnte nicht umhin, die mitschwingende wenn auch nicht offensichtliche Bitterkeit in Honeymoons Glückwünschen wahrzunehmen. "Danke." Er tippte sich zum Gruß an die Stirn, schob sich ein Lho-Stäbchen zwischen die Lippen und machte sich schleppenden Schritts davon. "Wir sehen uns morgen, Leute."
Cattaleya ließ sich wieder auf die gepolsterte Sitzbank sinken und sah sich nach Alternativen um. Zuerst glitt ihr Blick in Richtung des Telepathen, doch ließ sie ihn schleunigst weiterwandern, was Vox mit einem wissenden Grinsen quittierte.
Der einzige Zeitvertreib, den ich mir für uns zwei vorstellen könnte, wäre wahrscheinlich nicht das, was Dir vorschwebt. Dem Psioniker war klar, dass er diesen Abend allein verbringen würde. Überhaupt erschien es ihm seltsam, dass der Inquisitor dieser Gruppe von Ausgestoßenen und Freaks eine Empfehlung wie "Verabschiedet Euch von Euren Lieben und verbringt noch eine schöne Zeit solange Ihr könnt" gab. Er selbst fand die Vorstellung, längere Zeiträume mit einem der Truppe zu verbringen, nicht gerade prickelnd, wenn ihn nicht der Beruf in diese Position zwängte. Er konnte sich also gut vorstellen, dass es anderen Menschen genauso ging. Die Ausnahme war vielleicht der Assassine, der ihn noch am wenigsten mit Verachtung strafte und durchaus für den zumeist düsteren Humor des Psionikers zugänglich war. Doch wen gab es sonst noch? Lucius Frost war immer anderwärtig beschäftigt, entweder mit Frauen, für Isands Geschmack viel zu schnellen Fahrzeugen oder irgendwelchen Untersuchungen, Granit war getreu seinem Spitzamen zu stumpf, der Pater - kein Kommentar, Honeymoon eigentlich nur für eins wirklich zu gebrauchen und in diesen Genuß war er noch nicht gekommen, und der Interrogator war zu abgehoben von der normalen Truppe. Nein, er würde den Abend alleine verbringen, ein bisschen faulenzen oder etwas lesen, vielleicht auch in einen Club gehen und sich noch ein paar angenehme Erinnerungen verschaffen, an denen er in den düsteren Stunden der Nächte würde zehren können, falls ihm die Fantasien, in denen die Adelige vorkam, irgendwann einmal langweilig werden würden. Sollten die anderen doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Vox wandte sich grußlos ab und ging.
"Ein richtiger Sonnenschein, was?", grinste Nick Runsit in Richtung von Honeymoon.
"Das kannst Du laut sagen, Granit.", gab diese mit einem Seufzen zurück. Die oberflächliche Offensichtlichkeit, die Grundlage für in diesem Moment scheinbar alle Kommentare des ungeschlachten, aber manchmal durchaus liebenswürdigen Riesen bildete, langweilte Honeymoon zutiefst. Wenn doch nur Lucius seine Zeit mit ihr verbringen würde anstatt mit dieser Chemikerin! Eine Zornesfalte bildete sich zwischen den Augenbrauen Cattaleyas.
"Genau wie unser Pater.", fügte Arn hinzu. "Dem scheint die Sonne auch immer derart aus dem Allerwertesten, dass das mit der Undercover-Sache sicher interessant wird. Vielleicht sollten wir die Beiden mal zusammen in eine Zelle sperren und nach einer Woche sehen, was draus geworden ist." Ein schelmisches und zugleich bösartiges Grinsen war auf seinen Zügen zu erkennen.
In dem Moment öffnete sich die Türe und Gerhart Thracian betrat den Raum.
"Ah!", rief der Assassine mit gespielter Scheu aus und hielt sich die Hand vor Augen. "Ich bin geblendet."
"Verblendet wohl eher.", entgegnete der Maccabeus-Priester grollend. "Behelligt mich nicht mit Euren sündigen Witzen, Meuchelmörder, sondern tut das Werk der Rechtschaffenheit, wie es der Imperator in Seinem Willen für Euch vorgesehen hat. Das ist der einzige Weg, der Euch retten kann."
Hrubens Arn wollte gerade etwas erwidern, doch die bulkige Masse des sich aufrichtenden Kriegers schob sich ins Blickfeld des Assassinen. "Blender, alter Junge, komm, wir wollen uns umsehen, was Scintilla uns heute Abend noch zu bieten hat."
Blenders Mundwinkel wanderte nach oben. "Na klar doch, mein Großer." Er klopfte dem Ex-Gardisten auf die muskelbepackte Schulter, und sie machten sich auf den Weg. "Bis bald, Honeymoon, treib's nicht zu wild.", lachte Blender im Hinausgehen, was ihm einen durchaus kräftigen Schlag von Nick Runsit zwischen die Schulterblätter einbrachte. "Hey, lass gut sein, das war doch nur so ein Spruch.", hörten Honeymoon und Gerhart ihn maulen. Die dumpfe Erwiderung Granits war nicht mehr verständlich.
Erneut seufzte Honeymoon. Nur der Pater war geblieben. Das Schicksal meint es gut mit mir, dachte sie ein wenig resigniert.
"Wie geht es Euch, Cattaleya?", erkundigte sich Gerhart und schritt langsam auf das gewölbte Fenster zu.
VanSovrean blies hörbar die Luft zwischen den Zähnen aus. "Naja, den Umständen entsprechend gut denke ich. Ich weiß nicht genau, wo ich jetzt hin soll. Sie haben nicht zufällig Interesse, gemeinsam etwas zu unternehmen?"
Der Priester wandte sich um, ein überraschter Ausdruck auf seinen Zügen, was ihn bei weitem nicht so hart und unnahbar erscheinen ließ wie sonst. "Das Angebot ehrt mich in gewisser Weise - auch wenn ich allem Anschein nach der Notnagel bin.", antwortete er und blickte sich im leeren Warteraum um. "Ich hege aber die dringende Vermutung, dass sich unsere Vorstellungen, was einen segensreichen und erfüllenden Abend vor unserer Abberufung ausmacht, nicht direkt decken - auch wenn mich das Gegenteil zu einem gewissen Grade freute."
Cattaleya hatte keinerlei Probleme, der etwas geschraubten und altertümlichen Formulierung des Geistlichen zu folgen, und sie war irgendwie erleichtert, dass sie ihm voll und ganz zustimmen konnte. Sie wusste gar nicht, warum sie ihn überhaupt gefragt hatte. Sie lächelte dünn und nickte. "Das stimmt schon, Pater."
Gerhart presste die Lippen aufeinander, und sein Gesicht wurde wieder hart wie der Rufname des dunkelhäutigen Ex-Gardisten. "Falls Ihr nach wie vor nicht wisst, was Ihr an diesem Abend tun sollt, Cattaleya, so will ich Euch sagen, dass die Tore der großen Kathedrale der Erleuchtung einer reuigen Seele immer offen stehen und Ihr wohl großen Wert aus einer Nacht voll des Gebets und der Kontemplation schöpfen könntet."
Cattaleya musste tief in die Trickkiste ihrer Schauspielkunst greifen, um den unerwarteten Vorschlag nicht mit offensichtlicher Verachtung zu quittieren. Stattdessen prangte ein strahlendes Lächeln von ihren perfekten Lippen. "Ich werde Ihren Rat im Gedächtnis behalten, Pater."
Ein peinlicher, weil etwas zu langer Moment der Stille wurde vom Räuspern des Priesters beendet. "Nun ja, ich werde mich dann zurückziehen. Gebt gut auf Euch Acht, Cattaleya."
"Wie immer. Und Sie auf sich, Pater."
Er neigte noch einmal steiff den Kopf, dann schritt er von dannen.
Cattaleya stützte das Kinn auf einen Handrücken und fuhr eine zeitlang mit ihrem Fuß über den polierten Boden, als ob sie irgendwelche okkulten Zeichen malen würde. Als sie schon aufstehen wollte, um sich notgedrungen alleine in die Nacht von Sibellus zu stürzen, hörte sie das Zischen der Türe und blieb sitzen, als ob sie nachdachte. Es war ihr in ihrer Gedankenversunkenheit entfallen, dass Varitani und Railoun ja immer noch hier waren. Railoun, schoß es ihr durch den Kopf. Der würde doch nicht Nein sagen, wenn sie mit ihm den Abend würde verbringen wollen. Es ist aber vollkommen unpassend, wenn ich ihn darauf anspreche. Leise rührte sich auch ihr Gewissen, da sie ja gar nicht an ihn gedacht hatte, er wirklich nur die letzte Notlösung für sie war. Sie erinnerte sich, was ihr Lucius bezüglich der Blicke gesagt hatte, die Railoun ihr immer wieder zuwarf. Cattaleya merkte wir ihr Hitze aufstieg und bemühte sich sofort, das zu unterdrücken. Auch ihr Herz schlug schneller. Wird er mich fragen? Hat sich Lucius das vielleicht nur eingebildet? Cattaleya wunderte sich, warum diese Gedanken auf einmal so in ihr hochschossen und warum es ihr anscheinend nicht ganz unwichtig war. Nutze ich ihn nur aus? Falls ja, kümmert mich das überhaupt?
"Ach, Sie sitzen ja ganz alleine hier, Cattaleya." Immaruts warme Stimme wusch über sie hinweg.
"Mhm", brummte sie und musste sich räuspern, weil ihr Hals ein wenig verlegt war.
"Sagen Sie bloß nicht, dass dies Ihre Vorstellung von einem gelungenen Abend ist." Der Interrogator grinste, als er an ihr vorbeiging und sich zum Fenster stellte.
Honeymoons Augen huschten hin und her. "Die anderen sind gerade erst gegangen."
"Verstehe." Railoun wippte ihr abgewendet ein paar Mal auf den Fußballen auf und ab, dann sagte er leise: "Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich heute noch machen soll."
Wieder merkte Honeymoon die Hitze im Gesicht und hoffte, dass man ihr keine Röte oder Ähnliches würde ansehen können. Das war ja wirklich unglaublich! Sie kannte Immarut Railoun schon seit Jahren, sie waren immerhin Arbeitskollegen.
"Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend dann.", hörte sie ihn sagen und sah auf. Er sah ihr in die Augen und zögerte einen Moment, als ob er sich nicht entschließen konnte, was zu tun sei. Dann wandte er sich ruckartig ab und ging auf den Ausgang zu.
Da fiel ihr auf, dass sie gar nichts gesagt hatte. Sie erhob sich. "Ich..."
Gleichzeitig hatte sich Railoun ihr wieder zugewandt und sagte: "Hören Sie..." Beide verstummten.
"Bitte entschuldigen Sie, ich habe Sie unterbrochen." Der Löwe strich sich durch die Haarmähne.
"Tja.", sie lächelte ihn an. "Ich wollte sagen - ich weiß ehrlich gesagt auch nicht..." Sie hielt inne.
Sie hörte, wie Railoun tief durchatmete, bevor er fragte: "Würden Sie mir dann vielleicht Gesellschaft leisten? Mir wäre es eine Freude."
Sie musste ihr aufkeimendes Lächeln auf ein normales Maß dämpfen. "Gerne."
Gemeinsam verließen sie das Wartezimmer.

Als sich Immaruts Herz nach ein paar Minuten an der Seite der Adeligen ein wenig beruhigt hatte, begann die Müdigkeit wieder durchzukommen, die er bereits im Arbeitszimmer von Inquisitor Varitani verspürt hatte und die erst beim Anblick der wartenden Cattaleya dem Adrenalin gewichen war. "Ich - habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wohin ich Sie ausführen sollte.", gab er verlegen zu. "Ich kenne kaum Etablissements, die Ihren Ansprüchen genügen würden."
Honeymoon lächelte ihn an. "Ach, ich bin nicht so wählerisch. Etwas zu Essen wäre nicht schlecht, was meinen Sie?" Als sie ihn anblickte, fiel ihr auf, wie müde er wirkte. Diese ganze Situation muss natürlich auch für ihn sehr belastend sein.
Seine Miene hellte sich auf, als ob ihm etwas einfiele. "Ich habe erst von einem angeblich vorzüglichen Restaurant reden hören, von wem fällt mir jetzt nicht ein. Es heißt: Tremiens Garten der Sinne. Was halten Sie davon?"
Cattaleya verzog den Mund. Das war das Lokal, in dem sich Lucius Frost mit seiner Freundin traf, wahrscheinlich in diesem Augenblick - was Railoun natürlich nicht wissen konnte.
Besorgnis war in sein Gesicht getreten und er fragte bedauernd: "Ist das Restaurant denn so schlecht? Kennen Sie es?"
Sie räusperte sich. "Nein, dazu kann ich nichts sagen, aber Lucius wird mit der Seinigen heute Abend dort dinieren. Das haben Sie vorher knapp nicht mitbekommen, ich allerdings schon. Ich würde es gerne vermeiden, den beiden über den Weg zu laufen."
Railouns Blick richtete sich sofort auf die Straße vor ihnen. "Ich verstehe."
Er denkt jetzt sicher: Verdammt, ich hab's vermasselt. Armer Löwe.
Cattaleya näherte sich und hakte sich bei ihm ein. "Warum nicht die Geöhlte Kehle?"
Ein kurzes Lächeln der Erleichterung huschte über seine Züge. "Ja, gut. Von mir aus gerne."

Das Angebot aus der Küche der kleinen Gaststätte im Mittelhive beschränkte sich auf einfache Speisen, war also auf keinen Fall mit dem exquisitien und dem Feinschmecker schmeichelnden Sortiment aus Tremiens Garten der Sinne zu vergleichen, doch das störte Cattaleya nicht - zumindest an diesem Abend. Die Wirtschaft war bis auf sie beide leer, als sie an einem kleinen Tisch im Licht einer Kerze zusammen aßen, tranken und sich unterhielten.
"Ich weiß eigentlich gar nicht viel über Sie, Immarut, wenn man bedenkt, wie lange wir jetzt schon zusammenarbeiten.", sagte sie, als der Wirt gerade einen Suppenteller in die Küche zurück trug.
"Und ich weiß nicht viel über Sie.", erwiderte der Interrogator und nahm sein Weinglas auf, in dem ihn ein vollmundiger Roter erwartete.
"Na Sie haben doch Zugang zu meiner Datei, oder etwa nicht?", gab sie lächelnd zurück. "Außerdem sind Sie Interrogator und können mich ja mal befragen." Sie zwinkerte ihm zu.
Er lächelte flach. Sie als Mitarbeiterin im Außendienst war noch bei keinen nennenswerten Verhören dabeigewesen, soweit er wusste. Das war eine kalte und unmenschliche Angelegenheit wie er fand. "Wenn ich so an die anderen denke, frage ich mich, ob wohl alle eher einsam sind, Einzelgänger.", sagte er in nachdenklichem Ton.
Sie zog eine Augenbraue hoch. "Hm, nicht alle. Natürlich sind Personen wie Thracian oder Isand keine Charmeure, aber Arn ist sicher nicht lange alleine, wenn er das nicht will und Lucius natürlich auch nicht."
"Kennen Sie seine Partnerin?"
"Flüchtig.", kam die scharfe Antwort.
Immarut kniff die Lippen zusammen. "Sie sind doch nicht eifersüchtig, oder?"
Meine Güte, der kann ja richtig frech sein. Na warte! Cattaleya atmete schwer durch. "Ich kann es kaum glauben, dass wir ausgerechnet über Lucius sprechen, wenn wir beide zusammen hier sind."
Immarut räusperte sich. "Es tut mir leid, wenn das unangenehm ist oder Sie das als unangebracht empfinden. Normalerweise ist man ja wohl nicht so direkt."
Cattaleya dachte an Lucius und wie direkt er sie manchmal auf persönliche Dinge ansprach. "Man möchte es nicht glaube, aber des Öfteren kommt das vor. Kein Problem."
Immarut blickte zur Seite. "Es ist seltsam. Mir kommt es so vor, als konzentriere sich der letzte Rest von unserem normalen Leben auf diese kurzen Momente, in denen wir nicht der Bedrohung und der Korruption ausgesetzt sind. Es ist, als wollten wir all das Leben, das andere Menschen haben, in diese Zeit zusammendrängen. Ich denke, darum sind viele Akolythen auch so ausschweifend."
"Ausschweifend?"
"Nun ja. Es gibt im Großen und Ganzen nur zwei Arten, mit diesem Dasein umzugehen. Es gibt Menschen wie den Pater, die ganz das sind, was Sie als ihre Arbeit bezeichnen. Thracian oder Varitani brauchen keinen oder zumindest viel weniger Ausgleich, müssen nicht die Rolle, die sie während ihrer Berufsausübung annehmen, zeitweise ablegen, um sich Luft zu verschaffen, weil es keine Rolle ist sondern sie wirklich sie selbst sind. Dann gibt es Leute wie Granit, Blender oder auch Lucius, die in ihrer Freizeit nach der einen oder anderen Seite hin ausschweifen, seien es Fahrzeuge, Alkohol oder Frauen oder auch andere Dinge. Diese Personen sind nicht ihr Beruf, sondern Menschen, die einen Beruf ausüben."
"Das sind - interessante Gedankengänge.", sagte Cattaleya und stützte ihr Kinn auf ihren Handrücken.
"Tut mir leid, wenn ich Sie langweile."
"Aber nein, das tun Sie nicht. Ich finde es sogar erfrischend, einmal nicht über Offensichtliches sprechen zu müssen."
Immarut nickte.
"Sie denken sehr viel nach, stimmt's? Das ist mir schon aufgefallen."
"Ich denke, dass nicht alles so einfach ist, wie man es uns erzählt. Ich denke, dass durchaus auch Wahrheiten jenseits dessen liegen, was uns das Ministorum zu glauben erlaubt."
Cattaleyas Stirn zeigte Sorgenfalten. "Ich bin zwar kein ausgewiesener Spezialist, aber das könnte man in einigen Kreisen wohl als Ketzerei auslegen.", sagte sie, dann fügte sie in lockerem Tonfall hinzu: "Darf ich Sie darauf hinweisen, dass eine Akolythin der Inquisition anwesend ist."
Er lächelte. "Ich werde mich vorsehen."
"Aber - Sie glauben doch an das Imperiale Kredo?"
"Ja, natürlich. Ich glaube an den Imperator, an seinen Willen und dass wir mithelfen, ihn durchzusetzen und rein zu erhalten. Ich bin aber der Meinung, dass die Interpretation seines Willens, die wir im Aufbau des Imperiums auf vielen Welten sehen, vornehmlich dazu dient, den ganzen Bau überhaupt existent zu halten. Man kann auch nicht zulassen, dass Millionen von Arbeitern ihre Zeit mit philosophischem Gedankengut verbringen. Und für diese Massen sind die Lehren des Ministorums auch gut. Sie sind einfach und erfordern kein eigenes Denken."
"Aber für Sie ist das nichts?"
Immarut schüttelte den Kopf. "Nicht genug zumindest. Ich kann es mir nicht leisten, einfach alles so hinzunehmen, wie es mir gegeben wird, nicht als Interrogator. Ich muss selbst denken. Diese Einstellung ist sicher mit meinem Beruf erstanden, doch bin ich sehr dankbar dafür. Meiner Meinung nach wären auch alle anderen Menschen dankbar für diese Art der Freiheit, doch das ist Teil des Opfers, das gepredigt wird, des Opfers, das wir alle dem Imperator gegenüber bringen müssen. Wir als Teil seiner Inquisition bringen es in all den Leib und Seele gefährdenden Situationen, denen wir ausgesetzt sind, im Hingeben unserer Menschlickeit, sollte das notwendig sein und der durchschnittliche Bürger oder Arbeiter eben in dem Entbehren der Freiheit. Diese Opfer sind unumgänglich, wenn das Imperium und damit auch die Menschheit Bestand haben soll."
"Puh, da brummt einem ja gleich der Kopf.", lachte sie. "Aber ich denke, ich kann Ihnen folgen und wohl auch zustimmen."
Der Hauptgang wurde aufgetragen, und sie aßen einige Zeit in Stille, bevor Cattaleya fragte: "Zu welcher Kategorie gehören Sie, Immarut? Suchen Sie den Ausgleich oder gehen Sie in Ihrem Beruf auf?"
Der Interrogator schluckte einen Bissen hinunter und legte dann Messer und Gabel beiseite. "Hm, interessante Frage. Ich würde sagen, ich bräuchte schon eine Art Ausgleich, doch weil ich in der Arbeit wirklich ich bin, fällt es mir schwer, mich Außenstehenden anzuvertrauen."
Die Adelige nickte, und sie setzten das Mahl fort. Danach bestellte Immarut noch ein Glas Wein für jeden von ihnen.
"Das ist wohl der Grund, warum Sie keine Partnerin haben, nicht wahr?", fragte Cattaleya.
"Wie kommen Sie darauf?" Immarut blickte sie ernst aber freundlich an und ließ sich in seinem Stuhl nach hinten sinken.
Hinter ihnen hörten sie das Klirren von Gläsern und sahen den Wirt ein letztes Mal das Holz der bereits blitzblanken Schanktheke polieren.
"Ich denke fast, er will schließen. Was halten Sie davon, wenn wir das Gespräch oben fortsetzen?"
Immaruts Augen weiteten sich eine Spur. Er räusperte sich. "Na - na gut."
Sie nahmen ihre Gläser und gaben dem Wirt Bescheid, bevor sie sich zurückzogen. Cattaleya ging in eines der Doppelzimmer und nahm in einem Ohrensessel Platz, der nahe bei einem der Fenster stand. Das leise Surren des Luftaustauschers war zu hören und gedämpft der Lärm von draußen. Es war mittlerweile relativ dunkel geworden. Der Raum wurde von einem einzigen Glühglobus matt erleuchtet. Sie hätten noch mehr Licht machen können, ließen es aber so. Immarut bezog ihr gegenüber in einem zweiten Ohrensessel Aufstellung, einen kleinen Beistelltisch zwischen ihnen, auf dem sie ihre Weingläser abstellen konnten.
"Also.", eröffnete Cattaleya. "Wie komme ich darauf? Ich habe einfach über das, was Sie über die Persönlichkeiten sagten, wie sie mit diesem Leben umgehen und der Zeit, die sie zur Verfügung haben, nachgedacht. Auch über ihre Einschätzung von Lucius." Sie hielt inne. Will ich ihm das alles überhaupt erzählen? Wir sprechen viel zu viel von Lucius.
"Ja?"
"Er hat mir einmal gesagt, dass es ihm unprofessionell erschiene, sich mit einer Arbeitskollegin einzulassen. Sie haben ihn vorher bei der Gruppe genannt, die ihr Privatleben und ihre Arbeit trennen. Das passt, finde ich, gut zusammen. Sie selbst bezeichnen sich als jemand, der in der Arbeit ganz er selbst ist und dass sie deshalb jemanden aus diesem Bereich brauchen, um sich öffnen zu können."
Immarut brummte zustimmend. "Ja, ich hätte mir diese Antwort von Lucius erwartet."
"Sehen Sie, ich nicht.", blaffte Cattaleya, viel schärfer als gewollt. Sie fügte schnell in ruhigem Ton hinzu: "Das kommt davon, dass Sie so viel grübeln, sich so viel überlegen. Sie können die Menschen gut einschätzen."
"Ach, stellen Sie Ihr Licht jetzt nicht unter den Hocker, Cattaleya. Ich weiß, wie gut Sie in diesem Bereich sind, das ist eine ihrer wichtigsten Eigenschaften! Dass Sie das bei Lucius nicht erwartet hatten, lag einfach an Ihrer eigenen emotionalen Situation. Die gibt es von meiner Seite Lucius gegenüber einfach nicht, darum kann ich das genauer beurteilen."
Dieser kleine...! "Meine emotionale Situation?"
"Es ging doch um Sie, oder nicht?" Er blickte in ihre starren Augen, die in die Vergangenheit zu blicken schienen. "Wir waren eine zeitlang recht eng befreundet, Lucius und ich, müssen Sie wissen."
"Ja, ich weiß das auch.", entgegnete sie gedankenverloren. "Das habe ich schon mitbekommen damals. Scheint heute eine ganz andere Welt zu sein."
"Dann ist auch kaum zu übersehen, wie mißbilligend sie seiner Freundin entgegenstehen, dieser Elena Lakrio."
"Schon gut, Herr Interrogator. Sie haben mich erwischt. Es ging damals um mich. Aber zurück zu meinem Gedankengang: Lucius befürchtet, dass ihn eine engere Beziehung in seiner Arbeit beeinflussen würde. Das wollte er verhindern. Wäre das bei Ihnen anders?"
Immarut schüttelte fast sofort den Kopf. "Nein, natürlich nicht. Ich versuche, nicht naiv zu sein, was meine Selbsteinschätzung angeht. Natürlich würde mich das beeinflussen. Aber ich fürchte mich nicht davor."
Honeymoon legte den Kopf ein wenig schief und machte ein fragendes Gesicht.
"Ich funktioniere und arbeite ganz anders als Lucius. Er ist ein Kopfmensch, sein Verstand eine viel mächtigere Waffe als seine Boltpistolen. Er kalkuliert, verbindet und vernetzt. Denken Sie nur an seinen früheren Beruf und wie gut er darin war. Er war so gut, dass er von der Inquisition eingestellt wurde. Das hat den Menschen Lucius Frost oder zumindest die Art, wie er arbeitet, nicht verändert. Er kann mit Emotionen in der Arbeit nichts anfangen."
"Und Sie sind anders?"
"Vollkommen anders."
"Aber Sie grübeln doch auch?"
"Ich denke nicht, dass Lucius viel grübelt. Er ist ein Problemlöser, kein Philosoph. Ich gehe tief in mich, versuche mich selbst zu finden, zu reflektieren, wie ich dieses oder jenes finde und auf diese Art und Weise meinen Frieden zu finden." Immarut griff nach seinem Glas und trank einen Schluck.
"Ihren Frieden? Haben Sie Schuldgefühle? Versuchen Sie etwas abzubüßen?"
Immarut lachte kurz auf. "Lassen Sie das ja nicht Thracian hören, sonst werde ich ihn nicht mehr los."
Auch Cattaleya grinste. "Versprochen."
"Ich bin auf Vieles nicht stolz, was ich getan habe, das kann man schon sagen, aber das ist nicht der Hauptgrund. Ich empfinde einfach tief in mir, dass ich Verantwortung für alles trage, was ich tue, deshalb muss ich mir immer darüber klar sein, dass ich alle meine Taten auch wirklich will und ab welchem Punkt ich nicht mehr einfach nur tun kann, was man mir sagt."
Cattaleya merkte, wie heftig er gegen seine Müdigkeit ankämpfte.
"Ob es der Wein oder die Anstrengung der letzten Tage ist oder beides zusammen, kann ich nicht sagen, aber es wird Zeit für mich, ins Bett zu gehen.", gab er bekannt und erhob sich langsam. Er kam zu ihrem Platz, woraufhin auch sie sich erhob. Er griff nach ihrer Hand. "Es war ein sehr gelungener Abend. Vielen Dank."
Sie sagte nichts, sondern sah ich nur an. Er lächelte verlegen. "Also dann, Gute Nacht."
"Warte.", hauchte sie. Ihre Augen waren feucht. Sie hielt seine Hand fest. Dann ging sie in Richtung des Betts.
"Cattaleya, ich..."
Sie schüttelte den Kopf und lächelte. "Mach Dir keine Sorgen. Schlaf einfach."
Eine Stunde später lag sie noch immer wach neben ihm. Er hatte nur den Mantel abgelegt und war gleich eingeschlafen, sein Atem ging ruhig und kräftig. Sie blickte ihn an, den Löwen. Warum ist das bei ihm so anders? Bisher hatte die Adelige größten Wert darauf gelegt, von Männern richtiggehend umgarnt und erobert zu werden. Sie mussten sie richtig verzaubern, damit Sie ihnen gewogen war - nicht, dass es eine so berauschend hohe Anzahl an Männern in ihrem Leben gegeben hatte. Was war es also? Er war so ungewöhnlich, vielleicht reizte sie das. Bei ihm hätte man glauben können, dass er noch nie mit einer Frau zusammen gewesen war. Irgendwie niedlich, der Gedanke. Erinnerungen an meine eigene Unschuld, so lang nun schon dahin. Sie dachte an Männer, sowohl solche, die in ihrem Bett gewesen waren als auch an solche, die sich vor ihrem Zielsucher befunden oder an ihrer Klinge gestanden hatten. Jeder von ihnen hatte ein wenig ihrer Unschuld geraubt. Verdammt, du philosophischer Löwe, du bist ansteckend, dachte Honeymoon bei sich, bevor sie sich neben ihm ausstreckte und ebenfalls die Augen schloß.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 14. Mai 2013, 17:26:17
Gedanken zu Kapitel 8:
Es ist sicher recht selten in der WH40K-Literatur - sei es jetzt offizielle Werke oder Fanfiction - dass Personen in diesem düsteren Universum so lockere und angenehme Zeiten durchleben. Richtig zu schätzen wusste ich die Szenen vor allem im Rückblick. Wenn ich den aktuellen psychischen Zustand der Charaktere heranziehe und die körperlichen und seelischen Traumata, die sie so bald danach durchlebt haben, dann erscheint es mir fast unwirklich, wenn ich hier wieder lese, wie gut es ihnen einmal gegangen ist.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 15. Mai 2013, 17:11:46
9 - Endgültigkeit

Er entzündete das Lho-Stäbchen; die Bewegung war ihm so wohl vertraut wie das Gehen oder das Atmen. Dann tastete er neben dem Bett nach seinem Hemd, das Elena letzte Nacht dort einfach hatte fallen lassen.
Sie brummte verschlafen, als sie seine Bewegung spürte: "Musst Du schon wieder gehen?"
Das Seidentuch des Bettzeugs verdeckte ihren Körper nur unzureichend und Lucius musste lächeln, auch wenn seine Züge schnell in eine gewisse Bitterkeit abglitten. Ich muss es ihr sagen. Bald. Er lehnte sich nach hinten und strich sanft über das honigblonde Haar der jungen Professorin. "Nein, noch nicht gleich, ich mache nur Frühstück.", flüsterte er und schwang sich dann vollends aus dem Bett, um nach seinen Hosen zu suchen.
Das diffuse Licht der Morgenstunden drang durch die Schlitze der Jalousien, und im Hinblick auf die immer noch dösende Chemikerin in seinem oder vielmehr ihrem Bett ließ er sie geschlossen.
Wenig später saßen sie bei Tisch - sie nur in ein Hemd gekleidet - und aßen relativ lustlos die gebratenen Eier, die er zubereitet hatte. Es muss sein. Jetzt. Ich schulde ihr das. Er rieb sich über das raue Kinn und seufzte: "Hör mal, Elena."
Sie ließ die Gabel sinken und sah ihn an.
"Ich muss morgen schon wieder los.", begann er ein wenig zögerlich.
Sie nickte. "Das geht ja schnell dieses Mal." Sie griff nach seiner linken Hand, die noch neben seinem Teller lag, und drückte sie sanft. "Ich krieg' Dich ja kaum noch zu sehen, was?"
Er spürte einen Stich in seiner Herzgegend und seufzte erneut. "Tja, es ist auch so, dass ich dieses Mal gar nicht sagen kann, ob..." Er hielt inne.
Sie legte den Kopf fragend ein wenig schief.
Es muss sein. "Ob ich wieder zurück komme."
Ihr Blick wurde starr und ihre Augen glasig. "Was?", hauchte sie.
Er nickte nur stumm und spürte einen starken Druck unter dem Kehlkopf.
Elena schob sich von ihrem Hocker und kam zu ihm, umarmte ihn. "Ob Du wieder zurückkommst? Warum sagst Du denn sowas?"
Er hustete. "Ich fliege weit weg auf eine Welt, auf der irgendwelche ungewöhnlich schlimmen Dinge passiert sein müssen. Genaues weiß ich auch nicht. Der Inquisitor meinte aber zu meinen Kollegen und mir, wir sollten uns von allen verabschieden, die uns etwas bedeuten."
"Und das tust Du jetzt? Beim Thron!", stieß Elena hervor. "Beim Thron." Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. "Und schon morgen?"
Er nickte und umarmte sie auch. "Es tut mir sehr leid. Ich kann mir vorstellen, wie es Dir jetzt geht, denn mir geht's auch richtig elend."
"Imperator, hilf mir, was machen wir denn jetzt? Warum hast Du gestern beim Essen denn gar nichts gesagt? Du schienst so glücklich." Sie ging ein bisschen auf Abstand und sah in seine Augen, in denen auch Tränen standen.
"Ich wollte, dass der gestrige Abend frei von Sorgen ist."
"Der letzte Abend...", brachte sie noch heraus, dann wandte sie sich ab und Lucius sah das unregelmäßige Zucken ihrer Schultern, als sie leise schluchzte.
Lucius stand auf und ging zu ihr.
"Bleib bei mir.", sagte sie weinend. "Bleib einfach bei mir. Du hast doch Kontakte. Nimm mich mit und wir fahren einfach weg, irgendwo hin, wo uns Dein Inquisitor nicht findet."
Lucius dachte kurz darüber nach, wie es dann wohl wäre. Varitani würde mich nicht verfolgen, denke ich, aber er wäre bodenlos enttäuscht von mir. Und ich auch. "Ich könnte mir im Spiegel nicht mehr in die Augen sehen. Ich würde sie alle im Stich lassen. "
Sie schniefte. "Und so lässt Du nur mich im Stich, oder wie?" Ihr Tonfall erschien ihm wie eine Mischung aus Trauer und Zorn.
"Ich habe eine Pflicht gegenüber dem Imperium, gegenüber dem Goldenen Thron. So wie jeder Bürger."
"Und es ist wohl Deiner Ansicht nach auch meine Pflicht, Dich so einfach gehen zu lassen?!"
Das ist es leider. "Der Inquisitor würde uns gar nicht dorthin schicken, wenn es nicht..."
"Er nimmt Dich mir!" Sie sah ihn nun an. Ihr Blick stach in den seinen. Sie presste die Worte heraus, voller Wut: "Er nimmt Dich mir!"
Lucius' Trauer vermengte sich mit Enttäuschung. "Er beschützt uns alle! Dich, Deine Familie, Deine Freunde! Wir alle, meine Kollegen und ich, wir stehen dort, wo niemand sonst stehen kann."
"Tsk.", sie blickte mißbilligend zur Seite.
"Ich hatte gehofft, dass Du das verstehst."
Sie ging zum Bett und setzte sich, ihm den Rücken zugewandt. "Ich verstehe es nicht. Ich will jetzt gar nichts verstehen." Ihre Stimme war leise und hart - kalt.
Ein Schauer lief ihm über den Rücken. So falsch.
Als er seine spärlichen Sachen zusammengesucht hatte, saß sie noch immer dort. "Es tut mir leid, ich..."
"Geh einfach. Geh.", schnitt sie ihm das Wort ab.
Lucius war wie vor den Kopf gestossen. Lange Sekunden verstrichen und sie blieb stumm. "Was...", sein Hals kratzte furchtbar, als er heiser die Frage aussprach und Tränen standen erneut in seinen Augen: "Was ist jetzt mit uns?"
Keine Regung. "Ich weiß es nicht."
Lucius Frost wandte sich ab, ging mit einem letzten Schluchzer, der sich seiner Kehle entrang, und mit Tränen, die seine unrasierte Wange hinabliefen, seiner Pflicht entgegen und ließ Elena Lakrio verwundet und alleine zurück.
Heftige Zweifel überfielen die aufgewühlte Seele des jungen Ex-Arbitrators. Hatte er einen Fehler gemacht? Hatte er sich falsch entschieden? Sollte er zurückgehen? Sollte er einlenken? Warum kann ich nicht klar denken? Warum kann ich nicht denken?! Er hieb sich selbst gegen den Kopf und fluchte, dann steckte er sich ein Lho-Stäbchen an. Das hilft immer. Es hatte zu regnen begonnen - passend zu seiner Stimmung, passend zu diesem elenden Tag.

Pater Gerhart Thracian brachte mit geübten Bewegungen Schmieröl auf die gegenläufigen Zähne und die Ketten seines Schwertes auf. Wie ein Ritual war für ihn das Reinigen und segnende Bereiten des mächtigen Instruments vor jedem Einsatz. Er sprach sanft einige Lobpreisungen zu dem Maschinengeist der Waffe, um ihn zu ehren und auch seine Dienste für den Imperator zu würdigen.
Beim Erschallen des elektronischen Türklopfers fuhr sein Kopf in die Höhe. Der wie immer in seine Ordensroben gehüllte Redemptionistenpriester fand einen unrasierten, völlig durchnässten Lucius Frost vor seiner Türe, der ihn mit verquollenen Augen ansah.
Wortlos machte ihm Thracian Platz. Frost trat mit hängenden Schultern ein.
Der Pater brühte Wasser auf und bereite Tee zu. Während das Aroma einzog, beendete er die Arbeit an seinem Kettenschwert und verwahrte die Waffe in einer ledernen Tasche. Frost hatte sich an dem Tisch des spartanisch eingerichteten Raumes niedergelassen. Noch immer war kein Wort gesprochen worden.
Gerhart tischte nun den Tee auf und sie tranken. Er merkte, mit welchem Genuß der Ex-Arbitrator die heiße Flüssigkeit hinunterschluckte. Er ist völlig durchgerüttelt. Dies sind wahrlich Stunden der Prüfung für uns alle.
Er fragte nicht nach dem Grund des Aufruhrs, denn der war nicht von Belang. Sein Weg und seine Pflicht waren dem Priester klar vor Augen. Nachdem sie getrunken hatten erhob sich Gerhart und trat würdevoll zu einem durch einen roten Samtvorhang verborgenen Durchgang. Mit langsamen, feierlichen Bewegungen zog er das Tuch beiseite und offenbahrte eine kleine Nische, die einen Schrein enthielt. Bildnisse von Drusus, Aret und Casthor waren darin aufgestellt, sowie einige Kerzen, das Wachs von einigen von ihnen vermengt mit duftenden Essenzen. Gerhart entzündete sie.

"A spiritu dominatus
Domine, libra nos,
Von dem Donner und dem Sturm,
Erlöse uns, oh Imperator.

Von Seuche, Falschheit, Versuchung und Krieg,
Erlöse uns, oh Imperator,
Von der Geißel des Kraken,
Erlöse uns, oh Imperator.

Von der Blasphemie der Gefallenen,
Erlöse uns, oh Imperator,
Von der Besessenheit durch Dämonen,
Erlöse uns, oh Imperator,
Vom Fluch des Mutanten,
Erlöse uns, oh Imperator.
A morte perpetua,
Domine, libra nos.

Auf dass du ihnen den Tod bringest,
Auf dass du niemanden verschonest,
Auf dass du niemanden begnadigest,
Wir flehen dich an, vernichte sie alle."

Gerhart sprach das Schlachtgebet der Ekklesiarchie, die Fede Imperialis, ruhig, voll und hoheitlich. Sieben Mal sprach er es und Lucius fiel in den Wortlaut ein. Sieben Mal sprachen Sie es und die Wogen der stürmischen See in dem jungen Mann glätteten sich langsam. Kraft ging von dem Redemptionisten aus, Überzeugung strömte aus jeder Pore, Ruhe ergriff Besitz von Lucius, stählte seine Entschlossenheit. Er war ein Schwert des Imperators, ein Diener Seiner Inquisition. Er war Pflicht und er war Treue. Er war Lucius Frost.

Immarut Railoun erwachte ruhig aus erholsamem Schlaf. Als er die Augen öffnete, blickte er direkt in das wunderschöne Gesicht von Cattaleya, die still neben ihm lag. Auch sie war wach, bewegte sich jedoch nicht. Nur ein zartes Lächeln umspielte ihre Lippen. Perfekte Lippen.
„Ich bin glücklich.“, flüsterte er und musste auch grinsen.
„Ich weiß. Ich auch.“ Ihre Hand strich ihm sanft eine Locke seiner goldenen Mähne aus dem Gesicht.
Er bebte unter der Berührung.
Sie kicherte. „Du meine Güte. Du zitterst ja.“
„Dagegen kann ich nichts machen.“ Er griff nach ihrer Hand und führte sie sanft an seine Lippen.
Sie lächelte erneut.
Einen Moment verharrten sie noch so, dann zogen Sorgenfalten über seine Stirn.
Sie machte ein fragendes Gesicht.
„Wir brechen bald auf. Heute teilen wir die Gruppen ein.“
„Gruppen?“
„Wir können nicht zusammen reisen. Das wäre zu auffällig.“, erklärte Immarut. „Wir werden uns erst später wieder treffen, also die Gruppen meine ich.“
„Ich möchte mich aber nicht von Dir trennen.“, erwiderte sie traurig. Habe ich das gerade wirklich gesagt?
Er dachte kurz daran, sie zu berühren, ihr Haar oder ihre Wange oder nur ihre Schulter. Doch er konnte sich nicht überwinden, sich dem noch weiter zu nähern, was er so lange als unerreichbar angesehen hatte. Der Zeitpunkt dazu würde kommen. „Ich hoffe, dass das nicht sein muss. Der Herr Inquisitor wird uns beide in eine Gruppe stecken. Wir können zusammen reisen.“
Das Lächeln kehrte wieder auf ihre Züge zurück. „Dann ist doch alles in Ordnung.“
Seine Miene widersprach.
„Oder nicht?“
„Ich bin schon in einige Dinge eingeweiht, die Varitani der restlichen Zelle noch nicht anvertrauen konnte. Es wird wirklich gefährlich und wahrscheinlich auch sehr belastend für den Geist. Uns stehen harte Prüfungen bevor.“
Sie ließ sich nicht beirren. „Ich mache mir keine Sorgen. Mein Löwe wird mich schon beschützen.“ Erneut strich sie ihm über die Wange und er erschauderte. „So hat noch nie jemand auf meine Berührung reagiert.“, kicherte sie. Sie bewegte sich auf ihn zu und ließ ihren Kopf auf seine Brust sinken, so dass ihr Duft, der Geruch ihres Haars über ihn strömte und er sich fühlte, als würde er in einem Meer namens Cattaleya schwimmen.

„Unser Ziel ist Xeiros Prime.“ Varitani ging in seinen Arbeitsräumen vor ihnen auf und ab, den Ledermantel um seine Schultern gelegt, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. „Auf den Datentafeln, die ich Ihnen habe austeilen lassen, befinden sich alle relevanten Hintergrundinformationen. Am Rande des südwestlichen Kontinents, Kirrjeha, befindet sich die Bantifon-Bergkette. In diese Berge eingebettet liegt Xileiphos, eine kleine Pilgerstadt, die um einen Schrein herum entstand, der Drusus gewidmet ist. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, nimmt die Verehrung von Drusus im Calixis-Sektor immer mehr zu, je weiter man sich von Scintilla entfernt und weiter entfernt als Xeiros Prime kann man davon kaum sein.“
„Dieses Dorf ist unser Treffpunkt. Die Gruppen kommen alle zu unterschiedlicher Zeit auf Xeiros an. Als erstes werden vorraussichtlich die Pilger eintreffen: das sind Inquisitor Varitani, Pater Thracian und Granit.“, führte Immarut aus. Die drei Angesprochenen nickten.
„Nach uns werden Sie ankommen, Frost, gemeinsam mit Isand und Arn. Ihre Verkleidung wird die von Juwelenschleifern aus Ambulon sein. Einen Flug dorthin nehmen Sie drei heute noch und reisen, nachdem Sie sich in Ambulon bei Ihrem Kontakt mit den notwendigen Accessoires ausgestattet haben, morgen oder übermorgen ab.“ Varitani nickte, als ob er sich selbst zustimmen wollte.
„Der Plan sieht also den Transport in zivilen Schiffen vor? Was ist, wenn es zu Unregelmäßigkeiten in Flugplänen kommt? Wie sensibel ist das Timing bei diesem Einsatz?“, erkundigte sich Frost.
„Wir haben ein Fenster von mehreren Wochen, um unseren Auftrag abzuschließen. Ein paar Tage dürften also keinen Unterschied machen.“, antwortete Railoun. So gut wie allen Anwesenden fiel auf, dass Railouns übliche Schwermut von ihm abgefallen zu sein schien. Er strahlte richtiggehend.
„Außerdem wird die erste Phase der Mission vor allem von Ermittlungen geprägt sein. Es befinden sich in jeder Gruppe Personen, die dazu befähigt sind.“, ergänzte Varitani.
„Die dritte Gruppe wird von Cattaleya und mir selbst gebildet. Wir werden in die Rolle eines jungen, gutbürgerlichen Paares schlüpfen, das seinen Urlaub auf Xeiros Prime verbringen möchte." Frost konnte nicht umhin, das kaum zurückgehaltene Grinsen auf Railouns Gesicht zu bemerken, und er warf Honeymoon einen schnellen Blick zu, nur um festzustellen, dass sie ebenfalls lächelte.
„Was Sie an Ausrüstung mitnehmen, überlasse ich Ihnen. Bedenken Sie jedoch, dass die erste und wichtigste Priorität sein wird, unerkannt zu bleiben. Ich arbeite bereits an einer Möglichkeit, uns vor Ort mit Waffen und anderen arbeitsrelevanten Utensilien auszustatten. Darüber brauchen Sie sich also keine Gedanken zu machen.“ Varitani räusperte sich. „Die Details befinden sich auf den Datentafeln, die Sie bekommen haben. Frost, sie bleiben noch, die anderen sind entlassen. Ich hoffe, dass wir uns in einigen Wochen wohlbehalten auf Xeiros Prime wiedersehen.“
Als alle gegangen waren, setzte sich Varitani hinter seinen Schreibtisch. „Frost, wir dürfen nicht riskieren, dass dieser Auftrag scheitert, denn das wäre das Ende von uns allen. Um also für den unwahrscheinlichen Fall, dass zwei der drei Gruppen entdeckt werden oder anderwärtig verhindert sind, habe ich mich entschlossen, auch Sie bereits jetzt in den ganzen Umfang dieser Unternehmung einzuweihen.“
Frost sog die Luft ein.
„Wo soll ich anfangen?“, begann Varitani gedankenverloren zu sich selbst. „Am besten beim Wichtigsten: Xeiros Prime wird in wenigen Wochen nicht mehr existieren…“

Als der Ex-Arbitrator geraume Zeit später den Arbeitsraum verließ, war er kreidebleich. Er war sich sicher, dass Varitani am Tag zuvor nicht übertrieben hatte. Sie saßen schwer in der Klemme. Der Inquisitor war so offen wie selten zuvor gewesen und hatte dem Ermittler sogar Einblick in die politischen Machtkämpfe innerhalb der Inquisition des Calixis-Sektors gegeben, um ihm die brenzlige Situation vollends bewusst zu machen. Natürlich war die direkt bevorstehende Gefahr zumindest in diesem Schockzustand die angsteinflößendere – auf einen vollkommen verseuchten, dem Exterminatus geweihten Planeten noch Kräfte zu entsenden, erschien ihm nur schwer zu verdauen, zumal er selbst zu diesen Kräften gehörte.
Honeymoon, die als einzige noch im Vorraum saß und anscheinend auf jemanden wartete, blickte ihn mit großen Augen an. „Du siehst aus, als hättest Du einen Geist gesehen.“, sagte sie, als sie aufstand und sich Lucius näherte.
„So etwas in der Art.“, gab Lucius zurück und setzte sich. Er dachte plötzlich an Elena und was sie am Schluß gesagt hatte. Geh einfach, geh. Wenn Sie nur gewusst hätte, wohin Sie mich da schickte. Wenn ich es nur gewusst hätte. Ich sollte noch einmal mit ihr sprechen. - Nein, dann würde ich mit ihr fliehen. Er musste sich gehörig anstrengen, damit nicht Tränen in seine Augen stiegen.
Cattaleya war das nicht entgangen. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. „Schön langsam mache ich mir auch Sorgen, sage ich Dir. Immarut hat angedeutet, wie ungewöhnlich und furchtbar dieser Auftrag wird und jetzt auch noch Du.“
Lucius blickte nur geradeaus.
„Ich bin es ja gewohnt, nur das zu wissen, was ich wissen muss, aber das macht mich nervös in diesem Fall.“
„Du wirst Alles erfahren. Wenn es Dir Dein strahlender Ehemann nicht schon vorher erzählt, wird es Varitani nach unserer Wiedervereinigung tun. Das hat er mir versichert.“ Lucius sah nun zu Boden.
„Na gut.“
„Was ist denn überhaupt mit Immarut los?“, erkundigte sich Frost nun. „Der hat ja geglüht wie ein Leuchtglobus, als er verkündet hat, dass er mir Dir in einer Gruppe ist.“
Hinter ihnen glitt die Türe zur Seite. „Tja, was soll ich sagen.“, entgegnete Honeymoon und blickte zu Boden. Dann stand sie auf und ging zu dem Interrogator hinüber. Sie wechselten ein paar geflüsterte Worte, dann kamen sie zu Lucius hinüber.
Immarut streckte ihm die Hand zum Gruß entgegen. „Ich wünsche Ihnen alles Gute, Lucius, und hoffe, wir sehen einander gesund in Xileiphos wieder.“
Lucius packte die Hand mit festem Griff. „Ich auch. Passen Sie auf Honeymoon auf.“
Immarut nickte. „Ich denke, Sie passt schon auf sich selbst auf, aber ich werde stets wachsam sein.“
Cattaleya hakte sich bei ihm unter. „Wohl gesprochen, mein Angetrauter.“, flötete sie in Oberstadtmanier, dann wandte sie sich an Lucius: „Ich wünsche Dir auch alle Gute, Lucius. Lass Dich von Vox nicht terrorisieren und hab‘ ein Auge auf Blender. Wer ist denn nur auf die Idee gekommen, ihn als Juwelenschleifer auszugeben?“ Sie kicherte.
Frost nickte und lächelte schwach. „Wenn es um das Schnappen von Dieben geht, sei unbesorgt, da habe ich schon ganz andere Kaliber erledigt. Ich wünsche Euch Beiden eine frohe Zeit zusammen, soweit das möglich ist.“
Cattaleya streckte ihm kurz die Zunge heraus, da die Anspielung natürlich auf ihre Kosten ging, dann warf sie ihm einen Kuss zu, und die Beiden ließen Lucius alleine.

Als Lucius ging, um seine Sachen zu packen, wurde ihm immer bewusster, was ihn wohl auf Xeiros erwarten würde. Kein Krieg im eigentlichen Sinne; sie würden die Toten nicht zu Gesicht bekommen, doch die waren es gar nicht, die ihm Sorgen bereiteten. Tote hatte er zuhauf gesehen und genug Gefahren durchgestanden - allen voran wohl die Hölle von Luggnum. Was ihm zu schaffen machte, war das Wissen, dass alle Menschen, die sie in den Wochen ihres Aufenthalts auf Xeiros kennenlernen würden, ausnahmslos verdammt waren. Das betraf Händler, Beamte, Soldaten, Bürgerliche, Urlauber - Männer, Frauen und Kinder aller Klassen, aller Schichten und aller Professionen. Sie würden unter wandelnden Toten arbeiten. Lucius war sich nicht sicher, ob er das für so lange Zeit würde ausklammern können. Thracian ist bei uns und mit ihm Sein Wille! Daran müssen wir uns halten. Ich hoffe, sie nehmen es gut auf, wenn Varitani die ganze Gräuel offenbahrt.
Lucius wollte gar nicht daran denken, wie es dem Inquisitor selbst gehen musste. Er hatte den ganzen Planeten der Vernichtung anheim gegeben - völlig zurecht wie es schien - und er war es nun, der wieder dorthin zurückmusste, der all das Grauen, das Lucius selbst erwaretete, noch dazu aus der Perspektive dessen würde erleben müssen, der wesentlich daran beteiligt war. Normalerweise war ein Exterminatus für die Auslösenden eine sterile Sache, die man aus dem Orbit erledigte. Es war geradezu pervers, einen dafür bestimmten Planeten vorher noch zu besuchen. Darin werde ich am ehesten die Kraft finden: Für ihn und die anderen da zu sein, wenn sie mich brauchen.

Chnishnit liutstam Hrun'Sith zupfte wiederholt an den graubraunen Roben, die er angelegt hatte, um das Bild eines Pilgers abzugeben. "Solche Kleidung habe ich noch nie getragen. Das höchste war Ölzeug oder ein Überhang, aber darunter war ich immer normal gekleidet."
"Normalität ist Ansichtssache.", gab Gerhart Thracian ziemlich schroff zurück. Ihm war deutlich anzusehen, dass das Tragen von Roben für ihn ganz und gar nicht ungewöhnlich war. "Die Beschränkung auf das Notwendigste ist ein wesentlicher Punkt im Dasein eines Pilgers."
"Das mag sein Pater, aber ich kann es trotzdem nicht ausstehen. Sogar früher, als ich noch auf Cresta N'darr war, oder wie ihr es nennt, Envir III, ist mir der Wind nicht so zwischen die Nüsse gefahren wie jetzt." Granit grinste breit, doch dieses Zeichen der Emotion war an die unbewegliche Mimik des Priesters verschwendet.
Die Gestalt des Inquisitors erschien in der Türe des Shuttles und Nick Runsit nahm wie immer das Prickeln wahr, das sein Erscheinen begleitete. "Gut, Sie sind also bereit.", gab Varitani bekannt und vertäute eine braune Ledertasche in einem Fangnetz. "Dann können wir ja aufbrechen. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn wir sollten die ersten sein, die Xeiros Prime betreten."
"Zuerst geht es nach Valon Urr, korrekt?", erkundigte sich Pater Thracian. Er entnahm dem Nicken des Inquisitors, dass er richtig lag und fuhr fort: "Unter anderen Umständen hätte ich Sie gerne auf einer wirklichen Pilgerfahrt durch die Schreinwelt begleitet und geführt. Dort gibt es wahrhaften Glauben zu erleben."
"Ein andermal, Pater.", sagte Varitani und ging nach vorne, um dem Piloten ein Zeichen zu geben. Sie würden in wenigen Minuten abheben und an Bord der Gesalbtes Haupt gehen, einem Pilgerschiff, das regelmäßig zwischen Scintilla und der Schreinwelt Valon Urr pendelte. Von der Schreinwelt aus würde es dann sofort in Richtung Xeiros Prime weitergehen - an Bord eines dort gerade eben verfügbaren Frachters oder anderen Raumers. Bei einer oberflächlichen Überprüfung würden sie gläubige Brüder sein, die dem Besuch der Schreine Valon Urrs noch den berühmten Anblick von Xileiphos anschließen wollten.

"Sie sehen richtig schneidig aus in diesem Sakko.", ließ Hrubens Arn verlauten, nachdem er ohrenbetäubend laut gepfiffen hatte.
In dem engen Raum war Phos beinahe zusammengezuckt. In dieser ekelhaften Stadt war einfach alles eng, jeder Raum und jede Gasse - es gab kaum Privatsphäre. Der Psioniker konnte es kaum erwarten, Ambulon wieder zu verlassen, und sie waren noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden hier. Die Stadt wimmelte vor Machinenpriestern, verdammt, die Stadt war in Wirklichkeit eine gigantische Maschine, die sich auf ihren Beinen durch die Ödnis kämpfte. Und die Marisaner beten sie an! Eine Stadt! Aber wen wunderte das eigentlich? Sie beteten alles an, was zum ersten maschinell war und was zum zweiten eine gewisse Größe erreicht hatte. Auf die sollte sich unser eifriger Priester konzentrieren. Das wäre mal ein Kreuzzug! "Tja, Blender, und Sie sehen aus, als ob Sie mir Ihre Mutter verkaufen würden."
Der Assassine grinste in seinem feinen, silbergrauen Jarqis-Anzug und warf einen gierigen Blick auf den mit Rosenholz verzierten Metallkasten, der an Vox' Handgelenk gekettet war. "Wenn der Preis stimmt. Für den Inhalt dieser Truhe gehört sie Ihnen."
"Meine Herren, der Inhalt dieser Kasette ist Eigentum der Inquisition und ihr nach Abschluß unserer Mission wieder zu überstellen - notgedrungen zumindest ein Gegenwert in Thrönen, falls es tatsächlich zu Geschäftsabschlüssen kommen sollte. Auf jeden Fall steht eine anderwärtige Verwendung in keiner Weise zur Diskussion." Frosts strenger Blick wanderte zwischen seinen "Angestellten" hin und her.
"Geht klar, Chef.", grinste Blender. "Soll nur einer versuchen, der Kasette zu nahe zu kommen." Bei diesen Worten tätschelte er behutsam die kleinkalibrige Feuerwaffe, die er unter seinem Sakko trug.
Lucius dachte wehmütig an seine Boltpistolen und hoffte, dass sie gut aufgehoben waren, was auch immer Varitani damit vorhatte. "Na dann, Herr Assistent Freij, setzen wir uns in Bewegung.", sagte er in Richtung des Psionikers.
Vox verzog säuerlich das Gesicht. Als ob in dieser verdammten Stadt nicht schon genug Bewegung wäre, alles schwankt immerzu. Aber wenigstens hab' ich es dann hinter mir.
Da kam plötzlich schnaufend ein dicklicher junger Mann in einer Livree gelaufen, anscheinend vom Concierge des Hotels geschickt, der etwas in seiner Hand hielt: "Herr Lucius Frost?", fragte er und der Ex-Arbitrator zuckte innerlich zusammen und kam sich enttarnt vor, als er seinen Namen hörte, so sehr hatte er sich bereits damit abgefunden, von nun an Akermund Sefington zu sein, Juwelier und feinsinniger Kenner aller glitzernden Reichtümer. "J, ja.", stammelte er wenig professionell und räusperte sich.
Der junge Mann drückte ihm ein kleines Kuvert in die Hand: "Das ist Ihnen aus Sibellus nachträglich zugestellt worden, mit Eilsendung." Er blieb stehen und gab mit offener Hand mehr als deutlich zu verstehen, worauf er wartete.
Hrubens Arn bleckte die Zähne und knurrte: "Verpiss Dich, Kleiner, oder ich mach' Dir Beine!" Dabei trat er bedrohlich einen Schritt auf den Pagen zu. Dieser zuckte zusammen und tat wie ihm geheißen. Von Vox war etwas zu hören, das der optimistische Interpret ein Kichern hätte nennen mögen. Arn zuckte die Achseln: "Es gibt keinen Grund, die Tarnung zu vernachlässigen, nur weil der Chef bereits aufgeflogen ist, oder?" Er grinste.
Lucius grinste nicht. Er blickte auf den Umschlag, auf dem sein Name stand. Er kannte die Handschrift - den Schwung, den Druck, den Stil, in dem die Buchstaben geschrieben worden waren. Er hatte lange die Gelegenheit dazu gehabt, diese Schrift zu studieren, während er in der Schola Chymystria auf die Tafel geblickt hatte, und er hatte sie genutzt. Sein Herz klopfte, als er das Kuvert zaghaft öffnete. Darin befand sich ein kleiner Zettel aus hochwertigem, dickem Papier. Darauf stand in derselben Handschrift:

Ich vertraue darauf, dass Du das Richtige tust. Ich liebe Dich.
Elena

Mit einem befreienden Seuftzen fand eine Träne unendlicher Erleichterung und Freude ihren Weg über die Wange des Ex-Arbitrators.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 16. Mai 2013, 15:53:58
10 - Verschiedene Pfade

"Wäre mir nicht aufgefallen, dass wir einen Fehler gemacht hätten.", rekapitulierte Nick Runsit, und seine Brust hob und senkte sich nach dem Sprint. "Vielleicht ein Pict-Recorder? Hat man das Gesicht von Varitani erkannt?"
Der Priester zuckte die Achseln: "Macht nicht wirklich einen Unterschied." Dann wandte er sich um.
Es war dunkel, nahezu stockdunkel, da die Straßenbeleuchtung zum größten Teil nicht funktionierte und sich Wolken vor denjenigen der beiden Monde geschoben hatten, der in dem aktuellen Zyklus von der Sonne des Xeiros-Systems beschienen wurde und Licht gespendet hätte. Dieser Umstand kam den Pilgern nun zugute.
"Sind sie noch hinter uns?", erkundigte sich Pater Thracian flüsternd, als Varitani aufschloß.
Der Inquisitor nickte knapp. "Ziemlich leise aber. Sie veranstalten keine Treibjagd; es sind also auch Agenten schätze ich. Inquisition vielleicht."
Sie waren in Bantifon Ades, einer kleinen Hafenstadt am östlichen Rand von Kirrjeha, auf Xeiros Prime. Die ersten Tage hatte es keine Probleme gegeben. Sie waren gelandet und ohne Probleme durch alle Kontrollen gekommen. Xeiros Prime hatte noch immer den Eindruck einer Welt vermittelt, auf der alles in Ordnung war. Varitani hatte in einer ruhigen Stunde mit der Aufklärung seiner Mitarbeiter begonnen und auch die unangenehmen Details nicht ausgelassen, was die politische Problematik betrag, die sein Zögern heraufbeschworen hatte. Er wollte auf keinen Fall riskieren, selbst auf Xeiros Prime zu sterben, nur um dann seine Leute uneingeweiht zurück und direkt in das Maul einer Bestie zu schicken.
Vor zwei Tagen schließlich war Runsit aufgefallen, dass ihnen jemand folgte. Seine von früheren Jagden und Zweikämpfen geschärfte Wahrnehmung hatte sich als unbezahlbar erwiesen, denn schon Stunden später wären sie allesamt einem Kommandotrupp des Adeptus Arbites zum Opfer gefallen. So entzogen sie sich durch eine Finte der Verhaftung und reisten seitdem so unauffällig wie möglich. Gerne hätte Varitani sich der Hilfe der Nyunga bedient, die man fast in jeder Siedlung in niedrigem Aufkommen zu Gesicht bekam, doch war es so gut wie unmöglich, sich mit ihnen zu verständigen, und die Zeit war momentan noch gegen sie. Sobald sein Telepath den Transit überstanden und sie sich in Xileiphos getroffen hätten, würde sein erster Befehl das Aufnehmen von Beziehungen zu den Ureinwohnern von Xeiros Prime sein. DeVetter hatte in diesem Punkt unglaublichen Wert bewiesen.

Gebückt schlichen sie die Seite des simplen Lagerhauses entlang; in der Ferne hörten sie das Rauschen des Meeres. Sie mussten irgendwo Unterschlupf finden oder sich mit ihren Verfolgern auseinandersetzen. Wenn es sich um eine Zelle der lokalen Inquisition handelte, dann wäre es durchaus möglich, sie zu bekämpfen. Das Problem war nur die mangelnde Bewaffnung. Varitani selbst hatte gar keine Waffen, doch das war nicht so schlimm. Pater Thracian hatte sich eine Machete besorgt, was in dem Gebiet, durch das sie sich die Tage vor ihrer Entdeckung bewegt hatten, keinen Bruch mit ihrer Tarnung bedeutete hatte. Nick Runsit, der in der Garde ausgewiesener Spezialist für schwere Geschütze gewesen war, hatte sich nur eine alte Tronsvasse Solidprojektilpistole "organisieren" können, und für die hatte er nicht einmal viel Munition. Der dunkelhäutige, mit seinen fast den ganzen Körper überziehenden Tätowierungen sehr furchteinflößend aussehende Wilde war aufgrund seiner immensen Körperkraft sicher auch im Nahkampf zu gebrauchen, doch insgesamt war ihre Schlagkraft nicht so beeindruckend, um sie einem unbekannten Faktor wie der ihrer Verfolger entgegenzusetzen.
Als sie an die Ecke des Lagers kamen, hob Granit die Hand, woraufhin sie innehielten. "Ein Obdachloser.", sagte er gedämpft und wies auf eine dunkle Stelle zwischen ein paar Fässern und Kisten auf der anderen Seite. Dort lag tatsächlich eine dunkle Gestalt, die in Lumpen gehüllt zu sein schien. Sie bemühte sich nicht, leise zu sein und sowohl das Brabbeln eines Betrunkenen sowie das Aufschlagen von Glas auf Stein oder Holz waren schwach zu hören.
"Ich denke, er hat eine Flasche.", brummte Gerhart.
"Von nichts kommt nichts.", erwiderte der Krieger grinsend.
Varitani, der die ganze Zeit über nach hinten geblickt hatte, meinte, eine Bewegung wahrgenommen zu haben. Der Mond hüllte die Szenerie mittlerweile in fahles, kaltes Licht. "Meine Herren, tempus fugit. Weiter."
Sie lösten sich von dem Gebäude und gingen über die Straße und nahe an der liegenden Gestalt vorbei. Nick Runsit betrachtete sie genauer, jetzt, da er näher war und bemerkte etwas. Welcher Obdachlose trägt denn einen Körperanzug? Schnell wie eine Katze sprang der Stammeskrieger auf die Gestalt zu, die zusammenzuckte und sich dann aufrappeln wollte. Die Flasche rollte klirrend über das Pflaster. Wie Schraubstöcke schlossen sich die Arme Runsits um die Handgelenke des strampelnden jungen Mannes, der bereits eine Pistole in Händen hielt, und zerrte ihn an das spärliche Licht. Auf einmal doch nicht so betrunken, wehrte sich der Gefangene mit Tritten so gut es ging und schrie. Runsit schnaufte, als ihn einige der Angriffe in der Bauch- und Leistengegend trafen. Das blonde Haar des Mannes war bereits unter der verrutschten Perrücke zu sehen.
Vom Geschrei alarmiert war auf einmal Gerhart da, und Nick Runsit sah kurz etwas Metallisches aufblitzen, dann zuckte der Körper, dessen Arme er umklammert hielt und Blut spritzte aus einer Wunde am Hals. Das Geschrei hörte noch nicht ganz auf, wurde jedoch zu einem widerlich gurgelnden Laut. Der Redemptionistenpriester ließ die Machete erneut auf den Hals des Mannes niederfahren und trennte ihm dabei fast den Kopf ab. Jegliche Körperspannung wich, so dass Runsit den Mann fallen ließ. Er schnappte sich schnell die Las-Pistole und durchsuchte den Körper.
"Pater!", rief Varitani und deutete auf das Dach des Lagerhauses, das sie gerade hinter sich gelassen hatten. Dort oben war ein Schemen zu erkennen und etwas blitzte auf. Thracian und Varitani sprangen zur Seite und ein Las-Schuß hinterließ ein Loch genau dort, wo der Priester gerade gestanden hatte. Blut, das aus dem Hals des Leichnams quoll, floss rasch darüber.
Der Ex-Gardist fuhr herum, fokusierte kurz den Blick, dann schickte er zwei Las-Geschosse aus der gerade erbeuteten Waffe nach oben, und ein unterdrückter Schmerzenslaut war zu vernehmen. Erneut schoß der Mann auf dem Dach und Runsit stolperte in Deckung.
Von Gebrüll begleitet explodierte nun geradezu die ihnen zugewandte Seite des Lagerhauses in einem Ball aus Staub und herumfliegenden Trümmerteilen. Ein riesiger Mann stürmte hindurch. Seine Arme waren augenscheinlich durch Prothesen ersetzt worden, was erklärte, wie er die Wand so spielend durchbrochen hatte.
Varitani stand am nächsten und zögerte nicht. Er stürmte lautlos nach vor und versetzte der Gestalt einen eingesprungenen Tritt vor die Brust. Der Angreifer stieß gequält die Luft aus und taumelte zurück, als weitere Las-Geschosse vom Dach auf Runsit und Thracian einhagelten. Irgendetwas Unverständliches wurde gerufen, dann musste sich Varitani ducken, da er eine Bewegung aus seinem Augenwinkel wahrgenommen hatte. Eine Klinge sauste nur knapp über seinem Kopf hinweg.
Hinter ihm war eine grazile Gestalt in einem hautengen Körperanzug aufgetaucht - eindeutig weiblich, deren langes Haar zu zahlreichen Zöpfen geflochten war, die sie wild umkreisten, als sie sich drehte. Die Klinge, die sie trug, war geschwärzt, was es Varitani nicht gerade leicht machte, sie aus dem wilden Gewirr von Zöpfen herauszuhalten.
Gebrüll war hinter dem Inquisitor zu hören und der Riese mit den Prothesen griff anscheinend erneut an. Varitani wandte sich kurz ab, als ihn ein Schmerz an seiner rechten Seite durchfuhr. Doch sofort war Gerhart da und beharkte die Frau mit seiner Machete, wobei er laut den Imperator anrief. Sie parierte und ließ von Varitani ab. Dieser blockte gerade noch einen wilden Schlag des Riesen, der ihn dennoch zu Boden schickte. Die unnatürliche Kraft war im warsten Sinn des Wortes umwerfend. Zwei Las-Geschosse drangen in den Körper des Hühnen, als Nick Runsit - nun ebenfalls Kriegsgeheul ausstoßend zwischen vom Dach aus heruntersausenden Las-Schüssen hindurch mit erhobener Waffe auf sie zulief, die Pistole ungefähr in Varitanis Richtung warf und sich mit ausgestreckten Armen auf den Riesen stürzte und ihn so umriß. Die beiden Gestalten verschwanden polternd in dem Loch, das der Riese in der Wand der Lagerhalle hinterlassen hatte.
Varitani rollte sich zur Seite und fischte nach der Las-Pistole. Als seine Finger sich um den Griff schlossen, spürte er, wie feucht seine Robe an seiner rechten Seite wurde und auch den brennenden Schmerz, der sich langsam von dort aus bemerkbar machte. Er blutete, doch daran konnte er jetzt nicht zu viele Gedanken verschwenden. Er drehte sich auf den Rücken und zielte auf den Dachfirst, wo er die Gestalt des verletzten Scharfschützen erkennen konnte, der sich gerade gefährlich weit nach vorn beugte, um auf ihn anlegen zu können. Varitani feuerte mehrere Schüsse in schneller Folge ab, woraufhin der Mann unter Geschrei abstürzte und unweit von ihm aufschlug. Varitani hörte das Knacken von brechenden Knochen und einen Schrei, doch bewegte sich der Mann noch. Der Inquisitor richtete sich unter Schmerzen auf und jagte Las-Geschosse in den Körper, bis er mit beidem aufhörte; mit dem Schreien und dem Bewegen.
Gerhart focht wie er selten zuvor gefochten hatte. Der normalerweise das Kettenschwert bevorzugende Kampfpriester musste hier mit einer völlig unterlegenen Waffe gegen eine Gegnerin antreten, die unanhängig von seiner Ausrüstung eine Herausforderung dargestellt hätte. Mühsam parierte der sternengeborene Priester Schlag auf Schlag, kam selbst gar nicht zum Angreifen und musste sich höllisch konzentrieren, damit ihn die wirbelnden Zöpfe der sich drehenden Mörderin nicht über den Aufenthaltsort der wirklichen Gefahr, dieses dunklen Schwerts, hinwegtäuschten. Doch er wurde schnell müde und merkte, dass er schon mehrere Male getroffen worden war - wie schlimm, das konnte er aufgrund des Adrenalins nicht sagen, das durch seine Venen jagte. Beim Thron, so nicht. Das hier ist zu wichtig, sagte er sich und als er eine Lücke zu erkennen vermeinte, stürzte er sich mit einem furchteinflößenden Ruf auf die schmächtige Gestalt der Frau, die - in ihrem wilden Tanz begriffen - nicht ausweichen konnte und riß sie zu Boden. Dort packte er ihre Oberarme und drosch ihr zweimal mit voller Wucht seine Stirn ins Gesicht. Ihre Nase war gebrochen und Blut lief über Antlitz - sie keuchte auf und wurde ohnmächtig. Gerhart setzte gerade ihre eigene Klinge an ihrem Hals an, als ihn etwas packte, nach hinten riß und durch die Luft schleuderte.
Mit einem Schnaufen schlug der Priester auf, die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, und er sah sich benommen nach der neuen Bedrohung um. Eine hagere Gestalt stand neben der Frau und beugte sich gerade über sie. Er sprach sie an, doch sie reagierte nicht. Gerhart schüttelte den Kopf und erhob sich wackelig.
Das lange Haar des dünnen Mannes war schlohweiß und hing dünn und offen um seinen knochigen Kopf. Die kleinen Augen lagen tief in den dunklen Höhlen und eine markante, viel zu groß scheinende Nase teilte das Gesicht mit den hervorstehenden Wangenknochen in zwei gleiche Hälften. Die Lippen des in einen hautengen Ledermantel gehüllten Mannes kräuselten sich angewidert, als sich sein Blick von Gerhart ab und auf Varitani richtete, der sich aufgerappelt hatte und sich nun ebenfalls ihm zuwandte.
"Inquisitor Varitani. Sie sind verhaftet.", sprach er mit einer Stimme, die Gerhart an die des verdammten Telepathen Phos Isand erinnerte - unangenehm und durch Haut und Knochen fahrend.
"Weshalb?!", rief Varitani dagegen.
"Wegen Hochverrats. Mehr Rechtfertigung ist nicht erforderlich. Ergeben Sie sich der Inquisition des Goldenen Thrones, Verräter, und befehlen Sie ihren Mitarbeitern, es Ihnen gleich zu tun." Eine Inquisitionsrosette baumelte von der Hand herab, die der Gespenstische ausgestreckt hatte.
"Ich gehöre selbst der Inquisition an und arbeite unter Spezieller Kondition. Im Namen des Imperators fordere ich Sie auf..."
"Sie werden gar nichts mehr in Seinem Namen tun, Varitani. Wir wissen sehr genau, was Sie sind und warum Sie hier sind. Das ist Ihre letze Chance. Ergeben Sie sich oder sterben Sie!"
Ein dröhendes Poltern war aus dem Lagerhaus zu hören, gefolgt von einem Aufschrei. Da die Stimmen der beiden Kämpfenden vom Timbre her ähnlich waren, vermochte niemand zu sagen, wer wem gerade mehr zusetzte.
Varitani hob die Las-Pistole und legte auf den hageren Mann an. "Wer sind Sie?"
"Inquisitor Gudanister ist mein Name. Senken Sie die Waffe!"
"Der Planet hier ist vom Erzfeind durchseucht, Gudanister. Ich bin hier, um die letzte Möglichkeit zu finden, diese Seuche zu bekämpfen!" Varitani blickte den Mann streng an.
"Behalten Sie Ihr Lügenmaul geschlossen, Verräter, und sterben Sie!", erwiderte Gudanister und ließ seine Hand sinken.
Varitani betätigte den Abzug, doch Gudanister stand einige Schritte neben seiner alten Position. Der Inquisitor hatte auf einmal eine unglaublich dünn und zerbrechlich wirkende Klinge in der Hand und stürmte auf Varitani zu. "Hexer!", rief Varitani warnend und sprang zur Seite, als Gudanister nach ihm schlug.
Thracian bemerkte, dass sich die Frau wieder aufrappelte und lief auf sie zu, so schnell er konnte. Da war erneut ein ohrenbetäubendes Krachen zu hören und der Riese mit den prostethischen Armen kam durch die Wand des Lagerhauses gekracht, wonach er unweit von Gerhart zum Liegen kam. Die Stellung seines Kopfes ließ nicht vermuten, dass er noch am Leben war.
Die Frau hatte sich wieder aufgerichtet und erfasste gerade die Situation, während ihr sicherlich noch der Kopf brummte. Ihr Gesicht war dort, wo die Kopfnüsse des Priesters sie getroffen hatten, nicht viel mehr als ein Schlachtfeld. Sie entschied sich, wieder Gerhart anzugreifen, und der blickte sie hart und entschlossen an, auch wenn er aus mehreren Schnitten blutete. Sie hatte ihn jedoch nicht ein einziges Mal richtig erwischt. Fast schien es ihr, als stünde er unter besonderem Schutz - vielleicht war er mit dunklen Mächten im Bunde, wahrscheinlicher jedoch hatte er einfach Glück gehabt. Sie bückte sich, den Blick nicht abwendend, um nach Ihrer Klinge zu greifen, doch ihre Hand schloß sich nur um den Griff einer alten Machete.
Gerhart hob das Schwert, dessen Griff er auch im Flug nicht losgelassen hatte, in einer andächtigen Geste vor sein Gesicht, dann griff er an. Sie schnaufte und kämpfte wie eine Wilde, konnte sich nur mit größter Mühe der geschickt geführten Streiche des Redemptionisten erwehren, doch sie gab nicht auf. Gerhart war nach dem, was er von Gundanister gehört hatte, klar, dass er es mit Akolythen der Inquisition zu tun hatte. Akolythen, die einfach das Pech hatten, entweder von Xeiros Prime zu stammen oder eben hier stationiert zu sein. Er musste seine Kollegen töten. Doch er verbannte diese Gedanken schnell aus seinem Kopf. Ein freier Verstand ist wie eine unbewachte Festung mit offenen Toren!
Da krachte Nick Runsit mit ohrenbetäubendem Gebrüll durch den Schutt, der fast die gesamte Fläche bedeckte, die sich früher einmal an die Stirnseite des Lagerhauses geschmiegt hatte. Sein Körper war übel zugerichtet und von Rissquetschwunden und Abschürfungen übersäht, seine Roben so gut wie nicht mehr vorhanden, so dass in dem kalten Licht des Mondes seine beeindruckenden und erfurchtgebietenden Tätowierungen zu erkennen waren. Er kam neben der verdatterten Frau zu stehen, gegen die Gerhart gefochten hatte und die ebenso wie der Priester innegehalten hatte.
Das dunkle Gesicht des Stammeskriegers war wutverzerrt. "Es reicht!", grollte seine Mahlsteinstimme, als er nach der Frau griff. Sie versuchte die Machete zu schwingen, doch er schleuderte ihre Hand einfach beiseite, griff nach ihrem dünnen Arm und brach ihn wie einen Ast, was von einem ekelhaften Knacken und einem Aufschrei untermalt wurde, der in ein Wimmern überging. Ihre Beine schlugen wild aus, als Runsit die Frau mit einer Hand am Hals packte, sie würgend hochhob, auf ein Knie sank und mit der zweiten Hand nach der Hüfte der kleinen Gestalt griff, um sie dann mit dem Rücken krachend auf sein aufgestelltes Bein sausen zu lassen. Erneut war ein widerliches Bersten zu hören, diesmal aus ihrem Rückgrat. Ihre Beine waren schlaff, doch ihr gesunder Arm bog sich, um erfolglos nach ihrer Rückseite zu tasten. Ein weiterer Schlag zertrümmerte ihren Kehlkopf, dann ließ Runsit sie los, während sie röchelnd und zuckend auf den erlösenden Tod wartete.
Gerhart zögerte nicht lange und machte ihr mit einem schnellen Stich ein Ende, bevor er erschauernd dem Krieger nachblickte, der sich den kämpfenden Inquisitoren näherte.
Aus Varitanis rechtem Unterarm hatte sich seine Energieklinge entfaltet, die bläulich schimmern der psionischen Waffe Gudanisters entgegenstand. Nach einigen Hieben war klar, dass der telekinetisch begabte Inquisitor ein guter Schwertfechter war. Die größere Reichweite seiner Klinge verschaffte ihm einen Vorteil, wogegen Varitani etwas unternehmen musste. Also wich er einem weiteren diagonal geführten Hieb aus, zuckte dann nach vorne, um Gundanister zu überraschen, was ihm mehr oder weniger gelang, dann machte er einen Salto rückwärts und stand nur mehr wenige Schritte von dem verbliebenen Teil der Stirnwand des Lagerhauses entfernt. Er wandte sich also um, absichtlich behäbig, um Gundanister zu einem Ausfall zu reizen und es klappte. So sprang Varitani nach vorne, stieß sich von der Wand des Lagerhauses ab, während der Streich des Psionikers hinter ihm ins Leere ging, nur um ihm im Sprung einen sauberen Tritt gegen den Schädel zu verpassen. Der Kopf des gegnerischen Inquisitors wurde herumgerissen, so dass Varitani gar nicht sicher war, ob er ihm nicht das Genick gebrochen hatte, und der Mann flog einige Meter über den Platz, nur um direkt vor Pater Thracian aufzukommen.
Gundanister hustete und spuckte Dreck aus. Er hatte diesen Ketzer unterschätzt. Das würde ihm nicht mehr passieren. Varitani war augenscheinlich ein Könner im Nahkampf. Dann musste diese Arbeit eben aus der Ferne erledigt werden. Er dachte an die hauchdünnen Klingen, die er in Taschen an seinem Mantel verstaut hatte und öffnete zuversichtlich die Augen.
Die Klinge des Redemptionistenpriesters spaltete ihm singend den Schädel.

"Ganz schön heiß.", schnaufte Phos Isand, als er sich zum wiederholten Mal mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn wischte. Zum Schutz vor der Sonne trug er eine Art Turban, den er sich um die Glatze geschlungen hatte. Der holzbeschlagene Koffer war wie stets an seinen linken Arm gekettet.
"Ja, wir sind in Äquatornähe und es ist Sommer.", stimme ihm Lucius Frost zu. Er trug einen schmalkrempigen Hut, der so halbwegs zu seinem Anzug passte. Er hatte sein Sakko nur leicht über die Schultern gehängt und sein hellblaues Hemd wies dunkle Ringe unter den Achseln auf. Auch ihm stand der Schweiß im Gesicht.
Hruben Arn lehnte lässig an einer nicht weit entfernten Hausmauer. Er hatte sich einen verdörrten Grasstengel in den Mund geschoben und spielte mit der Zunge an ihm herum, was ihn beständig hin und her zucken ließ. "Also pünktlich ist dieser Sarezzin nicht unbedingt, was meint Ihr?" Er blickte auf sein Chrono, schien aber von der Hitze weit weniger beeindruckt als seine Gefährten.
"Er wird schon kommen.", entgegnete Lucius und ließ einen nervösen Blick über all die Menschen gleiten, die um sie her ihren Geschäften nachgingen. Die Wüstenstadt war aus Sandstein oder etwas Ähnlichem erbaut worden, und so hatte jeder von ihnen fast durchgehend Sonnenbrillen zum Schutz vor der Helligkeit auf der Nase.
Eine Gruppe abgewrackt aussehender Nyunga schlurfte vorbei, begleitet von einem Uniformierten, vielleicht einem privaten Sicherheitsmann, der ein Auge auf die Xenos hatte, während sie ihrer Arbeit nachgingen, was immer die auch sein mochte. Nach dem Geruch zu urteilen hatte es irgendwas mit der örtlichen Kanalisation zu tun, schätzte Lucius.
Isand nahm einen großen Schluck aus einer Feldflasche und verzog das Gesicht. "Urgh, das ist so lauwarm. Kein Platz für mich auf jeden Fall. Da war es ja auf Zumthor noch angenehmer."
Lucius Augen verengten sich, als er den Worten des Psionikers zurück in die winterliche Landschaft der Welt folgte, auf der sie den elenden Ketzer Vynnor Lucrés, der sich selbst einem Daemon hingebend nach Macht gesucht hatte, zu Fall gebracht hatten. Dort waren sie auch auf Arian Dorundy getroffen. "Ich weiß nicht, Freij, vielleicht doch ein bisschen zu tödlich."
Da vernahm Lucius auf einmal die körperlose Stimme des Telepathen in seinem Kopf: Aber es steht ja ein Klimawechsel auf dem Programm für diese Welt. Der Ex-Arbitrator verzog leicht den Mund. Das war wohl kaum eine pietätvolle Art und Weise, das Kommende zu beschreiben. Gut, von wem erwaretete er hier auch so etwas wie Pietät? Lucius hatte ganz den Anweisungen des Inquisitors gehorchend seine beiden Begleiter über die Mission informiert, sobald sie auf Xeiros Prime gelandet waren. Er blickte sich nochmals um und betrachtete die Massen an Todgeweihten. Es war bereits bedrückend.
Arn richtete sich plötzlich auf, und seine Muskeln spannten sich an. Das brachte seine Begleiter dazu, in dieselbe Richtung zu blicken wie er. Dort war gerade ein dunkelhäutiger Mann aufgetaucht, dessen breites Grinsen zwei weiße Zahnreihen entblößte. "Sie suchen Sarezzin, meine Herren?", fragte er mit starkem Akzent.
"Wir warten auf Herrn Sarezzin, müsste es heißen.", erwiderte Isand etwas ungehalten.
Das weiße Lächeln verschwand nicht aus dem Gesicht das Fremden, doch Lucius entging nicht das Zucken der Mundwinkel. "Er erwartet Sie. Bitte, folgen Sie mir."
"Ich verstehe nicht ganz.", gab Lucius zurück. "Wir haben einen Transport arrangiert. Wir wollten uns hier treffen, genau hier. Ich habe das selbst mit ihm ausgemacht. Sie - kenne ich nicht."
"Bitte - kommen Sie.", versuchte es der Mann noch einmal und machte eine einladende Handbewegung.
"Nein, das werden wir nicht." Lucius war erneut schärfer geworden. "Ich kann mir sowas in meinem Beruf nicht leisten. Sie können Sarezzin sagen, dass ich so keine Geschäfte mache. Hält er mich für grün hinter den Ohren? Oder für minderbemittelt? Ich bin doch nicht angewiesen auf ihn! Dann suche ich mir eben einen anderen."
Das Lächeln des Fremden verschwand und er blickte Lucius kalt an. "Ich wollte Sie nicht beleidigen, nein. Ich wollte das hier zivilisiert über die Bühne bringen." Der Akzent hatte sich drastisch reduziert und er sprach fast perfektes Niedergothisch. Nun zeigte er den Griff einer Handfeuerwaffe, die er in seinen hellen Roben verborgen gehalten hatte. "Wenn ich Sie nun nochmals ersuchen dürfte, mir zu folgen. Und machen Sie keine ruckartigen Bewegungen, meine Partner hinter Ihnen würden das nicht gut finden."
Arn bemerkte, dass drei weitere berobte Gestalten sich Ihnen genähert hatten. Sie alle hielten eine Hand in den Roben verborgen - natürlich bewaffnet. So vermied es der Assassine einstweilen, etwas anderes zu tun, als auf Lucius Reaktion zu warten.
"N, natürlich. Wir kommen mit." Lucius leckte sich hastig über die Lippen und seine Augen tanzten abwechselnd nach links und rechts, dann blickten sie wieder starr auf die Waffe des Dunkelhäutigen.
Der Ex-Arbitrator machte seine Sache gar nicht schlecht. So schnell von entrüstet auf entwaffnet, besorgt und ängstlich umzuschalten war nicht leicht. Isand grinste innerlich. An Ihnen ist ein Schauspieler verloren gegangen, hörte Lucius die Stimme des Psionikers in seinem Kopf.
Sie gingen einige Meter in eine schattig dunkle Seitengasse. Du meine Güte, wie kitschig. Isand war ganz entspannt, freute sich sogar ein bisschen.
Die drei Akolythen waren mittlerweile von fünf Männern umringt. Ein anderer Mann lag mit einem Knebel aus Tuch und gefesselten Armen auf dem Boden. Sein Gesicht war von Blutergüssen gezeichnet.
"Darf ich vorstellen, Sarezzin, der zwielichtigste "Unternehmer" in ganz Suffat." Der Dunkle grinste wieder sein weißes Grinsen. Er hatte seine Waffe, eine Autopistole mit verlängertem Magazin, bereits gezogen und wies damit auf den am Boden Liegenden. Zwar hörte man das Pfeiffen des Windes um die Ecken recht stark, doch war mittlerweile auch ein leises Wimmern auszumachen, das von Sarezzin aufstieg. "Sie so aus, als ob Sarezzin bei uns in der Kreide stünde und sich an uns gewandt hat, als er von ihrer kleinen Reisegruppe erfuhr. Abhängig davon, war wir in diesem kleinen Koffer dort finden, werden sich die Schulden wohl sehr verringern oder gegen null wandern. Sollte das tatsächlich der Fall sein und er uns nichts mehr schulden, dann dürfen Sie ihn gerne nachher behalten und sich bei ihm bedanken, Sefington." Sarezzin warf aus verquollenen Augen einen schreckhaften Blick auf Lucius. "Solange er Schulden bei uns hat, bleibt er jedoch unangetastet."
"Sagen Sie mal, Lucius, wie lange wollen uns diesen Mist eigentlich anhören? Wir haben Sarezzin doch gefunden, also nehmen wir ihn und gehen, oder?" Isands ruhiger Tonfall trug rein gar nichts dazu bei, die Männer um sie herum zu entspannen.
"Haben Sie mich nicht richtig verstanden, meine Herren? Ich bin sicher, dass Ihnen klar sein dürfte, was hier gespielt wird." Besorgnis und Zorn lagen zu gleichen Teilen in der Erwiderung des Dunklen. "Und wer zur Hölle ist Lucius? Sie sind doch Akermund Sefington, oder etwa nicht?!" Er blickte zornig auf Sarezzin, der zusammen zuckte und vehement nickte.
"Du kleines Wiesel.", brummte Hrubens Arn nun. "Solche rückgratlosen Bastarde sind mir die liebsten von allen. Und sieh an, in welche Lage Dich das gebracht hat, Arschloch."
Eine Faust krachte seitlich gegen den Brustkorb des Assassinen, was ihn aufstöhnen ließ. "Sarezzin ist vorerst nicht euer Problem.", dröhnte eine tiefe Stimme von hinten, diesmal wieder mit ausgeprägtem Akzent.
"Den Koffer bitte.", fügte der Schwarze hinzu und machte einen Schritt in Richtung Phos Isand.
Der hob achselzuckend den Arm und die Handschellen glänzten silbern. "Tja, was soll ich sagen. Ich würde Ihrer Aufforderung ja sehr gerne entsprechen, aber ich hänge dummerweise sehr an der Kasette."
"Das lässt sich leicht korrigieren.", sagte eine Stimme hinter ihm, und er hörte, wie eine Klinge gezogen wurde.
"Das reicht wirklich!", sagte nun erstmals Lucius. "Das ist ja wirklich lächerlich. Eine dümmere Verkleidung hätten wir uns nicht einfallen lassen können. Juwelenschleifer, tsk. Da wird man in so einer heruntergekommenen Drecksstadt natürlich überfallen."
Der Schwarze kniff die Augen zusammen.
"Wir sind keine Juwelenschleifer. Ich bin ehemaliger Mitarbeiter des Adeptus Arbites, der da", und er deutete auf den Turban, "ist noch viel unangenehmer als jetzt, wenn er das tut, was er normalerweise tut und er:", damit wies er in die Richtung von Arn, "Tja, ich sage nur so viel; Sie hätten ihn besser nicht schlagen sollen."
"Knallt sie ab!", rief der Schwarze und zog die Waffe hervor.
Plötzlich wurde es eiskalt, als sich der Psioniker konzentriert umwandte. Die Zwei hinter ihm betätigten die Abzüge ihrer Waffen, doch nur eine davon feuerte. Während der Las-Karabiner zu klemmen schien, war der laute Knall einer Tronsvasse zu hören. Doch die Kugel fand nie ihr Ziel. Die stand einfach vor Vox in der Luft, bevor sie klimpernd zu Boden viel. Isand setzte mit einer lässigen Geste seine Sonnenbrille ab und grinste. "Überraschung." Dann brachen der Mann direkt vor ihm, und der, der weiter hinten stand, von Krämpfen gebeutelt zusammen.
Hrubens Arn hatte dem direkt hinter ihm Stehenden gleichzeitig eine rückwärts ausgeführte Kopfnuss ins Gesicht gegeben und im Umdrehen seine eigene Autopistole gezogen. Er schoß dem Mann, der sich die Hände vor das Gesicht hielt und eine Machete fallen gelassen hatte, in dem Bauch, was diesen aufstöhnend zu Boden schickte.
Lucius packte mit einem großen Schritt nach vorne die Hand des Schwarzen und drückte sie zur Seite, so dass ein Schuss an der Hauswand abprallte und schlug ihm die ausgestreckte Hand mitten ins Gesicht. Der Mann stolperte zurück. Sofort hatte Lucius seine Autopistole gezogen und dem Mann ins Bein geschossen.
"Auf den Boden legen!", kam da der psionisch verstärkte Befehl des Telepathen. Alle stehenden Kontrahenten folgten augenblicklich, die anderen kauerten sich noch mehr gegen die Erde.
"Das ist der verdammt noch mal am schlechtesten ausgeführte Überfall, den ich je gesehen habe.", fluchte der Assassine und bückte sich zu dem Mann, der sich die blutenden Wunde in seinem Bauch hielt: "Tut weh, was?" Der Mann verkrampfte das Gesicht vor Schmerz. Hrubens Arn trat dem vor sich Liegenden noch kräftig vor die Nase, so dass dieser aufjaulte, als Blut und Rotz herausliefen. "Verdammte Sauerei!"
Lucius bückte sich zu dem Schwarzen: "Hast Du noch irgendwelche Zweifel, dass Du Dich einfach mit den Falschen angelegt hast?"
Er schüttelte den Kopf und verspritzte ein wenig von dem Blut, das ihm aus der Nase lief.
"Wir nehmen jetzt Sarezzin und verschwinden von hier. Das ist nie passiert, dann lassen wir Euch so, wie Ihr jetzt seid, zurück. Sonst seid Ihr tot. Einverstanden?"
Der Mann nickte schnell.
"Ihr habt doch nicht vor, Xeiros Prime in nächster Zeit zu verlassen, oder?", erkundigte sich Isand, der damit beschäftigt war, die Männer zu entwaffnen.
"Nein.", brachte einer gequält hervor.
"Hervorragend. Manchmal klären sich alle Probleme wie von selbst." Vox blickte lächelnd Lucius an.
Dieser packte mit schnellen Griffen, die vermuten ließen, dass er sich mit Gefesselten prächtig auskannte, Sarezzin und zerrte ihn hoch. "So, Herzchen, wir haben auf jeden Fall noch ein Hühnchen zu rupfen und vor allem einen Flug zu nehmen." Damit zogen sich die Akolythen zurück.

Die Hüllen der mächtigen Schlachtschiffe ächzten nach dem Wiedereintritt aus dem Immaterium. Die Gellar-Felder, welche die Schiffe und ihre Besatzungen vor den ewiglich wirbelnden Strömungen des Warps schützten, wurden deaktiviert und die Triebwerke für den Normalraum nahme ihre Arbeit auf.
Auf der Brücke der Furor Calixis war Admiral Kanakouris in ihren Kommandothron eingebettet und über zahlreiche Kabel, Schläuche und Leitungen mit ihrem Schiff verbunden. Ihre Sinne und der Sensorenempfang der Furor Calixis liefen ineinander. Dieses Erleben glich dem Gleiten im All, mit einem Körper aus Stahl, Hunderttausend darin lebend und arbeitend, mit Augen, die Millionen von Kilometer weit blicken konnten, mit Waffen, die ganze Welten erzittern ließen. Während der Immateriums-Traverse war auch Admiral Kanakouris gezwungen, ihre Sinne wieder auf ihren menschlichen Körper zu beschränken, da selbst ein gestählter und unerschütterlicher Geist wie der ihre dem Wahnsinn des Warpraums nicht gewachsen war. Es waren seit langen Millennien nach wie vor nur die Navigatoren, denen dies beschränkt möglich war - der Blick in den immer in Bewegung seienden Mahlstrom aus Emotion, das Epyreum.
"Commander Taran, veranlassen Sie, dass der Sektor sofort gescanned wird. Sämtliche Einrichtungen und Lebenszeichen jenseits von Xeiros Prime sind sofort als Ziele zu markieren.", erklang der erste Befehl aus dem Voxponder der Flottenkommandantin.
Taran, ein stolzer Mann, jung für seinen Rang und damit auch noch keineswegs für den Rest seines Lebens zufrieden, salutierte in seiner gestärkten Uniform, die wie jene der anderen Flottenangehörigen aufgrund der Zugehörigkeit zur Raumflotte des Segmentum Obscurum rot gefärbt war. "Jawohl, Ma'am Admiral."
"Lieutenant DeVarro, informieren Sie die Strahlender Schein und die Fides perpetua darüber, dass wir die Zielaufschließung durchführen und ihnen im Laufe der nächsten Minuten die endgültigen Routen vorgeben werden."
"Jawohl, Ma'am Admiral.", bestätigte der Angesprochene, der leicht erhöht auf einem Kommandostand über seine Unteroffiziere wachte, welche sich um die interne und externe Kommunikation kümmerten.
Erste Sensordaten erreichten bereits den Cogitator, der mit Kanakouris Gehirn verbunden war.
"Ma'am Admiral, soeben erreicht uns eine Nachricht von Lord-Captain Zaiphus, dass die Beständiger Ansturm und die Ungebrochen den Wiedereintritt nahe Xeiros Quintus abgeschlossen haben und auf Angriffsbefehle warten. Bisher keine Reaktion der lokalen Abwehr, weder laut seiner Meldung noch laut unserer Sensorik.", gab Lieutenant DeVarro bekannt.
"Sagen Sie ihm, er soll seine Position halten, solange wir die Zielerfassung durchführen."
"Zu Befehl, Admiral." DeVarro kam kaum dazu, seinen Blick wieder abzuwenden, als er erneut Meldung machte: "Ma'am Admiral, wie erwartet erreichen uns erste Nachrichten vonseiten der offiziellen Stellen auf Xeiros sowie der Verteidigungsplattformen, die nach dem Grund unserer Anwesenheit fragen. Ich werden wie besprochen ohne zu antworten die Kommunikation stören und die Kommandanten der anderen Schiffe anweisen, es uns gleich zu tun."
"Tun Sie das. Und sagen Sie dem Waffenoffizier, er soll sich für Torpedoabschüsse bereit machen. Sobald die Strahlender Schein mit ihrer Nova-Kanone die Plattformen ausgeschaltet hat, soll es zu keiner Verzögerung kommen, sobald die ersten Zivilschiffe flüchten wollen. Niemand darf uns entwischen."
"Aye, aye, Ma'am Admiral."
Ein weiteres Schiff verließ unweit der Hauptgruppe den Warpraum. Nur gegen das violett wabernde Schimmern des Risses, durch den der kilometerlange Rumpf sich aus dem Immaterium schob, war es überhaupt kurzzeitig sichtbar. Keinerlei Beleuchtung ging von ihm aus, auf keine andere Weise gab es Zeichen seiner Existenz von sich, als durch das Verdecken der Sterne, die sich hinter ihm befanden - ein Schwarzes Schiff der Imperialen Inquisition.

"Wiedereintritt abgeschlossen. Bestätige Position.", Lieutenant Wallers Hände fuhren über seine Instrumente; das Datenkabel, das aus einer Implantbuchse an seinem Hinterkopf laufend mit seinem Sitz verbunden war, zuckte. "Xeiros System, Anflugvektor Xeiros Prime."
"Gut, Systemscan durchführen. Wollen wir doch mal sehen, ob die Imperiale Flotte ihre Arbeit auch zu unserer Zufriedenheit ausführt.", gab Inquisitor-Captain Francis Delinn zurück. Dem Gesicht des alten Kommandanten sah man die Erfahrung regelrecht an, die er im Laufe seines Lebens gesammelt hatte. Unzählige Fältchen, Narben und Wülste bedeckten sein versehrtes Gesicht und durchzogen den grauen Bart des ganz in Schwarz gekleideten Kapitäns. Sein linkes Auge hatte er im Kampf gegen einen Mutanten verloren, und dort befand sich nun ein Interface, mit dem er sich in die Sensorphalanx seines Schiffs, der Lodernde Gerechtigkeit, einklinken konnte, was er in diesem Moment auch tat. Ein starrer, viel zu schwer aussehender Schlauch, in dem unter Schutzringen verborgen zahlreiche dicke Datenleitungen verliefen, ragte frontal aus seinem Kopf, und sein rechtes Auge zuckte nach oben, so dass man fast nur mehr das Weiß seines Glaskörpers sehen konnte.
"Furor Calixis, Schlachtschiff der Vergelter-Klasse, Strahlender Schein, Schlachtkreuzer der Mars-Klase und Fides perpetua, Kreuzer der Dominator-Klasse. Vierzigtausend Kilometer steuerbord, Inquisitor-Captan.", berichtete Waller. "Die Kreuzer Beständiger Ansturm und Ungebrochen befinden sich in Angriffsposition nahe Xeiros Quintus."
"So weit, so gut."
Das sanfte Aufsetzen seiner Schritte wurde rhythmisch von Klacken seines Stocks unterbrochen. Dies verriet Inquisitor-Captain Delinn auch ohne Konsultation der internen Sensoren, wer da gerade seine Brücke betreten hatte und sich neben seinem Kommandothron aufstellte - Lord Inquisitor Eirut Bahan.
"Die Angriffe können ohne weitere Verzögerung beginnen, Inquisitor-Captain. Sie können Admiral Kanakouris davon in Kenntnis setzen.", sagte der Alienjäger mit leicht nasaler Stimme. Wie stets war er perfekt gepflegt und makellos in jeder Hinsicht. Delinn konnte den Bastard nicht leiden.
"Ihr Wunsch ist zur Kenntnis genommen, Lord Inquisitor. Das Oberkommando über die Operation bis zum Beginn des Exterminatus hat jedoch Admiral Kanakouris. Es besteht nach den ersten Sensordaten zu schließen kein Grund, ihre Kompetenz auch nur im Geringsten in Frage zu stellen, weshalb ich einen Eingriff in die Hierarchie nicht für ratsam halte. Sobald die Vorbereitungen an Bord der Flottenschiffe abgeschlossen sein werden, wird sie den Befehl umgehend erteilen. Sollte ein Angriff jedoch nochmals zur Diskussion ausgeschrieben stehen, werde ich Ihren zustimmenden Standpunkt selbstverständlich vertreten, Lord Inquisitor."
Bahan verzog ärgerlich das Gesicht, sagte jedoch nichts. Delinn hatte sowohl den Rang eines Inquisitors inne, was ihn zu seinem Untergebenen machte, als auch den eines Captains, was ihn zur Person absoluter Authorität an Bord seines Schiffes, der Lodernde Gerechtigkeit, werden ließ. Sein Wort war Gesetz - und diesem Gesetz musste sich sogar ein Lord Inquisitor beugen, solange kein offensichtliches Fehlverhalten vorlag. Bahan wusste, dass die Crew schon viele Jahre unter Delinn diente und ihn zumindest schätzte. Hier würde er keine Unterstützung finden, wenn der Fall des alten Schlachtrosses nicht offensichtlich war. Erst dann konnte er hoffen, dass ihm ein ehrgeiziger junger Offizier beisprang, wenn er dem Captain zu direkt widersprach.
"Waffenoffizier für Captain. Kommen.", bellte Delinn in sein Voxcom.
"Hier Deckard, Sir. Kommen."
"Überprüfen Sie die Virusladung und machen Sie anschließend Meldung. Wir wollen doch keine Verzögerung riskiren, wenn es an der Zeit ist, dass die Imperiale Inquisition ihre Zähne zeigt. Kommen."
"Waffendeck verstanden, Sir. Kommen."
"Delinn, Ende."
Die Lodernde Gerechtigkeit würde bereit sein.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 17. Mai 2013, 20:08:11
11 - Katalysator

Immarut Railoun hatte seinen Arm um Cattaleya Amalia VanSovreans Schultern gelegt, als sie nebeneinander auf dem Förderband stehend in die Haupthalle der Terminalstation für ankommende und ausgehende Passagierflüge in Antimon transportiert wurden. Niemand hätte daran gezweifelt, dass die Beiden ein Paar waren, frisch verliebt, so innig waren die Blicke, die sie sich zuwarfen. Eine bessere Tarnung hätte es für die Akoylthen nicht geben können, denn nachdem sie kurz vor dem Ablug von Scintilla zueinander gefunden hatten, waren die Wochen des Fluges auf dem Luxuspassagierraumer Herz der Freude ihnen wie Flitterwochen erschienen. Sie hatten die Zeit genutzt, die ihnen noch geblieben war, hatten an Bord getanzt und bei Kerzenschein diniert.
Railoun hatte ihr schon recht früh Einzelheiten über den Auftrag auf Xeiros Prime erzählt, doch anstatt sie - wie er es befürchtet hatte - abzuschrecken, war Cattaleya noch anhänglicher und offener geworden. Während der "Nächte" an Bord, also den Ruhephasen, die einen Tagesrhythmus aufrecht erhalten sollten, die auch vor Immaruts Enthüllungen schon nicht von besonders viel Schlaf erfüllt gewesen waren, wurden nun auch neben den körperlichen Aktivitäten teilweise tiefgreifende Gespräche geführt. Die Adelige wusste nicht allzuviel über das Vorgehen bei einem Exterminatus. In diesen Unterhaltungen war Beiden das Ausmaß dessen bewusst geworden, was hier unternommen wurde. Zwar äußerte niemand Zweifel an der Notwendigkeit, nicht bei der Situation auf Xeiros Prime, aber die Vorstellung, sich selbst auf diesen Planeten zu begeben, war wirklich furchteinflößend.
Cattaleya hatte viel über ihre Vergangenheit nachgedacht, hatte Immarut davon erzählt, und dieser hatte neben ihr gelegen, den Kopf an ihre Schulter gelehnt, den Arm um ihre Hüfte geschlungen und hatte zugehört. So waren sie zu der Erkenntnis gekommen, dass sie für sich gegenseitig der beste Schutz waren, und dass sie sich glücklich schätzen konnten, diese Bürde zusammen tragen zu dürfen.

Es war ein sonniger Tag über der Metropole Antimon, und die Glaskuppel über der Terminalstation ließ das Licht nahezu ungehindert hindurch. Immarut hob die Hand zum Schutz vor dem gleißenden Schein über die Augen und blickte nach oben - durch die Scheiben auf den blauen, fast wolkenlosen Himmel.
Vor ihnen erstreckte sich die mit hellem Marmor ausgelegte Halle. Die Atmosphäre war von zahlreichen Geräuschen des Alltags dominiert, dem Getrampel von Füßen, dem Stimmengewirr von tausenden Menschen, die ihren Geschäften nachgingen, dem Rattern, Hissen und Zischen von Maschinen. Immarut nahm außerdem noch das fast betäubende Gemisch aus Düften und Gerüchen wahr, und hielt seinen Kopf in der Nähe von Cattaleyas Haar, wann immer es zu schlimm wurde, um ihren ihm schon so lange vertrauten Duft einzuatmen.
Vor der Transportrampe, die parallel zu der ihren verlief, war es zu einem Gedränge gekommen. Rufe der Verärgerung und Enttäuschung verirrten sich manchmal über den Lärm des Betriebs zu ihnen herüber. Eine Gruppe dunkel uniformierter Ordnungsbeamter des Magistratums hatte eine Reihe vor der Rampe gebildet und schirmte sie vor der immer größer werdenden Menge an Menschen ab, die sie zu erreichen suchten.
"Was ist denn da los?" Immarut bemühte sich, mehr zu erkennen.
Eine Gruppe von Personen wurde aus dem Abreise-Terminal herausgeführt, eskortiert von bewaffnetem Sicherheitspersonal. Sie bewegten sich die still stehende Transportrampe hinunter. Auch unter ihnen beschwerten sich einige vornehm Gekleidete lautstark.
"Lassen sie Niemanden abreisen?", fragte Cattaleya und zog die Augenbrauen hoch.
Immarut verzog den Mund und sein Herzschlag beschleunigte sich, als er Honeymoon mit einem bestimmten "Komm mit." am Handgelenkt packte und schnell nach unten ging.
Dort näherten sie sich einem Schalter, an dem planetare Flüge verwaltet wurden. Er war leer.
"Enschuldigen Sie, junge Dame."
Die uniformierte, jedoch gar nicht so junge Dame, die etwas abseits stand, trat nach vorne und hob entschuldigend die Arme. "Es tut mir leid, mein Herr, aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann."
"Meine junge Frau und ich sind gerade erst angekommen und wollen hier ein paar ruhige Wochen verbringen. Ich muss aber sagen, dass wir ein bisschen beunruhigt sind." Bei diesen Worten legte Immarut plakativ seinen Arm um Cattaleyas Schulter. "Was ist denn los?"
Die Dame brachte ein schwaches Lächeln zustande, es war ihr jedoch anzusehen, dass sie sich auch nicht allzu wohl fühlte. "Dazu kann ich Ihnen leider nicht viel sagen, fürchte ich. Alle Flüge von diesem Terminal sind ausgesetzt. Auf unbestimmte Zeit."
"Betrifft das nur Flüge von Xeiros Prime aus? Wir benötigen einen planetaren Flug nach Xileiphos auf Kirrjeha."
"Das betrifft wirklich alle zivilen Flüge, soweit ich weiß. Es tut mir sehr leid."
Ein Krachen ertönte, dann stapfte - untermalt vom Aufschlagen ihrer schweren Stiefel - eine Gruppe Arbitratoren in die Halle. Ein dunkel gekleideter, glatzköpfiger Mann in einem Ledermantel ging an ihrer Spitze.
"Vielen Dank.", sagte Immarut zu der Dame und wandte sich dann ab. Als sie ein paar Schritte weiter gegangen waren, flüsterte er Cattaleya zu: "Das hier gibt Ärger. Anscheinend ist etwas passiert, was die Behörden in Panik versetzt. Der da", er deutete mit einer schwachen Kinnbewegung in Richtung des Glatzkopfs, "könnte von der Inquisition sein."
Sorgenfalten bildeten sich auf Cattaleyas Stirn. "Dann raus hier. Als Außenweltler haben wir keine guten Aussichten."
Der Hauptausgang war bereits von Arbitratoren in Sturmausrüstung besetzt worden. So gingen sie zügig auf einen Wartungszugang in einem abgelegenen Bereich der Halle zu, der möglichst weit von den Neuankömmlingen entfernt war.
"Ist das vielleicht wegen uns?", Honeymoon biss sich auf die Unterlippe.
"Das kann ich mir nicht vorstellen.", entgegnete Immarut. "Dazu sind wir nicht wichtig genug. Außerdem würde das Timing hier bedeuten, dass sie Informationen aus erster Hand erhalten haben, und ich hoffe einfach, dass alle anderen wohlauf sind."
Sie erreichten die Türe, doch die war verschlossen. Honeymoons mahagonifarbenes Haar fiel über ihre Schultern, als sie ihre Haarnadel hervorzog und sich an dem einfachen, mechanischen Schloß zu schaffen machte.
"Meine Damen und Herren!", erschallte da eine Durchsage aus einem Voxcaster. "Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten! Die Maßnahmen, mit denen Sie sich konfrontiert sehen, sind nur zu Ihrem Schutz gedacht. Sie werden ersucht, widerstandslos zu kooperieren, damit bald wieder regulärer Betrieb herrschen kann. Wir haben Fragen an alle von Ihnen!" Der Sprecher war einer der Arbites aus dem Trupp des Glatzkopfes.
"Beeil' Dich.", gab Railoun gedämpft nach hinten. Er hatte sich als Sichtschutz zwischen Cattaleya und die Neuankömmlinge gestellt.
Der Interrogator bemerkte, wie immer größere Beunruhigung sich der Menschen bemächtigte, die sich vor der Rampe zum Abreiseterminal zusammengedrängt hatten. Er sah ratlose Gesichter, die sich fragend umblickten; auch das Weinen von Kindern drang an sein Ohr. Dann trat eine kleine Gruppe von Personen nach vorne. Ein über die Maßen herausgeputzter Mann fortgeschrittenen Alters führte sie mit hochrotem Kopf an, eine ebenso schrill und auffällig gekleidete Dame an seiner Seite. Die beiden Männer, die sie begleiteten, sahen nach Railouns Meinung wie Leibwächter aus.
"Diese Behandlung ist unerhört!", rief der Mann aus. "Ich glaube, Sie wissen nicht, mit wem Sie..." Mehrere der Arbitratoren gingen auf die Gruppe zu und der Mann mit dem Voxcaster, wahrscheinlich der Anführer, hob beschwichtigend die Hände. Dann trat der Glatzkopf hinzu und sprach ein paar Worte. Die herausfordernde und entrüstete Körperhaltung des Paares änderte sich schlagartig, und selbst auf diese Distanz meinte Immarut zu erkennen, wie blaß der Mann wurde.
"Ich hab's.", verkündete Honeymoon kühl und ließ die Haarnadel in ihrer Handtasche verschwinden.
Immarut sah noch, wie die Gruppe um den gockelhaften Mann von vier Arbitratoren und dem Glatzkopf in Richtung eines Seitenausgangs gebracht wurden, dann wandte er sich um. Als sie die Türe öffneten, hörte er einen Ruf und sah sich noch einmal um. Der Anführer der Arbitratoren wies mit ausgestrecktem Arm in ihre Richtung und sofort setzten sich zwei seiner Männer in Laufschritt.
"Rasch.", hörte er da Honeymoon keuchen, als ihre zarte Hand sich um seinen Arm schloß und ihn in den Wartungsbereich zog. "Ich hab so ein Gefühl, wenn die uns erwischen, sind wir dran."
Er konnte ihr nur zustimmen. Irgendetwas Gravierendes war vorgefallen. Hatte der Erzfeind etwa wirklich einen ihres Trupps erwischt? Selbst wenn er Informanten auf Scintilla gehabt hätte, wäre ihre genaue Ankunftszeit nicht so präzise kalkulierbar gewesen. Deshalb hatte Varitani ja während der Vorbereitung so wenig preisgegeben. Oder war alles anders? War er zu fixiert auf die Person, die in dem Moment geschmeidig vor ihm her glitt und auf sich selbst? War etwas viel Größeres im Gange? War etwa die Flotte schon eingetroffen?
Bald hörten sie hinter sich die schweren Stiefel der Arbitratoren.
Immarut hatte eine kleinkalibrige Feuerwaffe gezogen, die einzige, die sie bei sich hatten, doch Cattaleya war anscheinend nicht auf einen Kampf aus. Sie bewegte sich immer schneller durch die Gänge und änderte mehrmals die Richtung. Dabei war sie ganz leise. Er gab sich Mühe, es ihr halbwegs gleichzutun. Bald kamen sie zu einem abzweigenden Gang, der an einer Tür endete.
Cattaleya zog die Haarnadel hervor, doch hielt lauschend inne. Dann sprach sie vollkommen lautlos, und er las an ihren Lippen: "Es ist nur mehr einer. Bleib einfach ratlos an der Türe stehen. Vorher hilf mir hinauf." Ihr Blick glitt nach oben zu der niedrigen Decke, an der immer wieder einige Platten der Verkleidung fehlten.
So leise wie möglich zog sie sich nach oben. Gerade als Immarut an der Tür angekommen war, trat ein einzelner Arbitrator ins Sichtfeld. Sie hatten sich tatsächlich aufgeteilt. Immarut war klar, dass der Mann sofort Meldung machen würde. Er hob die Arme. "Sie haben mich."
"Auf die Knie! Hände hinter den Kopf!", rief der Arbitrator, den Schlagstock in der Hand. Der schwarze, geschlossene Maskenhelm verlieh ihm etwas Unnahbares, Unpersönliches. Als er auf Immarut zuging, ließ sich eine grazile Gestalt trotz ihres Kleides vollkommen lautlos hinter ihm von der Decke herabgleiten.
"Was ist denn überhaupt los?", begann Immarut.
Der Arbitrator hatte ihn fast erreicht und hob den Schlagstock. "Das Weglaufen wird Dir noch Leid tun." Als er die Waffe gerade auf Immarut herabsausen lassen wollte,  wurde sein Kopf unsanft zurück und auf die Seite gerissen, so dass ein scharfes Knacken zu hören war.
Cattaleya ließ den Körper so vorsichtig es ihr möglich war zu Boden gleiten, dann begann sie an der Türe zu arbeiten. Immarut durchsuchte den Arbitrator, fand jedoch keine Feuerwaffen. Ein paar andere Dinge wie Handschellen nahm er an sich.
Draußen waren sie unter offenem Himmel, und der Lärm der Metropole grüßte sie gleichzeitig mit der mehr oder weniger frischen Brise. Ein Laufsteg aus grobem Metallgerüst, der außen an der Terminalstation entlang und zu einem weiteren Laufsteg führte, endete an der Tür eines anderen, viel kleineren Gebäudes, das weit weniger einladend aussah als das Haupthaus - wahrscheinlich für Hilfspersonal oder Ausrüstung gedacht.
Sie wollten sich schon in Bewegung setzen, als sie knapp zwanzig Meter unter sich auf Straßenniveau Stimmen hörten. "Außenweltler, Herr Inquisitor, wie angenommen. Das hier ist Friiltor Arouf, ein Kaufmann. Das ist seine Gattin." Cattaleya und Immarut blickten nach unten und sagen die Gruppe, die vorher aus der Haupthalle geführt worden war. Während drei Arbitratoren das schrille Paar und die Leibwächter im Zaum hielten, besprach sich einer der Eingreiftruppe mit dem Glatzkopf. Man hatte alle in der verlassenen Gasse zum Niederknien gezwungen.
"Der bedeutendste Gewürzhändler von ganz Fenks Welt, so sagt man!", fügte der Kaufmann hinzu, einen letzten Rest von Unbeugsamkeit und Entrüstung aufbringend.
"Die Beiden stören nur.", sagte der Glatzkopf und wies auf die Leibwächter.
"Jawohl, Herr Inquisitor." Zwei Schüsse waren zu hören und die Leibwächter fielen tot zu Boden. Ein Schrei, ebenso schrill wie ihre Kleidung, entfuhr der Kehle der Kaufmannsgattin, als sie mit Blut bespritzt wurde.
"Was -  was haben wir getan?!", krächzte Friiltor Arouf.
"Ich richte Sie im Namen des Imperators, als Sein Diener in der Imperialen Inquisition.", sagte der Glatzkopf kühl, dann schoß er dem Kaufmann mit einer Pistole in den Kopf. Bevor seine Frau lange um ihn weinen konnte, war er zu ihr getreten, hatte noch einmal denselben Text gesprochen und dann auch sie hingerichtet.
"Beseitigen Sie das, seien Sie so gut, ja."
"Natürlich, Herr Inquisitor."
"Folgen Sie mir dann zurück in die Terminalstation. Auf uns wartet heute viel Arbeit."
Immarut sah Cattaleya an. Sie blickte zurück. Gut, dass sie es nicht darauf hatten ankommen lassen, ihre Rolle als gutbürgerliches Paar zu spielen. Sie folgten dem Laufsteg und kamen an die nächste verschlossene Tür. Cattaleya zückte ihre Haarnadel.

Das Geräusch von Husten war aus der Ecke des Raumes zu hören, in den sich die in faulige Roben gehüllte Gestalt zurückgezogen hatte. "Dann ist es soweit. Ihre Schiffe sind bereits hier."
Tereen nickte. Der Zwilling trug eng anliegende Kleidung aus weichem, rotbraunem Leder, die einen guten Teil seiner glatten Brust frei ließ. Ein Stirnband aus demselben Material hielt sein langes, dunkles Haar im Zaum, und ein rostroter Gürtel war um seine schmalen Hüften geschlungen. An einer Seite des Gürtels baumelte eine Schwertscheide mit einer köstlich verzierten Klinge darin, an der anderen Seite befand sich ein Halfter mit einer Pistole. "Sie haben bereits mit dem Beschuss der Anlagen von Xeiros Quintus begonnen. Auch unsere Verteidigungsplattformen werden nicht viel länger aushalten, höre ich."
„Nicht nur das.“, drang da die dunkle Stimme von Astrion Malqevis von der Türe her. Niemand hatte ihn gehört. Wie sich ein Mann von solcher Statur und mit schwerer Rüstung angetan derart lautlos bewegen konnte, brachte sogar Geheimnisträger wie Zaabesz manchmal zum Staunen. Nein, unterschätzen durfte man Malqevis nicht, auch wenn er sich manchmal nur wie ein grobschlächtiger Affe gab.
Der unterirdische Besprechungsraum des Gouverneurspalasts war mit nahezu ebenso feinem Mobiliar ausgestattet wie das restliche Gebäude. Ein breiter, blank polierter Tisch bildete das Zentrum und zahlreiche Cogitatoren und hololithische Projektoren verbreiteten ihr vertrautes Surren und Rattern.
„Varitani ist hier.“, fuhr Malqevis fort und trat ein, um sich plump und laut in den nächsten Polstersessel fallen zu lassen.
Das ließ Zaabesz die Augenbrauen heben und ein fragendes Gesicht machen, als er sich mit seiner langen Zunge über die spitzen Zähne strich. Er blickte zum Fremden hinüber, um den herum sich bereits Flecken an dem Verputz der Wand bildeten.
„Die Anwesenheit einer imperialen Flotte lässt eigentlich nur den Schluß zu, dass sie doch mehr wissen, als wir ursprünglich gehofft hatten und dass sie mit einem umfassenden Militärschlag darauf reagieren.“, führte dieser aus, bevor der Husten über ihn kam.
Tereen nahm den Faden auf: „Da sie nicht hoffen können, mit Bodentruppen etwas auszurichten, bedeutet das genauer gesagt eines: Exterminatus. Sie werden diese ganze Welt tilgen. Man fragt sich allerdings….“
„Warum sie dann noch einen Inquisitor hierher schicken, genau.“, beendete Malqevis. „Das habe ich mir auch schon überlegt.“
Zaabesz brummte in sich hinein. „Dafür kann es viele Gründe geben. Er könnte auf eigene Faust handeln, ohne Befehl. Er könnte davon ebenso überrascht werden wie die restliche Bevölkerung. Hat er denn schon konkret etwas unternommen?“
Der große Krieger schüttelte den Kopf und strich sich über den kohlrabenschwarzen Bart. „Hat den Inquisitor aufgemischt, den man geschickt hatte, um ihn abzufangen, einen gewissen Gudanister.“
„Hm, war der in Phase zwei?“, erkundigte sich Tereen.
Diesmal nickte Malqevis. „Ja, aber er hat aus eigenem Antrieb gehandelt. Hat die Geschichte von Varitanis Verrat fast erfreut zur Kenntnis genommen, wie ich erfahren habe. Wie gesagt, mehr hat Varitani noch nicht getan, soweit wir feststellen konnten. Ich habe keine Ahnung, was er hier wollen könnte.“
„Ist er vielleicht hinter dem Extraktor her?“, mutmaßte Tereen.
Zaabesz zischte. „Das glaube ich nicht. Die Schoßhunde des Falschen Imperators haben keine Ahnung von den Schildsystemen, die ihn schützen. Außerdem wäre das eine militärische Aufgabe und keine für die Inquisition.“
„Das sehe ich auch so.“, stimmte Malqevis zu, was ihm ein beunruhigend wirkendes Grinsen des Hexers einbrachte. „Ich kenne die übliche Vorgehensweise. Würde es darum gehen, Schutzschilde vor Ort auszuschalten, würde man Spezialeinheiten der imperialen Garde schicken oder Marines.“
„Wissen wir, wo er ist? Varitani meine ich.“, fragte Tereen.
„Bis vor kurzem wussten wir es noch. An der Westküste von Kirrjeha ist er untergetaucht. Alle Behörden suchen nach ihm und seinen Mitarbeitern.“
„Wir werden das selbst in die Hand nehmen, sobald er gefunden ist. Ich will kein Risiko eingehen.“, tönte es da unter der Kapuze des Fremden hervor.
„Ist das nicht riskant? Dieser Varitani ist kein Niemand.“
„Wir sind mit allergrößter Wahrscheinlichkeit in einigen Tagen tot, Velfur. Es macht keinen Sinn, das zu leugnen. Entweder die Bomben der Imperialen werden das tun oder die Kräfte, die aus dem Portal kommen, wenn es unkontrolliert expandiert. Für mich wäre es nur schade, nicht zu erfahren, ob die Imperialen das Portal selbst soweit vergrößern, dass es zur Vernichtung des Systems kommt, oder ob sie begreifen, dass sie es erst schließen müssen.“
„Ich sterbe auch lieber in einem Kampf gegen diesen Bastard Varitani als unter dem feigen, orbitalen Feuer von Schlachtschiffen.“, stimmte Malqevis zu.
Zaabesz grummelte etwas Unverständliches, schien aber nicht weiter Einspruch erheben zu wollen.
„Dann warten wir, bis wir etwas von ihnen hören.“ Ein teuflisches Grinsen verzerrte das glatte und eigentlich hübsche Gesicht von Tereen.

„Erklären Sie mir das, Varitani!“ Der Mann mit dem schütteren, blonden Haar brüllte geradezu, als er Varitani eine Datentafel zuschleuderte, die der überraschte Inquisitor gerade noch fangen konnte.
„Ich würde vorschlagen, Sie beruhigen sich ein bisschen, Captain.“, warf Lucius Frost ein und trat einen Schritt auf Varitani zu.
„Sagen Sie ihrem Jungen, er soll still sein, wenn sich Erwachsene unterhalten!“, gab Captain Guntr an Varitani gewandt giftig zurück.
Lucius Frost hielt den Blick den Freihändlers, ohne irgendwie zu erkennen zu geben, ob ihn der verbale Angriff getroffen hatte oder nicht.
Die Lagerhalle, in der das Treffen stattfand, war schon lange verlassen. Mehrere alte Kisten standen herum, ansonsten war sie leer. Eine Galerie aus metallenen, rostbefallenen Laufstegen verlief unterhalb des hohen Flachdaches, zu erreichen über eine ebenso rostige Treppe im Inneren. Die hatte Nick Runsit jedoch nicht benutzt, um sich Zugang zu verschaffen. Stattdessen war er von außen eingedrungen und hatte sich unbemerkt mit dem erbeuteten Lasergewehr des Scharfschützen, den sie in Bantifon Ades ausgeschaltet hatten, in Position gebracht. Blender hatte sich direkt nach dem Eintreten in die Schatten gedrückt, die durch das einfallende Mondlicht entstanden, doch zweifelte der Assassine nicht daran, dass zumindest einige ihrer Gäste durchaus in der Lage waren, ihn zu entdecken. Lucius Frost, der Telepath Phos Isand und Gerhart Thracian waren mit Varitani zusammen auf die Gruppe zugegangen, die in der Mitte der Halle Aufstellung genommen hatte.
Captain Guntr war nicht alleine gekommen, sondern hatte volle zwölf Mannschaftsmitglieder dabei, die sich hinter ihm aufgebaut hatten. Varitani und den Akolythen war jedoch der abgekämpfte Ausdruck auf den Gesichtern nicht entgangen, ebenso wenig wie die Tatsache, dass die Männer alle nur leicht bewaffnet und generell schlecht ausgerüstet waren. Manche Kleidungsstücke waren angesengt, manche Personen überhaupt nur spärlich bekleidet. Grußworte hatte es nicht gegeben.
„Euch ist doch bewusst, mit wem Ihr sprecht, Captain.“, stellte der Pater gerade ruhig fest.
Guntr stieß scharf die Luft aus und Enttäuschung war aus seiner Antwort zu hören: „Ich dachte zumindest, dass ich das wüsste. Bevor diese verdammten Schlachtschiffe wie aus dem Nichts aufgetaucht sind.“
Lucius warf Varitani einen schnellen Blick zu. Der Inquisitor sah vom Studium der Datentafel auf und blickte Guntr in die Augen. „Dafür können Sie nicht mich verantwortlich machen, Guntr.“
„Aber Sie wussten doch, dass diese Schiffe kommen würden, nicht wahr?!“
Varitani nickte. „Allerdings wusste ich nicht, wann genau das sein würde.“
„Es gab keine Warnung, nicht einmal ein Verhör. Dafür ist die Inquisition doch normalerweise berühmt, oder nicht? Sie haben direkt geschossen. Wir waren nicht einmal gefechtsbereit. Die Tarbeter war ein ziviles Schiff, ein Handelsschiff."
Varitani nickte erneut. „Ich verstehe Sie. Es ist bedauerlich, dass es für Sie nicht mehr machbar war, zu entkommen.“
Gemurmel war hinter Guntr zu hören. „Es ist bedauerlich? Meinen Sie nicht, ich hätte das entscheiden sollen?! Ich bin verantwortlich für meine Mannschaft, für mein Schiff. Ich schmuggle für Sie Ausrüstung hierher, ohne Fragen zu stellen. Das war ein Fehler. Ich hätte Fragen stellen sollen. Wie merkwürdig, dass Sie auf einen imperialen Planeten Waffen schmuggeln müssen, obwohl Sie Inquisitor sind.“
„Ich kann nicht mehr sagen, außer, dass ich hoffte, die Schiffe würden später eintreffen.“
„Das hilft mir aber nicht, Varitani! Genauso wenig wie die Bezahlung, die Sie mir zukommen lassen, wenn ich hier mein Leben lasse und meine Crew es mir gleich tun muss.“
„Die Chancen stehen auch für uns nicht gut. Wahrscheinlich wird niemand von uns diese Welt verlassen, Guntr.“
„Sie Schwein, Sie haben uns einfach in die Scheiße treten lassen. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Varitani?!“
„Er ist Sein Inquisitor, Sünder, und seine Belange betreffen das Schicksal von Milliarden imperialer Bürger. Wenn Opfer gebracht werden müssen, dann wird es so geschehen.“, grollte der Redemptionistenpriester, die Hand am dunklen Griff einer dünnen Klinge, die an seiner Seite hing.
„Opfer?! Wir hier“, und Guntr wies auf die Männer hinter sich, alle bewaffnet, alle langgedient, „sind keine Opfer. Wir sind die, die davongekommen sind, gerade eben noch.“
"Hat's nicht irgendwann einmal geheißen, dass ein guter Captain mit dem Schiff untergeht?", ließ da Phos Isand verlauten. Lucius Frost wandte sich um und warf ihm einen tadelnden Blick zu. Vox zuckte mit den Achseln.
Guntrs Miene verfinsterte sich noch weiter, falls das möglich war.
„Sie haben keine Ahnung, was auf dieser Welt los ist, Guntr. Für die Dinge, die Sie mir heute bereits an den Kopf geworfen haben, würden andere schon bitter gebüßt haben. Sie verdanken es nur der Tatsache, dass Sie mir schon mehrmals geholfen haben, dass Sie noch vor mir stehen und nicht schon in Ihrem eigenen Erbrochenen liegen. Ich habe Sie nicht bewusst geopfert. Es gab immer ein Risiko, das streite ich nicht ab. Das Risiko ist aber keinesfalls zu groß gewesen und ja: falls Sie und ihre Besatzung hier ihr Ende finden, dann ist das ein kleiner Preis, wenn es bedeutet, dass wir unsere Mission erfüllen können. Mich interessieren Ihre Bedenken nicht und auch nicht Ihre Vorwürfe. Meine Akolythen und ich haben wahrhaft andere Sorgen. Was mich interessiert ist nur eines: haben Sie das getan, weshalb ich Sie angeheuert habe? Haben Sie die Ware dabei?“
„Sie werden bezahlen, Varitani.“
„Ich habe Sie bezahlt.“
Guntr hob den Arm – ein Signal.
Gerhart und Lucius wurden unruhig.
„Wir haben keine Zeit und kein Interesse an Spielchen, Guntr. Wenn Sie mir nicht sagen, wo meine Fracht ist, wird mein Telepath es aus ihrem Kopf reißen.“ Varitani blickte zu Phos Isand, der eine Verbeugung andeutete.
„Stets zu Diensten, Herr Inquisitor.“, sagte er lächelnd mit seiner unangenehmen Stimme.
Da bemerkte Guntr, dass der junge Mann neben Varitani ein Gerät in der Hand hielt. „Ein Auspex!“, rief da bereits sein Wachoffizier.
„Herr Inquisitor, sie senden ein Positionssignal. Man kann uns orten.“, meldete Lucius an Varitani gewandt.
„Sofort abstellen!“, befahl Varitani scharf.
Guntr grinste. „Sie sind tot.“
Der Priester neben Varitani schnellte vor, die Klinge plötzlich in seiner Hand und schlug nach dem Mann neben Guntr. Er fiel mit gespaltenem Brustkorb zu Boden. Auf der anderen Seite wurde einer von einem Laserstrahl getroffen, der von irgendwo weiter oben abgefeuert worden war. Ein sauberes Loch klaffte in seinem Kopf, und er zuckte kurz, bevor auch er zu Boden ging.
Varitani bewegte sich so flink, dass Guntr kaum Zeit hatte, die Hand an den Griff seiner Autoistole zu legen. Zwei schnelle Schläge vor den Brustkorb brachen etliche Rippen, der dritte zertrümmerte seinen Kiefer. Wenn man einen Telepathen zu seiner Verfügung hatte, brauchte jemand, dem man Informationen entreißen wollte, nicht sprechen zu können.
Lucius Frost hatte selbst eine Autopistole zum Vorschein gebracht und eine Salve in die Menge geschossen. Schmerzensschreie und Stöhnen ließen auf Treffer schließen. Der Ex-Arbitrator bewegte sich in Richtung der nächsten Kisten, die Pistole in der einen, das Auspex in der anderen Hand.
Hinter Guntr brachen einige Männer mit Muskelkrämpfen zusammen, als Phos Isand sich Kräfte aus dem Immaterium zunutze machte. Aus den Schatten neben den Männern tauchte eine wirbelnde Gestalt auf, die zwei lange Messer in Händen hielt und einen Mann angriff, der ein monomolekulares Entermesser hielt.
Nach dem ersten Schock waren nicht mehr viele Gegner übrig, doch die eröffneten das Feuer. Vox stoppte mehrere Kugeln in der Luft, um zu verhindern, dass er getroffen wurde und ein Las-Geschoss streifte die linke Schulter des Kampfpriesters.
„In Seinem Namen richte ich Euch!“, rief Gerhart aus und schnitt sich weiter seinen Weg durch die erbärmlichen Ketzer, die es wagten, ihre hohen Ziele zu gefährden. Was war auch anderes von Männern zu erwarten, die sich stets am Rande imperialer Jurisdiktion aufhielten, wenn es sogar in den innersten Gebieten des Imperiums so viele Sünder gab.
Ein weiterer Mann wurde von einem Las-Geschoss von Nick Runsit durchschlagen, eine Frau von Schüssen aus Frosts Autopistole getötet. Varitani brach einem Weiteren das Genick. Blender wirbelte ein letztes Mal herum, dann fielen zwei Tote vor ihm zu Boden.
Varitani ließ seinen Blick über das Blutbad schweifen. Dann suchte er nach Isand und fand ihn dort, wo er zu Beginn des Kampfes gestanden war. Drei Glasperlen tanzten in seiner Hand. „Vox, finden Sie unsere Ausrüstung. Und fragen Sie auch nach, wie man das Signal abstellt.“
„Geht klar.“
„Lucius, versuchen Sie das Signal direkt zu orten.“
„Das wird kein Problem sein. Vox, konzentrieren Sie sich auf die Ware.“ Der Ex-Arbitrator ging vorsichtig zwischen den Leichen und Blutlachen hindurch, immer wieder auf den Auspex in seinen Händen blickend.
"Gehen Sie mit ihm, Arn.", befahl Varitani, dann ging er zu Gruntr. Der Captain atmete flach, jede Bewegung des Brustkorbs schmerzte. Der Inquisitor kniete sich neben ihn. "Sie sind ein Dummkopf, Guntr. Ich frage mich, wie Sie so lange im Geschäft bleiben konnten. Ist Ihnen bewusst, was Sie mit Ihrer dummen Rache möglicherweise angerichtet haben? Xeiros Prime gehört dem Chaos."
Guntrs Augen weiteten sich.
Varitani nickte. "Sie sind ein Idiot, Captain. Niemand kann es sich leisten, sich gegen die Inquisition zu stellen, denn das bedeutet, sich gegen den Imperator höchstselbst zu stellen."
Die dunkel gewandete Gestalt des Psionikers Isand erschien neben dem knieenden Varitani und warf einen düsteren Schatten über Guntr.
"Mein Telepath wird sich jetzt die Informationen holen, die wir brauchen. Wenn Sie sich nicht wehren, wird es weniger unangenehm sein."
Guntr stöhnte auf, als er versuchte, etwas zu sagen.
Vox ließ sich auf ein Knie nieder und berührte Guntr an der Hand. Dieser riß sie weg. Der Telepath zog eine Augenbraue hoch, dann hieb er dem Captain mit der Faust gegen den verletzten Brustkorb, so dass dieser jaulte. "Hör mal, Du Wurm, das hier wird geschehen. Es liegt an Dir, wie schmerzhaft es wird."
Kälte kroch heran, als Phos Isand erneut die Hand des Mannes ergriff und sich darauf konzentrierte, in seine Gedanken einzudringen. Rein aus Gewohnheit schloß Vox die Augen. Es dauerte nur wenige Momente und der Telepath spürte das Zurückweichen der Wahrnehmungen von dem, was die normalen Menschen als "reale Welt" ansahen, und das Prickeln des Warps durchströmte ihn. Er tastete vorsichtig seine Umgebung ab und fand gleich die Anhäufung von Bewusstsein, die von Guntrs Geist zusammengehalten wurde. Er näherte sich und schob sich hinein, zuerst seine Arme, dann seinen restlichen Körper. Es war nicht immer gleich einfach oder gleich angenehm, aber Guntr wehrte sich. Vox spürte bereits die Oberfläche der Gedankenströmungen des Captains, als Fortsätze, die der Telepath als Arme wahrnahm, sich aus dem Strom erhoben und nach ihm greifen, um ihn wegzudrücken. Vox sah ihnen einen Moment interessiert zu, dann schob er sie grinsend beiseite. Was war das für ein erbärmlicher Verteidigungsversuch? Lächerlich.
Isand schälte die zweite Schicht und kam in den Bereich der bewussten Gedanken. Hier würde er finden, was er suchte. Doch erneut schoben sich ihm körperlose Arme zur Verteidigung entgegen. Doch diesmal erschienen sie ihm nicht die eines Menschen zu sein, sondern waren maschinell - die Arme einer Prothese, wie sie ein verdammter Marsianer tragen würde. Er hatte also zerebrale Defensivimplantate. Mit einem wilden Glühen in den Augen stürzte sich Vox auf sie.

Frost und Arn hatten das Lagerhaus verlassen und liefen über einen betonierten Platz dahinter, alt und verfallen wie das Gebäude selbst - Gras wuschs zwischen den Platten empor. Der Platz endete an einer halb verfallenen Betonwand.
"Ich denke, dahinter ist der Sender.", sagte Lucius im Weitergehen und blickte wiederholt auf seinen Auspex-Scanner.
"Na dann.", schnaufte Arn, als er sich über die Bruchstücke hinweghievte, die ein Loch in der Betonwand hinterlassen hatten.
Er bot dem Ex-Arbitrator die Hand und half ihm nach oben. Vor ihnen ging es einen Abhang aus gebrochenem Beton und Stein nach unten auf eine Grasfläche. Darauf sahen sie ein Shuttle, das hart auf der Wiese aufgesetzt hatte. Zwei Personen standen davor, beide bewaffnet.
"Der Adler kreist, bevor die Ohrfeige erschallt.", sagte Lucius zu Arn und dieser nickte.
"Hey!", rief Lucius und winkte. "Alles in Ordnung! Wir kommen runter! Nicht schießen!"
Sofort hörten sie das Feuer von Solidprojektilwaffen und das Pfeiffen der Kugeln, als sie nahe von ihnen einschlugen. "Ihr Arschlöcher!", kam es von unten.
"Scheiße!", rief Blender und rutschte den Geröllberg hinunter.
Lucius ging in Deckung, verstaute den Scanner und zog seine Waffe. Auf diese Entfernung würde ihm die aber nicht viel bringen.
Unten rappelte sich Blender auf und spurtete zu einer nahen Baumgruppe, wo er sich ins Gebüsch warf, als weitere Schüsse abgegeben wurden.

Varitani riß den Kopf herum. Schüsse. Er blickte nach oben, wo er die riesige Gestalt von Chnishnit liutstam Hrun'Sith auf der Galerie ausmachen konnte. Er signalisierte in die Richtung des Feuergefechts und der Soldat setzte sich lautlos in Bewegung.
Dann sah er wieder zu Captain Guntr. Der Mann hatte Schweiß auf der Stirn und wurde hin und wieder von Krämpfen gebeutelt.
"Was ist los?", fragte Varitani an Isand gerichtet, dessen Gesicht ein wenig verhärtet war, in dem jedoch noch immer ein schwaches Grinsen stand.
"Der Bastard wehrt sich. Hat ein Schutzimplantat."
Varitani hob den Kopf des Captains und ohrfeigte ihn zweimal scharf. Guntr johlte. "Lassen Sie ihn rein, Guntr! Lassen Sie ihn rein." Als sich der Gesichtsausdruck des Telepathen nicht veränderte, zog Varitani sein Messer.
Er brauchte nur wenige Schnitte zu tun, bevor Guntr wimmernd nachgab und Vox endlich ganz eintauchen konnte. Der Psioniker hatte wiederholt die Kraft manifestieren müssen, die ihm das Gedankenlesen erlaubte, und jedes Mal, wenn er das tat, ging er ein Risiko ein. Manchmal zog Kälte aus dem Immaterium ein, manchmal Schlimmeres. Er hatte schon Räume in Blut getränkt, und es gab Berichte, nach denen Psioniker einfach vom Immaterium verschluckt worden waren. Vox war sich ziemlich sicher, dass ihm das nicht passieren würde - er wusste schließlich, was er tat - aber auch der größte Meister konnte stürzen. Also war ihm die Schützenhilfe nur recht.

Draußen waren Blender und Frost noch immer festgenagelt. Jedes Mal, wenn einer von Ihnen den Kopf herausstreckte, wurde geschossen. Da meinte Lucius auf einmal das Zischen eines Las-Geschosses zu hören, dann drang ein dumpf klingender Schmerzenslaut zu ihm herauf.
"Der Sturmwind tobt, wenn das erste Fenster offen steht!", rief Lucius nach unten.
"Ja, steht offen!", kam die Antwort von Blender.
Mit einem Ruck richtete sich der Ex-Arbitrator auf, gab drei Schüsse auf die noch stehende Gestalt ab und schlitterte dann wenig elegant denselben Weg nach unten, den auch schon Blender etwas zuvor weniger freiwillig genommen hatte. Als er unten ankam, versuchte er sich zu orientieren und die Gestalt erneut auszumachen, doch er sah nur, wie ein Schatten den Umriß umfing und zu Boden zerrte.
Hrubens Arn stieß zweimal mit dem Messer zu, bevor er sich dem zweiten Mann zuwandte, der eigentlich eine Frau war. Sie lag schwer atmend am Boden vor dem Shuttle, das Autogewehr einen Meter weit entfernt. Ein Loch klaffte in ihrer Brust. Der Assassine kniete nieder. "Das sieht nicht gut aus, Süße."
"Fick dich.", spuckte sie ihm angestrengt entgegen.
"Auch gut, du Schlampe.", sagte er lässig und versenkte sein Messer in ihrem Herz. "Misttück."
Lucius kam angerannt, hatte einige Abschürfungen von der Rutschpartie davongetragen, war ansonsten aber unversehrt. "Saubere Arbeit, Blender."
"Tja, sagen Sie das mal Varitani.", gab der Auftragsmörder kühl zurück und stand auf. "Der Sender ist also in dem Shuttle?"
"Ich denke, der Sender ist das Shuttle. Ein modifiziertes Notsignal. Der Erzfeind hat es auf jeden Fall aufgezeichnet. Ich glaube nicht, dass es darüber Auskunft gibt, wer hier was tut, aber kommen wird auf jeden Fall jemand."
"Hm, dem nach zu urteilen, was mir Granit erzählt hat, wissen die Behörden ja, dass Varitani hier ist, kennen sogar seinen Namen. War ja eigentlich auch nicht anders zu erwarten, nachdem er schon so auf den Putz gehauen hat, als er solo hier war. Wirklich eine Schnapsidee, uns nochmal in diese Hexenküche zu schicken."
"Höre ich da Zweifel, Akolyth Arn?!", dröhnte die Stimme von Gerhart Thracian durch die Dunkelheit. Der Redemptionistenpriester war irgendwie aus dem Lagerhaus gekommen und ging mit langen Schritten auf sie zu. "Zweifel sind der Ackerboden, auf dem die Saat der Korruption und des Versagens ausgesät wird."
"Ach, verdammt." Blender ließ den Kopf hängen. "Wie konnte ich ihn überhören."
"Ich hab' ihn auch nicht gehört, machen Sie sich nichts draus.", gab Lucius zurück und ging an dem Assassinen vorbei zu dem Shuttle. Eine der Schiebetüren stand offen, und Lucius spähte hinein.
"Ihr braucht eine Aufgabe, Arn. Ein Geist ohne Ziel wird auf dunklen Pfaden wandeln."
"Schon gut, Pater. Ich bin ja bei der Sache. Aber Sie müssen doch zugeben, dass es ein Himmelfahrtskommando ist."
"Was ich muss, ist: Seinem Willen gehorchen und Sein Werk vollbringen.", gab Thracian schroff zurück, als er nur knapp vor dem Gesicht des Assassinen inne hielt und ihn hart ansah.
"Na dann finden wir lieber mal einen Weg, dieses verdammte Signal abzuschalten, was?" Blender brachte ein schwaches Lächeln zustanden und stahl sich davon.
Pater Gerhart Thracian sank auf ein Knie, stützte sich auf das Schwert und betete um Kraft und Durchhaltevermögen - sowohl für sich selbst als vor allem auch für die anderen Akolythen und seinen Inquisitor.
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 18. Mai 2013, 11:51:11
12 - Auf der Fährte

Die Insel Juunosé war kein natürliches Gebilde, sondern vielmehr aus einer Bohrinsel gewachsen. Auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern erhob sich nun ein Konglomerat aus allerhand schwimmenden Konstruktionen, Schiffen und auf Pfeilern ruhenden Häusern aus den Wassern des Ostkirrjaischen Meeres. Juunosé war ein heruntergekommener Ort, zumindest, wenn man den Standard zu Rate zog, den man im Allgemeinen auf Xeiros Prime anwenden konnte. Als eine Urlaubswelt weder durch Makropolen oder größere Fabrikaturen und Schmieden verunstaltet und verschmutzt, zogen sich allerhand vermögende imperiale Bürger hierher zurück, wenn sie eine blühende, saubere Welt erleben wollten. Natürlich war das zum Teil Illusion, denn es existierte keine Welt ohne Ausgestoßene, auf deren Rücken viel von dem entstanden ist, wovon die Mittel- und Oberschicht profitierte. In Juunosé gab es keine Mittel- und Oberschicht im klassischen Sinn. Die Insel war mehr oder weniger politisches Freiland. Zwar unterhielt das Ministorum einige kleine Schreine auf der Insel und stellte so zumindest sicher, dass größeren ketzerischen Aktivitäten Einhalt geboten wurde, doch war vom Magistratum keine offensichtliche Spur zu finden.
Diese Eigenschaft von Juunosé hatte sich für Inquisitor Varitani und seine Akolythen als überaus förderlich herausgestellt. Mit seinem Telepathen Phos Isand vereint hatte Varitani begonnen, Verbindungen zu den Nyunga herzustellen. Dem Psioniker war seine Abneigung gegen die ständig gebückt gehenden, feucht oder schleimig wirkenden Reptiloiden mit ihren hissenden Stimmen, die kaum einmal vertraute Laute formten, deutlich anzumerken, doch er verrichtete seine Arbeit mit der Einsatzbereitschaft eines Mannes, der nach den Wochen auf Xeiros Prime die Notwendigkeit persönlicher Opfer als absolut erkannt hatte. Auch die restliche Gruppe war zu stillen, harten und oftmals trist gestimmten Werkzeugen geworden. Die Ankunft von Interrogator Railoun und der adeligen Diebin VanSovrean hatte die Stimmung einige Zeit wieder gebessert, doch Varitani machte sich nichts vor. Der ständige Druck, die Isolation und nicht zuletzt der Hunger machten seinen Leuten zu schaffen.
Sie hatten zwar einige Teile der Schmuggelware sicherstellen können, die Captain Guntr in Rettungskapseln versteckt auf den Planeten geschossen hatte - Rettungskapseln, die seiner eigenen Mannschaft bei der Zerstörung seines Frachters nicht zur Verfügung gestanden hatten - doch im Endeffekt waren sie nicht optimal versorgt. Seit dem Eintreffen der Flotte hatte sogar das Mäntelchen der Ordnung und Rechtschaffenheit, das die korrumpierten Behörden über die abscheuliche Fäulnis auf Xeiros Prime ausgebreitet hatten, immer deutlichere Risse bekommen. Außenweltler wurden zuhauf festgenommen und offiziellen Meldungen zufolge im Zusammenhang mit der Blockade "befragt", deren Existenz niemand auf dem Planeten mehr verborgen war. Die Versorgung mit Lebensmitteln war generell ein Problem, da Xeiros Prime seine Gäste ausschließlich mit importierter Nahrung versorgen konnte. Die Vorräte gingen langsam zur Neige, und auf einem sich rasch etablierenden Schwarzmarkt erstanden die wenigen Außenwelter, die sich vor den Verfolgungen durch die planetare Inquisition und das Magistratum retten konnten, zu stetig steigenden Preisen das Notwendigste, um wenigstens die Hoffnung nicht aufgeben zu müssen, dass die Blockade einmal enden würde.
Varitani hatte das ursprünglich vorausgesehen gehabt und über Captain Guntr Vorkehrungen in Form von geschmuggelten Lebensmittelrationen dafür getroffen, doch war dieser Plan zusammen mit der Tarbeter, dem Schiff des Freihändlers, im Beschuss der Exterminatus-Flotte untergegangen. Obwohl sich manch einer der Akolythen wie zum Beispiel Nick Runsit durchaus hätte vorstellen können, die lokale Nahrung wenigstens zu probieren, schob das Bewusstsein von den Chaos-Partikeln, den korrumpierenden Mikroorganismen, die vom Erzfeind nur "die Saat" genannt wurden, dieser Option auch einen unüberwindlichen Riegel vor, denn keiner der Akolythen würde sein Seelenheil für Nahrung riskieren. Zumindest noch nicht.
Bei Varitanis letztem Besuch hatte er unter Aufbietung aller ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Daten über ein letztes, bereits stillgelegtes Labos von Chemistro Frangh zutage gefördert. Dafür war Frederiq DeVetter gestorben, deshalb hatte er den Exterminatus aufgeschoben. Das Labor, in dem Drususton Flengler früher gearbeitet hatte, befand sich unter Juunosé – was die künstliche Insel zum eigentlichen Ziel der Gruppe machte.
Das Unterfangen hatte sich als komplizierter als gedacht herausgestellt, da die Bewohner von Juunosé sich als Reaktion auf die zunehmenden Gewalttaten des Magistratums gegen Außenwelter und Nyunga für unabhängig erklärt und den Zugang zu der Insel gesperrt hatten. Um Juunosé herum war bereits seit mehreren Tagen gekämpft worden. So hatte Varitani erneut seinen Telepathen bemüht, um mit dem sich rasch vergrößernden Untergrundnetzwerk der Nyunga Kontakt aufzunehmen. Auf die Versicherung hin, dass man im Imperium über die Lage auf Xeiros Bescheid wusste und dass die Flotte ebenso wie Varitanis Team geschickt worden waren, um die Lage zu klären, sowie dem Versprechen, dass die Raumschiffe baldmöglichst in den Konflikt eingreifen würden, um die Unterdrückung zu beenden, hatten die Anführer der Widerstandsbewegung eingewilligt, die Gruppe nach Juunosé zu bringen.
Dort hatten sich mehrere Probleme kurzfristig etwas abgemildert. Zum ersten war die Notwendigkeit, sich vor den Behörden zu verbergen, nicht ganz so drückend wie in jeder anderen Siedlung von Xeiros Prime, zum zweiten war es in Juunosé auch leichter, Nahrung für Außenweltler zu erstehen. Dort kümmerten sich die Leute weniger darum, was die Inquisition von Xeiros als Ketzerei bezeichnete.

"Dieses Dreckloch.", brummte Tereen verstimmt, als er von Bord des Schwebers auf Juunosé hinabblickte.
"Tatsächlich. Aber wen wundert es, dass sich die Diener des falschen Imperators genau hier verstecken.", pflichtete ihm Alrihn, die eng an ihn geschmiegt neben ihm saß, bei.
"Es ist ein Nest des Widerstands gegen unsere Dominanz auf Xeiros Prime. Wir sollten es versenken." Die Augen von Astrion Malqevis glühten in ihren Höhlen. Er saß den Zwillingen gegenüber und kämpfe gegen den Gedanken an, seine Hand in Alrihns Kleidung zu schieben. Sie warf ihm hin und wieder durchaus ermunternde Blicke zu, doch ihre eigene Hand spielte unverschämt deutlich in der Hose von Tereen.
"Der Hexer hat den Verschlinger gerufen, nicht wahr?", flüsterte Alrihn da verschwörerisch. "Was er wohl tun wird?"
"Was wohl - er wird sie finden und vernichten.", antwortete Tereen.
"Das bleibt abzuwarten.", erwiderte Malqevis und versuchte den Sitz seiner Hosen etwas zu lockern. "Varitani ist vom Ordo Malleus. Die können gegen seine Art kämpfen."
"Pah." Fast spuckte Tereen die Worte aus. "So etwas wie ihn haben sie noch nie gesehen." Der Zwilling erhob sich rasch, so dass Alrihn eher unsanft zur Seite gestoßen wurde und klopfte an die Wand zum Cockpit. Ein Schlitz öffnete sich und der Helm eines der Piloten wurde sichtbar. "Schon eine Nachricht von unten?"
"Bisher noch nicht.", antwortete der Co-Pilot.
"Sobald Sie etwas hören, beginnen sie umgehend mit dem Beschuss.", befahl Tereen.

Dumpfes Dröhnen drang von oben zu ihnen herab. Nick Runsit hob besorgt den Kopf.
"Das hier wird doch nicht instabil werden, oder?", fragte Lucius Frost und blickte konzentriert auf die Wände.
"Das klingt nach Waffenfeuer. Ein Angriff auf den schwimmenden Schrottplatz.", gab der Ex-Gardist zurück. Er hatte schon genug Explosionen in allen möglichen Entfernungen und durch alle möglichen Materialien hindurch gehört, dass es seiner Meinung nach für ein Leben mehr als ausreichte. Zu seiner gedämpften Stimmung trug dies genau soviel bei wie die Tatsache, dass der im Freien aufgewachsene Chnishnit liutstam Hrun'Sith gerne enge Räume mied, wenn irgend möglich. Und viel beklemmender als in einer engen, seit langen Jahren verlassenen Anlage unter Tonnen von Metall, Beton und Wasser ging es wohl nicht. Der Stammeskrieger überprüfte den Sitz seines massiven Rucksacks, der seinen Schweren Bolter und Munition beinhaltete und zog die Riemen nochmals fest.
Lucius Frost und er waren mittlerweile einige Meter unter dem Meeresspiegel und die Temperatur war signifikant gefallen. Die massiven, hohlen Träger der alten Bohrinsel boten mehr als genug Raum für etliche Stockwerke, die momentan noch Infrastruktur zur Aufrechterhaltung von Sauerstoffversorgung und Energie sowie gigantische Zahnradkonstruktionen beinhalteten, deren Zweck sich den beiden Akolythen bisher nicht erschlossen hatte.
Sie waren eine von mehreren Gruppen, die Varitani auf unterschiedlichen Routen durch die Träger der Bohrinsel schickte. Jede Gruppe für einen Träger. Die Hohlräume gingen laut ihren Informationen nicht allzu weit hinunter, da der Wasserdruck ab einer gewissen Tiefe die Ingenieure gezwungen hatte, auf Massivbau umzusteigen. Auf dem vorletzten Stockwerk sollte es eine Verbindung zwischen den Trägern geben, mittels derer sie sich treffen wollten. Unterwegs waren alle relevanten Spuren auf den Verbleib der Daten zu finden und dann zusammen zu legen. Frost blickte zum unzähligsten Mal auf seinen Auspex-Scanner und verfluchte innerlich den Aufenthaltsort dieses Labors, das sie bisher noch nicht einmal gefunden hatten, und auch die unorthodoxe Bauweise dieser Bohrinsel.

"Einige Male schon.", gab Immarut Railoun zu. "Der Gedanke hat etwas Verlockendes an sich. Einfach aussteigen und gemeinsam leben."
"Aber es ist, als ob man weiß, dass das ein Traum bleiben wird, nicht?" Die traurige Andeutung eines Lächelns huschte über den fein geformten Mund von Cattaleya VanSovrean. "Man denkt darüber nach in all dem hier." Ihre Hand wies auf ihre Umgebung. Sie waren in einem Teil der Anlage, die von rostüberzogenen Metallkonstruktionen bestimmt wurde. Als erstes der Teams, die Varitani in alle vier Pfeiler der Bohrplattform geschickt hatte, waren sie bereits am weitesten vorgedrungen. Das lag jedoch nicht nur am dem Zeitvorsprung sondern auch an der unheimlichen Fähigkeit der Diebin, Schlösser zu knacken. Es war fast so, als stünden die Türen einfach offen. Aufgrund ihres Vorsprungs waren sie auch am tiefsten und hatten nur mehr so gerade eben die dumpfen Aufschläge weit, weit über ihnen wahrgenommen. Sie hatten inne gehalten und gelauscht, doch nachdem einige Zeit Ruhe geherrscht hatte, waren sie erneut dem Plan und Immaruts Auspex gefolgt.
"Gerhart sollte man so etwas nicht hören lassen.", erwiderte Immarut nachdenklich.
"Hm, wohl nicht. Der ist etwas eindimensional, was solche Sachen angeht."
"Was alle Sachen angeht."
Diesmal war das Grinsen auf dem Gesicht der Diebin nicht ganz so traurig, erstarrte aber, als ihr ein Gedanke kam. "Ist es das, was diesen Auftrag hier so gefährlich macht? Ist das der Makel? Dass man darüber nachdenkt, ob es das wert ist? Ist das schon Ketzerei?"
Immarut ergriff ihre Schulter, und sie musste stehenbleiben.
Sie wandte sich um. "Du bist echt ansteckend mit Deinem Philosophieren, weisst Du das?" Der Kommentar klang weniger frech und verspielt als von ihr geplant, eher gequält.
Immarut seufzte schwer. "Es hat etwas für sich, wenn Gerhart sich von solchen Gedanken generell fern hält. Damit läuft er sicher weniger Gefahr, korrumpiert zu werden."
Sie nickte.
"Ich habe Dir auf dem Flug vor ein paar Wochen schon einmal gesagt, dass ich die Bedrohung durch den Erzfeind sehr wohl fürchte und auch den Makel. Aber ich glaube an viele Vorgaben des Ministorums nicht: dass Ignoranz irgendetwas bringen kann, dass es der rechte Weg für mich ist. Der Trick ist eben nur, den Feind zu kennen, aber nicht zu ihm zu werden."
Einer ihrer Finger legte sich auf seine Lippen. Sie kam ihm ganz nahe und hauchte ihm ins Ohr, ihr Gesicht von Sorge gezeichnet: "So etwas solltest Du nicht sagen, nicht einmal hier. Sie würden diese Gedanken nicht tolerieren."
Er umfing sie mit seinen Armen. "Mach Dir keine Sorgen, Cattaleya. Ich spreche nur zu Dir so. Ich weiß um die Grenzen, die uns auferlegt sind. Ein menschlicher Geist kann das Immaterium niemals verstehen oder beherrschen." Er schob sie auf Armeslänge von sich weg und sah sie treu und ehrlich an. "Wer mich der Ketzerei bezichtigt, ist ein Dummkopf, denn ich stehe fest zum Imperium, zur Menschheit und zu Ihm."
Sie glaubte ihm und nickte.
Immarut wurde unruhig und sah sich um.
"Was ist denn?"
"Dieser Geruch... Ozon..."
Unter ohrenbetäubendem Krachen explodierte eine Bodenplatte direkt hinter Immarut regelrecht, und der Interrogator wurde weggeschleudert. Cattaleya fand sich plötzlich am Boden liegend wieder, eine riesige, dunkle Gestalt ragte über der benommen den Kopf schüttelnden Diebin auf.
Das Herz der Adeligen raste vor Schreck, als sie ihren Blick ihrem Angreifer zuwandte. Es dauerte nur einen Moment, dann war er über ihr, doch ihre trainierten Sinne nahmen eine Flut von Informationen wahr, die in den nächsten Sekunden in ihr Bewusstsein drangen, als sie bereits unter dem Wesen begraben war. Kein Mensch, gut drei Meter groß, sehr muskulös gebaut, schien keine Haut im herkömmlichen Sinne zu haben, die Muskelstränge und Sehnen waren wie bei einer anatomischen Replikation nach außen hin sichtbar, und die von Rot ins Violett gleitende Struktur glänzte beständig feucht. Ein starker Geruch nach Ozon und Moschus erfüllte betäubend schwer die Umgebung.

Den von einem Hornkranz und zwei seitlichen abstehenden längeren, spitz zulaufenden Hörnern bedeckten, vollkommen unbehaarten Kopf seiner Beute zuwendend, fuhr sich der Verschlinger mit seiner langen Zunge über die gebleckten Reißzähne und starrte das zarte Geschöpf vor ihm mit seinen Augen an, die dem erbärmlichen Menschenwesen wie pechschwarze, substanzlose Höhlen erscheinen mussten. Bereits jetzt emittierte sein Opfer den geradezu ekstatisch wirkenden Duft von Angst, was sich als heißes Ziehen in seinen Lenden bemerkbar machte. Es würde schnell gehen, so sehr verlangte es ihn nach diesem kleinen Menschlein, und er lehnte sich über sie.

Cattaleyas Arme fuhren zu ihren Beinen, wo sie die vertrauten Griffe ihrer Energieklingen Vaniryl und Sovrean fand. Mit einem Summen erwachten sie zum Leben, als sie nach dem Daemon schlug, doch das Wesen war viel zu schnell für sie. Heftig krachte sein Schädel gegen ihr Gesicht und ihr Kopf gegen den Boden. Sie schmeckte Salz und Eisen in ihrem Mund, als sich Schwärze in ihr Blickfeld schob, als sie zur Seite sackte und den in einer Blutlache liegenden blonden Schopf sah.

Der Verschlinger entwand die erbärmlichen Menschenwaffen ihrem schlaff werdenden Griff und schleuderte sie zur Seite. Sein heißer Atem wusch über die Menschenfrau, deren Brustkorb sich im Rhythmus der von Angst und Anstregung beschleunigten Atemzüge hob und senkte.

Eine klauenbewehrte Hand packte nach Cattaleyas Kleidung, und zusammen mit einem Ziehen an Schultern und Hüfte hörte sie das Reißen von Stoff, dann spürte sie das Gefühl der klammen Umgebungsluft auf nackter Haut. Sie blinzelte, um klarer sehen zu können und begann sich in Abwehrbewegungen zu verkrampfen, doch der Griff des Daemons war eisenhart. Er lag fast vollständig auf ihr, sein Gewicht einfach unbezwingbar. Cattaleya spürte, dass etwas Weiches, Warmes ihr linkes Bein an der Innenseite entlangglitt und Panik stieg in ihr auf.

Der Verschlinger ergötzte sich an dem Anblick der vor ihm entblößt daliegenden Menschenfrau, und Speichel troff aus seinem Maul auf ihren Bauch. Ein daemonisches Grinsen enthüllte erneut sein bemerkenswertes Ensemble an messerscharfen Zähnen. Er merkte, wie erregt er bereits war und rieb seinen Unterleib weiter an ihren Beinen, während er sich nach vorne beugte, um sie mit seiner langen, harten Zunge abzulecken - über ihre Wange, ihren Hals, ihre Brustwarzen und ihren Nabel.

Tränen schossen Cattaleya aus den Augen, als sie den warmen Atem des Monsters auf ihrem Gesicht und seinen Gestank in ihren Atemwegen spürte, als sie das heiße und feuchte Pulsieren an den Innenseite ihrer Beine spürte, das immer wieder auf und ab glitt, immer deutlicher spürbar werdend. Sie stieß verzweifelte Schluchzer aus, als die Zunge des Wesens über alle Teile ihres Körpers glitt und sein Speichel sie befleckte. Als sie unterhalb ihres Bauchnabels wanderte, schrie sie aus Leibeskräften und wehrte sich ein letztes verzweifeltes Mal. Kurz bekam sie ein Bein frei und trat nach ihrem Folterer, doch genauso gut hätte sie eine Wand aus Plaststahl treten können. Mit wachsender Verzweiflung erhöhte sich der Druck gegen ihre Beine und sie glitten noch weiter auseinander. Bald schmerzten aufgrund ihrer Versuche, das zu verhindern, ihre Muskeln so sehr, dass sie sich nicht mehr wehren konnte.

Gerade, als der Verschlinger zustoßen wollte, warf sich - einen gellenden Schrei aus Wut und Verzweiflung brüllend - eine Gestalt mit wehender Löwenmähne voll Wucht gegen seine Seite, und zwei zartblaue Lichtklingen schlugen in seinen Körper. Von dem tolldreisten Angriff überrascht war die Masse des Angreifers zwar nicht groß genug, die Aberration ganz von Cattaleya hinunterzustoßen, aber doch zumindest so weit, dass sie sich wieder bewegen konnte. Sofort strampelte sie wie verrückt, trat und versuchte sich in Richtung ihres Retters zu schieben.
Der Verschlinger bewegte sich augenblicklich, um sie wieder zu packen, doch erneut stieß der Löwe mit den Klingen nach ihm und schlug zwei weitere tiefe Wunden. Das Brüllen des Daemons ließ die Wände erzittern.

Immarut kämpfte wie ein Bessessener - den Kampf seines Lebens für die Liebe seines Lebens. Die Ausgeburt des Immateriums war ihm haushoch überlegen, das war ihm klar. Er war ein Mann, dessen Stärken im Denken und Wissen lagen, der vielleicht recht gut schießen konnte, aber keinesfalls ein Schwertmeister war - dafür hatte Varitani Gerhart Thracian und vor allem Hrubens Arn angeheuert. Mit dem Mut der Verzweiflung und einem inbrünstigen Zorn, der seine blutüberströmten, verkrampften Züge verzerrte, schlug der Interrogator Mal um Mal nach dem Verschlinger, der den Angriffen auswich und immer wieder in die Richtung von Cattaleya schielte. Das Zucken des daemonischen Fleisches zwischen den Beinen der Bestie trieb Immarut Railoun nur noch mehr an, und bar jedes Selbsterhaltungstriebes warf er sich gegen seinen Feind.

Der Verschlinger blickte noch einmal unsicher zwischen dem furiengleichen Männchen und seinem sich kriechend davonschleppenden Opfer hin und her, dann stieß er wütend die Luft aus den nüsterngleichen Nasenlöchern seines bestialischen Gesichts. Er warf sich in einem Sturmangriff nach vorne, ignorierte die Schmerzen, als sich beide Klingen in seine Brust bohrten, umfasste die Taille des kleinen Menschen wie ein Schraubstock und rammte ihn am gegenüberliegenden Ende des Raumes hart gegen die Wand, so dass ein Keuchen und das Entweichen seines Atems zu hören waren.

Cattaleyas Gesicht war eine Fratze aus verlaufenem Makeup, Tränen, verquollenen Augen und Blut, das aus ihrer Nase und ihrer aufgeplatzten Lippe lief. Ihr zerschlagener Körper wurde nur mehr von wenigen Fetzen bedeckt, und das nur an wenig wichtigen Stellen. Sie griff nach einem Geländer, als mit einem Brüllen der Daemon mit Immarut in seinen Armen einer Dampframme gleich an ihr vorbeistürmte und ihren Geliebten gegen die nächste Wand warf. Ein Wimmern entfuhr ihr, doch sie biss die Zähne zusammen und griff nach dem Geländer über ihr, um sich hochzuziehen. Immarut!

Der Interrogator hustete und spuckte Blut aus. Er versuchte sich aufzurappeln, doch da schloß sich die Klauenhand des Daemons wie ein Schraubstock um seinen Hals. Schnell wurde er puterrot im Gesicht, und seine Augen begannen aus ihren Höhlen hervorzutreten. Er schlug mit den Armen aus, seine Beine berührten bereits nicht mehr den Boden.
"Wie der erbärmliche Wurm, der Du bist, könnte ich Dich zerquetschen, Mensch.", fast erbrach der Daemon das letzte Wort, so sehr troff es vor Geringschätzung. Seine Stimme war überweltlich tief und durchdrang mit ihren Vibrationen Fleisch und Knochen. "Da Du Dich jedoch so vehement um einen Platz ganz vorne bemüht hast, werde ich gnädig sein." Erneut zog ein breites Grinsen über seine Züge und sein Griff lockerte sich soweit, dass Immarut wenigstens etwas Luft in seine brennenden und gequälten Lungen saugen konnte.
Ein kratzendes Geräusch ließ den Kopf der Immateriumsbrut herumfahren und er sah Cattaleya, die zerlumpt und verletzt über den rostigen Gitterboden auf ihre kostbaren Energieklingen zukroch. Sie würde noch einige Meter zurücklegen müssen, Zeit genug für ihn.
"Komm!", knurrte der Daemon Immarut ins Gesicht und zerrte ihn brutal mit sich zu einem dunklen Durchgang. Ein mächtiges Schott stand seitlich etwas verbogen in den Türraum hinein. Grinsend packte der Verschlinger Immaruts Handgelenke und hob den schlaffen Körper einfach mit einer Hand hoch. Immarut begann sich erneut zu wehren, doch eine Kopfnuss betäubte den Interrogator. Der Daemon trug ihn die letzten zwei Schritte zu dem Schott, hielt seine Arme mit einer Hand in den Durchgang, wobei er seine eingene Hand tunlichst davon fernhielt, dann griff er nach dem Metall und begann zu ziehen. Das uralte Werk gab ein protestierendes Ächzen und Stöhnen von sich und Rost rieselte in feinen Bröseln auf den Gitterboden und durch ihn hindurch in die Dunkelheit darunter. Schließlich löste sich das massive Metall, und mit voller Wucht rammte es der Daemon gegen die Arme des bewusstlosen Interrogators.
Das Knacken von Knochen war zu hören, gefolgt von einem johlenden, langezogenen Aufschrei aus der Kehle des Löwen. Cattaleya hatte Vaniryl fast erreicht, doch geleitet von dem neuerlichen Speer der Angst, der sich - vom wahnsinnigen Brüllen ihres Geliebten geführt - in ihr rasendes Herz bohrte, wandte sie sich mit weit aufgerissenen Augen um, den zuckenden Körper mit zerschmetterten Armen in einem Schott hängend vor ihrem ungläubigen Antlitz, die dunkle Gestalt des Teufels über ihm.
Blut lief langsam an dem Schott hinab, das fast komplett geschlossen war. Der Verschlinger grinste frohlockend und beugte sich zu dem Blondschopf, um ihm ins Ohr zu flüstern: "Hier kannst Du in Deinen letzten Minuten Zeuge sein, wie ich mich mehre." Er sog prüfend den Duft des Menschen ein. Ein Erkennen überzog seine Fratze. "Ah.", schnaufte er genüßlich. "Sie ist Dein, nicht wahr? Ich kann Dich in ihr riechen."
Pein jenseits aller körperlichen Qualen hielt auf dem Gesicht des Interrogators Einzug, der wahrhaft am Ende seiner Kräfte war.
"Ich werde sie ficken, bis sie blutig und zerstört hier vor Dir liegt, Du erbärmlicher Wurm, und dann kannst Du zusehen, wie sich meine Saat an ihr sattfrißt, während sie sich aus ihrem windenden Leib befreit." Langsam wandte sich der Verschlinger ab und hielt auf Cattaleya zu, deren Finger bereits nach dem Griff von Vaniryl tasteten.
Tränen der Verzweiflung, geboren aus dem Wissen der eigenen Ohnmacht und dem Bewusstsein der absoluten Notwendigkeit seines Eingreifens liefen das Gesicht des Interrogators hinunter. Als der Verschlinger nach Cattaleya griff und ihre Energieklinge nach ihrem kraftlosen Hieb erneut einfach wegschleuderte, spuckte Immarut blutigen Speichel durch vor Schmerzen zusammengepresste Zähne, als er sich gegen das Schott stemmte und unter heulenden Schmerzenslauten begann, sich davon abzustoßen. Gleißende Agonie schoß durch die Überreste seiner Arme, doch er kam nicht frei. Er riss und zerrte und schrie und blutete.

"Das ist es? Sieht nicht gerade beruhigend aus." Granits Mahlsteinstimme wurde von den nahezu glatten Wänden des Korridors als Echo widergegeben.
"Seit wann sieht denn irgend etwas auf Xeiros Prime vertrauenerweckend aus?", fragte Lucius trocken. "Dieser Gang führt direkt zu einer zentralen Kammer, von der aus die Gänge zu den anderen Pfeilern verlaufen."
"Hoffen wir, dass die anderen mehr Erfolg hatten als wir hier. Wenn ich an die Explosionen von vorher denke, kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir noch Besuch bekommen."
"Oh, mein Geld setze ich auf Honeymoon. Die findet immer was Schönes." Kurz lächelte Lucius und dachte daran zurück, wie lange Railoun und er selbst gebraucht hatten, um ihr in Sibellus auf die Schliche zu kommen.
Die beiden Akolythen verließen ihren Pfeiler und durchquerte den Tunnel, der zwischen den mächtigen Trägern der alten Bohrinsel über eine Zentralkammer die verschiedenen Laborbereiche miteinander verband. Ihr Pfeiler war augenscheinlich primär als Aufenthalts- und Schlafbereich genutzt worden - ein Blindgänger also. Es blieb nur abzuwarten, welche Gruppe auf den Datenerfassungstrakt stossen würde.

Wieder fuhr der Assassine nervös herum und stierte mit weit aufgerissenen Augen ins Leere. Phos Isand seuftzte genervt. "Da ist nichts, Blender."
Hrubens Arn ignorierte den Telepathen und verharrte mehrere lange Sekunden starr in seiner Stellung, ehe er sich wieder ihrem Ziel zuwandte. Eine Hand lag am Griff seines Energieschwerts, die andere hielt ein Auspex. Seit den detonationsähnlichen Geräuschen war er irgendwie aufgekratzt und unruhig.
Er ist momentan mehr eine Belastung als eine Hilfe. Trotzdem, der Gedanke, hier unten ganz allein unterwegs zu sein, war auch für den abgebrühten Psioniker Phos Isand nicht besonders attraktiv. "Was ist denn los mit Dir?"
Blenders Kopf schoß nach rechts, wo Vox leise neben ihm her ging. "Gar nichts.", schnappte er. "Hab' einfach ein ungutes Gefühl."
"So kenn' ich Dich gar nicht. Beruhigt mich nicht unbedingt, das ist Dir doch klar?"
"Drauf geschissen, Vox, was Dich beruhigt. Irgendwas stimmt hier absolut nicht."
Vox zog die Brauen hoch. Na gut, einfach nicht sein Tag. Auch nicht so hart, wie er immer tut. Eine Welle der Übelkeit brandete über den Telepathen hinweg. Er wurde fast aus seinem Körper gerissen, so kam es ihm vor. Ein starker Sog hatte sich im Immaterium gebildet, gar nicht weit weg von ihm. Er konnte sich selbst zu Boden gleiten sehen und Blender erneut herumfahren, seine Klinge gezogen. Hinter sich spürte er den Sog und wandte sich ab. Sein Körper würde nicht weglaufen und er wollte so gerne wissen, was das war. Vor sich sah er, wie eine übermenschengroße, humanoide Gestalt mit Hörnern durch das Immaterium in die wirkliche Welt trat, ganz nahe bei ihm, und damit aus seinem Sichtfeld verschwand.
Schnell blickte er auf seinen Körper. Es würde viel zu lange dauern, wieder von ihm Besitz zu ergreifen. Das Fleisch ist schwach und viel zu behäbig. Noch immer starrte Blender nur die Umgebung an. Die Zeit schien fast nicht zu vergehen. Doch Vox war klar, was er da gerade gesehen hatte - einen Daemon, der in ihrer direkten Nähe aus dem Immaterium getreten war - und auch, dass er keine Sekunde verlieren durfte. Er konzentrierte sich kurz, um alle seine Gefährten erreichen zu können und sandte seine telepathische Nachricht.

"Das ist es doch, Herr Inquisitor?", erkundigte sich Pater Gerhart Thracian und kniete neben der Konsole des Cogitators nieder.
Varitani nickte und verstaute den Auspex-Scanner an seinem Gürtel. Er ließ seinen Rucksack vom Rücken gleiten und holte zwei Energiezellen hervor. Diese verband er mit schnellen Griffen mit der Cogitatoreinheit, während Gerhart ihm mit einem Leuchtglobus assistierte. Da erwachte der Maschinengeist des alten Rechners zum Leben und gab ein ratterndes Husten von sich. Er hatte lange geschlafen. "Würden Sie die Verbindung herstellen, Pater?" Mit diesen Worten reichte er dem Kleriker eine Datentafel mit einem Verbindungskabel.
Wortlos nahm der Schwarze Priester von Maccabeus die Gegenstände und ging zum hinteren Ende des massiven, alten Cogitators. Dort sang er mit gedämpfter Stimme die Formeln des Fehlerfreien Anschlusses und konnektierte genau an der vorgeschriebenen Stelle die beiden Geräte. Es musste alles reibungslos funktionieren, denn sie würden keine Gelegenheit haben, wiederzukommen.
In dem Moment vernahm Gerhart Thracian mit voller telepathischer Wucht die Stimme ihres Psionikers Phos Isand in seinem Kopf und legte instinktiv die Hände vor das Gesicht, um sich zu schützen, was natürlich nutzlos war. Der Inhalt der Nachricht trug mehr als alles andere dazu bei, dass er sich sofort wieder fasste: "Obacht, ein daemonischer Angreifer tritt gerade über die Schwelle! Eines der Teams ist in höchster Gefahr!"
Nicht einmal mit Voxskrit übermittelt - da das ja auf telepathischem Wege nicht notwendig war - bestand nicht der geringste Zweifel an der Dringlichkeit. Pater Thracian ließ die Datentafel los, so dass sie an dem kurzen Stück des Verbingungskabels von dem Cogitator herunterbaumelte und mit ihren Kupferbeschlägen an dem alten, rostroten Gehäuse anschlug. "Herr Inquisitor!"
Varitanis Gestalt tauchte vor ihm auf und bewegte sich rasch auf ihn zu. "Ich habe es auch gehört. Gehen Sie, Pater! Hier scheint der Angriff nicht zu erfolgen! Es ist nur mehr ein Stockwerk bis zu dem Verbindungsgang!"
Gerhart berührte sanft das Headset, das er trug und sprach: "Familienrat für Chefkoch, riecht jemand eine verbrannte Mahlzeit?"
Nach einer Sekunde vernahm er die Stimme von Hrubens Arn: "Der Sänger macht Mittagspause, probt aber schon wieder. Das Essen riecht schmackhaft."
"Chefkoch für Wolf, Gesang wurde vernommen, hier keine verdorbene Nahrung." Die Meldung war von Lucius Frost gekommen.
Einige lange Momente später war offensichtlich, wer Probleme hatte.
Rasch tippte Varitani zweimal auf seine Datentafel, dann reichte er sie dem Redemptionistenpriester. Darauf war schematisch der ungefähre Weg dargestellt, den er würde nehmen müssen.
Gerhart riß sein Kettenschwert Dies Irae aus seiner Halterung und lief los; der durch sein künstliches Bein nicht hundertprozentig gleichförmige Rhythmus seiner Schritte war bald nur noch eine Erinnerung. Varitani formte das Zeichen der Aquila und schickte ein heißes Gebet an den Imperator empor.

"Welche Richtung, Frost, welche Richtung?!", donnerte ihm Nick Runsit entgegen, während sie schlitternd zum Stillstand kamen. Sie befanden sich in der zentralen Kammer zwischen den Pfeilern und ein unbeständiges Knacken und Ächzen hatte sich der Geräuschkulisse aus nur stumpf wahrgenommenen Aufschlägen und dem Echo von Schreien beigemengt. Es war das Material der Außenwände, das auch nach all dieser Zeit noch dem gigantischen Druck des Ozeans direkt neben und über ihnen trotzte.
Der Ex-Arbitrator sah schnell atmend auf seinen Auspex-Scanner. "Nach links!"
Sofort verschwamm die dunkle Gestalt des riesenhaften Stammeskriegers mit der Finsternis; das Poltern seiner schweren Kampfstiefel war jedoch deutlich zu hören. Lucius schaltete auf den Nachtsichtmodus seiner Kontaktlinsen und setzte ihm nach, während er eine seiner steinalten und hervorragend verarbeiteten Boltpistolen zog.
Sie hetzten den Gang hinunter. Umgeworfene Regale, zerbrochene Gläser, alte Datentafeln und anderer Hausrat lagen überall verstreut. Ein Anzeiger an einer der Wände wies ihren Weg als zu den Umweltsystemen führend aus. Das Schreien wurde deutlicher und erzeugte eine gespenstische Atmosphäre. Irgendjemand erlitt gerade Höllenqualen. Vor Lucius war plötzlich eine Öffnung. Er sah die Gestalt des Hühnen, der mit einer schnellen Bewegung seinen massiven Rucksack auf den Boden sausen ließ und sich dann Hals über Kopf über ein Geländer schwang und verschwand. Gleich darauf hörte er den Aufprall.
Lucius erreichte das Geländer. Er blickte in einen fast kreisrunden, offenen Raum, der von rostigem Metall dominiert wurde. Neben einem unangenehm vertrauten Ozongeruch nahm er vier Gestalten wahr. Als erster sprang ihm eine riesige Bestie mit Hörnern ins Auge, die sich über eine zweite, viel kleinere Person beugte und sich an ihr zu schaffen machte. Dann blickte er schnell nach rechts und sah den blutbespritzten Railoun, den er aufgrund seiner Haare sofort erkannte, in einer Art Schott oder Feuertüre eingeklemmt. Er hing schlaff daran herab - das Geschrei, das wenige Momente vorher aufgehört hatte, war wohl von ihm gekommen. Die vierte Person, die er sah, war Nick Runsit, der in einem Wahnsinnstempo auf den Gehörten zuhielt.
Lucius konzentrierte sich genauer auf den Daemon. Er hatte natürlich schon erraten, wer da unter ihm lag, auch wenn er sie nicht genau erkennen konnte. Das nackte Hinterteil der Bestie, das ihm diese entgegenstreckte und das nur aus Muskelfasern zu bestehen schien, sowie das Gemächt dazwischen, das sie widerlich an Cattaleya rieb, ließen nur einen Schluß zu, was dort im Gange war. Auch wenn das mit der Waffengattung, die er verwendete sehr gefährlich war, er durfte keine Zeit verlieren. Außerdem war Nick Runsit alleine unterlegen. Er packte seine Boltpistole mit beiden Händen und legte an. Imperator, verdamme mich, wenn ich jetzt danebenschieße!

Heftige Weinkrämpfe schüttelten den geschundenen Körper von Cattaleya VanSovrean, während sich der Verschlinger erneut über sie hermachte und die herzzerreißenden Schmerzensschreie Immaruts sowie deren Echos wie ein Kanon der Agonie durch die stinkende Luft schallten.
Ein Knall durchbrach diese Atmosphäre wie der erste Donnerschlag nach einem heißen Tag im Sommer. Sie kannte dieses Geräusch! Ein Schuß! Von ganz weit her kam die Erinnerung aus ihrem gemarterten Verstand, der sich schon so weit zurückgezogen hatte. Sie sah das Bild ihres engsten Freundes vor sich, so wie er immer ausgesehen hatte: ein kragenloses Hemd, kurze, dunkle Haare, ein Lho-Stäbchen im Mundwinkel und eine Boltpistole in der Hand. Sie merkte, wie der Körper des Verschlingers über ihr zuckte und etwas Warmes auf ihren Körper spritzte. Sie sah nicht hin, sondern erschauerte nur vor Ekel. Egal, ob es sein Blut oder seine Saat war, es war fast nicht zu ertragen. Ein ohrenbetäubendes, andersweltliches Gebrüll erhob sich über ihr, als der Verschlinger sich von ihr abwandte.

Eine dunkle Gestalt setzte mit riesigen Sprüngen auf ihn zu, ein wildes Kriegsgeheul aus einer Kehle ausstoßend, die mit sich aneinander reibenden Granitblöcken gefüllt zu sein schien. Wenn ihn der Geruch nicht verraten hätte, so wäre es für den Verschlinger durchaus denkbar gewesen, dass ihm hier ein anderer Bewohner des Empyreums seine Beute streitig machen wollte. Der Verschlinger ignorierte das Loch in seinem rechten Gesäßmuskel, so gut es ging und sprang selbst nach vor, um seinem Angreifer würdig zu begegnen.

Es gab keine bewusste Handlung mehr, dazu war alles viel zu schnell. Schon früh in seiner Laufbahn als Krieger hatte sich Chnishnit liutstam Hrun'Sith darauf verlassen können, dass sein Körper wusste, was zu tun war, wenn es hart auf hart ging. So war es bei den rituellen Kämpfen auf Crest N'darr gewesen und bei den Kämpfen auf Leben und Tod. So war es bei den Büßern gewesen, in all den Gräben und Dschungeln, auf all den Monden und Welten, die er mit ihnen besucht hatte. So war es auch immer gewesen, wenn er als Akolyth Nick Runsit, als Granit, für die Imperiale Inquisition in die Schlacht gezogen war. So wie es immer gewesen war, war es auch in diesem Moment. Wenn dieses Sich-Fallenlassen in den Strom des Kampfes, das Sich-Selbst-Aufgeben im Augenblick der Notwendigkeit das Öl war, das die Maschine Chnishnit liutstam Hrun'Sith am Laufen hielt, beweglich und geschmeidig, dann war der Anblick der gemarterten Cattaleya Amalia VanSovrean, des zartesten Wesens, das er hatte kennenlernen dürfen, wie wildes Feuer, das dieses Öl in Brand setzte, das ihn durchloderte - Granit stand in Flammen, ein berstendes Höllenfeuer, dem keine Macht der Welt sich würde engegenstellen können.
Doch der Verschlinger war nicht von dieser Welt. Er sprang mit einem Urschrei auf den Stammeskrieger zu und schlug mit einer Klaue nach ihm.
Granit spürte seine Haut bersten, als er die Klaue mit seinem linken Arm abwehrte, doch mit der Rechten führte er bereits einen mächtigen Schlag gegen das Gesicht des hautlosen Gehörnten. Seine Muskeln waren zum Bersten gespannt, getrieben durch die tiefe innere Wut - sein Körper kämpfte, während Granit tief im Inneren saß und zusah. Er merkte, wie Knochen im Gesicht der Bestie brachen, setzte mit seinem ganzen Gewicht und der Wucht des Ansturms nach und rammte dem Biest seine Schulter dorthin, wo bei Menschen das Brustbein zu Ende war und stemmte sich wild gegen die Massen aus daemonischem Fleisch.
Es war, als wäre der Hühne gegen eine Wand gelaufen. Einmal, zweimal krachte der Kopf des Daemons gegen seinen, so dass er benommen zurück taumelte, dann traf ihn ein Fuß vor dem Brustbein und er wurde nach hinten geschleudert. "Verdammte Würmer!", grollte die Aberration und wollte sich gerade wieder Cattaleya zuwenden, als ihn der nächste Schuss an der Schulter traf.

Lucius jubelte nicht lange über den unwahrscheinlich guten Treffer in der Hinterbacke des Daemons und wartete auch nicht das Ergebnis von Granits Sturmlauf ab. Er tat es seinem Kollegen gleich und schwang sich über das Geländer, um geschmeidig auf dem Gitterboden unten aufzukommen. Sofort hob er erneut die Waffe, als er hörte, wie sich die beiden Kontrahenten anbrüllten. Dann sah er, wie der Stammeskrieger wenig anmutig durch die Luft und fast bis zur entgegengesetzten Wand flog. Auch dies ignorierte der Verstand des Ex-Arbitrators in diesem Moment und konzentrierte sich auf Cattaleya, die fast bewegungslos auf dem Boden lag. Granits Ablenkung hatte nicht lange vorgehalten, denn der Daemon hatte sie bereits wieder im Visier. Schnell hob Lucius die Waffe. Er wusste, wenn er nur einmal daneben schoss, konnte das reichen, um die strukturelle Integrität der Einrichtung soweit zu gefährden, dass sie alle überflutet würden.

Sein Ziel war gut, doch jetzt entdeckte ihn das Biest. Einen Wutschrei ausstoßed kam der Verschlinger rasend schnell näher. Angst schoss in dem Ex-Arbitrator hoch und er schaltete auf Salvenfeuer um. Pfeiff auf die strukturelle Integrität. Beide Schüsse saßen, doch die Bestie wurde kaum verlangsamt. Lucius warf sich zur Seite, und der Daemon krachte hinter ihm in einen Stapel aus morschen und verrottenden Holzkisten, nur um sich sofort wieder umzuwenden. Selbst in dieser Situation fiel Lucius auf, dass der Fortsatz zwischen den Beinen des Daemons ein Eigenleben zu haben schien und wild hin und her zuckte. Was war das für ein Vieh?!
Frost musste die Pistole liegen lassen, als sein Verfolger ihm nachsetzte und angelte sich eine von Honeymoons Energieklingen. Aber er war kein großer Kämpfer. Zwei Hiebe der Klauen parierte er gerade eben, dann fuhr eine davon direkt durch seinen Arm. Lucius schrie auf, als die Klinge zu Boden polterte, dann nochmals, als ihn ein Tritt des Biests zu Boden schickte.
"Nun werde ich Dich zerquetschen." Turmhoch stand sein Mörder über ihm, die Wunden, die der Daemon ihm Kampf erlitten hatte, schlossen sich bereits. Lucius war müde, verzweifelt und blutete - kurzum, er war fertig. So endet es...
Der Verschlinger hob die Klaue, um sein mikriges Opfer auszuweiden, als ein seltsames Geräusch zu hören war. Lucius erkannte es. Das kleinmotorige Schnarren und das Reiben der gegenläufigen Kettenklingen von Dies Irae mischten sich mit einem satten Schmatzen und Reißen, als es in die Flanke des Daemons biss. Dieser fuhr wild herum und hieb nach seinem neuen Angreifer, doch dieser duckte sich viel flinker, als man hätte annehmen mögen.
Er kann mit einer Klinge umgehen.
"In Seinem Namen, Daemon, der da ist Imperator, gebiete ich Dir, weiche!", tönte gebieterisch und furchteinflößend die Stimme des Schwarzen Priesters von Maccabeus, stetig unterlegt vom Rattern seiner Kettenwaffe. Wiederholt schlug er nach dem Daemon und trieb ihn tatsächlich zurück.
Nach wenigen Momenten war Lucius wieder bei Sinnen. Seine Armwunde blutete heftig, also musste er sich erst einmal darum kümmern. Sein rechter Arm war nicht zu verwenden, also hantierte er ungeschickt mit einem Tuch herum, schaffte es aber nicht recht, sich einen Verband anzulegen.
"Ich bin da.", hörte er plötzlich in seinem Kopf die Stimme von Vox und noch nie zuvor - da war sich Lucius sicher - hatte er sich mehr darüber gefreut. Als sich der Telepath zu ihm hinabbeugte und seinen Arm wenig sanft begutachtete, huschte der Schatten, der Hrubens Arns war, an ihnen vorbei, um Gerhart in seinem Kampf beizustehen. Der Maccabeus-Priester war mittlerweile hart in der Defensive. Zwar verletzte sich der Daemon jedes Mal, wenn der Pater einen seiner Klauenangriffe mit der Kettenwaffe parierte, doch die kleinen Wunden schlossen sich fast so schnell, wie sie geschlagen wurden. Wirbelnd schloss sich der Assassine dem Reigen aus Angriffen, Finten, Paraden und Riposten an.
Frost sog scharf die Luft ein, als sich sein Fleisch schloss. Es tat immer weh, durch psionische Anwendung geheilt zu werden.
"Nichts zu danken.", grummelte Vox und richtete seine Aufmerksamkeit einen Moment lang auf den Daemon, dann auf die nackte Cattaleya. Er wollte sich gerade in ihre Richtung auf den Weg machen, als ihn Lucius' Hand an der Schulter packte. "Ich kümmere mich schon um sie. Danke, Isand. Sehen Sie doch bitte nach Railoun, der braucht Sie dringender, denke ich."
Der Telepath verzog das Gesicht. Statt der Frau meiner Träume krieg ich einen zahnlosen Löwen, der mehr tot als lebendig ist. Wortlos wandte er sich ab, auf das Schott zu, unter dem sich eine beachtenswerte Blutlache gebildet hatte. Fast wie nebenbei griff Vox nach Vaniryl.

Lucius hob seine fallengelassene Boltpistole auf und lief zu Cattaleya. Sie zitterte, als Lucius neben ihr anhielt. Schnell betrachtete er sie von Kopf bis Fuß. Sie war so gut wie komplett unbekleidet, zu keinem geringen Teil von einer Art Schleim bedeckt und ihr rechter Unterschenkel von Blut verklebt. Verletzungen waren allem Anschein nach nur von geringer Natur.
"Honeymoon.", sagte er eindringlich und fing ihren ängstlichen Blick auf. Sie erkannte ihn Momente später und rappelte sich auf. Dann klammerte sie sich wild an seinen Arm, so fest, dass es schmerzte.
"Lucius.", wimmerte sie.
"Schon gut, Catt. Ich hol' Dich raus."
Ein Krachen ertönte und Lucius sah gerade noch, wie sich Granit unter einem Metallkonstrukt wegduckte, dass der Verschlinger nach dem Stammeskrieger geworfen hatte. Gerhart lag am Boden, Blender attackierte den Daemon weiterhin hart und auch Nick Runsit war wieder im Rennen. Er hielt eine monomolekulare Keule in Händen.
Lucius halferte die Pistole, lockerte seinen Flak-Umhang und legte ihn um die Schultern der Diebin, dann half er ihr hoch. Als sie sich ein paar Schritte wegbewegt hatten, hörte er ein Brüllen und stampfende Schritte hinter sich. "Sie ist mein!" Ohne sich umzusehen, stieß Lucius Cattaleya nach rechts, warf sich nach links und zog noch im Sprung eine seiner Boltpistolen.
Der Verschlinger stürzte zwischen Cattaleya und Lucius hindurch, hätte sie erwischt, wenn der Ermittler nicht so schnell reagiert hätte. Und Frost war noch nicht fertig. Er zielte blitzschnell und schoß eine Salve aus zwei Boltpatronen ab, die tiefe Löcher in den linken Arm und den Rücken des Daemons sprengten. Lucius fiel jedoch sofort auf, dass das Loch im Gesäß der Bestie schon wieder fast geschlossen war. Verdammt. Wie sollten sie so etwas besiegen?

Granit und Blender waren sofort zur Stelle und bedrängten die Warp-Bestie erneut. Lucius rappelte sich auf und lief zu Cattaleya, die ihrerseits auf ihr Gepäck zukroch, das sie beim Erscheinen der Aberration anscheinend hatte fallen lassen. Rasch holte er sie ein. "Was machst Du denn? Wir müssen hier raus."
In dem Moment erzitterte der ganze Raum heftig und die Temperatur sank rapide. Ein ohrenbetäubendes Gebrüll ließ alle im Raum zusammenzucken und der Ozongeruch intensivierte sich. Als sich Lucius umdrehte, flogen Granit und Blender gerade durch den Raum und krachten gegen ein Metallrohr in zweieinhalb Meter Höhe.
Eine Gestalt stand auf der Galerie, hochgewachsen und schlank, in eine violett-rote Robe gehüllt. Die aschfahle Haut, die sich über das dünne Gesicht mit den hochliegenden Wangenknochen spannte sowie die angespitzten Zähne ließen Lucius nicht Gutes erahnen. "Bei allen verderbten Mächten, was geht denn hier vor sich?", fragte die Gestalt mit honigsüßer, jedoch von purer Falschheit triefender Stimme.
Erneut brüllte der Verschlinger und wollte sich gerade auf Gerhart Thracian stürzen, der ihm am nächsten stand, als der Neuankömmling die Hand hob. "Kringhnarwakrir!"
Sofort, als er das Wort hörte, wurde Lucius übel und er musste Erbrochenes zurückwürgen. Neben ihm übergab sich Honeymoon lautstark. Der Maccabeus-Priester stand ungerührt da, doch auch Granit und Blender sahen fahler aus als normal, und Blut floss aus ihren Ohren.
"Was soll das?! Du hast nur eine Aufgabe, Sklave. Mehre Dich! Kannst Du das mit diesem Mann tun?!", die Hand des Scheltenden wies auf den dunkel tätowierten Soldaten. "Oder mit diesem Einfaltspinsel?!", er wies auf Gerhart.
Der Daemon schnaubte trotzig, und der Hauch eines Kopfschüttelns war zu sehen.
"Dann schnapp Dir die nackte Frau und tu, was Du am Besten tust!", herrschte der Neuankömmling ihn an.
Der Blick der Immateriumskreatur wandte sich gierig suchend nach Cattaleya um, der das Blut in den Adern gefror. Lucius hob schnell die Boltpistole und feuerte erneut eine Salve auf ab, doch diesmal auf die dünne Gestalt des Neuankömmlings.
Die Boltpatronen blieben einfach in der Luft vor ihm stehen und vielen zu Boden. "Oh, bitte. Wie lächerlich." Dann streckte er einen Arm nach Lucius aus und ein violett glühendes Energiegeschoss raste auf den Ex-Arbitrator zu. Lucius warf sich zur Seite, als eine Hitzwelle über ihn hinwegfuhr.

Phos Isand erreichte Immarut, noch immer bewusstlos in dem Schott hängend. Der Blutverlust war bereits substantiell, aber wie der Psioniker kurzerhand feststellete, lebte der Interrogator noch. Vox klemmte seine Finger zwischen das Schott und die Wand und zog. Es bewegte sich keinen Millimeter. Ein Ausschlagen seines Psi-Sinnes ließ ihn sich ducken, direkt bevor eine Wand aus heißer Luft, nach Ozon stinkend, ihn erreichte. Ihm lief die Zeit davon. Ein kurzer Blick auf die Energieklinge in seiner Hand genügte Vox, um eine Entscheidung zu treffen. Kurz klopfte er dem bewusstlosen Immarut auf die Schulter: "Geht nicht anders. Aber sieh's mal so: aller Wahrscheinlichkeit nach bist Du sowieso erledigt." Dann schnitt er.

"Hagelsturm!", rief da der Kampfpriester, der gerade mit einem Knopfdruck sein Kettenschwert wieder in Betrieb nahm, an Granit gewandt.
Der Stammeskrieger nickte und begann die Treppen hinaufzulaufen, wo er seine Ausrüstung hatte liegen lassen.
Der Verschlinger war schon wieder halb bei Cattaleya angelagt, als Gerhart hinzusprang. Auch diesmal verschwendete der Kleriker keine Zeit mit Worten, sondern hieb der Kreatur das Kettenschwert in die Seite. Befriedigend fraßen sich die gegenläufigen Zähne der Kette durch Muskeln, Sehnen und Knochen. Wütend schnellte der Daemon herum, doch der Priester wich seiner gestreckten Hand aus und vollführte eine schnelle Rückhandriposte direkt zwischen die Beine, wo sich das Sägeinstrument tief in sein Gemächt grub.
Die Augen des Verschlingers traten aus den Höhlen und er brüllte vor Schmerzen so laut auf, dass sogar der Pater einen Moment lang geschockt war. Ein mächtiger Hieb der Bestie ließ den Priester niederstürzen, dann zog sich das Monster das Kettenschwert aus dem Leib und fluchte in einer Sprache, die keiner der Akolythen verstand oder kennen wollte.
Noch einmal schoss eine Energiekugel durch den Raum und traf dort auf, wo Pater Thracian gerade gelegen hatte. Die rauchende Gestalt des Kampfpriesters befand sich hustend einige Meter weiter hinten.
Lucius feuerte erneut eine Salve Boltpatronen auf den Verschlinger ab, die ihm tiefe Wunden in die Brust rissen, als weitere Gestalten auftauchten. Ein riesiger Krieger mit zwei Kettenäxten in Händen und dahinter zwei kleinere Gestalten, eine mit einer langen Klinge bewaffnet, die andere mit einem teuflischen Grinsen.
Das werden zu viele. Wir müssen sofort hier raus! Gerade in diesem Moment ertönte erneut ein erbärmlicher Schmerzensschrei und Lucius' Kopf fuhr zu Vox und Immarut herum. Gerade ließ der Telepath eine Klinge fallen, die er anscheinend mitgenommen hatte und Immaruts Körper schlug auf dem Boden auf. Sofort war Isand über ihm. Übelkeit kroch wiederum in Lucius hoch, als er sah, was weiterhin in dem Schott klemmte.
"Tötet diese lächerlichen Wichte, dann suchen wir Varitani!", rief der Riese mit den Kettenäxten.
"Oh, ich bin hier."

Der Satz war leise gesprochen, doch trug die Stimme über allen Lärm, alles Stöhnen, und die Augen aller Anwesenden, sogar die des Daemons richteten sich auf den Sprecher. Oben auf der Galerie, direkt vor dem Eingang zu der Hub-Kammer, stand Inquisitor Varitani, einfach in seinen schwarzen Ledermantel gekleidet, anscheinend unbewaffnet.
Der Verschlinger agierte als erster und brüllte aus voller Kehle, als er zu einem übermenschlichen Sprung ansetzte. Zwei Sätze später stieß er sich ab und schnellte mit ausgebreiteten Klauen auf den Inquisitor zu, der ungerührt stehen blieb. Alles geschah blitzschnell. Direkt vor Varitani blieb der Daemon mitten in der Luft hängen, nicht begreifend, was mit ihm passierte. "In Nomine Suo Te Expello.", sprach Varitani genauso ruhig wie eben und genauso wurde er gehört. Der Verschlinger kreischte auf, als sich sein Körper zu verformen begann und Blasen warf.
Ein Schuß, voll und satt, von zahlreichen Echos gefolgt, war zu hören, und die Warp-Kreatur wurde aus dem Stasefeld und gegen die nächste Wand rechts von Varitani gerissen. Von ihrem Kopf war fast nichts mehr übrig. Mit einem unruhig bebenden Ausatmen verließ die Anspannung den Körper von Cattaleya, als sie ihr Hochleistungsgewehr sinken ließ und sich den Flak-Mantel wieder um ihr geschundenes Selbst schlang.
Bei diesem Startschuss setzte die Bewegung ein. Astrion Malqevis, der Krieger mit den Äxten, sprang auf den Boden hinab, wobei die Kettenmechanismen an beiden Waffen ihre grimmige Arbeit aufnahmen. Seine Augen glühten in Vorfreude und ein durch und durch weißes Lächeln durchdrang seinen dichten, schwarzen Bart. Hrubens Arn ließ beide seiner Klingen einmal in den Händen kreisen, dann griff er an.
Nick Runsit führte das Band mit der Munition in die Ladeöffnung seines schweren Bolters, als er die Stimme von Phos Isand unangenehm direkt in seinem Kopf hörte: "Ich brauche hier mal Hilfe. Der hier ist schwer." Ein Bild, das ihm der Telepath sandte, verriet ihm dessen Position. Vox zerrte gerade den Körper des Interrogators - was davon noch ganz war - in Richtung der Treppen. Die junge Frau mit dem Grinsen, Alrihn, verließ auf der gegenüberliegenden Seite den Abgang und hielt auf ihn zu, während der Jüngling mit der langen Klinge, Tereen, sich dem Redemptionistenpriester zuwandte.
"Verdammt.", brummte Vox, als er seine Widersacherin sah. Da hörte er hinter sich bereits die festen Schritte von Granit. Während der Hühne begann, ihm Immarut abzunehmen und mühelos die Treppe nach oben zu tragen, fing Phos Isand den äußerst lasziven Blick der sehr jungen Frau auf. Der Telepath spürte den Sitz seiner MarkIV-Laspistole in ihrem Halfter und fragte sich, ob er schnell genug sein würde. An seinem Gegenüber war keine Bewaffnung zu erkennen, also wappnete er sich für einen psionischen Angriff.

Varitani schnellte auf Zaabesz zu. Mit einem Zischen verschwand der Hexer, war einfach weg. Ein schrilles Lachen ließ Varitani herumfahren. Zaabesz griff in die Luft und zog einen Stab aus dem Nichts. Er war ebenso lang wie der Chaos-Hexer selbst und widerwärtig anzuschauende Runen glühten rötlich in dem alabasterfarbenen Material. "Wartet nur, Inquisitor, wartet nur. Wenn unser Herr und Meister erst hier ist, werdet Ihr der erste sein, der seinen Stiefel leckt."
Serpentin Varitani hielt nicht viel von Konversationen mit dem Erzfeind und beim Imperator, er hatte es nicht notwendig, sich hier mit diesem verdammenswerten Ketzer Beleidigungen um die Ohren zu werfen. Die Faust des Imperators würde für ihn sprechen.
Als er sich in vollem Lauf näherte, musste er zweimal psionische Angriffe abwehren. Er selbst ließ beide Klingen aus seinen Unterarmen hervorschnellen – bläulich knisterte die Energie über sie hinweg. Den Stab mit der Linken zur Seite fegend, drang die Rechte in den Körper seines Gegenübers, das zu taumeln begann.
Schmerzverzerrt streckte der Chaos-Psioniker im Zurückweichen seine gespreizten Finger nach ihm aus und ein violetter Wirbel fuhr Varitani entgegen. Der Inquisitor musste sich an dem Geländer der Galerie festklammern, um nicht davongeweht zu werden. Er sah abscheuliche Bestien vor seinen Augen, gespensterhafte Finger unzähliger Gliedmaßen, die nach ihm griffen, nach seinem Körper, seiner Seele.

Astrion Malqevis blutete bereits aus mehreren Wunden, doch das störte ihn wenig. Der wuselige Assassine Hrubens Arn war zwar flink, doch würde wohl ein einziger Treffer einer seiner Äxte ausreichen, um diesen Gegner zu zerquetschen. Es war ein guter Kampf und Astrion frohlockte. Er konnte bestimmen, wohin es ging, also drang er wieder und wieder mit wilden Angriffen auf den kleinen Kämpfer vor ihm ein.

"Ich kann in Eure Seele blicken, Gerhart. Ich darf Euch doch Gerhart nennen." Tereens Grinsen hätte täuschen können, wäre nicht zum Ersten die hauchdünne Klinge von doppelter Armeslänge in seiner Rechten gewesen und wäre ihm zum Zweiten nicht ein Schwarzer Priester von Maccabeus gegenüber gestanden.
"Hinfort von mir, Ketzer! Der Schmutz aus Deinem Munde trifft mich nicht!" Dies Irae schnarrte und brummte, als Gerhart es hob. Ich hätte den Flammer mitnehmen sollen.
"Ihr seid kein Kind von Traurigkeit. Ich kann es sehen." Stetig kam Tereen näher. "Es ist in Eurer Seele, in Euch selbst. Ihr seid nicht der, der Ihr zu sein vorgebt. Ich sehe Euch in Eurer Flottenuniform, so wie früher, stets eine Frau an Eurer Seite, das zweitwichtigste nach Eurer Karriere."
Gerhart Thracians Miene war unergründlich, ehern wie stets im Angesicht des Feindes. Er fühlte nichts außer dem Hass auf die Ketzer, die Warp-Anbeter und dem unstillbaren Quell der Zuversicht, welcher der Gewißheit entsprang, Sein Werk zu tun. Er ließ sich nicht ködern.

Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 18. Mai 2013, 11:51:28
Nick Runsit sah die junge Frau auf Vox zugehen und beschleunigte seine Bemühungen. Was war nur mit Immarut geschehen? Seine Arme waren sauber unter der Schulter abgetrennt. Die Wunden sahen halbwegs gut aus, bluteten nicht. Das war wohl das Werk des Psionikers. Der Stammeskrieger hatte die unnatürlichen Heilkünste des Telepathen schon mehrere Male miterlebt, manchmal sogar am eigenen Körper. Sein Interrogator tat ihm leid. Sie hatten nie sehr viel Zeit abseits der Aufträge miteinander verbracht, doch er mochte die ruhige, besonnene Art des Löwen. Er ließ Railoun neben dem Ausgang gegen die Wand sinken, dann bückte er sich, um endlich die Vorbereitungen an seinem Schweren Bolter abzuschließen.

Lucius Frost war noch immer in Deckung, als er die Gestalt von Cattaleya durch die sich verteilenden Kämpfer schlüpfen sah. Er winkte, und sie sah ihn.
"Wo willst Du denn hin?", fragte er relativ laut, um das Geheule der Kettenwaffen zu durchdringen. Der Gestank nach Ozon war mittlerweile fast unerträglich geworden und die Temperatur war soweit gesunken, dass sich fleckenweise Eis auf den metallischen Oberflächen gebildet hatte.
Cattaleya blickte ihn rotäugig an. "Ich - ich muss zu Immarut. Er ist..." Tränen rannen ihre Wangen herab. "verletzt oder tot. Ich weiß es nicht...", schluchzte sie, riß sich aber sofort zusammen.
Lucius nickte und zog sie an sich, ganz nah. Dann sprach er direkt in ihr Ohr. "Ich habe Isand zu ihm geschickt. Wenn er noch gelebt hat, dann hat er ihn sicher gerettet."
Sie nickte.
"Komm, ich begleitet Dich. Wir müssen zum Ausgang."

Der Strom aus alptraumhaften Warp-Illusionen verebbte und Varitani blickte vollkommen zerzaust, mit eingefallenen Wangen und dunklen Ringen unter den Augen - so als hätte er tagelang nicht geschlafen und gegessen in das Gesicht seines Widersachers. Velfur Zaabesz selbst war auch nicht ungeschoren davongekommen. Er schien erschöpft, Schweiß stand auf seiner Stirn, und er keuchte.
Gegen den Schmerz fast stocksteifer Glieder zornig ankämpfend stieß sich der Inquisitor mit einem tiefen Grollen gegen den Hexer und versetzte ihm zwei harte Hiebe, von denen Zaabesz einen blocken konnte. Der zweite drang in sein Fleisch. "Nun richte ich Dich in Seinem Namen.", sagte Varitani mit wackliger Stimme und zog seinen Schicksalsbringer. Als Begleitung zu seinem Richtspruch hatte Nick Runsit wie als Salut eine Salve aus seinem Schweren Bolter abgegeben. Varitani lächelte innerlich. Als er auf Zaabesz anlegte, erscholl auf einmal ein gellender Schmerzensschrei, und kurz darauf erfüllte ein starker Verwesungsgeruch den Raum.

"Mache ich Dich geil, Phos? Ist es das, was Du willst?", fragte Alrihn, während sie ihr ohnehin schon wenig verbergendes Oberteil ganz zur Seite schob und ihre Brüste entblöste.
Vox leckte sich die Lippen. Er war sich nicht sicher, ob es nicht vollkommen krank war, in dieser Situation wirklich Lust zu empfinden, aber er konnte eine gewisse Schwellung zwischen seinen Beinen nicht leugnen. "Hm.", brummte er. Aus dem Augenwinkel sah er Cattaleya und Lucius zwischen den Kombatanten und den Maschinen herumhuschen. "Also ich muss ehrlich sagen, Du bist nicht so mein Typ." Seine Hand streckte sich in Richtung von Cattaleya aus und er konzentrierte sich.

Granit hatte sich die schwere Waffe umgeschnallt und suchte nach einem isolierten Ziel. Da vernahm er die Stimme des Telepathen in seinem Kopf: "Gib mir noch fünf Sekunden, dann schieß aus vollem Rohr auf mich und nagle diese Schlampe so richtig gegen die Wand." Nick Runsit zog eine Augenbraue hoch. Klang unvernünftig, aber er würde sich keine Gelegenheit entgehen lassen, auf den kleinen Glatzkopf mit der unangenehmen Stimme zu schießen.

"Sie hingegen ist schon eher mein Fall." Vox grinste.
"Ach ja?!" Alrihns Lächeln war gefroren. Sie hatte ihn schon fast erreicht. Plötzlich hechtete sie nach vorne und griff mit ihren Armen nach dem widerlichen Glatzkopf. Sie würde ihn augenblicklich zerreissen. Voller Vorfreude über das bevorstehende Bad im Blut des Psionikers fassten ihre Hände ins Leere.
Donnernd entlud Chnishnit liutstam Hrun'Sith eine volle Salve aus zehn Boltpatronen direkt auf den Rücken von Phos Isand. Alrihn wurde von fünf der Geschosse getroffen und löste sich in ihre Einzelteile auf. Dabei schluckten sowohl die Explosionen der Patronen als auch der restliche Kampflärm die meisten Begleitgeräusche. Als Granit sein Werk mit einem Nicken zur Kenntnis nahm, entdeckte er die am Boden oberhalb der Treppe zusammengekauerte Gestalt von Phos Isand, der sich die Hände vor die Ohren hielt und die Augen zusammengepresst hatte.

Gerhart hatte selten gegen einen so schnellen Gegner gekämpft. Furiös sauste sein Kettenschwert hierhin und dorthin, doch sein Gegenüber wich allen Angriffen anscheinend mühelos aus. Der Priester hatte seinerseits schon einige Schläge der dünnen Klinge pariert, die viel stabiler war, als sie zu sein schien.
Das wohlbekannte Poltern von Granits Lieblingswaffe durchbrach ihren Reigen, und Tereen riß auf einmal den Kopf herum, ein schmerzgeplagter Ausdruck auf seinen Zügen. Er blickte zu dem Treppenaufgang und sah noch die letzten Explosionen, zwischen denen sich seine geliebte Zwillingsschwester auflöste. "Aaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhh!", entfuhr es der Kehle des Jungen und er lief los. Als Gerhart nachsetzen wollte, übermannte ihn fast die Übelkeit, so widerlich war der Gestank nach Tod, der wie in Wellen über ihn brandete.

Lucius riss Cattaleya zu Boden, als Granit sein Feuerwerk startete und sich die junge Frau, die gerade direkt vor Phos Isand ihren Busen entblöst und dann auf den scheinbar gelähmten Psioniker, der unerklärlicherweise in die Richtung von Cattaleya wies, gestürzt hatte, in einer Wolke auf Blut und explodierenden Körperteilen auflöste. In dem Moment dachte Lucius, dass Vox tot war und biss seine Kiefer hart zusammen.
Der Schrei von Tereen ließ ihn hochfahren. Der Zwilling startete einen Lauf in Richtung seiner Schwester, wich den Klingen von Blender aus, der gerade wild auf Astrion Malqevis einhieb und war dabei, sich an Lucius' und Honeymoons Position vorbeizubewegen. Lucius stand auf, riss die Boltpistole hoch und schoss. Tereens Arm zuckte nach oben; er hiebt die erste Patrone in vollem Lauf entzwei, der zweiten wich er aus. Dann kam der Gegenangriff. Mit wutverzerrter Visage hieb er nach Lucius.
Der Ex-Arbitrator stolperte nach hinten, seine Augen erstaunt aufgerissen. Er hatte den Schwertstreich kaum gesehen. Sofort merkte er, dass man ihn erwischt hatte. Wie der Blitz sauste die Klinge erneut herunter, doch Vaniryl schob sich dazwischen, und Frost starrte eine Sekunde lang auf die Klinge VanSovreans, bis er wie in Trance seine Waffe hob und eine Salve abgab. Tereens Knie brach nach hinten durch, als die Explosion Fleisch und Knochen knapp darüber pulverisierte, und sein Schwertarm mit der Klinge wirbelte zu Boden. Blut schoß sowohl aus dem Amputat als auch aus dem zerfetzten Stumpf. "Komm!", rief Cattaleya und packte den Ex-Arbitrator bei den Schultern. Nun war sie es, die ihn weiter zerrte. In ihrer anderen Hand lag das Heft von Vaniryl. Die Schwesternklinge befand sich unter ihrem Arm.

Niemand hatte ihn kommen sehen. Es war immer so. Seine Anwesenheit wurde meistens erst bemerkt, wenn andere Personen etwas vermissten und nach einem Ort suchten, wohin das Vermisste verschwunden sein könnte oder nach einem Grund, warum es nicht mehr da war - Schönheit, Jugend, Gesundheit, Leben. Alle diese Dinge nahm er an sich. Es war wohl so, dass man wollte, was man selbst nicht hatte. Er war Anathema zu allen diesen Dingen.
Seine Robe war deutlich vom Zerfall gezeichnet, durchsetzt mit Schimmel. Fliegen umkreisten seine Gestalt; dicke, schwarze Fleischfliegen. Als er sich gegen den Türstock stützte, um einen Hustenanfall zu überstehen, blätterte der Rost in dicken Flocken ab, fraß sich regelrecht in das Metall. Vor ihm war pures Chaos, als sich die beiden Fraktionen bis aufs Blut bekämpften. Nun ja, nicht pures Chaos, aber zumindest Chaos. Er kannte pures Chaos und wusste, dass keine Eindrücke dieser materiellen Existenz diesen Begriff verdienten.
Der Fremde hatte den Tod des Verschlingers als ein Ziehen nach dem Immaterium verspürt, einen Aufschrei jenseits der Vorhänge, welche diese materielle Welt mit einer Illusion von Ordnung vor den ewig wabernden Strudeln des Empyreums unterhielten. Er hatte wenig Aufregung von Seiten seines Herrn aufgenommen. Die Ankunft der verdammten imperialen Flotte hatte dem ursprünglichen, so lange vorbereiteten Plan bereits einen fast unüberwindlichen Riegel vorgeschoben. Es galt nun zu retten, was zu retten war. In dem ersten Plan wäre der Tod des Verschlingers ein herber Rückschlag gewesen. Nun verblasste er, war vollkommen insignifikant. Natürlich durfte diesem Varitani nicht erlaubt werden, weiter ungehindert seinen Geschäften nachzugehen, die - wie auch immer geartet - anscheinend bedeutsam genug waren, um einen umfassenden Militärschlag vorläufig noch zu verhindern.
Viele seiner Millionen Augen sahen, wie Alrihn vom Feuer eines Schweren Bolters zerrissen wurde, und es rührte ihn wenig. Sie sahen auch, wie Tereen stürzte, und fast hätte er gelächelt - wenn er etwas Derartiges denn nur könnte. Die Zwillinge waren niemals seine Lieblinge gewesen. Was seinen Herren dazu bewogen hatte, sich ihrer zu bedienen, lag jenseits seines Verständnisses.
Er sah zur gleichen Zeit, dass sich Astrion Malqevis sehr gut hielt und das gegen einen Gegner, der ihm nach der Einschätzung des Fremden eigentlich überlegen war - ein flinker Assassine mit Schwertern. Zwar war der Fremde ein Freund chirurgischer Arbeit, wusste jedoch auch den Mut, die Entschlossenheit und sogar die taktische Intelligenz des Berserkers zu schätzen. Es stimmte schon, dass Wildheit sich häufig von ihrer abstoßenden Seite zeigte, wenn man ihn gewähren ließ, doch wer war er, der Fremde, dass er sich über etwas Abstoßendes beschwerte? Die ständigen Überheblichkeiten von Velfur Zaabesz gaben ihm nichts. Alleine die Tatsache, dass Malqevis sehr wohl davon wusste, sich aber rein gar nichts daraus machte, dass ihm Beleidigungen an sich nichts auszumachen schienen, fand der Fremde beeindruckend. Malqevis war nicht auf die Meinung anderer angewiesen. Wenn man ihm Zeit gab, würde aus dem Krieger ein starker Kämpe für die Sache des Chaos werden.
Er sah dies alles und fand es zufriedenstellend, doch als sich der Wirbel des saugenden Warp-Strudels legte, den Zaabesz über Varitani gelegt hatte, dieser entgegen aller Wahrscheinlichkeit noch Leben in sich trug und den Chaos-Hexer nun richten wollte, da fand der Fremde, dass es Zeit war. Seine Roben glitten zu Boden und der betäubend widerliche Geruch von pestilentem Miasma zog durch die Räume.

Dem Gestank folgte augenblicklich ein tiefes, durch Haut und Knochen gehendes Summen, das alle Oberflächen in Vibrationen versetzte. Eine dunkle Wolke auf fetten, schwarzen Fliegen verteilte sich und zog in Richtung von Inquisitor Varitani, der zögerte. Das reichte Zaabesz. Als der Schicksalsbringer seine Botschaft auf den Weg sandte und der Hexer eigentlich hätte tot sein müssen, waren bereits wieder Frost und Eis auf allen Flächen im Umkreis aufgezogen, und die Kugel stand vor seinem Kopf still. Varitani sog die Luft ein.
Velfur Zaabesz, hundertfach gesalbt im Blute Unschuldiger, hob ruhig einen Finger. Der violette Herzblutstrahl fuhr geräuschlos durch die Brust des Inquisitors, der ihn mit offenen Augen anstarrte. Zaabesz' Lippen teilten sich und entblößten seine gespitzten Zähne. Dann machte er eine schnelle Handbewegung und wischte den Inquisitor wie eine Marionette von der Galerie. Als Varitani aufschlug, stürzten sich die Fliegen auf ihn.

Mächtiges Kriegsgeheul in einer allen Anwesenden unbekannten Sprache tönte fast sofort vom anderen Ende der Galerie herüber, einem regelrechten Sturmfeuer aus Boltpatronen voraneilend. Zaabesz kreischte auf und teleportierte sich im letzten Augenblick in den Eingangsbereich, dorthin, wo gerade noch der Fremde gestanden hatte, der sich nun an Varitani labte.

Hrubens Arn verdoppelte seine Schlaggeschwindigkeit, auch wenn er sich darüber klar war, dass er dieses Tempo vielleicht nur noch wenige Sekunden würde halten können, so sehr brannten seine strapazierten Muskeln. Er hatte seinen Inquisitor stürzten sehen und gleich welcher Art auch immer Unstimmigkeiten zwischen ihnen gewesen waren, er wusste um den Wert, den ihm Varitani beimaß und die Vorstellung, dass dieser Mann stürzte, passte nicht.
Astrion Malqevis parierte. Er parierte alles. Das weiße Grinsen zwischen den dichten, schwarzen Haaren seines Bartes wurde breiter, auch wenn ihm der Schweiß mehr als deutlich auf der Stirn stand. Mit wirbelnden Kettenäxten verlangte er dem Assassinen alles ab, und dieser ihm. Auf einmal knickte er ein. Die dunkle Gestalt des Maccabeus-Priesters löste sich gerade aus einer Drehung hinter ihm. Der Pater war einem Rückhandschlag ausgewichen, der - obgleich nicht gegen ihn gerichtet - ihm den Schädel gespalten hätte, und hatte dem Krieger von hinten sein Kettenschwert in die Kniekehle getrieben. Das linke Bein von Astrion Malqevis wurde nur noch von Haut und Sehnen zusammengehalten. Der Berserker brüllte auf, mehr vor Wut und Enttäuschung als vor Schmerz. Blenders Klingen drangen in seine Brust.

Kommentarlos eilte der Redemptionist weiter, hatte nur im Vorbeigehen den mächtigen Kämpen gefällt, um dieser Situation endlich die Wendung zu geben, derer sie bedurfte. Sie hatten schrecklich gelitten. Einzelne Gedanken gingen bereits in Richung von Cattaleya, deren Beinahe-Schicksal sich der Priester nicht einmal vorstellen wollte. Wir alle büßen auf unsere eigene Art.
Doch der Großteil seiner Konzentration war darauf gerichtet, die Besorgnis um den gefallenen Inquisitor seine Überzeugung nicht beeinträchtigen zu lassen. Wenn Varitani tot war, dann würde ein Anderer führen, aber er wollte verdammt sein, wenn er ihn einfach so aufgab. Ein beschleunigte seinen Gang zu einem Sturmlauf und hieb mit dem Kettenschwert nach dem Fliegenschwarm, sich erneut seinen Flammer herbeiwünschend. Er sah den zuckenden Körper seines Inquisitors, über und über von Fliegen bedeckt. Plötzlich lief eine Energiewelle durch den Raum, Gerhart wurde zurück geworfen und stieß mit dem Kopf gegen ein Stück Metall.

Cattaleya konnte Lucius nicht stützen, als die Druckwelle sie erreichte. Sie sackten gegen die Treppe. Lucius war zu schwach, um viel zu unternehmen, doch die Adelige schob sich nach vorne, griff nach dem Geländer und zog sich nach oben. Ihre Augenbrauen glitten nach oben, als sie eine leuchtende Form inmitten eines Schwarmes aus irgendwelchen Insekten sah. Die Gestalt strahlte golden und schien von gleißenden Schwingen getragen zu werden. Hätte die Dunkelheit des Schwarms die Intensität des Lichts nicht etwas gedämpft, Cattaleya hatte nicht hinsehen können.

Das ohnehin sehr laute Brummen der Fliegen verstärkte sich weiter, als sie von Varitani weggetrieben wurden. Aus allen Ecken des Raumes drang auf einmal eine Stimme, so kalt, tiefdunkel und furchtbar, dass aller Mut in den Akolythen sank, als sie schmerzerfüllt rief: "VÄÄÄTEEERCHEEEN!"

Manifeste Dunkelheit sickerte wie eine Flüssigkeit aus dem Nichts heran und konzentrierte sich auf Varitani. Seine strahlende Form verblasste langsam und er sank zu Boden. Noch immer waren die Fliegen nicht über ihm, gehalten von seiner Aura. Mit vor Entschlossenheit mahlenden Kiefern durchbrach der bulkige Leib des Schwarzen Priesters endlich den Schwarm und packte die leblose Gestalt des Inquisitors unter den Armen. "Imperator!", rief er, während er den Leib Varitanis in Richtung der Treppe schleifte. "Imperator! Gib' mir Kraft!"

Von hinten näherte sich eine Gestalt. Gerhart ließ Varitani fallen und wandte sich ruckartig um.
"Ich bin zwar nicht der Imperator, aber ich kann Ihnen auch helfen, Pater.", sagte Blender trocken und griff nach Varitani.
Anerkennend schloß sich die Hand des Priesters um seine Schulter. "Bringt Ihn raus!"

Cattaleya sah Hruben Arn, wie er Varitani in ihre Richtung schleppte. Sie blickte zu Frost hinunter. Die Hautfarbe ihres Freundes hatte bedenklich ins Gräuliche gewechselt und sein Hemd war blutgetränkt. Plötzlich griff eine Hand nach ihm. Cattaleya bleckte die Zähne und hob den Schwertarm, als sie Vox erkannte. Er stand - sich von der Wand hinter ihm kaum abhebend - direkt über ihr und blickte mit großen Augen auf ihren entblößten Oberkörper. Nur die Tatsache, dass er eigentlich hatte Lucius helfen wollen, ließ sie ihren Arm statt zu einem Schlag gegen ihn dazu verwenden, den Flakumhang des Ex-Arbitratoren wieder enger um sich zu ziehen. "Hilf ihm lieber, Du Schwein.", zischte sie und blitzte ihn an. "Und halt Deinen Mund!"
Vox schluckte. Er hatte gar nicht vorgehabt... Ach, egal. Es interessierte ihn nicht wirklich, was sie von ihm dachte, und die Erinnerung an den Anblick der gleichmäßigen Rundungen ihrer wohlgeformten Brüste mit den zartbraunen Brustwarzen würde ihm noch viele schöne Stunden bescheren.
Er verzog den Mund, berührte dann Lucius und griff ins Immaterium. Nach wenigen Momenten waren die Wunden von Lucius unter Stöhnen geschlossen oder zumindest soweit versorgt, dass er sich bewegen konnte und nicht weiter solche gefährlichen Mengen an Blut verlieren würde. Vox und Cattaleya stützten ihn. Vor ihnen stand noch immer breitbeinig Granit und entlud Salve auf Salve aus seinem Schweren Bolter in Richtung des hektisch ausweichenden Chaos-Hexers. Manchmal schaffte er es, einige Bolzen vor sich zu stoppen, doch meistens war er damit beschäftigt, Deckung zu suchen. Es hätte Lucius nicht gewundert, wenn jeden Moment alles zusammengebrochen wäre und er dachte schmerzerfüllt daran, dass er selbst so vorsichtig mit seiner Munition umgegangen war und keine einzige Patrone verschwendet hatte.

Ein gequälter, kurzer Schrei entfuhr der Kehle von Cataleya VanSovrean, als sie den unbeweglichen Körper von Immarut Railoun vor sich liegen sah. Sie ließ Lucius los und eilte zu ihm. Phos Isand schnaufte, als er auf einmal das Gewicht mit übernehmen musste, das bisher die Diebin getragen hatte. "Vergiß ihn! Er ist tot!", rief Vox. "Ich kann den Cop hier kaum tragen, geschweige denn ihn! Und Du sicher auch nicht, sie Dir an, wie Du aussiehst!"
Wut brannte in Cattaleyas Gesicht. Sie streichelte einmal über Immaruts kühle Wange, dann lief sie zu Granit.
"Chnishnit!", rief sie und wo Wasser gegen ihn gebrandet wäre wie gegen einen Fels, wo keine Macht des Feindes ihn nach dem Sturz seines Inquisitors dazu hätten bewegen können, seine Waffe zum Verstummen zu bringen, bevor nicht alle Munition verschossen war, schaffte es ein Wort aus ihrem Munde und eine zarte Berührung ihrer Hand auf seinem muskulösen, dunklen Arm. Sein Name. Er sah sie an, ihr Blick ging zu Immarut und er verstand. Der Bolter krachte zu Boden, als er sich den Rucksack abschnallte und zu dem Interrogator hinübereilte.
Der Telepath hatte es schwitzend und innerlich fluchend geschafft, Frost durch das Schott zu ziehen, das den Ausgang darstellte. Frost hustete und sah ihn an. "Danke, Vox." Isand meckerte etwas von "keine Rückendeckung mehr", sagte aber nichts Verständliches. Frosts Stirn legte sich in Falten. "Helfen Sie mir, Phos! Ich muss zu diesem Panel! Das Schott!" Vox griff erneut zu und half Lucius auf die Beine. Der Ex-Arbitrator zog eine Datentafel, eine Energiezelle und ein Verbindungskabel hervor und machte sich an der Stromversorgung des Schotts zu schaffen.

Blender zitterte am ganzen Körper. Er spürte seine Arme schon lange nur mehr wie brennend pulsierende, ansonsten aber gefühllose Fortsätze und fragte sich, warum seine Finger sich noch nicht geöffnet hatten. In seinen Mantel verkrallt zog er Varitani die Treppen nach oben. Vor sich sah er den Kampfpriester, der sich mit erhobenem Kettenschwert der Dunkelheit entgegenstellte, die sich - alles verschlingend - vom Zentrum des Raumes aus immer weiter ausbreitete. Erst als sie Thracian fast erreicht hatte, wich dieser zurück.
"Ihr seid nicht schnell genug.", sagte der Priester hastig, als er auf ihn zugelaufen kam. "Los!" Mit diesen Worten packte er mit an und zog Varitani fast im Alleingang den restlichen Weg bis fast zum Schott.
Hrubens Arn musste all seinen Willen aufbringen, um, momentan von der Notwendigkeit befreit, die schwere Last alleine zu bewältigen, nicht auf der Stelle zusammenzubrechen. Doch der Priester hatte nicht vor, ihn komplett aus dem Spiel zu nehmen. "Raus jetzt! Sofort!", brüllte er ihn an und mobilisierte damit alle letzten Kräfte, die in dem drahtigen Körper steckten. Vor Anstrengung fast schreiend zerrte Blender Varitanis Körper weiter.

Die Dunkelheit nahm vor Gerhart Gestalt an. "Auf die Knie, Hund!", dröhnte es. Der Kleriker war sich sicher, dass es keine Sprache war, die er vernommen hatte, keine wirklichen Worte. Er war sich vielmehr dessen bewusst, was ihm die Dunkelheit mitteilen wollte.
"Was bist Du?!", rief er, während ihn fauliger Wind umtoste.
"Ich - bin - Dir - fremd."

"Pater!", rief Blender vom Schott aus. Granit hatte ihn von seiner Last befreit, und der Assassine hatte sich umgewandt. "Pater! Kommen Sie!" Auch er wurde von dem üblen Sturm gebeutelt, seine Worte verstand er selbst kaum.
"Mein Herr, wenn meine Standhaftigkeit hier zum Fall dieser verderbten Welt führt und damit zu der Rettung von Milliarden, so gib, dass meine Sünden getilgt sein mögen und leite mich an Deine Seite!", betete Gerhart. "Der Imperator beschützt!"

"Komm!" Granit packte Blender unter den Schultern und zerrte ihn durch das Schott.
"Jetzt!", rief Phos Isand und klopfte Lucius auf die Schulter. Der Ex-Arbitrator stellte die letzte Verbindung her und das Schott krachte mit einem endgültigen "Bamm" zu. Der unnatürliche Sturm war nur mehr entfernt zu hören.
"Jetzt nichts wie raus hier." Frost hustete und sah zu Granit. "Können Sie Railoun und den Inquisitor tragen?"
Nick Runsit nickte düster.
"Dann los."
Die Gruppe setzte sich humpelnd und geprügelt in Bewegung. Blender wandte sich um und blickte auf das Schott zurück. Eine Hand legte sich auf seinen Arm. "Es ist furchtbar, nicht wahr?", fragte Frost traurig.
Arns Augen waren starr und kalt, unfähig, Tränen zu vergießen. "Er lebt noch.", gab er heiser zurück. "Er lebt noch."
Der Griff um seine Schulter festigte sich. "Haben Sie noch Kraft?"
Leben kehrte in die Augen des Assassinen zurück und er sah zu seinem Kollegen auf.
"Hier.", sagte Lucius und zeigte ihm die Datentafel.
Sofort erkannte Hrubens Arn den Plan der Anlage, dieses Traktes, dieses Gangs. "Dieser Lüftungsschacht..." Ein schwaches Lächeln zog auf das Gesicht des Meuchelmörders.
"Wir treffen uns hier." Lucius markierte eine Stelle. "Ich weiß nicht, wie lange wir warten können."
Blender nickte. "Wir werden da sein, Frost. Verlassen Sie sich drauf."
"Dann schulde ich Ihnen was, Hrubens."
"Ach was.", murmelte der Assassine, als er sich an einer Abdeckung zu schaffen machte. "Pater, ich komme.“
Titel: Aller Gnaden Ende
Beitrag von: Arden Etklint Kleist am 21. Mai 2013, 18:50:39
13 - Taumelnd fliehen

Es war totenstill in den Raum. Niemand bewegte sich. Nicht einmal Atemgeräusche waren zu hören. Allen Anwesenden waren die Anstrengungen der letzten Tage und vor allem Stunden ins Gesicht geschrieben. Es waren traurige oder zumindest ernste Gesichter, Menschen gehörend, die freudlos ins Leere starrend das aufzuarbeiten suchten, was ihre Seelen so zerrüttet hatte.
Manchmal wurde Frost noch übel. Ganz spontan. Er kämpfte dagegen an, wollte sich nicht so miserabel fühlen. Er war jetzt ihr Anführer. Varitani war phasenweise bei Bewusstsein, doch machte nur wenig von dem, was er von sich gab, Sinn. Immarut Railoun war zwar soweit stabil, aber auch keinesfalls dazu geeignet, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Noch war niemand gestorben, das stimmte schon, aber seltsamerweise erschienen dem Ex-Arbitrator die Erinnerungen an den Verlust von Rikkard Horlant irgendwie stumpf zu sein im Vergleich zu den Eindrücken der letzten Stunden. In einem Teil seines Bewusstseins war ihm natürlich klar, dass er sich wie alle anderen auch in einem schweren Schockzustand befand. Emotionen waren reduziert, fast so, als blendete man sie alle aus, da doch nur der Schmerz vorherrschend sein würde, zöge man den Schleier zurück.
Ohne seinen stierenden Blick zu verändern griff Lucius nach seiner Schachtel Lho-Stäbchen. Sie war leer. Schon seit Tagen war sie leer. Warum hatte er das vergessen? Doch er fand etwas anderes in seiner Tasche: ein Stück Papier. Er faltete es auf und las den Satz:

Ich vertraue darauf, dass Du das Richtige tust. Ich liebe Dich.
Elena


Tränen stiegen in sein Blickfeld, und er erhob sich seufzend, um sich abzuwenden. Er durfte auf keinen Fall solch eine Schwäche zeigen. Er war die einzige Stärke, die sie noch hatten, solange Gerhart nicht erwachte. Varitani, Railoun, Thracian; drei Mann darnieder. Honeymoon ging es äußerlich den Umständen entsprechend gut, aber er wollte gar nicht daran denken, wie zerschunden vor allem sie innerlich sein musste.
Er merkte, dass Hrubens Arn ihn anblickte. Frost musste zugeben, dass er Blender in einem anderen Licht sah. Er kannte die Details seiner Rettungsaktion nicht, doch hatte der Assassine zur Abwechslung einmal ein Leben gerettet und zwar das von Pater Gerhart Thracian. Woher dieser plötzliche Anfall von Heldenmut gekommen war, wusste Frost nicht, doch er war so froh darüber gewesen, wie er das zurzeit konnte. "Ich sehe einmal nach unseren Patienten.", sagte er heiser und räusperte sich.
Runsit und Arn brummten zustimmend, Isand war still. Lucius verließ den dämmrigen Raum durch die einfache Holztüre hinten. Draußen tobte der Sturmwind. Es war eisig kalt im Gebirge, doch in dem alten Hotel hatten sie es halbwegs gemütlich. Für den Sturm waren alle dankbar, denn er bot ihnen einen gewissen Schutz. So abgelegen und isoliert von aller Zivilisation war dieser Teil von Xeiros Prime, dass man hier noch gar nicht viel von der Blockade mitbekommen hatte. Auch Nahrung für Außenweltler war vorhanden.
Die Bohlen des Holzbodens knarrten unter den Schritten des Ermittlers. Seinem Gangbild sah man die Strapazen der letzten Zeit genauso an wie seinem Gesicht, dass er manchmal unter Schmerzen verzog.
Sie waren die einzigen Gäste, die um diese Jahreszeit in dem Hotel eingekehrt waren und so stand ihnen das gesamte erste Stockwerk zur freien Verfügung. Sachte drückte er die erste Türe auf der linken Seite auf. Klamme, drückende Luft schlug ihm entgegen, den Geruch von Krankheit mit sich bringend. Die blassen Überbleibsel des Mannes, der einmal Serpentin Varitani in all seiner Glorie gewesen war, lagen ausgemergelt, knochig und zitternd auf der einzigen Bettstatt des Raumes. Ein schmuckloser Raum war es. Den einfachen Tisch zierte noch immer der Versuch ihrer Gastgeberin, die Atmosphäre etwas aufzuhellen: zartviolette, bereits verwelkende Blümchen - Wintergarde genannt.
Lucius hob die Hand vor seinen Mund und näherte sich der Figur. Der Gestank intensivierte sich, je weiter er sich dem Kranken näherte. Breite, von Lymphflüssigkeit leicht geblich gefärbte Bandagen bedeckten große Teile von Varitanis Körper. Bilder der Momente nach ihrer Flucht aus jener Höllenkammer unter Juunosé tauchten in Lucius' Verstand auf:

"Sie sind in mir!", hatte Varitani gekreischt, so wie es noch nie jemand von ihm gehört hatte. Die Gruppe hatte Halt gemacht und zögernde Blicke ausgetauscht. Varitani hatte sich gewunden und begonnen, bebend an seinen Kleidern zu zerren. "Sie sind in mir!" Seine Finger hatten sich in sein Fleisch gegraben.
"So hilf ihm doch jemand!", hatte Honeymoon gerufen, noch immer nur den Flak-Umhang um die Schultern geworfen, mit Blut und Speichel des Verschlingers bespritzt.
Frost und Isand hatten den zu Boden gegangenen Inquisitor von seiner Rüstung und Kleidung befreit und die Formen gesehen, die sich unter seiner Haut hin und her geschoben hatten.
"Sie sind in mir drin! Holt sie raus! Lucius, holen Sie sie raus!"
"Aber wie denn?!", hatte der Ex-Arbitrator gerufen. "Wie denn?!"
"Egal! Schneiden Sie sie raus!", war die Antwort des sich herumwerfenden Varitani gewesen.
Mit Angstschweiß auf der Stirn hatte Lucius sein Messer gezogen und es an Varitanis Oberarm gesetzt. Dann hatte er Vox angesehen, auf irgendeine Art Hilfe hoffend. Doch der hatte ihn nur angeblufft: "Na los!"
Und Lucius hatte es getan.

Langsam gewöhnte er sich an den Geruch. Das war jedes Mal so, wenn er alle halben Stunden nach Varitani sah. Er kniete neben dem Bett nieder und legte seinem Inquisitor die Hand auf die Stirn. Sie war glühend heiß. Ein Stöhnen drang zwischen den dünnen Lippen hervor, das rhythmische Rasseln seines Atems unterbrechend, und zitternd kämpften die Augenlider darum, aufzuschlagen. Blinzelnd neigte der ausgemergelte Inquisitor den Kopf und blickte Frost aus eingefallenen Augen an. Er hustete und etwas blutiger Speichel spritzte auf seine Lippen und seine Decke.
Lucius griff nach einem Tuch, das neben einer Waschschüssel lag, die mit trübem Wasser gefüllt war, und wischte behutsam die Flecken weg, so gut es eben ging.
Brummend und mit einem weiteren Husten stimmte Varitani an: "Erinnern Sie sich noch, als ich Ihnen auf Scintilla gesagt habe, dass dies mein letzter Einsatz wird?"
Falten zogen auf die Stirn des Ex-Arbitrators. Er hatte ein hervorragendes Gedächtnis, und dieses Gespräch hatte es nicht gegeben. "Ich..."
"Es sieht so aus, als hätte ich Recht behalten, was, Immarut?" Leicht hoben sich die Mundwinkel Varitanis, während der Mut in Lucius sank.
"Die Chancen, diese Welt wieder zu verlassen, standen ja von Anfang an schlecht.", entgegnete der Ex-Arbitrator möglichst diplomatisch.
Varitani nickte schwach. "Aber sagen Sie, haben Sie die Daten schon ausgewertet? Wir können noch weitermachen. Wir können noch bestehen." Erneut hustete er. "Sie können noch bestehen. Sie sind mein Interrogator. Man wird sie extrahieren, wenn Sie Erfolg haben."
Es war nicht mehr sinnvoll zu antworten, denn die Augen Varitanis hatten sich nach diesem schwachen Flüstern wieder zu ihren unruhigen Zuckungen geschlossen, und sein Mund formte lediglich leere Schatten ohne jeden Hall, bis auch er nach wenigen Augenblicken nur noch zitterte. Frost erhob sich und nahm die Schüssel von dem Nachttisch. Er goß das alte Wasser weg und holte frisches, dann breitete er ein kühles Tuch über die Stirn des Kranken, dessen Atem sich beruhigte, während er wieder einschlief.

"Irgendeine Veränderung?"
Die Frage von Phos Isand traf ihn, als er noch nicht einmal die Türe zum Gemach des Inquisitors geschlossen hatte. Frost wandte sich zu dem hinter ihm stehenden Telepathen um und schüttelte resigniert den Kopf. "Hohes Fieber."
"Hm.", brummte Vox. "Wie sieht Ihr Plan aus, Frost?"
"Mein Plan?" Bitter war das Lächeln, das auf den Zügen des Ermittlers erschien. "Er will, dass wir weitermachen."
"Was geben denn die Daten genau her?" Der Psioniker strich sich mit der Hand über die Glatze, dann über seinen dunklen Kinnbart.
"Die Daten sind zum größten Teil stark verschlüsselt. Sie weisen aber auf eine weitere Einrichtung hin."
Isand seufzte hörbar. "Schon wieder? Wieviele Labors hatte denn Chemistro Frangh?"
Lucius schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Nicht Chemistro Frangh. Eine Einrichtung des Adeptus Terra. Sie scheint in keinerlei offiziellen Berichten auf; es gibt allerdings Logbücher in den Dateien, die wir entschlüsseln konnten, die über zehn Jahre alt sind."
Die Augenbrauen Isands wanderten nach oben. "Oho. Und wo ist denn diese Einrichtung?"
Lucius verzog den Mund. "Unter dem Boden des Ozeans."
Vox nickte. "Die Anderen werden begeistert sein."
"Allerdings. Warum sagen Sie "die Anderen"? Macht es Ihnen denn nichts aus, Phos?"
Isand schüttelte den Kopf. "Nein. Mir macht es was aus, hier auf dieser Welt zu sitzen und die Virusbomben über mir wartend zu wissen. Ich sehe ein, dass das, was wir hier tun sollen, wichtig ist und daher will ich es zu Ende gebracht sehen. Wir sollten also damit fortfahren und von hier verschwinden."
"Das sehe ich grundsätzlich auch so. Ich muss auch sagen, dass es mir Zuversicht gibt, dass Sie allem Anschein nach so gut damit fertig werden, was passiert. Ich kann einen klaren Kopf gebrauchen."
Bei diesen Worten tippte sich der Psioniker gegen seine Schläfe und grinste wölfisch.
"Allerdings", fuhr Frost fort, "sehe ich auch, dass unsere Verletzten nicht wirklich transportfähig sind."
"Auch darin sind wir uns also einig. Ein Wunder, gepriesen sei der Imperator.", sagte Vox mit einem Lächeln in der Stimme. "Und ich dachte, da würden wir Probleme miteinander bekommen."
Etwas in Frost sagte ihm, dass er jetzt vorsichtig sein musste. "Was - meinen Sie?"
"Na ist doch klar. Wir müssen weitermachen, so schnell wie möglich. Die Beiden sind nicht transportfähig, also..."
Er will sie zurücklassen... Das erste Gefühl, das in Lucius aufstieg, war natürlich Ekel und Ablehnung, doch er zeigte das nicht, sondern gab seinem analytischen Verstand Zeit, diese Argumentation zu bewerten. Er durfte sich nicht leichtfertig gegen den Psioniker stellen, das war ihm klar. Isand war als einziger körperlich und allem Anschein nach auch psychisch unbeschadet aus der Begegnung mit den Chaos-Agenten und ihrer Dämonenbrut hervorgegangen, was bedeutete, dass er viel mehr Einfluss nehmen konnte als früher. Es gab keine klaren Befehle mehr, die ihn an den Willen eines Inquisitors oder auch Interrogators banden. Solange das Endziel erreicht wäre, hatte er seine Pflicht getan, wenn später einmal ihrer aller Handlungsweise von einem Tribunal beurteilt werden würde. Dass sich die Auffassungen von moralisch vertretbarer Vorgangsweise zwischen Isand und ihm gravierend voneinander unterschieden, war ihm klar. Er hielt es auch durchaus im Bereich des Möglichen, dass Isand seine manipulativen Kräfte innerhalb der Gruppe einsetzen würde, wenn er es für notwendig hielt. Das war eines der größten Probleme mit Telepathen, soweit es Lucius Frost betraf. Natürlich machte man sich ihre Fähigkeiten zunutze, was bedeutete, man ließ sie oft in den Gedanken von anderen graben oder Nachrichten übermitteln. So gab es keine natürliche Barriere mehr, das Gefühl von Recht und Unrecht war verwischt. Der Telepath war es gewöhnt, im Kopf von anderen zu sein, auch in den Köpfen seiner Mitakolythen. Es bedurfte dann eines rigorosen Moralkodex, um seine Fähigkeiten nicht zu mißbrauchen. Frost wusste, dass der Kodex, dem Isand folgte, seiner Anschauung nach alles andere als moralisch wertvoll war. Ergo: Er wollte ihn nicht zum Feind haben. Und ganz objektiv gedacht hatte Phos Isand auch Recht.
"Oh, Sie haben sich also noch gar nicht entschieden?"
"Wie Sie gesagt haben, ist das keine leichte Entscheidung. Und es sind drei Mann, die wir zurücklassen müssten."
Vox nickte. "Der Priester sollte nicht mehr lange schlafen. Seine Seele ist zäh. Aber sobald er wach ist, sollten wir aufbrechen."
Lucius stellte sich vor, wie es wohl wäre, wenn Sie Varitani und Railoun hier einfach liegen ließen, der Pflege ihrer Gastgeberin anvertraut, bis das unvermeidliche Ende kam. Er stellte sich vor, wie die Akoylthen darauf reagieren würden und Honeymoon kam ihm in den Sinn. Nein, das wäre zuviel für sie... "Was sagen denn die Anderen dazu?", fragte er in einem Versuch, den kaltherzigen Telepathen zur Einkehr zu bewegen.
"Blender und Granit sind nicht begeistert, wie jeder von uns denke ich, aber sie stimmen zu. Wir haben gerade vorher darüber gesprochen. Den Pater will niemand hier lassen, wenn er nicht noch länger im Koma liegt. Aber das wird wie gesagt nicht der Fall sein, denke ich. Mit Honeymoon habe ich noch nicht gesprochen. Sie ist irgendwie reservierter mir gegenüber als sonst." Ein dreckiges Grinsen zog über sein Gesicht, als er an den Anblick der Adligen dachte, wie er ihn die ganze letzte Nacht auch vor Augen gehabt hatte.
Politik schmerzt manchmal so sehr, dachte Lucius bei sich, als er sich vorstellte, diesem aufgeblasenen, notgeilen Bastard einmal so richtig auf Maul zu geben. "Ich - werde mit ihr sprechen."
Das Grinsen blieb auf dem Gesicht des Psionikers. "Tun Sie das."

Wie anders hatte sich alles entwickelt? Wie anders war sie selbst! Kannte sie sich selbst überhaupt noch? Cattaleya Amalia VanSovrean blickte auf die Gestalt ihres Geliebten hinab, der neben ihr lag, die Stümpfe beider Arme mit weißen Bandagen versorgt. Die Wunden waren in gutem Zustand, doch hatte das Aufeinandertreffen mit dem Verschlinger trotzdem seinen Tribut von dem Interrogator gefordert - jenseits seiner Arme. Zwar waren Gedanken folgender Art noch weit jenseits von allem, was Cattaleyas Geist verstand, doch war es sogar gut für ihre eigene psychische Gesundheit, dass Immarut sie so sehr brauchte. Er war momentan ein Pflegefall, das war klar, und Cattaleya hatte sich dieser Aufgabe mit einer verbissenen Hingabe gewidmet, die all ihre Unerfahrenheit wett machte, was Pflege anging. Sie war so gut wie immer bei ihm, unterhielt sich mit ihm, wenn er wach war und behütete seinen Schlaf.
Sie hatten zusammen geweint und sich gefreut, das überstanden zu haben. Erst war Immarut vollkommen verstört gewesen, weil er sie nicht hatte beschützen können. Erst als sie ihm begreiflich gemacht hatte, dass es gerade eben nicht zum Äußersten gekommen war, dass dem Daemon nicht geglückt war, was er mit ihr vorgehabt hatte, hatte sich Immarut beruhigt. Sie hatte ihm gesagt, er habe wie ein Löwe für sie gekämpft, er habe sie gerettet. Sie wusste nicht, warum sie schon darüber reden konnte, was geschehen war. Es war sein Schicksal, sein bleibender Schaden, seine Versehrtheit, die das, was sie erlebt hatte zwar nicht weniger schrecklich machte, als es wirklich war, jedoch eine vernünftige Perspektive nahelegte. Sie hatte Furchtbares erlitten, das stimmte, aber Immarut hatte sich bis zur Bewusstlosigkeit durch Schmerz, zur völligen Erschöpfung seines Körpers gemartert, um sie zu retten. Er hatte beide Arme verloren - wegen ihr. Natürlich war sie nicht Schuld daran, auf solch einen Gedanken wäre sie nie gekommen, doch sie wusste, dass ein Mann, der bereit war, das für sie durchzustehen, sie verdiente, alles verdiente, was sie ihm geben konnte. Mehr noch, sie konnte stolz sein, jemanden wie ihn zu kennen und mit ihm zusammen sein zu dürfen - auch wenn es nur mehr für einige Tage sein würde. Das letzte, was sie Beide mitbekommen hatten, war, dass die Entschlüsselung der Daten, die man bei Varitani gefunden hatte, nur langsame Fortschritte machte, und die Flotte war noch immer im Orbit wie ein Bote des Todes.
Sie hatte auch einmal nach Varitani gesehen, konnte den Anblick jedoch nicht ertragen. Sie hatte sich wieder erinnert, dass sie gar keine Pflegerin war, sondern Cattaleya VanSovrean, oder maximal noch Honeymoon. Es war nur Immarut, der sie dazu bringen konnte, das in den Hintergrund zu drängen und sich ganz auf ihn zu konzentrieren.
Sanft glitt ihre Hand über seine Stirn und die rechte Wange hinab, während sie ihm eine goldene Locke zur Seite strich. Er brummte genüßlich und drückte seinen Kopf zärtlich gegen ihre Handfläche. "Du riechst gut.", hauchte er.
Zu Beginn ihrer Beziehung hatte sie solche Bemerkungen etwas befremdlich gefunden, aber mit der Zeit hatte sie zu verstehen begonnen, welch vorrangige Bedeutung der Geruchssinn im Kaleidoskop aller Wahrnehmungen Immaruts hatte. Sie beugte sich zum ihm und küsste ihn sanft. "Ich liebe Dich.", flüsterte sie ihm ins Ohr.

Seine Mundwinkel schoben sich unwillkürlich nach oben. Er hätte sie gerne in den Arm genommen. Bittersüß war dieses Gefühl. Er war froh und dankbar, dass sie bei ihm war, dass nicht mehr für immer zerstört worden war, doch wog der Verlust so vieler Fähigkeiten schwer als Gegengewicht dazu. Er hatte nach wie vor Schmerzen, manchmal richtig heftig. Noch dazu kamen sie aus Armen, die er gar nicht mehr besaß.
Immarut merkte wohl, wie sehr sich seine Honeymoon für ihn einsetzte, was das für sie bedeutete. Sie selbst bestimmte auch vorrangig das Maß an körperlicher Zweisamkeit, die sie nun miteinander teilten. Nach ihrem Aufeinandertreffen mit dem Verschlinger hätte er sowieso nicht gewusst, wie es ihr damit ging. Auch ihr Körper war geschunden und zeigte Spuren des Kampfes in Form von verschorften Abschürfungen und häßlichen blauen Flecken. Cattaleya hatte sich fast wund geschrubbt, als sie die Chance dazu bekommen hatte. Dabei hatte sie geweint, das hatte er gehört. Auch nachts, wenn sie an ihn geschmiegt dalag, weinte sie manchmal leise und zitterte und zuckte. Hin und wieder fuhr sie auch wild aus dem Schlaf auf. Das waren auch Augenblicke, in denen er sich Arme gewünscht hätte, um sie zu halten.

Ein Klopfen ließ sie nun aufblicken. "Bitte.", sagte sie, stand auf und richtete mit geübten Handbewegungen ihre Kleidung und ihr Haar. Es war Lucius Frost. Er lächelte schwach, als er ihnen grüßend zunickte und dann leise wieder die Türe schloß.
Er nahm die Hände von Cattaleya in die seinen und drückte sie herzlich, dann blickte er auf den verwundeten Interrogator hinab, ein fürsorglicher Ausdruck in seinen dunklen Augen. "Wie geht es Ihnen, Immarut?"
Railoun sah zu Cattaleya. "Ohne Catt wäre ich verloren, glaube ich. So bin ich die meiste Zeit sogar glücklich."
Frost nickte ernst und blickte seine Freundin an, die leicht rot wurde und lächelnd den Blick senkte. "Das ist - gut. Hören Sie, Immarut, wir haben die Daten teilweise entschlüsselt. Wir können weitermachen."
Railoun wollte sich aufsetzen, doch er konnte sich ja nicht aufstützen. So wippte er nur zweimal herum und fühlte sich wie ein Fisch auf Landgang. "Das ist eine positive Nachricht, denke ich. Wie geht es Inquisitor Varitani? Und Gerhart?"
Frosts Gesicht verdüsterte sich. "Wer auch immer das war, der Varitani das angetan hat, war gründlich. Er ist kaum bei Sinnen. Und Gerhart liegt nach wie vor im Koma. Vox hat aber gemeint, als er versucht hat, telepathisch Kontakt mit ihm zu bekommen, hätte er gespürt, dass er bald wieder aufwacht. Er kämpft sozusagen um die Kontrolle seines Körpers und weiß laut Vox auch, wie wichtig es ist, dass er zurückkommt."
"Das kann Isand tun?" Immaruts Frage klang ungläubig.
"Was weiß ich.", entgegnete Frost mit Schulterzucken. "Er behauptet es zumindest. Verdammte Psioniker, was?" Der Aufheiterungsversuch zerschellte an der Wand der Nachdenklichkeit in Railouns Gesicht.
"Wie sieht denn nun der Plan aus? Ich denke, es ist klar, dass weder Varitani noch ich momentan große Anführer sind."
Frost nickte und man sah deutlich, wie wenig ihm seine Funktion als neuer Entscheidungsträger behagte. Das lag sicher nicht an der Aufgabe an sich sondern wohl vielmehr daran, auf welche Art er dazu gekommen war. Er hatte die Zelle schon oft angeführt und gute Arbeit geleistet. "Wir sind nur etwa einen Tag von Xileiphos entfernt, was bedeutet, wir können unsere restliche Ausrüstung bergen. Dazu werde ich ein kleines Team abstellen. Granit und Blender und Vox wahrscheinlich. Bis sie zurück sind, ist hoffentlich Gerhart wieder auf den Beinen." Lucius erhob sich und fuhr sich nervös mit den Fingern durchs Haar. Er hätte so gerne ein Lho-Stäbchen geraucht...
"Wir müssen in einen weiteren Komplex eindringen. Dieses Mal geht es jedoch um keine verlassene Anlage. Es werden also Auseinandersetzungen zu erwarten sein."
"Im Gegensatz zum letzten Mal.", giftete Cattaleya hinter ihm.
Frost ignorierte sie. "Wir müssen auf den Meeresboden. Die Anlage, die wir infiltrieren müssen, ist nur durch den Tunnel zugänglich, durch den der Transozean-Express fährt."
"Der Transozean-Express?" Honeymoon hatte noch nie davon gehört.
"Er verbindet den Kontinent Kirrjeha mit Veste, von wo aus man leicht nach Antimon oder Zumthes weiterfahren kann. Der Zug fährt durch einen Überdrucktunnel am Boden von Rauka, wie man das Meer zwischen Kirrjeha und Arrtjeha nennt. Die Fahrtzeit beträgt mehrere Tage."
Frost nickte anerkennend. "Im Kopf ist bei Ihnen alles beim Alten wie es scheint."
Railoun lächelte schwach. "Ich werde mein Bestes tun, Sie nicht zu sehr aufzuhalten. Was wir aber mit dem Inquisitor machen, weiß ich nicht."
Mit einem bitteren Geschmack verzog der Ex-Arbitrator den Mund. "Da herrscht generell Unklarheit." Frost räusperte sich. "Sag mal, Honeymoon, darf ich Dich ein paar Minuten entführen?"
Erst war Cattaleya etwas überrascht, doch sie machte sich schnell klar, dass Lucius niemanden sonst so gut kannte wie sie. Auch er hatte viel durchstehen müssen und keinen, dem er sich anvertrauen konnte. "Sicher. Ich komme ich Dein Zimmer, in sagen wir - fünf Minuten."
Lucius nickte, lächelte Immarut schwach an und verließ mit einem Winken den Raum. Dieser sah fragend zu Honeymoon auf.
Die zuckte nur die Schultern. "Keine Ahnung."

Keine Minute hielt es Lucius sitzend in seinem Zimmer aus. So tigerte er auf und ab. Was mache ich hier überhaupt? Er dachte an die Nachricht von Elena. Das Richtige tun, dass ich nicht lache. Er lachte tatsächlich ein kurzes, bitteres Lachen. Scham war in ihm hochgekrochen. Er hörte Varitanis Stimme, die ihm sagte, dass Anführer harte Entscheidungen zu treffen hatten, und er hörte sich selbst antworten, dass er nie jemanden zurücklassen würde. Er dachte an die Bilder, die er gerade gesehen hatte und wie Cattaleya wohl reagieren würde. Wenn ich jemanden hier lasse, kann ich mir nicht mehr in die Augen sehen, in keinem Spiegel. Es ist schon richtig, dass wir aller Wahrscheinlichkeit nach alle bald tot sind, aber falls nicht. Was ist dann? Was ist, wenn wir extrahiert werden, wenn wir es schaffen? Und ich habe die beiden hier zurückgelassen?! Lucius dachte weiter. Nie wieder könnte ich ihr unter die Augen treten. Elena. Das Richtige tun...
Es klopfte und er fuhr herum. Honeymoon. Lucius sah auf seine Hände herab. Vorher hatte er gezittert. Zuerst hatte er es auf den Entzug von Lho geschoben, aber anscheinend war das nicht der Grund dafür gewesen. Jetzt, da er wusste, was er tun würde, was Lucius Frost tun würde, nicht Varitani, nicht Immarut selbst und gewiss nicht der verdammte Phos Isand, jetzt waren sie ruhig.
Es klopfte erneut und er hörte die Stimme seiner Freundin gedämpft durch die Türe: "Lucius? Bist Du da drin?"
"J-ja, komm nur rein, Honeymoon.", sagte er und kratzte sich am Kopf. "Tut mir leid.", fügte er hinzu, als sie eingetreten war und die Türe wieder schloß.
"Was ist los?", fragte sie, ihr Tonfall Zeuge ehrlicher Sorge.
Lucius ballte eine Faust. "Entschuldige mich einen Moment. Warte hier, ja?" Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte er hinaus.
Cattaleya blieb verdutzt zurück.

Dampf strömte aus diversen Ventilen und machte pfeiffende Geräusche. Der morgendliche Regen hatte eine Feuchtigkeitsfilm auf dem Kopfsteinpflaster des Bahnsteigs hinterlassen, und der Rest von Nebel mischte sich mit dem Qualm, der dem monströsen Antriebswagen und den Wagons entströmte, die einer hinter dem anderen aufgereiht standen, weiter, als man mit dem Auge blicken konnte. Der Bahnsteig war nur für diesen speziellen Zug gedacht, den Transozeanischen Express oder TEX. Garrinald Crim war schon seit langen Jahrenzehnten der Vorstand der ersten Klasse und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seine Fahrgäste bereits am Bahnsteig persönlich zu begrüssen. Seine kybernetischen Beine klackten auf dem feuchten Steinboden, als er seinen Kontrollgang durchführte, um einen letzten Blick auf seinen Zug zu werfen. Wie alle Bewohner von Xeiros Prime war auch er zutiefst erschüttert über die Entwicklungen der letzten Zeit, doch das tat weder seinem Pflichtbewusstsein noch seiner Professionalität Abbruch, wenn es um seine Arbeit und seine Prinzipien ging. Mit der stocksteif gestärkten, schwarzen Uniform der Gesellschaft für Kirrjeha-Arrtjeha-Transport, verziert mit goldenen Borten, angetan und mehreren Abzeichen an der Brust, die ihm langjährige Treue zur Betreibergesellschaft des TEX sowie unentwegte Bemühungen um das Wohlbefinden seiner Fahrgäste bescheinigten, sah er eher wie ein Generalfeldmarschall aus als die Mischung aus Zugführer und Concierge, die er war. Unter allen Abteilungsvorständen des Zuges hatte sein Wort das meiste Gewicht und nur Oberzugsführer Frenneweir konnte ihm ungestraft widersprechen, wobei das schon lange nicht mehr vorgekommen war.
Seine Umgangsformen waren perfekt, er war es gewohnt, mit imperialem Adel zu verkehren. Die mehrtägige Reise zählte nicht nur seiner Meinung nach zu einer der größten Sehenswürdigkeiten von Xeiros Prime, so dass er selten Fahrten mit freien Appartements angetreten war. Ja, richtig, der TEX, besser gesagt, der wichtigste Teil des TEX, die erste Klasse, ein mehrere hundert Meter langer Abschnitt des Zuges, wurde nicht in Abteils gegliedert, sondern in Appartements unschiedlicher Größe, jedes mit eigenen Bediensteten und allen Annehmlichkeiten ausgestattet, die man sich nur wünschen konnte. Tja, dachte Crim, wenn das nur so wäre. Meistens schafften es seine Gäste, mit einem kleinen Anliegen hier und durch die Blume ausgedrückter Kritik dort die Fahrten auch für ihn durchaus inhaltsreich zu gestalten. Crim seufzte, doch musste zugeben, dass er auch diesen Aspekt seiner Arbeit liebte. Er bedauerte es wirklich, dass dieses Mal durchaus einige Appartements leerstehen würden.
Er wurde gerade Zeuge, wie vor ihm einige ungewöhnliche Diener Gepäckstücke einluden, während ein junger Gentleman neben einer verschleierten Dame ganz in Schwarz dabei zusah. Eine Grav-Plattform mit einer sargähnlichen Konstruktion wurde eben von einem schlanken Mann mit Pferdeschwanz, der in einer leicht altertümlich wirkenden, dunklen Livree steckte, durch einen Sensor und an Bord des Zuges gefahren.
"Meine Dame, mein Herr." Garrinald Crim verneigte sich steiff, sein Gesicht zierte das Lächeln, das er so viele Jahre perfektioniert hatte. "Willkommen im Transozeanischen Express. Mein Name ist Garrinald Crim, ich bin Vorstand der Ersten Klasse, sozusagen ihr Major Domus während der Fahrt."
Die junge Dame, deren Züge er nur wage durch die kostbaren Stickereien ihres Schleiers wahrnehmen konnte, trug Gesicht und Körper in einer Haltung, die geradezu nach Adel schrie. Ihr Begleiter, auf dessen Ärmel sanft ihre kleine, blasse Hand ruhte, wirkte eher gelangweilt. "Schön, schön." Er würdigte Crim keines Blickes. Aufgeblasener Bastard, dachte der Vorstand bei sich, sein Lächeln weiterhin charmant und unaufdringlich.
Die junge Dame neigte nahezu unmerklich den Kopf in Richtung ihres Begleiters, und fast erschien es Garrinald Crim, sie würde ihn zürnend anblicken. Anmutig, wie er es selten gesehen hatte, löste sie ihre Verbindung und schwebte zu ihm hinüber, ihr herabfließendes Kleid fast ungestört durch ihre zarten Schritte. Sie passierte ihn mit der zartesten körpersprachlichen Andeutung, er solle ihr folgen, und wie an Fäden gezogen fügte er sich der Aufforderung.
"Verzeihen Sie meinem Begleiter, dem Lord Seuxieve." Ihre Stimme war zart und weich, passend zu ihrer zerbrechlich aber doch so herrschaftlich wirkenden Gestalt. "Seine Sorge gilt dem Wohlbefinden seines Oheims, Großmeister V'Enderelle. Seine Gesundheit hat sich in letzter Zeit besorgniserreged entwickelt, und die Last des Erbes wiegt schwer. Wir hätten ihn lieber nach Hause verbracht, doch das ist uns bei der derzeitigen Lage der Dinge wohl nicht gegeben." Rann da eine Träne ihre Wange herab? War das gerade ein Schluchzen?
Garrinald Crim folgerte, dass es sich bei der Gravplattform also um eine mobile Medika-Station handeln musste, deren Bewohner, wenn man so wollte, Großmeister V'Enderelle war. Er war also noch nicht tot. Warum trug die Dame dann Trauerkleidung? Vielleicht rechnete man bereits während der Fahrt mit dem Abscheiden des Großmeisters. Ich bin sicher, sein Erbe ist vollkommen verstört, sinnierte Crim, während er wiederum einen kurzen Blick in das gelangweilte Gesicht des jungen Herrn erhaschte.
"Doktor Harrtion, auf ein Wort.", rief der junge Mann plötzlich einem glatzköpfigen Mann mit Kinnbart zu, der sich mit einer kleinen Medizinertasche unter dem Arm und in einen engen, ebenfalls schwarzen Mantel gekleidet, gerade an Bord begeben wollte. Er hielt inne, zögerte kurz und ging dann mit raschen Schritten auf Lord Seuxieve zu. Die Beiden murmelten ein paar Worte und der junge Herr wies in die Richtung der Dame und Crim.
Kurz erschien es dem Vorstand, der Doktor würde das Gesicht verziehen, dann jedoch schritt er mit aufrechtem Blick auf sie zu und verneigte sich vor der Dame. "Lady Eirelle, Lord Seuxieve hat mich gebeten, Euch in Euer Appartement zu begleiten." Er hielt ihr wenig einladend seinen Arm hin.
"Aber mein Gepäck. Wie kann ich sicher sein, dass alles an Bord ist?"
Das war Crims Einsatz. "Meine Dame", begann er ohne zu Zögern und verneigte sich dienstbeflissen. "Selbstverständlich werde ich persönlich dafür Sorge tragen, dass alle Gepäckstücke an Bord und zu Eurer Verfügung sind, sobald Ihr sie benötigt."
"Oh, ich danke Euch, Meister Crim."
Das Lächeln auf dem Gesicht des Vorstands war nicht gespielt. "Wenn ich noch irgendetwas tun kann oder Sie etwas benötigen, was auch immer es sei, zögern Sie nicht, nach mir zu schicken, meine Dame."
Sie bot ihm elegant ihre Hand dar, und er hauchte einen Kuss darüber. Dann wandte sie sich an ihren neuen Begleiter. "Nach Ihnen, Doktor."
Der Mann verzog erneut das Gesicht. "Gewiss doch, gewiss."

"Sie haben den Vorstand sicher davon überzeugt, dass Sie ein ausgezeichneter Arzt sind, Vox.", sagte Cattaleya, als sie ihren Schleier abnahm und sich in dem Appartement umsah.
"Wieso denn das?"
"Was für einen Grund gäbe es sonst, einen so ungehobelten und unfreundlichen Klotz von einem Menschen zu dulden, wenn man alter Adel ist?"
Der Blick des Telepathen war scharf wie ein Messer.
"Wenn Sie Schauspieler geworden wären, hätte der Hunger die Welt schon lange von Ihnen erlöst.", wetterte sie weiter. Honeymoon war weit weniger gut auf Isand zu sprechen, seit sie mitbekommen hatte, dass sie um ein Haar Varitani und was noch viel schlimmer war, Immarut aufgrund seiner Initiative zurückgelassen hatten. Frost war anscheinend erst im letzten Moment zu sich gekommen und hatte klar und deutlich festgelegt, wer die Entscheidungen traf und wie sie vorgehen würden. Cattaleya war ihm eine kurze Zeit lang sogar etwas böse gewesen, dass er den herzlosen Plan des Psionikers überhaupt in Erwägung gezogen hatte, doch letzten Endes war sie froh, dass er jetzt am Ruder war und nicht andere Personen mit weniger Haar am Kopf.
So hatte sie mit Lucius Frost und Blender an ihrer Tarnung gearbeitet, um Plätze im TEX zu erwerben, die alle Eigenschaften mitbrachten, derer sie bedurften: hohe Bewegungsfreiheit, ständiger Zugang zu ihrem Gepäck und keine lästigen Fragen des Personals. Die unfreiwillige Rolle, die sie Inquisitor Varitani zugedacht hatten, nämlich die des scheidenden Adelsmagnaten, erlaubte ihnen zusätzlich noch, besonders ausgefallene Unregelmäßigkeiten zu kaschieren. Garrinald Crim hatte tatsächlich alle ihre Ausrüstung an Bord geschafft, ohne dabei alle üblichen Sicherheitsvorkehrungen wahrzunehmen. Mehrere kriegstaugliche Waffen und Sprengstoff militärisch hoher Qualität hätten wahrscheinlich nur schwer zu beantwortende Fragen aufgeworfen.
Das Geräusch, das nach einem Treten gegen die Tür klang, unterbrach den kleinen Disput und Cattaleya öffnete. Immarut fiel ihr fast in die Arme. Sein Gesicht war bleich und blass. Sorgenvoll geleitete sie ihn zu einem Stuhl. Er trug einen weiten Kutschermantel, der seine Arme verdeckte und hatte Vaniryl und Sovrean umgeschnallt, so dass er wie ein stoischer und gespenstisch unheimlicher Leibwächter wirkte.
Nach und nach fanden sich die anderen ein. Lucius Frost, der endlich seine Rolle als Lord Seuxieve zumindest für gewisse Zeit aufgeben konnte; Gerhart Thracian, aus seinem Koma erwacht, als wäre er nur eben kurz eingenickt und nach einem langen Gespräch mit Blender zu seiner redemptionistischen Härte zurückgekehrt. Er hatte sich geweigert, eine andere Rolle zu spielen als die eines Priesters und so hatten sie es ihm ermöglicht. Seine Position hatte nicht unwesentlich zu dem Kostüm von Cattaleya beigetragen sowie zu der Rolle von Phos Isand als Leibarzt, der das Hinüberscheiden einer Größe des alten Adels einer unbekannten, fernen Welt in den Tiefen des Ozeans überwachen und schmerzfrei halten sollte. Pater Vintius war eben für das Seelenheil des Scheidenden verantwortlich.
Hrubens Arn spielte in seiner Livree den Hausdiener von Seuxieve, Saxton, Immarut und Nick Runsit die beiden grimmig dreinblickenden Leibwächter. Immarut hatte es auch mit allen Verkleidungskünsten Cattaleyas nicht geschafft, auch nur ansatzweise so bedrohlich auszusehen wie der tätowierte Riese, auch wenn er in seinem konturlosen, pechschwarzen Mantel und mit seinem bleichen Teint ausgesehen hatte wie der personifizierte Tod, also hatte Cattaleya kurzerhand ihre Klingen auf viel offensichtlicherem Weg in den Zug geschmuggelt als zuerst angedacht.
Im nordöstlichen Teil von Kirrjeha war es noch zu vergleichsweise wenig Ausschreitungen gegen Außenweltler gekommen, weswegen vor allem fremder Adel hier noch alle Annehmlichkeiten eines normalen Lebens genießen konnte, doch das würde sich in Arrtjeha schnell ändern, wenn man den Gerüchten glauben schenkte. Sie würden verhaftet werden, noch ehe sie den Zug verließen, wenn sie erst die kontinentalen Grenzen überschritten haben würden. Dieses Wissen war selbstverständlich nicht publik, sonst hätte der TEX gar nicht mehr verkehrt. Ob durch den Exterminatus oder durch die politischen Unruhen - dies würde die letzte Fahrt des so traditionsreichen Transportmittels sein, ein weiteres Opfer auf dem Konto des Erzfeindes.

Nachdem sich Interrogator Railoun ein wenig erholt hatte, rief dieser alle zu einer Besprechung zusammen. Er stellte nochmals fest, dass aufgrund seines angeschlagenen Zustandes Lucius Frost auch weiterhin das Kommando innehatte, und dass sie sich langsam der kritischen Phase ihrer Mission näherten. Sie brauchten sich nichts vorzumachen. Sie waren schon viel länger auf Xeiros als geplant und hatten wenig erreicht. Die Bomben konnten jederzeit fallen.
"Das ist jetzt schon der schlimmste und auszehrendste Auftrag, an dem ich jemals gearbeitet habe. Ich bin stolz, Sie alle gekannt zu haben. Ich bin stolz, mit Ihnen gemeinsam Sein Werk zu tun. Wenn es zum Äußersten kommt, dann lassen Sie uns mit der Gewissheit von dieser Welt gehen, dass wir unser Bestes gegeben haben, des Imperators würdig, jeder einzelne von uns. Doch bis es soweit ist, werden wir die Befehle, die unser Inquisitor für uns hatte, von deren Wichtigkeit er so überzeugt war, dass er darob jetzt dort liegt und auf das Ende wartet, ausführen. Und wenn es das Letzte ist, was wir tun!"
Der Transozeanische Express nahm Fahrt auf.