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Systemübergreifend / Systemunabhängig => Andere Systeme => Thema gestartet von: Berandor am 02. März 2008, 18:14:52

Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 02. März 2008, 18:14:52
Zitat von: "Nadir-Khân"
Was mich sehr wundert ist, dass nach Regeln bzw. Mechanismen für Charakterspiel gefragt wird. Genau dafür benötigt man eben gerade keine Regeln, oder?


Zitat von: "Prospero"

Meine persönliche Ansicht dazu:
Man lasse die Spieler ausspielen und/oder erzählen was sie an zu sagen haben und macht dann einen Wurf mit einem angepaßten Schwierigkeitsgrad.


Ich möchte niemandem vorgeben, wie er zu spielen hat, oder "wrongbadfun" mokieren. Dennoch bin ich der Ansicht, dass die obigen Zitate, nun ja, falsch sind. Genauer gesagt, die Philisophien, die dahinter stecken. Im Folgenden werde ich zunächst darauf eingehen, warum generell das Charakterrollenspiel (CRP) durch Regeln unterstützt sein sollte und danach, warum eine Lösung wie die von Prospero keine wirkliche Lösung ist. Bei aller Anerkennung unterschiedlicher Spielstile bin ich am Ende dennoch der Ansicht, dass man als Befürworter von CRP am Spieltisch nur *mit* entsprechenden Regeln arbeiten kann und nicht mit deren Absenz.

Hierbei geht es mir ausdrücklich *nicht* um Rollenspiel, dass dem reinen Rollenspiel dient und von mir unten noch mal durch eine schäbige Analogie angesprochen wird. Sondern darum, dass man mit CRP das Abenteuer voranbringen möche, also durch CRP etwas erreichen möchte. Ein langer Drizz't-Monolog über Trauer kann natürlich ohne Regeln ablaufen, auch wenn ich persönlich den Sinn eines solchen Monologes nicht sehe, wenn er keinem Ziel dient.

Vorbemerkung: Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass ein Rollenspielsystem nicht vor der Abwicklung sozialer Angelegenheiten scheuen sollte, sondern seine Mechanik auch auf diese Bereiche "ausdehnen" sollte. Dieser Beitrag wird sich stark an D&D und ähnliche Spiele anlehnen, bei dem Fähigkeiten eines Charakters durch entsprechende Zahlenwerte verdeutlicht werden. Andere, abstraktere Mechanismen werden dadurch auf der konkreten Ebene etwas ausgeklammert. Sie stellen aber keine Ausnahme der zu Beginn dieses Absatzes formulierten Ansicht dar.

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Ich entschuldige mich dafür, dass dieser Beitrag so lang wurde. Ich habe ihn daher hinter einem Spoiler versteckt, damit man sich das nicht anzun muss. Hier die grundsätzlichen Punkte:

1. Um Rollenspiel zu fördern, braucht man rollenspielerische Herausforderungen und die Belohnung von Rollenspiel.
2. Die menschliche Urteilskraft ist fehlerbehaftet. Eine subjektive SL-Entscheidung ist daher ebenfalls fehlerbehaftet.
3. Aus Gründen der Fairness, Objektivität und wegen der Signalwirkung auf die Spieler müssen daher die Herausforderungen und Belohnungen von einer Regelmechanik abhängen.

Aufgrund dieser Punkte sollten Rollenspieler, die Wert auf Charakterrollenspiel legen, also auch Wert auf eine Regelmechanik legen, die dieses unterstützt. Wer allerdings seine Abenteuer nur durch Kämpfe und ggf. Willkürentscheidungen vorwärts treiben will, der kann auch auf solche Regeln verzichten. Dadurch wird die persönliche Vorliebe, wie nun solche Regeln auszusehen haben, nicht berührt.

Und noch einmal sei betont, dass es hierbei um zielgerichtetes CRP geht, also darum, durch Rollenspiel etwas im Spiel zu erreichen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 02. März 2008, 19:31:31
Aus einem anderen Thread, aber passend:

Zitat von: "Chrischie"

Jedes Spiel unterstützt durch Entscheidungen, wie ein Regelsystem aufgebaut ist einen anderen Spielstil.

Die neue WoD als Beipseil hat ~10 Seiten Regeln, welches nicht die speziellen Kräfte einschließt, sondern ziemlich komplett alle Erschaffungsregeln, Kampfregeln, Fertigkeiten und Charakterentwicklung abdeckt. Das ist sehr dünn. Die Kämpfe sind schnell und sehr abstrakt und gefährlich aufgrund von langen Genesungszeiten als Mensch.

Andere spiele zum Beispiel aus der Forge benutzen die gleichen Regelsysteme um Kampf oder soziale Begebenheiten abzudecken. Als Beispiele wären hier The Shadow of Yesterday, Dogs in the Vineyard oder auch Prince Kingdom zu nennen. Wobei gerade bei Dogs in the Vineyard und Prince Kingdom um das Erzählrecht "gekämpft" wird.

D&D ist ein System in dem ein großer Teil der Fähigkeiten der SCs kampfrelevant ist, das spiel empfiehlt eine taktische Karte und liefert Regeln dazu. Der Spielleiter bekommt hier jede Menge Monster und Regeln an die Hand um für die SCs Herausforderungen zu entwickeln.

Jedes dieser Spiele unterstützt einen andere Art zu spielen. Sicherlich kann ich mit D&D etwas spielen, dass im Stil den anderen Genannten ähnelt., nur muss ich dann etwas am Spiel ändern und ob es letztendlich gut funktioniert steht auf einen anderen Blatt. Genau das gleiche gilt aber auch umgekehrt, wenn ich zum Beispiel mit Prince Kingdom eine D&D-ähnliches Spiel aufziehen will, wird das umständlich. Deshalb finde ich es befremdlich, wenn ich einem Spiel etwas vorwerfe, was es schon immer im Grundsatz war. D&D ist nun einmal ein Rollenspiel, welches eine starken Schwerpunkt auf den taktischen Kampf und der Überwindung von Herausforderung legt. Es war nie ein RPG welches dafür berühmt war mit seinem Regelsystem Charakterspiel zu unterstützen.
Deshalb halte ich jetzt eher die Fans für selbst schuld, die es eh immer als "DSA-Verschnitt" (ein Stilmittel zur Übertreibung. Ich meine es nicht so ernst.) gespielt haben und sich nun wundern, dass dies auf ein mal schwerer wird, diesen Spielstil in der neuen Edition umzusetzen und WotC nun auf einmal die bösen sind. Wobei WotC nichts anderes macht als das Spiel konsequent weiterzuentwickeln.

Ich halte es übrigens für keine Qualität eines Spielsystems, wenn es den sozialen Teil nicht regelt, dass es dann ein System ist, dass es Charakterspiel fördert. Eher das gegenteil ist der Fall. Da der/die schüchterne Spieler/in, immer die Person sein wird, die damit besonders benachteiligt ist am Spieltisch oder wenn auch die "wichtigen schauspielerischen Qualitäten" fehlen.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Wormys_Queue am 02. März 2008, 20:24:13
Zitat von: "Berandor"
1. Um Rollenspiel zu fördern, braucht man rollenspielerische Herausforderungen und die Belohnung von Rollenspiel.


Stimme ich vollkommen zu. Konsequenzfreies Charakterspiel mag ja für den Moment ganz spassig sein, auf Dauer ist es wenig befriedigend. Wie jetzt diese Belohnung genau aussehen soll, lasse ich an dieser Stelle offen, glaube aber nicht, dass es durch feste Regeln in jedem Fall befriedigend geklärt werden kann (oder sollte).

Zitat
2. Die menschliche Urteilskraft ist fehlerbehaftet. Eine subjektive SL-Entscheidung ist daher ebenfalls fehlerbehaftet.

Auch hier gebe ich Dir in der Theorie recht. Die für mich entscheidende Frage allerdings ist die, ob die Fehlerquote des SL notwendigerweise für ein unbefriedigerendes Spiel sorgt als eine noch so gut austarierte Regelung.

Kleines Analogon zum besseren Verständnis, was ich meine: Es gibt eigentlich für jedes professionell vertriebene Rollenspielsystem Kaufabenteuer, die zumeist ebenfalls von Berufsdesignern, also von Profis geschrieben werden. Dennoch gibt es eine Menge Spielleiter, die statt Kaufabenteuern und  offiziellen Kampagnenwelten eigene Abenteuer und "homebrewed" worlds verwenden. Dafür gibt es eine Menge Gründe, ein sicherlich wichtiger dürfte der sein, dass der SL seine Spieler besser kennt als der Berufsdesigner und daher in der Lage ist, die Abenteuer auf die Bedürfnisse seiner Gruppe speziell zuzuschneiden. Auch hier ist das Herangehen des Spielleiters sicher nicht vollkommen objektiver Natur. Die Trefferquote schein aber ausreichend hoch zu sein, um dieses Verhalten zu rechtfertigen.

Ähnlich sehe ich es zum Thema Charakterspiel: Ich bin nicht fehlerfrei und sicher kann ich mit einer Einschätzung auch mal daneben liegen. Ich versuche allerdings auch nicht, das Charakterspiel eines Spielers an irgendeinem objektiven Maß zu messen, sondern schätze es anhand seiner sonst gezeigten Leistungen ein. Das mag auf den ersten Blick unfair klingen, meiner Erfahrung nach ermutigt es aber diejenigen, die sich mit dem Charakterspiel schwer tun, es wenigstens zu versuchen.
 Ich habe noch kein Regularium zum Charakterspiel gesehen, dass mir diese Form der Flexibiltät erlaubt. Sicherlich gibt es besseres als das von D&D 3.5 aber auch das zuletzt diskutierte "Duel of Wits"-System fördert meines Erachtens das Charakterspiel nicht direkt, sondern gibt den Spielern, die das eh mögen nur einen zusätzlichen Anreiz (immerhin ist das schon eine beachtenswerte Leistung). Insoweit erlaube ich mir die Arroganz, mich für im Schnitt besser als die Regeln zu halten, zumindest der, die mir bekannt sind.

Zitat
3. Aus Gründen der Fairness, Objektivität und wegen der Signalwirkung auf die Spieler müssen daher die Herausforderungen und Belohnungen von einer Regelmechanik abhängen.


Siehe unter Punkt 2. Eine Regelmechanik, die die von mir geforderte Flexibilität mitbringt, Spieler unterschiedlich, sprich gemessen an ihrer relativen Neigung und Eignung zum Charakterspiel zu messen, müsste mir also eine Form von Subjektivität ermöglichen, die in einem gewissen Gegensatz zu der von dir gefordeten Fairness und Objektivität stünde. Zumindest könnte man das so sehen, wobei mir persönlich Chancengleichheit wichtiger als Gleichbehandlung ist.

Wohlgemerkt habe ich gegen Regeln für das Charakterspiel gar nichts einzuwenden, und halte sie für zusammengewürfelte Gruppen von Spielern, die sich nicht sehr gut kennen, für sehr, sehr wichtig. In gut aufeinander eingespielten Gruppen würde ich aber eher dem Feingefühl des Spielleiters vertrauen als irgendwelchen fixen Regeln.

P.S. Auf einer ganz persönlichen Ebene halte ich Regeln für das Charakterspiel deswegen für unnötig, weil mir jeder missionarische Ehrgeiz abgeht. Weder halte ich Charakterspiel für etwas besonders wichtiges noch glaube ich, dass nur Charakterspieler auch "gute" Rollenspieler sind. Insoweit fehlt mir jeglicher Grund, Charakterspiel zu fördern. Es wird immer Leute geben, denen das soviel Spass macht, dass sie es von sich aus betreiben; und wer nicht will, braucht die Regeln dafür sowieso nicht.
Aber wohlgemerkt ist das meine ganz persönliche SIcht der Dinge, an der ich mich als Spieldesigner wahrscheinlich nicht mal selbst orientieren würde.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Windjammer am 02. März 2008, 20:34:47
Ich poste hier mal einen Aufsatz von James Wyatt, der in seiner endgültigen Fassung in das Rules Compendium einging. Der geht zwar nicht direkt auf CRP ein aber indirekt auf die Frage, warum es für integrierte Spielbereiche einfach Regeln geben muss.
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Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Windjammer am 02. März 2008, 20:40:08
Zitat von: "Wormys_Queue"
Die für mich entscheidende Frage allerdings ist die, ob die Fehlerquote des SL notwendigerweise für ein unbefriedigerendes Spiel sorgt als eine noch so gut austarierte Regelung.
Kleines Analogon zum besseren Verständnis, was ich meine: Es gibt eigentlich für jedes professionell vertriebene Rollenspielsystem Kaufabenteuer, die zumeist ebenfalls von Berufsdesignern, also von Profis geschrieben werden. Dennoch gibt es eine Menge Spielleiter, die statt Kaufabenteuern und offiziellen Kampagnenwelten eigene Abenteuer und "homebrewed" worlds verwenden. Dafür gibt es eine Menge Gründe, ein sicherlich wichtiger dürfte der sein, dass der SL seine Spieler besser kennt als der Berufsdesigner und daher in der Lage ist, die Abenteuer auf die Bedürfnisse seiner Gruppe speziell zuzuschneiden. Auch hier ist das Herangehen des Spielleiters sicher nicht vollkommen objektiver Natur. Die Trefferquote schein aber ausreichend hoch zu sein, um dieses Verhalten zu rechtfertigen.

Läßt Dein Analogon nicht einen Mittelweg zu? Leute die Paizo Abenteuer kaufen, und sie dann streckenweise auf die Bedürfnisse ihrer Spieler "zuzuschneiden"? Analog würde es ja erstmal ausreichen, wenn es Regelrichtlinien für CRP gäbe, ohne dass diese schon alle Eventualitäten bis ins letzte Detail für sämtliche Spielgruppen abdecken oder den Anspruch auf Universalwahrheit erheben. (Das tun imo nicht einmal die Kampfregeln in D&D.)

Edit. Da Du in Diskussionen öfters auf "Duel of Wits" (und eine dazugehörige Debatte?)verweist, würde ich mich über einen link freuen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Wormys_Queue am 02. März 2008, 21:10:22
Diesen Link (http://www.burningwheel.org/wiki/images/e/e5/Dow_95_108.pdf) hatte der Rabe in dem Thread Theorie: Konflikt vs. Aufgabe (http://forum.dnd-gate.de/index.php/topic,17952.0.html) gepostet.

Zitat
Läßt Dein Analogon nicht einen Mittelweg zu? Leute die Paizo Abenteuer kaufen, und sie dann streckenweise auf die Bedürfnisse ihrer Spieler "zuzuschneiden"?

Natürlich, da hast Du völlig recht. Tatsächlich halte ich das sogar für eine unabdingbare Aufgabe des Spielleiters, sofern es seine Zeit auch nur irgendwie zulässt. Auch denn stellt sich aber die Frage, worauf dieses Vorgehen des SL basiert. Und auch hier landet man wieder bei der subjektiven Einschätzung des SL, die Berandor im Falle des Charakterspiels gerne durch Regeln ersetzt sehen möchte.

 
Zitat
Analog würde es ja erstmal ausreichen, wenn es Regelrichtlinien für CRP gäbe, ohne dass diese schon alle Eventualitäten bis ins letzte Detail für sämtliche Spielgruppen abdecken oder den Anspruch auf Universalwahrheit erheben. (Das tun imo nicht einmal die Kampfregeln in D&D.)


Tatsächlich habe ich Designer von Monte Cook bis hin zu Mike Mearls immer wieder diese Aussage tätigen sehen, dass nichts im System universelle Gültigkeit beanspruche, sondern sich immer wieder am Realitätscheck des aktuellen Spiels beweisen müsse. Deswegen habe ich auch nichts gegen solche Regeln, die ich ja bequemerweise einfach ignorieren kann, wenn sie mir nicht in den Kram passen sollten.

Leider landet man auch auf diesem Wege ganz schnell beim Thema "Spielleiterwillkür" und bei der Frage, an der sich ja auch einige der jüngeren Threads zum Thema Spieltheorie entzünden: Wieviel Macht (ich nenne es mal in Ermangelung eines besseren Ausdrucks so) darf oder muss der Spielleiter eigentlich haben und wie kann man das System so austarieren, dass diese Macht sich mehr in Richtung der Spieler verlagert?
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Berandor am 02. März 2008, 21:19:57
Zitat von: "Wormys_Queue"

Ähnlich sehe ich es zum Thema Charakterspiel: Ich bin nicht fehlerfrei und sicher kann ich mit einer Einschätzung auch mal daneben liegen. Ich versuche allerdings auch nicht, das Charakterspiel eines Spielers an irgendeinem objektiven Maß zu messen, sondern schätze es anhand seiner sonst gezeigten Leistungen ein. Das mag auf den ersten Blick unfair klingen, meiner Erfahrung nach ermutigt es aber diejenigen, die sich mit dem Charakterspiel schwer tun, es wenigstens zu versuchen.

Ich habe noch kein Regularium zum Charakterspiel gesehen, dass mir diese Form der Flexibiltät erlaubt. Sicherlich gibt es besseres als das von D&D 3.5 aber auch das zuletzt diskutierte "Duel of Wits"-System fördert meines Erachtens das Charakterspiel nicht direkt, sondern gibt den Spielern, die das eh mögen nur einen zusätzlichen Anreiz (immerhin ist das schon eine beachtenswerte Leistung). Insoweit erlaube ich mir die Arroganz, mich für im Schnitt besser als die Regeln zu halten, zumindest der, die mir bekannt sind.

Das Problem ist, dass du nicht nur das Spiel der Spieler bewerten musst, sondern auch, ob es zum Erfolg führt. Zu sagen, dass Spieler A sich jetzt gerade richtig reingehängt hat, auch wenn Spieler B das mit links hätte besser hingekriegt, ist die eine Sache. Aber wie bewertest du den Erfolg? Wie entscheidest du, ob das tatsächlich gute Argumente waren, um den Baron zu überzeugen, oder ob ihm z.B. die Bevölkerung am Hintern vorbeigeht? Ist es nur die Anstrengung des Spielers?

Auf das Abenteuer bezogen weißt du vielleicht eher, was die Spieler wollen, und baust daher anstelle eines Dungeons einen Rätselparcours, an dessen Ende zuerst ein Wettschwimmen steht und dann ein Kampf gegen einen schwarzen Drachen, weil die Jungs und Mädels darauf stehen. Aber wie entscheidest du dann, ob die das Schwimmen gewinnen und den Drachen besiegen? Da sagst du ja nicht, dass du die Spieler und die SC kennst, und die schaffen das schon. Sondern da nimmst du ein System zu Hilfe. Darum geht es.

Ein fachfremdes Beispiel: Lehrer können sehr gut einschätzen, wie die Verteilung der Schüler innerhalb der Klasse ist, d.h. wer gut ist und wer nicht. So kannst du als SL auch einschätzen, ob jemand gerade gutes Charakterspiel abgeliefert hat oder nicht. Lehrer können jedoch nicht gut einschätzen, ob jemand wirklich einen Stoff verstanden hat oder nicht. Dazu gibt es dann Lernziele und entsprechende Tests, die das Verständnis überprüfen. Ebenso kommt dann, um den Effekt des CRP zu prüfen, das System ins Spiel.

Es gibt eine Fülle von Möglichkeiten, wie du die Anstrengung belohnen kannst, ohne damit die Herausforderung bzw. die Ergebnisfindung zu umgehen. Z.B. kann man in manchen Systemen etwas in der Art von action points vergeben, wenn sich jemand durch CRP auszeichnet – ohne ihn dadurch automatisch mit Erfolg zu belohnen.

"Wow, das war eine geile Rede. Nimm einen Action Point. *Würfel* Während einige Zuschauer sprachlos sind, lässt der Baron nur einen Rülpser vernehmen. Er scheint völlig desinteressiert zu sein. »Schöne Worte«, grunzt er, »aber was geht mich das an?«
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Windjammer am 02. März 2008, 22:29:03
Zitat von: "Wormys_Queue"
Tatsächlich habe ich Designer von Monte Cook bis hin zu Mike Mearls immer wieder diese Aussage tätigen sehen, dass nichts im System universelle Gültigkeit beanspruche

Du bist gut.  :)  Das müssen Designer nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Das ist die offizielle Firmenphilosophie von D&D, die seit der AD&D2 szusagen als interior cover sheet in den DMG gepappt wird. Zuletzt von Bill Slavicsek im Rules Compendium ("It's a living game").
Zitat von: "Wormys_Queue"
Leider landet man auch auf diesem Wege ganz schnell beim Thema "Spielleiterwillkür" ... wie kann man das System so austarieren, dass diese Macht sich mehr in Richtung der Spieler verlagert?

Auch wenn sich der Hinweis im DMG befindet, landet man nicht gleich bei der SL Willkür. Weil eine Gruppe aus SL und Spieler diese Entscheidung oft gemeinsam trifft, und das auch noch ohne längere Diskussion. Dazu David Noonan im Rules Compendium:
Zitat
Rules can die spontaneously in individual games. D&D players interpret a troublesome rule as system damage and decide to get along without it. What’s a troublesome rule? It’s something that doesn’t add to long-term fun at the game table. I get paid to understand the D&D rules backward and forward, and I still have my Player’s Handbook open to certain rules when they come up. My players are absolute sharks, so we can run big complicated fights, consulting the text when we must.
But a lot of D&D groups simply don’t bother. They’ve made the reasonable decision that some rules aren’t adding to their fun, and their game has adapted so that it doesn’t use those rules. The aspect of this phenomenon that fascinates me is that it’s often entirely nonverbal. Players never have a “we should stop using this rule” discussion. Instead, they see their game grind to a halt while everyone puzzles out the rule - once. Such players cooperatively make a decision that increases their fun at the table. The more D&D gets its players to cooperatively do beneficial things, the better the experience for everyone. Sure, I wish D&D were nothing but fun, easy-to-use rules, but that isn’t the game we have. So I’ll happily accept groups of players finding ways around stuff they don’t like.

Bessere Beispiele für einen "collective effort", die im Gegensatz zum gerade gesagten eher konstruktiv als destruktiv mit den Regeln umgehen, liefert die derzeitige Diskussion im Gate zur 4E  social combat mechanic  (http://forum.dnd-gate.de/index.php/topic,17994.0.html&postdays=0&postorder=asc&&start=47). Zufall? :wink: Ich zitiere mal daraus.
Zitat von: "Daeinar"
Was ich daran extrem sympathisch finde ist, dass man sozusagen anregt, kreativ mit den Fähigkeiten der Charaktere umzugehen. Und zwar auch die Spieler. Sicher, man kann nicht immer mit jedem Skill jedes Problem lösen, aber einfach ein Problem mit 4 oder 5 Skills, und den selben DCs klären zu können, und gemeinsam die Beschreibung zu "erfinden" ist für die Gruppe doch toll.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Wormys_Queue am 02. März 2008, 22:43:04
Zitat von: "Berandor"
Das Problem ist, dass du nicht nur das Spiel der Spieler bewerten musst, sondern auch, ob es zum Erfolg führt. Zu sagen, dass Spieler A sich jetzt gerade richtig reingehängt hat, auch wenn Spieler B das mit links hätte besser hingekriegt, ist die eine Sache. Aber wie bewertest du den Erfolg? Wie entscheidest du, ob das tatsächlich gute Argumente waren, um den Baron zu überzeugen, oder ob ihm z.B. die Bevölkerung am Hintern vorbeigeht? Ist es nur die Anstrengung des Spielers?


Um ehrlich zu sein, handhabe ich das aktuell sehr ähnlich wie der von dir dafürkritisierte Prospero. Ich belohne quasi den gezeigten Willen des Spielers damit, dass ich den SG entsprechend anpasse und damit die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöhe. Wobei ich da recht intuitiv (böse Zungen mögen sagen: willkürlich) vorgehe.
  Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang vor allem (und dass muss man mir eben glauben oder es lassen), dass es mir nicht um den Erhalt meiner eingebildeten Macht als SL geht, sondern darum, das Spiel für die Spieler so interessant und spannend wie möglich zu gestalten. Wenn es einen Regelmechanismus gäbe, der mir bei gleichbleibender Qualität des Spiels diese Art des Vorgehens erspart, wäre ich sofort dafür, diesen Mechanismus einzusetzen. Ich kenne nur leider keinen, und wie schon angesprochen scheint der Mechanismus des DoW den Standard-D&D-Mechanismen zwar überlegen, löst aber mein eigentliches Problem nicht, dass man nämlich auch hier letzten Endes au Charakterspiel vollkommen verzichten und einfach den Regelmechanismus entscheiden lassen kann. Auch hier muss ich also andere Möglichkeiten finden, die Spieler zum Charakterspiel anzuhalten, und persönlich halte ich kleine Boni für motivierender als Spielleiterzwang. Das kann man sicher auch durch die von dir angesprochenen AP lösen (die ich ja tatsächlich  in der Eberron-Variante auch benutze.) Wobei ich auch in deinem Beispiel die Möglichkeit zur SL-Willkür sehe, denn wer entscheidet denn darüber, ob der Charakter für seine "geile Rede" einen AP verdient hat? Und auch bei deinem Beispiel stehe ich vor der Aufgabe, das CRP des Spielers anhand seiner Begabung und/oder seines für gewöhnlich gezeigten CRPs gewichten zu müssen, wenn ich meinem Verständnis von Fairness treu bleiben will.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Wormys_Queue am 02. März 2008, 22:56:58
Zitat von: "Windjammer"
Das müssen Designer nicht aus dem Nähkästchen plaudern. Das ist die offizielle Firmenphilosophie von D&D, die seit der AD&D2 szusagen als interior cover sheet in den DMG gepappt wird. Zuletzt von Bill Slavicsek im Rules Compendium ("It's a living game").


Mein Eindruck ist lediglich der, dass das gerne vergessen oder ignoriert wird, wenn es darum geht, sich durch den Wortlaut der Regeln einen Vorteil zu verschaffen, weswegen ich das in diesem Zusammenhang erwähnenswert fand. Ich weiss nicht, ob das ein DSA zu verdankendes speziell deutsches Problem ist oder ob das möglicherweise auch einfach eine Frage des Alters ist. Jedenfalls hab ich hier im Gate schon des öfteren beobachtet, dass man bei Regelfragen einfach mit dem Verweis auf die RAW abgeledert wird, selbst wenn die Intention der Designer eigentlich ganz gut erkennbar eine andere war. Das ist mir auf amerikanischen boards so stark noch nie aufgefallen, da geht man meinem Eindruck nach wesentlich relaxter an die Sache heran.

Wenn man aber den reinen Wortlaut so verabsolutiert, setzt man den SL natürlich schnell dem Vorwurf der Willkür aus, wenn dieser die Regeln flexibel einsetzt, selbst wenn er das in bester Absicht tut.

Aber eigentlich ist das jetzt ein anderes Thema.  :)
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: DU#1229 am 02. März 2008, 23:57:12
@Berandor: meinen Post hast Du, genau wie Windjammer im anderen Thread, leider falsch verstanden. Weder ist das eine Aussage, noch eine Meinung, die ich veräussern möchte.
Gemeint war folgendes:
Warum benötigt man Regeln für Charakterspiel?
Ich denke, einen Diplomatiecheck kann man genauso als Charakterspiel sehen (also Deine Sicht der Dinge), wie zB eine normale soziale Konfrontation, bei der einfach nicht gewürfelt wird oder das Ausspielen von Charakterzügen (wofür ich keine Regeln brauche).
Meine Frage zielte darauf ab, Leute auf Fehler in ihrer Argumentation hinzuweisen bzw. für eine differenzierendere Wortwahl zu sensibilisieren.
Ist hiermit eindeutig schief gelaufen, denn scheinbar definierte ich Charakterspiel anders als ihr alle... :unsure:
-->  also mein Fehler! :x

Ich selbst nutze Regeln für soziale Skills, nachdem das Gespräch verlaufen ist um das Ergebnis abzusehen oder zu beeinflussen. Bei einigen Sachen lasse ich diese Regelmechanismen sogar einfach weg ;)
Aber letztendlich liegen unsere Ansätze gar nicht soweit voneinander entfernt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Taysal am 03. März 2008, 00:13:49
Charakterspiel braucht nur dann Regeln, wenn es die Spielerschaft erfordert - was meistens der Fall ist. Ich habe allerdings schon - mit den richtigen Leuten und auf einer Wellenlänge - Spielrunden ohne Regeln und Spielleiter gespielt.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Berandor am 03. März 2008, 08:59:55
Zitat von: Wormys_Queue
Zitat von: "Berandor"
Wobei ich auch in deinem Beispiel die Möglichkeit zur SL-Willkür sehe, denn wer entscheidet denn darüber, ob der Charakter für seine "geile Rede" einen AP verdient hat? Und auch bei deinem Beispiel stehe ich vor der Aufgabe, das CRP des Spielers anhand seiner Begabung und/oder seines für gewöhnlich gezeigten CRPs gewichten zu müssen, wenn ich meinem Verständnis von Fairness treu bleiben will.


Bei BW entscheidet das z.B. die ganze Gruppe.

Nadir: Dein Post war nur als Aufhänger gedacht, wie ich ja schrieb. Ob du das nun so meintest oder nicht, ist mir egal.

Taysal: Du bist so geil. Lass mich einen Schrein in deinem Namen bauen. Spielt ihr auch Monopoly ohne Regeln und entscheidet beim Pokern (mit den richtigen Leuten natürlich), wann wie viele Karten gezogen werden und welches Blatt gewinnt?
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Taysal am 03. März 2008, 09:37:23
Zitat von: "Berandor"
(...)
Taysal: Du bist so geil. Lass mich einen Schrein in deinem Namen bauen. Spielt ihr auch Monopoly ohne Regeln und entscheidet beim Pokern (mit den richtigen Leuten natürlich), wann wie viele Karten gezogen werden und welches Blatt gewinnt?


Ich habe ja nie behauptet, dass du zu den gleichen Dingen in der Lage bist wie ich, vor allem, da ich zwischen Rollenspiel, Monopoly und Poker Unterschiede mache. Falls dir andere Meinungen und Erfahrungen nicht passen, musst du halt im privaten Kreis posten und öffentliche Foren meiden. Ich hoffe du bist handwerklich geschickt und der Schrein sieht imposant aus.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Wormys_Queue am 03. März 2008, 10:14:47
Zitat von: "Berandor"
Bei BW entscheidet das z.B. die ganze Gruppe.


Was natuerlich wiederum voraussetzt, dass die Spieler die notwendige geistige Reife besitzen, um das System nicht auszunutzen. Ich habe schon (nicht allzulange allerdings^^) in Gruppen mitgespielt, in denen ein Spieler sehr dominant auftrat und ziemlich oft die "Gruppen"-Entscheidungen nur noch von den anderen abnicken liess. Da stoesst auch ein basisdemokratisches System an seine Grenzen.

Nicht, dass Basisdemokratie per se unmoeglich waere. Tatsaechlich versuche ich mein bestes, um die Spieler so viel wie moeglich in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen, ob das nun Ingame ist oder auf Regelebene. Manchmal hab ich aber den Eindruck, dass die Spieler es ganz bequem finden, eben keine Endscheidungen treffen zu muessen.

Letzten Endes laeuft es wohl auf meine weltanschauliche Position wie auch auf meine persoenliche Einstellung zur Wichtigkeit von Regeln hinaus. Zum einen glaube ich ganz allgemein gesprochen nicht an die notwendige Ueberlegenheit von Mehrheitsentscheidungen gegenueber der Entscheidung eines Experten. Auf das Spiel bezogen heisst das fuer mich, dass ich es sowohl als SL wie uebrigens auch als Spieler recht angenehm finde, wenn die Regelhoheit in der Hand eines Schiedsrichters und Moderators liegt und die Spieler sich auf das fuer mich eigentliche am Spiel (Story und Charakter) konzentrieren koennen.

Womit ich wohl sehr nahe an Nadirs Position liege. Fuer das eigentliche Charakterspiel empfinde ich Regeln eher als stoerend, da phantasiehemmend. Gegen Mechanismen, die am Ende die Konsequenzen des Charakterspiels in Spieltermini uebersetzen hab ich nicht direkt etwas, da kann man sich natuerlich herrlich drueber streiten, wie das am besten geregelt werden kann.

Aber ich bin sehr skeptisch, ob es ein Regelwerk geben kann, dass robust und flexibel genug ist, um auf der einen Seite die Ausnuetzung des Systems zu verhindern und auf der anderen Seite der Unendlichkeit an verschiedenen Situationen gerecht zu werden, ohne dabei seinen eigentlichen Sinn als Regularium zu verlieren und das Charakterspiel eher zu behindern als zu foerdern.

Letzten Endes halte ich das daher fuer eine Sache, die man besser im Rahmen des Gruppenvertrags vor der Kampagne klaeren sollte, um einen Mechanismus zu finden, der der jeweiligen Gruppe am besten zu Gesicht steht.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Darastin am 03. März 2008, 11:08:58
Zuerst mal ein großes Danke! an Berandor für diesen tollen Artikel. Der gehört IMHO sogar ins Gate und sollte nicht in den Tiefen des Forums verschwinden.


Zitat von: "Wormys_Queue"
Was natuerlich wiederum voraussetzt, dass die Spieler die notwendige geistige Reife besitzen, um das System nicht auszunutzen.

Das sollte normalerweise selbstverständlich sein - siehe Regel Nummer zwei. Ich habe aber schon in vielen Foren die Tendenz festgestellt, daß sich SL oft für ein wenig schlauer oder reifer halten als ihre Spieler. Das wäre aber ein gefährlicher Trugschluß. Es ist unwahrscheinlich, daß der SL der schlaueste oder reifeste Spielteilnehmer ist und noch viel unwahrscheinlicher ist es, daß er schlauer ist als die anderen Spieler zusammen. Der o.g. Trugschluß wird nur häufig dadurch forciert, daß die Spieler aufgrund eines Informationsvorsprungs des SL für diesen "dumm" aussehen.

Ebenfalls schädlich sind da Texte in der Art des berüchtigten "Auf ein Wort". Hier wird eine ganze Spielergruppe absichtlich als extrem unreif dargestellt, was dem vom System vorgesehenen Highlord-Powertrip noch weitere Nahrung verleiht.

Zitat
Da stoesst auch ein basisdemokratisches System an seine Grenzen.

Wie gesagt ist das eher ein Problem in der Gruppe allgemein. Allerdings ist auch die demokratische Lösung immer etwas unfair; insbesondere in Spielen wie D&D wo die Spieler gemeinsam ein Ziel zu erreichen versuchen und dementsprechend befangen sind.

Nur ist die SL-Entscheidung auch eine sehr wackelige Sache. Sie beruht eigentlich zu einem Großteil auf Sympathie und kaum auf objektiver Beurteilung der gebotenen darstellerischen Leistung. Im schlimmsten Fall durchschaut ihn ein findiger Spieler und manipuliert ihn darüber gezielt. Ein objektives Resolutionssystem kann dem relativ stark entgegenwirken.

Zitat
Letzten Endes halte ich das daher fuer eine Sache, die man besser im Rahmen des Gruppenvertrags vor der Kampagne klaeren sollte, um einen Mechanismus zu finden, der der jeweiligen Gruppe am besten zu Gesicht steht.

Das gilt sowieso für alle Regeln und Kampagnen.

Bis bald;
Darastin
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Wormys_Queue am 03. März 2008, 11:20:27
Zitat von: "Darastin"
Ebenfalls schädlich sind da Texte in der Art des berüchtigten "Auf ein Wort". Hier wird eine ganze Spielergruppe absichtlich als extrem unreif dargestellt, was dem vom System vorgesehenen Highlord-Powertrip noch weitere Nahrung verleiht.


Kein Widerspruch meinerseits. Bisher hatte ich eigentlich auch nur immer dann ein Problem, wenn ein Spieler seinerseits selbst auch als Spielleiter taetig war und sich fuer besonders oberschlau hielt. Dann ist es aber keine Frage der Regeln mehr, sondern eine der Persoenlichkeitsstruktur.

Daher habe ich auch letztendlich nichts gegen Resolutionssysteme im Rahmen von Objektivitaet und Fairness einzuwenden, mir mangelt es lediglich an der Einsicht, dass das tatsaechlich positive Auswirkungen auf das Charakterspiel der betreffenden Spieler hat. Dass es sicherlich besser gehen kann als wie im Rahmen von D&D 3.5 verbrochen, streite ich dagegen gar nicht ab.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 03. März 2008, 13:52:59
Darastin: Danke!

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Hat es positive Auswirkungen auf das Charakterspiel? Das ist eine gute Frage. Lass mich darauf im nächsten Beitrag eingehen (versprochen). Jetzt möchte zuerst noch ein weiteres Feld eröffnen, nämlich Uneinigkeiten in der Gruppe bzw. zwischen SL und Gruppe. Drei Situationen:

Ich denke, alle Fälle sind denkbar, auch ohne dass Charaktere noch eigene, divergente Ziele verfolgen. Selbst in einer homogenen Gruppe kann es zu Spannungen kommen. Der erste Fall verlangt vom SL, von seiner Planung und den vielleicht ausgearbeiteten Abenteuerszenen abzurücken. Das wird nicht leicht fallen und ein objektives Urteil noch erschweren.

Der zweite Fall ist noch interessanter, weil es nicht den SL selbst betrifft. Ohne CRP-Regeln würde hier entweder der dominante Spieler sein Recht bekommen, oder ein Spieler würde aus Gründen des Gruppenfriedens nachgeben. Aber das wäre keine im Spiel getroffene Entscheidung, sondern eine Spieltisch-Aushandlung.

Den dritten Fall kenne ich zumindest zur Genüge, und wahrscheinlich auch andere. Ich würde es fast als gegeben hinnehmen, dass Rollenspieler sich sehr ungerne umherkommandieren lassen. Gleichzeitig verlangen militärische Strukturen, dass Befehlsgewalt eingehalten wird. Als Paladin habe ich es dauernd erlebt, dass selbst mein Knappe (ein anderer SC) tat, was er wollte. Für einen Anführercharakter ist das sehr schwer zu spielen. Eine CRP-Mechanik würde dann ermöglichen, die Untergebenen zumindest grummelnd den Befehl befolgen zu lassen. Das schließt weder aus, dass der Anführer vorher andere Meinungen anhört und einen gemeinsamen Plan fasst, noch, dass der Anführer wegen schlechter Befehle Probleme bekommt.

Dazu kommen jetzt noch Fälle, in denen eine Gruppe vielleicht nicht völlig einverstanden ist. Spielt eine Gruppe z.B. Frodo, Sam und Gollum, so können sich alle darauf einigen, zum Schicksalsberg zu schleichen, aber wies dann weiter geht, da gibt es unterschiedliche Vorstellungen.

Und jetzt kommen wir zu Wormys Frage...
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Berandor am 03. März 2008, 14:08:31
Zitat von: "Wormys_Queue"

Daher habe ich auch letztendlich nichts gegen Resolutionssysteme im Rahmen von Objektivitaet und Fairness einzuwenden, mir mangelt es lediglich an der Einsicht, dass das tatsaechlich positive Auswirkungen auf das Charakterspiel der betreffenden Spieler hat.


Das ist eine sehr gute Frage. Die Antwort darauf lautet leider nicht: natürlich hilft es! Die Antwort ist zwiespältiger.

Zunächst einmal, das habe ich ja bereits dargelegt, fördert eine CRP-Regel das Spiel dahingehend, dass solche Konflikte gesucht werden und häufiger vorkommen. Eine Verbesserung sollte also alleine durch den Effekt der Erfahrung mit solchen Konflikten eintreten, eben durch Übung.

Allerdings bedeutet ein CRP-System natürlich auch, dass man im Zweifel auch einfach die Würfel sprechen lassen kann, so, wie ja auch D&D-Kämpfe nicht sonderlich beschrieben werden, sondern über die Würfel geregelt wird.

Dem kann man nur durch die Zwischenräume entgegenwirken. Damit meine ich, was zwischen und um die CRP-Regeln herum steht. Um das Beispiel von Burning Wheel zu nehmen, lautet der Text neben den eigentlichen Regeln so

Zitat
...each player must describe his point in brief and why he is right.
(...)
Say it and Play it
...let the oration come organically in play. Include the intent (sic) of the action in the roleplay.
(...)
When scripting these maneuvers, players must speak their parts. Spitting out moves in a robotic fashion is not a viable use of these mechanics. The arguments must be made.


Zunächst einmal sind also die Zwischenräume mit solchen Sätzen gefüllt: Teil der Regeln ist es also, nicht nur zu würfeln, sondern auch auszuspielen – da dies auch durch artha belohnt werden könnte oder zumindest damit, dass man durch entsprechendes Spiel Zusatzwürfel aus anderen Fertigkeiten bekommt oder von anderen Charakteren, die zustimmen, ist dies sowieso ein Reiz. Das wäre das drumherum, ebenso wie andere narrative Momente in Burning Wheel, z.B. die Tatsache, dass Extraerfolge vom Spieler erzählt werden dürfen. Da sich das ganze System hier erzählerischer spielt, ist die Gefahr, nur würfeln zu wollen, geringer.

Es gibt ja auch noch extremere Beispiele. Polaris ist das extremste mir bekannte Beispiel für narratives Spiel. Dort ist ja selbst die Konfliktmechanik eine Erzählung. Ich denke, in deinen Sorgen und meiner Antwort steckt auch ein wenig das D&D-Denken drin, da D&D eben ein regelreiches System ist. Und Burning Wheel ist auch kein rules light.

Aber es ist ganz sicher so, dass CRP-Regeln nicht qua ihrer Existenz besseres Rollenspiel zu Tage fördern. Nur häufigeres.
Titel: Re: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (
Beitrag von: Berandor am 03. März 2008, 14:26:48
Zitat von: "Wormys_Queue"

Letzten Endes laeuft es wohl auf meine weltanschauliche Position wie auch auf meine persoenliche Einstellung zur Wichtigkeit von Regeln hinaus. Zum einen glaube ich ganz allgemein gesprochen nicht an die notwendige Ueberlegenheit von Mehrheitsentscheidungen gegenueber der Entscheidung eines Experten. Auf das Spiel bezogen heisst das fuer mich, dass ich es sowohl als SL wie uebrigens auch als Spieler recht angenehm finde, wenn die Regelhoheit in der Hand eines Schiedsrichters und Moderators liegt und die Spieler sich auf das fuer mich eigentliche am Spiel (Story und Charakter) konzentrieren koennen.


Ich kann ehrlich sagen, in meiner Runde nicht der Experte zu sein. Selbst wenn ich mich als Experte bezeichne, bin ich nicht der Einzige. Gruppenentscheidungen von Laien gegen Expertenurteil – okay. Aber liegt das bei Rollenspielrunden wirklich vor?

Du darfst auch nicht vergessen, worum es geht bzw. was da entschieden wird. Nämlich, wer von den Spielern für den meisten Spaß gesorgt hat. Wer am meisten mit seinem Rollenspiel fasziniert hat. Wer gerockt hat.

Warum soll das denn nur der SL entscheiden? Schließlich sind die anderen Spieler genauso Teil des Publikums. Das ist ja keine Regelauslegung oder derartiges, sondern ein Lob auf Spielerebene. Und da halte ich es für absolut selbstverständlich, dass da alle was zu sagen haben.

Nachdem ich noch einmal nachgelesen habe: bei BW wird artha vom SL vergeben, aber Spieler können einander und die NSC des SL nominieren. Außerdem stimmen sie ab, wer MVP und Arbeitstier eines Szenarios war. Du hast als SL also tatsächlich die letzte Entscheidungsgewalt, aber die Spieler sind ausdrücklich aufgerufen zu sagen: »das war cool, da sollte der einen Fate Point für kriegen.« Außerdem ist BW zwar momentan mein Steckenpferd, aber ja nur eine Möglichkeit von vielen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Taysal am 03. März 2008, 16:21:14
Zitat von: "Berandor"

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(...)


Ich wüsste nicht, dass ich mich und meine Spieler zu irgend einem Zeitpunkt gelobt oder über andere gestellt habe. Ich weiß gar nicht wie du dazu kommst, mir solch eine Arroganz zu unterstellen. Wir kennen uns doch gar nicht. Deswegen hast du doch keine Ahnung, wie lange wir spielen. Und ich weiß auch nicht, wie du von mir auf meine "Kumpels" schließt.

Ich habe TheRavens-Thema verfolgt und dann hast du, darauf basierend, zwei eigene Themen eröffnet. Eines davon 'Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht'. In diesem Thema hast dann deine Ansichten, Argumente etc. vorgetragen.

Meine Aussage war:

Zitat von: "Taysal"
Charakterspiel braucht nur dann Regeln, wenn es die Spielerschaft erfordert - was meistens der Fall ist. Ich habe allerdings schon - mit den richtigen Leuten und auf einer Wellenlänge - Spielrunden ohne Regeln und Spielleiter gespielt.


Damit habe ich ebenfalls nur meine Meinung kundgetan. Und Meinungen sind nun einmal subjektiv. Jeder ist sicherlich davon überzeugt, dass seine Meinung die Beste ist, aber man muss sie ja niemandem aufzwingen.

Und dann habe ich darauf hingewiesen, dass ich bereits ohne Regeln gespielt habe, ich also aus persönlicher Erfahrung spreche. In meinem Beitrag steht niergendwo, dass ich besser bin als du oder jemand sonst. Wie kommst du denn darauf?

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Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 03. März 2008, 17:27:47
Vorab: Anscheinend habe ich dich wirklich missverstanden. Tut mir leid. Zur Erklärung:

Zitat von: "Taysal"
Charakterspiel braucht nur dann Regeln, wenn es die Spielerschaft erfordert - was meistens der Fall ist. Ich habe allerdings schon - mit den richtigen Leuten und auf einer Wellenlänge - Spielrunden ohne Regeln und Spielleiter gespielt.


Darauf bin ich abgegangen, weil sich das für mich so las wie: "Ihr braucht das alle, ich habs nicht nötig." Das fand ich wenig hilfreich, konstruktiv, produktiv, diskutabel. Und obwohl ich noch eine andere Entschuldigung habe, bringe ich die nicht, weil das zu blöd wäre.

Ich habe vielmehr meinen eigenen Leitsatz:

1) Immer das Beste annehmen
2) Bei Zweifeln nachfragen

nicht befolgt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Wormys_Queue am 03. März 2008, 21:14:25
Zitat von: "Berandor"
Der SL hat ein Abenteuer geplant. Darin arbeitet ein Adeliger mit einer Gruppe von Banditen zusammen, um sich zu bereichern, eine Stadtführung zu schwächen und die Macht zu übernehmen. Die SC bekommen nun davon Wind und machen sich zu dem Adeligen auf. Der SL hat schon geplant, sie entweder in einem Kampf aus dem Thronsaal entkommen zu lassen oder sie in den Kerker zu stecken, von wo sie fliehen müssen. Der Bardenspieler entschließt sich aber, dem Baron ins Gewissen zu reden. Das würde einen Teil des geplanten Abenteuers umwerfen und auch die weiteren Begegnungen erstmal ändern und vielleicht zu leicht machen – schließlich könnte der Baron die SC direkt ins Banditenlager führen.


Hört sich vielleicht blöde an, aber ich liebe es, wenn die Spieler kreativ werden und meine Vorplanungen als SL über den Haufen werfen. Stimmt, macht Arbeit, aber daraus entstanden einige meiner liebsten Rollenspielerinnerungen, insoweit würde ich das als SL nie zu unterbinden suchen. Ist aber für mich mit einem dicken Nachteil verbunden, dazu später.

Die anderen beiden Beispiele und die damit verbundenen Probleme sind mir natürlich bewusst. Und ich erkenne anhand dieses Beispieles durchaus, wie eine vernünftige Regelung das Ausspielen solcher Konfliktsituationen überhaupt erst ermöglichen kann. 1:0 für Dich sozusagen :)

Zitat
Aber es ist ganz sicher so, dass CRP-Regeln nicht qua ihrer Existenz besseres Rollenspiel zu Tage fördern. Nur häufigeres.

Danke für die ehrliche Antwort. Der ich durchaus folgen kann.

Zitat
Ich kann ehrlich sagen, in meiner Runde nicht der Experte zu sein. Selbst wenn ich mich als Experte bezeichne, bin ich nicht der Einzige. Gruppenentscheidungen von Laien gegen Expertenurteil – okay. Aber liegt das bei Rollenspielrunden wirklich vor?


Vielleicht ist das bei mir teilweise ein Sonderfall, da ich einige Spieler habe, die sich für die Regeln eigentlich nicht im geringsten zu interessieren scheinen. Aber ich sollte mich an dieser Stelle vielleicht etwas exakter ausdrücken. Mir ging es weniger darum, den SL als alleinigen Experten in Sachen Regeln zu benennen, das würde sich in Runden mit wechselndem SL schnell ad absurdum führen. Und ich habe mindestens einen Spieler in meinen Online-Runden, der mir regeltechnisch weit überlegen sein dürfte.

Lass es mich also anders versuchen: Ich leite aus Zeitgründen vor allem Kaufabenteuer und Kampagnen. Kampagnen a la Shackled City erfordern aber meines Erachtens zwei Dinge,wenn sie erfolgreich verlaufen sollen:
Meine Herangehensweise an die Spielrunde ist nun die, dass ich im Rahmen der Kampagne versuche, den Spielern soviel Freiheit wie nur irgend möglich zu lassen. Das beinhaltet das Risiko, dass die Spieler auf eine Idee kommen, die per se möglicherweise sehr kreativ ist, aber das Gesamtgefüge der Kampagne zu sprengen drohen. In diesem Fall aber ist es mir (auch als Spieler) lieber, wenn der Kampagnenexperte (also der SL) die Entscheidung fällt, was geht und was nicht, und möglicherweise auch mal gegen die Idee (nichtgegen die Spieler) entscheidet, als dass er Dinge geschehen lässt, die der Kampagne insgesamt schaden.

Ich gehe wohlgemerkt dabei nicht von dem Fall aus, dass die Spieler die Lust am eigentlichen Kampagnenplot verloren haben, in welchem Falle es natürlich haarträubender Unfug wäre, ihnen diesen weiter aufzuzwingen.  Aber für mich (jetzt wieder als SL) ist es einfach auch eine Frage des Zeitmanagement. Von meinen beiden Onlinekampagnen läuft eine inzwischen sehr frei und ohne detailliertes Skript ab, während die andere sich noch in den Anfängen befindet und daher noch sehr eng an den Handlungsvorgaben des AP orientiert. Ich finde beide Kampagnen bisher hochspannend, aber die erste erfordert für mich einen wesentlich höheren Zeitaufwand, den ich eigentlich nicht immer zu leisten in der Lage bin.

Langer Rede kurzer Sinn: "Experte" war wahrscheinlich ein schlechter Ausdruck für das, was ich eigentlich meinte.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Wormys_Queue am 04. März 2008, 11:56:43
Zitat von: "Amurayi"
]Statt dem üblichen etwas sinnfreien Bonusschinden (v3.5 Diplomatiewurf? Der Char mit dem höchsten Gesamtwert würfelt, alle anderen am Tisch unterstützen mit „Aid another“ - öde!) sollen die Stärken jedes Einzeln zu einem Gesamtergebnis beitragen. Der DM gibt zunächst ein Ziel vor (z.B. den Baron von etwas überzeugen, vor Verfolgern fliehen, im Dschungel überleben). Dann entscheidet jeder Spieler welchen Skill er einsetzen möchte, um der gesamten Gruppe dabei zu helfen (Spieler 1 benutzt „Diplomacy“ um einen Händler davon zu überzeugen ihn aus der Stadt zu schmuggeln, Spieler 2 benutzt „Thievery“, um fremde Kleidung von der Wäsche als Verkleidung zu stehlen, Spieler 3 benutzt „Streetwise“ um Fluchtwege aus der Stadt ausfindig zu machen etc.) . Je schwieriger sich ein Spieler sein Ziel setzt, um so höher ist die positive Auswirkung auf die Gesamtgruppe. Setzt sich der Spieler ein einfaches Ziel und misslingt dieses ist die Auswirkung schlechter als bei einem durchschnittlichen Herausforderung. Was genau der Spieler mit seinem Skill anstellt und was der DM daraus macht ist vollkommen offen und wird nur durch die Kreativität beschränkt. Gelingt der Großteil der Proben der Gruppe, ist die Skill Challenge erfolgreich. Leaddesigner James Wyatt hat dabei betont, dass so etwas vom DM nicht statisch vermitteln (also kein „You are now entering what's called a skill challenge, with the goal of [X]”) sondern so etwas fließend in ein Abenteuer miteingebaut werden sollte. Auch dafür ist natürlich Exp vorgesehen.


Was halt ihr eigentlich von dieser Info?
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Nathan Grey am 04. März 2008, 12:28:39
Also die Grundidee dahinter finde ich richtig gut. Vielleicht werde ich der 4 Edition doch ne Chance geben. :?:
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Darastin am 04. März 2008, 12:50:59
Zitat von: "Wormys_Queue"
Was halt ihr eigentlich von dieser Info?

Ich bin insofern etwas mißtrauisch, da anscheinend gerade bei Diplomatie alles völlig offen gestaltet ist (was auf gut Deutsch eigentlich so viel heist wie: da gibt's gar nix). Man weiß somit eigentlich nicht, was der Skill überhaupt wert ist.

Beispiel: Wenn ich jetzt mal einen hypothetischen Wert in Klettern von +23 habe, dann kann ich ziemlich genau sagen welche Art von Kletterpartie ich damit machen kann. Mit einer +23 in Heimlichkeit kann ich zumindest anhand dessen, ob das gemessen anhand meinser Stufe viel oder wenig ist, meine Chancen gegen die Wahrnehmungswerte gleich starker Gegner einschätzen (und daß Bauer Randas vom Ackerfelde keine Schnitte hat ist gewiss). Aber was kann ich mit einer +23 in Diplomatie?

Wenn ich z.B. wüßte daß ich damit die Will Defense meines Gegenübers schlagen muß um ihn zu einer kleinen Gefälligkeit zu überreden und sie um 10 überwürfeln muß um seine Weltanschauung ins Wanken zu bringen dann wäre das ein Anhaltspunkt. Ob das ein gutes System ist steht auf einem anderen Blatt, aber es erleichtert allen die Fähigkeiten des Charakters einzuschätzen und gibt auch dem SL eine Baseline für die Skill Challenges in die Hand, die nicht nur in bester Oblivion-Manier rein an den SC-Stufen orientiert ist sondern sich nach der tatsächlich vorliegenden Aufgabe richtet.

Bis bald;
Darastin
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Argamae am 04. März 2008, 17:07:35
Zitat von: "Berandor"
Drei Situationen:

  • Der SL hat ein Abenteuer geplant. Darin arbeitet ein Adeliger mit einer Gruppe von Banditen zusammen, um sich zu bereichern, eine Stadtführung zu schwächen und die Macht zu übernehmen. Die SC bekommen nun davon Wind und machen sich zu dem Adeligen auf. Der SL hat schon geplant, sie entweder in einem Kampf aus dem Thronsaal entkommen zu lassen oder sie in den Kerker zu stecken, von wo sie fliehen müssen. Der Bardenspieler entschließt sich aber, dem Baron ins Gewissen zu reden. Das würde einen Teil des geplanten Abenteuers umwerfen und auch die weiteren Begegnungen erstmal ändern und vielleicht zu leicht machen – schließlich könnte der Baron die SC direkt ins Banditenlager führen.
  • Die Gruppe verfolgt einen entflohenen Mörder und stellt ihn schließlich in seinem Haus. Es stellt sich heraus, dass der Mann nur mordete, weil das Opfer seine Frau vergewaltigt hatte (Achtung: theoretisches Beispiel). Der Paladin hat natürlich jetzt Verständnis, der chaotisch gute Barde will den Kerl laufen lassen, aber der RN Tyrkleriker will den Gefangenen zurück in den Knast bringen.
  • Das Konzept, um die Gruppe zusammenzubringen, ist eine gemeinsame Elite-Einheit der Armee. Es gibt einen Späher, eine Artillerie, einen Scharfschützen, usw. Einer der Spieler baut seinen SC als Anführer der Gruppe auf. Er gibt also Befehle, denen die anderen Spieler aber nicht gehorchen wollen.


Um mal mit deinen drei Beispielen in diese Diskussion einzusteigen und anhand dieser aufzuzeigen, daß es meiner Meinung nach wenig bringt, (allzu komplexe) Regeln für Charakterspiel zu implementieren. Vorweg: ich hoffe, ich habe Dich mit deiner Absicht dieses Threads nicht mißverstanden.

Erstes Beispiel: Nehmen wir als System mal D&D an. Der Barde möchte nun also versuchen, dem Adeligen ins Gewissen zu reden. Dazu hat er ja neben gewissen "Bardendingen" vornehmlich entsprechende Sozialfertigkeiten - allen voran Diplomatie. Eine Regelung für diese Art der Beeinflußung von NSC wird ja mit der Spielmechanik bereits mitgeliefert. Du kannst als Spielleiter jetzt somit einen SG festlegen, den der Barde mit einem Wurf auf Diplomatie erreichen muß, um dem Adeligen erfolgreich ins Gewissen zu reden. Aber was nun, wenn der Spieler in Rolle einen dermaßen schönen, runden und mitreißenden Monolog (oder auch Dialog, falls der Adelige durch den SL einbezogen wird) abliefert, daß sogar die anderen, nicht beteiligten Spieler gefesselt und unterhalten werden? Willst Du dann immer noch einen sachlichen Gradmesser haben, ob dieser Einsatz des Barden erfolgreich war? Willst du am Ende sagen: "würfel' mal auf Diplomatie" oder wie auch immer nun die Charakterspiel-Mechanik aussehen soll? Und der Spieler des Barden versägt leider seinen Wurf und du sagst dann: "Nee, das hat leider nicht funktioniert"? Natürlich ist es Spielleiterwillkür, ein Ergebnis einfach zu entscheiden - aber es ist in solchen Fällen sicher eine spielbereichernde Willkür. Darüber hinaus würde ich in gewissem Rahmen solche tollen Leistungen durch Spieler immer belohnen, selbst wenn ich damit vorgeplante Begegnungen abändern müßte. Ich laß mich als SL nämlich auch gern überraschen und hin und wieder von den Spielern führen - statt umgekehrt.

Im zweiten Beispiel sehe ich nicht, wie eine Charakterspiel-Mechanik einen gruppeninternen Disput zu lösen imstande sein soll. Wie Du ja selbst sagst, lassen sich Spieler ungern etwas befehlen. Nichts anderes täte da doch auch eine Spielmechanik, die vorschriebe, zu welchen Ergebnissen nun ein gruppeninterner Charakterzwist führt. Solche Situationen, wie die aus diesem Beispiel, gibt es häufig und es bringt imho nix, den Ausgang solcher durch eine Spielmechanik zu ermitteln.

Im dritten Beispiel schließlich bedarf es doch insbesondere des selbstkritischen, reflektierenden Rollenspiels aller Gruppenmitglieder. Bereits im Vorfeld müssen diese bereit sein, sich auf eine solche Rollenverteilung mit einem klar definierten Anführer einzulassen. Das widerspenstige Spieler mittels eines Würfelswurfs (oder einer sonstwie gearteten Spielmechanik) dazu gebracht werden, fügsame Befehlsempfänger zu werden, sehe ich nicht.

Insgesamt erscheint mir Deine Forderung nach konkreten Regeln durchaus berechtigt, und einige Interaktionsregeln (etwa das Beeinflußen von NSC, um deren grundsätzliches Verhalten zu ändern - von "abweisend" nach "freundlich") halte ich auch für brauchbar, doch gerade die Beispiele aus deiner Kampagne machen deutlich, daß man imho nicht für alle Eventualitäten ein Regelgerüst zurate ziehen muß. Nicht nur sähe ich dadurch den Spielfluß gestört sondern auch einen guten Teil der Spielleiterrolle als "Erzähler" und "Regisseur" eliminiert. Absolute Simulationisten mögen mir da widersprechen, aber ich bin froh, daß ich als SL erzählerische Willkür walten lassen kann. Nur so kann ich flexibel genug reagieren. Es wäre wohl ein Albtraum, wenn ich nach jeder Runde "Burgfräulein betören" erstmal Modifikatoren errechnen und Boni bzw. Mali verteilen müßte.

Was nun die objektiven Belohnungen angeht, die Sozialkonflikte erbringen sollen, so hat D&D da ja schon eine brauchbare HG-Regelung. Man kann schlicht die Stufe des beeinflußten NSC als Gradmesser für eine XP-Vergabe ansehen. Und was darüber hinaus geht, da nenne ich nochmal den bereits oben geschriebenen Satz: ich bin froh, daß ich als SL erzählerische (in diesem Fall belohnende) Willkür besitze. Denn anders könnte ich Geschichten mit der für mich nötigen Dramatik gar nicht erzählen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 04. März 2008, 17:36:05
Um mal auf die 3 Beispiele einzugehen:

1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

Effektiv ist hier das Problem dass beide klassischen Vorgehensweisen ("erst würfeln, dann ausspielen" oder "erst ausspielen, dann würfeln") einen hier zu keinem gutem Ergebniss bringen.

Der erste Weg ist regelgerechter - ich würfle gut, also muss meine Rede gut sein, ich würfle schlecht also ist es nicht so.

Das lässt sich ohne die Einberechnung des Ausspielens machen. Ist aber langweilig und zum Teil frustrierend.

Der zweite Weg führt dazu dass man eigentlich Situationsboni geben muss - ansonsten spielt der Spieler tolle Argumente aus, die aber nicht in seinen Wurf einfliessen. Das ist also die klassische Stelle an der der SL sagt: Hast du toll gemacht, ich rechne mal noch 10 auf deinen Wurf drauf, dann klappts.

Beides ist aber eigentlich keine gute Lösung. Was ich für eine gute Lösung halte wäre: Der Spieler spielt das Gespräch aus, und anhand seines Wurfes oder seiner Würfe bekommt er Hinweise zur Lösung des Problems.

Das könnte dann so aussehen:

*Barde würfelt auf Diplomatie* 15 -> er findet einen guten Einsprungspunkt in das Gespräch (SL gibt ihm wenn benötigt Hilfe, z.B. indem er ihm sagt wie die korrekte höfische Begrüssung wäre)
SL antwortet
*Barde würfelt auf Diplomatie* 20 -> Ihm fällt eine gute Möglichkeit ein das Problem anzusprechen. (SL gibt ihm wenn benötigt Hilfe - z.B. könnte er ihm oder seinen Begleitern einen Wurf auf Legendenkunde gewähren, mit dem sie rauskriegen dass er Baron früher mal sehr idealistisch war, und früher sowas nie gemacht hätte)
SL antwortet
*Barde würfelt wieder* 1 -> Ihm unterläuft ein Fauxpas
SL reagiert darauf
*Barde versucht das wieder gut zu machen, würfelt und erzählt wieder* -> 18 Diesmal gelingt es ihm dem Baron ins Gewissen zu reden.

Der Vorteil bei dieser Methode ist dass würfeln und ausspielen ineinander übergehen. Wenn dem Spieler nicht einfällt wie er seinen Fauxpas wieder gutmachen könnte, dann bekommt er den letzten Wurf auch nicht. Wenn er zwar sich an die Legende von dem jungem Baron erinnert, aber das nicht ins Gespräch einbaut nützt es ihm nichts.

2. Hier kann eine Regelmechanik eigentlich sehr viel bewirken. Sie kann dafür sorgen dass ein Char einen anderen einschüchtern kann, oder in einem eskalierendem Kampf den Ausgang bestimmen. Auch wenn es nicht dazu kommt, so kann sie doch Konsequenzen festlegen, z.B. dass dem Tyrkleriker wenn er gegen seinen Gott handelt diese drohen, er also motiviert wird so einen Konflikt auch auszuspielen.

3. Hier sind eigentlich wirklich nur Hintergrundeinschränkungen relevant. Wenn die Charaktere keine Motivation haben ihrem Anführer zu folgen lässt sich wenig machen. Allerdings können auch hier Regeln helfen indem sie diese Motivation schaffen. Zum Beispiel indem ein Char in Taktik geschult ist - und dadurch eine Situation besonders gut analysieren kann.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Argamae am 04. März 2008, 18:16:31
Zitat von: "Arldwulf"
Um mal auf die 3 Beispiele einzugehen:

1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

Was ich für eine gute Lösung halte wäre: Der Spieler spielt das Gespräch aus, und anhand seines Wurfes oder seiner Würfe bekommt er Hinweise zur Lösung des Problems.

Der Vorteil bei dieser Methode ist dass würfeln und ausspielen ineinander übergehen. Wenn dem Spieler nicht einfällt wie er seinen Fauxpas wieder gutmachen könnte, dann bekommt er den letzten Wurf auch nicht. Wenn er zwar sich an die Legende von dem jungem Baron erinnert, aber das nicht ins Gespräch einbaut nützt es ihm nichts.

Ich fände es als Spieler extrem nervig, wenn ich a) während eines Gesprächs (das, wovon ich ausgehe, in-time als Charakter mit dem SL als NSC gesprochen wird) ständig durch Würfelwürfe unterbrochen würde - und b) insbesondere dann, wenn mir der SL plötzlich noch Infos gibt, die ich bei der Zurechtlegung meiner Rede noch nicht kannte ("Ach, der Baron war früher mal Mitglied einer Gruppe von Freiheitskämpfern? Wie gut, daß mir das JETZT einfällt...").

Zitat von: "Arldwulf"
2. Hier kann eine Regelmechanik eigentlich sehr viel bewirken. Sie kann dafür sorgen dass ein Char einen anderen einschüchtern kann, oder in einem eskalierendem Kampf den Ausgang bestimmen. Auch wenn es nicht dazu kommt, so kann sie doch Konsequenzen festlegen, z.B. dass dem Tyrkleriker wenn er gegen seinen Gott handelt diese drohen, er also motiviert wird so einen Konflikt auch auszuspielen.

Keine Regelmechanik der Welt wird dir helfen, einem Spieler NICHT das Gefühl zu geben, er hätte keine Kontrolle über das, was sein Charakter tut. Wenn Du durch Regeln einem Spieler vorschreiben willst, jetzt bitte eingeschüchtert zu reagieren, dann wird das kaum zu einem befriedigendem Ergebnis am Spieltisch führen. Der Spieler muß sowas durch das Spiel primär selbst entscheiden - deswegen meine Rede von selbstkritischem, reflektiertem Rollenspiel. Wenn es um Gefühle und Überzeugungen geht, kann man sowas nicht durch Regeln bestimmen. Dies setzt natürlich eine reife Gruppe voraus, die in der Lage ist, für ihre Charaktere auch mal freiwillig Nachteile und Einschränkungen in Kauf zu nehmen, weil sie erkennt, daß es für die Stimmung und Dramatik der Szene/des Spiels eine Bereicherung wäre.

Zitat von: "Arldwulf"
3. Hier sind eigentlich wirklich nur Hintergrundeinschränkungen relevant. Wenn die Charaktere keine Motivation haben ihrem Anführer zu folgen lässt sich wenig machen. Allerdings können auch hier Regeln helfen indem sie diese Motivation schaffen. Zum Beispiel indem ein Char in Taktik geschult ist - und dadurch eine Situation besonders gut analysieren kann.

Den Spielern muß klar sein (und dies wissen auch die Charakter in der erdachten Welt), daß es Konsequenzen für Befehlsmißachtung gibt. Die Gruppe muß ihren Vorgesetzten ja nicht mögen (tun wahrscheinlich nur die wenigsten Soldaten), aber die äußere und innere Struktur des Militärs sorgt dennoch für den Gruppenzusammenhalt. Der Anführer ist natürlich trotzdem gut beraten, sich mit seinen Leuten gut zu stellen.
Das Regeln helfen können, Motivationen zu schaffen, würde ich mit einem dicken Fragezeichen versehen. Nur weil ein Charakter mal in Taktik geschult wurde, muß er doch nicht motiviert sein, dieses Wissen ständig und gerne anzuwenden?! Das er es KANN, ist die eine Sache, das er es auch WILL, eine völlig andere. Daran werden auch Regeln imho nix ändern.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 04. März 2008, 18:29:10
Ich verstehe da deinen Standpunkt durchaus Argamae. Ich frage mich nur ob er zielführend ist.

Dies hier ist ein gutes Beispiel:

Zitat
Keine Regelmechanik der Welt wird dir helfen, einem Spieler NICHT das Gefühl zu geben, er hätte keine Kontrolle über das, was sein Charakter tut.


Das stimmt. Ungeachtet dessen kann eine Regelmechanik einem Spieler helfen einzuschätzen was sein Charakter tut. Sie kann helfen wenn es darum geht einen Charakter stimmig auszuspielen.

Das gilt doch nicht nur für Diplomatie. Nimm zum Beispiel klettern, einen sehr simplen Skill.

Brauche ich diesen? Eigentlich nicht - jeder Spieler sollte für seinen Char selbst einschätzen können ob er gut klettern kann oder nicht. Trotzdem ist es hilfreich damit Spieler sich über die Stärken und Schwächen ihrer Charaktere Gedanken machen einen solchen Skill anzubieten. Er regt die Spieler dazu an schon vor einer solchen Situation sich Gedanken darüber zu machen ob sie gut klettern können. Genauso ist es mit dem Einschüchtern, Diplomatie oder Bluffen.

Ein solcher Skill regt Spieler dazu an darüber nachzudenken ob ihre Chars gut oder nicht in solcherlei Dingen sind. Und das halt nicht erst dann wenn ihr Leben davon abhängen könnte, oder ihr Erfolg, sondern zu einem neutralerem Zeitpunkt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Argamae am 04. März 2008, 19:01:28
Zitat von: "Arldwulf"
Ich verstehe da deinen Standpunkt durchaus Argamae. Ich frage mich nur ob er zielführend ist.

Kommt auf das Ziel an, und im Falle dieses Threads ist das wohl: Überzeugen, das Regeln für Charakterspiel notwendig sind. Davon bin ich nicht überzeugt. Mein Standpunkt macht dies klar.

Zitat von: "Arldwulf"
Nimm zum Beispiel klettern, einen sehr simplen Skill.
Brauche ich diesen? Eigentlich nicht - jeder Spieler sollte für seinen Char selbst einschätzen können ob er gut klettern kann oder nicht. Trotzdem ist es hilfreich damit Spieler sich über die Stärken und Schwächen ihrer Charaktere Gedanken machen einen solchen Skill anzubieten. Er regt die Spieler dazu an schon vor einer solchen Situation sich Gedanken darüber zu machen ob sie gut klettern können. Genauso ist es mit dem Einschüchtern, Diplomatie oder Bluffen.
Ein solcher Skill regt Spieler dazu an darüber nachzudenken ob ihre Chars gut oder nicht in solcherlei Dingen sind. Und das halt nicht erst dann wenn ihr Leben davon abhängen könnte, oder ihr Erfolg, sondern zu einem neutralerem Zeitpunkt.

Das steht a) doch völlig außer Frage, und ist b) grundlegender Bestandteil aller Rollenspiele, die Charakterfähigkeiten numerisch (oder sonstwie) quantifizieren. Damit rennst du offene Türen ein. Aber worauf willst Du jetzt hinaus?
Ich habe also mit meinem Charakter einen Wert von +11 in "Leise bewegen". Okay. Das sagt mir etwas über bestimmte Wahrscheinlichkeiten - ob ich abschätzen kann, dieses oder jenes Geschleiche mit einiger Gewißheit auf Erfolg zu bewerkstelligen. Aber es sagt mir doch NICHTS über die dahinter stehenden Motivationen aus, auf die Du dich im vorigen Posting beziehst. Nur, weil ich etwas KANN, will ich es nicht notwendigerweise auch tun. Und nur, weil ich etwas NICHT kann, heißt das ja nicht, daß ich es nicht tun WILL. Viele Leute können nicht singen. Sie tun es aber trotzdem.
Etwas weniger versponnen und mehr in Richtung Topic: ich könnte zwar aus einem geringen Diplomatie-Wert ableiten, daß mein Charakter nicht sonderlich geübt in konversationellen Dingen ist, aber trotzdem mag ich doch als Spieler entscheiden (vielleicht noch in Zusammenhang mit einem geringen Weisheitswert), das der Charakter trotzdem eine absolute Labertasche ist, die sich überall einmischt und ihren unqualifizierten Senf dazu gibt. Und dieser Umstand geht einer Menge NSC (und ggfls. SC) gehörig auf die Nüsse. Soll man nun eine Spielmechanik zurate ziehen, die ermittelt, wann bei einem NSC das Maß voll ist und er mir eine ballert bzw. mich von Wachen "entfernen" läßt? Soll ich daß via den "Diplomatie"-Wert ermitteln, wenn sich der Charakter doch gar nicht bemüht, einsichtig zu sein? Und wie steht es mit SC in der Gruppe? Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Mein Punkt ist: soziale Situationen sind mitunter so vielschichtig, daß eine Spielmechanik ihnen einen Bärendienst erweisen würde. Da ist einfach SL-Willkür gefragt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 04. März 2008, 19:16:54
Ich denke wir sind doch gar nicht so weit auseinander mit unserer Meinung.

Natürlich lässt sich über ein Regelsystem nicht jeder Aspekt des Charakterrollenspiels regeln.

Ungeachtet dessen kann es aber bei manchen Aspekten helfen.

Ganz allgemein ziehe ich aber (siehe auch das System weiter oben) vor wenn die Würfelwürfe nur Hinweise auf das richtige Verhalten geben, nicht aber über Erfolg oder Misserfolg bestimmen. Da ist dann nicht die Handlung des Charakters oder NPC vorbestimmt - aber der Wurf beeinflusst den Ausgang dennoch.

Für das Einschüchtern Beispiel könnte das heissen:

Barbar: "Wage es nicht noch einmal über meine Schwester zu lästern!" *baut sich bedrohlich vor dem Barden auf*
Barbar würfelt Intimidate - es klappt
SL zum Barden: Du merkst das es ihm ernst ist.

Es kann dem Barbar auch ernst sein, wenn er den Barden nicht einschüchtert. Oder auch wenn er ihn Einschüchtert kann es dennoch nur ein bluff sein. Der Würfelwurf definiert nicht die Handlung. Nur wie es für den Barden herüberkommt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: TheRaven am 04. März 2008, 19:40:29
Zitat
Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Leute, informiert euch doch am Besten mal wie Rollenspielmechaniken und Regeln in Konkurrenzprodukten wirklich funktionieren. Eure hier veräusserten Ideen dazu sind ziemlich weit von der Realität entfernt. Nur soviel dazu: Bei diesen Mechaniken geht es praktisch nie darum die Handlungen zu steuern, sondern Aktionen, welche mit im Voraus festgelegten Charakteraspekten einhergehen, zu belohnen. Jeder kann so spielen wie er will aber spielt jemand seinen Charakter entsprechend der vorher festgelegten Persönlichkeit, dann wird dies belohnt.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Tzelzix am 04. März 2008, 22:15:39
Mechaniken, die zur Konfliktlösung dienen sind auch keine "Mind-Control" Instrumente, sondern beinhalten für gewöhnlich, dass alle Teilnehmer ihren Einsatz abstecken und damit genau wissen,  worauf sie sich einlassen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 05. März 2008, 00:12:52
Ich hoffe, ihr versteht, dass ich jetzt nicht auf alle Fragen eingehen kann. Wenn es ein dringendes Problem gibt, einfach noch mal fragen.

Zunächst einmal möchte ich etwas vorausschicken: selbst wenn (!) die Mechanik für einen bestimmten Fall Geistesbeeinflussung gleich kommt, wie handhabt ihr den Geistesbeeinflussung in D&D? Also Suggestion, Dominate Person, ...?

Und dann hat Raven richtig gesagt, dass die genannten Beispiele etwas an den Haaren herbeigezogen sind, Allerdings will ich nicht verleugnen, dass ich die Notwendigkeit für soziale Mechanismen auch für taskbasierte Systeme sehe. In Konflitklösungssystemen stellt sich das Problem einer guten Umsetzung von Spieltischaktionen noch viel weniger.

Zunächst einmal bedeutet das Vorhandensein von sozialen Mechaniken keine gleichwertige Behandlung seitens NSC und SC: Um als SL den Spielern regelmäßig Superdiplomaten vorzusetzen, die einen zum Freund machen, muss man schon ein kleines Arschloch sein.

Zitat von: "Argamae"

Aber was nun, wenn der Spieler in Rolle einen dermaßen schönen, runden und mitreißenden Monolog (oder auch Dialog, falls der Adelige durch den SL einbezogen wird) abliefert, daß sogar die anderen, nicht beteiligten Spieler gefesselt und unterhalten werden? Willst Du dann immer noch einen sachlichen Gradmesser haben, ob dieser Einsatz des Barden erfolgreich war? Willst du am Ende sagen: "würfel' mal auf Diplomatie" oder wie auch immer nun die Charakterspiel-Mechanik aussehen soll?

Das ist natürlich auch eine Frage des Spiestils, aber: Ich halte es für die Pflicht des Spielers, zu versuchen, nicht nur seine eigenen Eier zu schaukeln, sondern auch die der Mitspieler. Also für alle unterhaltsam zu sein, gerade, wenn man alleine im Rampenlicht steht.  Eine einfach nur "fesselnde" Rede wäre also nicht unbedingt ein Grund, um eine Ausnahme zu machen. So etwas wird dann von anderen Mechaniken (z.B. artha) abgedeckt.

Zweitens gibt es, wenn gewürfelt wird, eine Möglichkeit zu scheitern. Sonst würfele ich nicht. Das bedeutet einerseits, dass ich einen Wurf verlange, um zu sehen, ob die Rede beim Baron angekommen ist. Ich bin nämlich nicht der Baron. Wenn der Barde wirkliche Diplomatie bis unter den Haaransatz hat, wird die Wahrscheinlichkeit zu Scheitern auch gering genug sein, dass erstens er die Rede erfolgreich halten wird und er zweitens, wenn er doch patzt, daraus eine tolle kleine Storyline entwickeln kann.

Drittens, wenn der Typ so eine geile Rede hält, dass die Spieler von den Sitzen fliegen und ich selbst geneigt bin, meine Unterlagen auszuhändigen und zu den Spielern überzulaufen, dann lass den Barden verdammt noch mal die Probe schaffen. Scheiß drauf. Das ist aber genauso eine Ausnahme wie das von Terroristen entführte Flugzeug, dass rechtzeitig präventiv abgeschossen werden muss. Das muss man nicht regeln.

Zitat
Im zweiten Beispiel sehe ich nicht, wie eine Charakterspiel-Mechanik einen gruppeninternen Disput zu lösen imstande sein soll. Wie Du ja selbst sagst, lassen sich Spieler ungern etwas befehlen. Nichts anderes täte da doch auch eine Spielmechanik, die vorschriebe, zu welchen Ergebnissen nun ein gruppeninterner Charakterzwist führt. Solche Situationen, wie die aus diesem Beispiel, gibt es häufig und es bringt imho nix, den Ausgang solcher durch eine Spielmechanik zu ermitteln.


Es ist ein Unterschied, ob man diskutiert, bis einer entweder nichts mehr sagt und sich mit gekreuzten Armen in die Ecke hockt, oder bis Paul wieder seinen Willen bekommen hat, oder ob man sagt: ”Lasst die Würfel sprechen!" und dann in einem "fairen" Wettstreit entscheidet, wer gewinnt. Du täuschst dich gewaltig, wenn du das gleichsetzt, da ist eine ganz andere psychologische Rechtfertigung hinter.

Zitat
Im dritten Beispiel schließlich bedarf es doch insbesondere des selbstkritischen, reflektierenden Rollenspiels aller Gruppenmitglieder. Bereits im Vorfeld müssen diese bereit sein, sich auf eine solche Rollenverteilung mit einem klar definierten Anführer einzulassen. Das widerspenstige Spieler mittels eines Würfelswurfs (oder einer sonstwie gearteten Spielmechanik) dazu gebracht werden, fügsame Befehlsempfänger zu werden, sehe ich nicht.


Natürlich gehört das dazu. Aber auch, wenn solche Charakterkonzepte akzeptiert werden, stoßen sie sehr schnell an ihre Grenzen, da die Anführerschaft eben nicht unterstützt werden kann.

Ich möchte auch noch mal sagen, dass dies alles noch eine homogene Gruppe unterstellt, also keine Charaktere mit widerstreitenden Zielen.

Zitat
Nicht nur sähe ich dadurch den Spielfluß gestört sondern auch einen guten Teil der Spielleiterrolle als "Erzähler" und "Regisseur" eliminiert. Absolute Simulationisten mögen mir da widersprechen, aber ich bin froh, daß ich als SL erzählerische Willkür walten lassen kann. Nur so kann ich flexibel genug reagieren.


Dein Denken ist in d20 festgefahren. Befrei dich von diesem Mist, dass erzählerische Willkür nötig sei. Wormy oben hats auch richtig gesehen – es ist toll, wenn die Spieler so was versuchen, dann sind sie nämlich interessiert und nicht nur passive Konsumenten deiner Ideen. Übrigens sind viele Spiele mit CRP-Regeln sehr narrativistisch ausgelegt und eben nicht simulationistisch veranlagt.

Andererseits stimme ich dir zu: Wenn du erzählerische SL-Willkür brauchst, dann können CRP-Regeln dir in die Quere kommen.

Zitat von: "Arldwulf"

1. Der Einsatz von Diplomatie bei dem NPC.

Effektiv ist hier das Problem dass beide klassischen Vorgehensweisen ("erst würfeln, dann ausspielen" oder "erst ausspielen, dann würfeln") einen hier zu keinem gutem Ergebniss bringen.


Nicht unbedingt. Du gehst von einem falschen Ansatz aus. Richtig ist natürlich "ausspielen, dann würfeln". Allerdings setzt du dann dich gleich dem NSC bzw. mehreren NSC. Schon mal in einem Kino gesessen und als einziger nicht gelacht? Ich ja. Ich bin auch schon im Theater zur Pause gegangen, wo es nachher stehende Ovationen gab, und ich habe Bravo gerufen, als das Theater sich zur Pause halb geleert hatte.

Manchmal kommt auch eine gute Rede einfach nicht gut an. Vielleicht hat der Baron einen Scheißtag, oder seine Frau ist mit einem Barden durchgebrannt, oder er kann Rot nicht leiden und der Barde trägt rotes Leder, oder der Baron hat Hunger und Nachdurst, oder, oder, oder. So wie selbst der beste Krieger mal den Bauern verfehlt. Passiert.

Zitat von: "Argamae"

Soll man nun eine Spielmechanik zurate ziehen, die ermittelt, wann bei einem NSC das Maß voll ist und er mir eine ballert bzw. mich von Wachen "entfernen" läßt? Soll ich daß via den "Diplomatie"-Wert ermitteln, wenn sich der Charakter doch gar nicht bemüht, einsichtig zu sein? Und wie steht es mit SC in der Gruppe? Soll ich als SL da auch Würfelwürfe durchführen (eventuell RW gegen Willen) und dann bestimmen, "So, Adalbert Düsterbart - dir reicht es jetzt. Du haust der nervigen Tratschtante jetzt eine rein!". Wie würde sich wohl Adalbert Düsterbart's Spieler fühlen? Vielleicht wollte er der Quasselstrippe ja gar keine ballern? Muß er jetzt, weil eine Spielmechanik regelt, wann sein Geduldsfaden reißt?

Mein Punkt ist: soziale Situationen sind mitunter so vielschichtig, daß eine Spielmechanik ihnen einen Bärendienst erweisen würde. Da ist einfach SL-Willkür gefragt.


Falsch. Du musst als SL nur wissen, was du tust. Du tust nämlich folgendes: Wenn der Charakter etwas erreichen will oder etwas auf dem Spiel steht, dann würfelst du. Sonst nicht.

Wenn also deine Labertasche labert, lass sie labern. Wenn du merkst, dass der Spieler es darauf anlegt, NSC zu nerven und ausrasten zu lassen, lass sie ausrasten. Warum nicht? Oder warum?

Aber wenn der SC z.B. bei Hofe versucht, durch sein Labern den Hofmagus ausrasten zu lassen – dann hol die Würfel raus. Wenn er sich so benimmt, während er beim feinen Bürgermeister vorspricht, um einen Auftrag zu bekommen – dann hol die Würfel raus.

Und jetzt möchte ich noch ein Beispiel zu folgendem Moment geben, dass etwas systemspezifischer ausfällt. Vielleicht hilft das.
Zitat von: "Arldwulf"

Für das Einschüchtern Beispiel könnte das heissen:

Barbar: "Wage es nicht noch einmal über meine Schwester zu lästern!" *baut sich bedrohlich vor dem Barden auf*
Barbar würfelt Intimidate - es klappt
SL zum Barden: Du merkst das es ihm ernst ist.

Es kann dem Barbar auch ernst sein, wenn er den Barden nicht einschüchtert. Oder auch wenn er ihn Einschüchtert kann es dennoch nur ein bluff sein. Der Würfelwurf definiert nicht die Handlung. Nur wie es für den Barden herüberkommt.


Und so würde das in Burning Wheel funktionieren
[list=1]
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 00:20:02
Klingt auf jeden Fall lustig. :)
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: TheRaven am 05. März 2008, 00:54:41
Übrigens würde ich gerne noch hören, wo genau das Problem liegt, wenn sich der Charakter analog des Resultates eines Wurfes verhalten soll/muss. Ist nicht gerade dies das Zentrum und der Sinn des Rollenspieles? Dass man einen Charakter bzw. dessen Reaktionen und Persönlichkeit ausspielt, die eben nicht den eigenen Attributen entsprechen und nicht immer vorhersehbar sind. Wird mein Charakter in D&D eingeschüchtert, dann besteht die rollenspielerische Herausforderung doch gerade darin dies glaubwürdig darzustellen.

Sagen wir der Charakter führt ein philosophisches Streitgespräch mit einem Gelehrten und würfelt dabei einer 1 bei dem Versuch diesen zu überzeugen. Ist es dann nicht angebracht, dies so zu interpretieren, dass sich die Ansicht des eigenen Charakters geändert hat und man fortan die Meinung vertritt, von welcher der eigene Charakter überzeugt wurde? Genau das ist doch Rollenspiel. Man spielt eine Rolle und nicht ein Bild seiner selbst. Ich denke oft, dass genau dies der Grund ist, wieso sich viele Leute so extrem gegen Rollenspielregeln wehren, da ein externer nicht steuerbarer Einfluss ihr Eigenbild zu verändern droht.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 05. März 2008, 00:58:53
Vielleicht sieht man sich auch selbst mit Schwert und Zauberstab gegen Monster ziehen.

Mary Sueee! Essen ist fertig!
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 02:11:26
@Raven: Ich bin ja weiter oben schon darauf eingegangen. Dies hat 2 Nachteile:

Der Spieler muss seinen Char anders spielen als er ihn sich vorstellt ("Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"), und die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")

Der zweite Punkt ist der Spannungsverlust. Man weiss schon anhand des Wurfs recht gut ob es klappen wird oder nicht, teilt der SL einem das Ergebniss vorher mit dann sogar ganz. Die Motivation etwas gut auszuspielen ist geringer als wenn man für dieses Ausspielen eventuell noch einen Bonus erhalten könnte.

Umgedreht hat aber auch das Würfeln anschliessend an das Ausspielen so seine Nachteile - und inzwischen glaube ich wirklich dass es sinnvoller ist mehrere Würfe zwischendrin zu machen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 05. März 2008, 08:07:05
Zuerst möchte ich meinen schnippischen Einwurf etwas relativieren, denn natürlich ist es ein Reiz des Rollenspiels, sich selbst in Situationen zu begeben, die man sonst nicht kennt. Wenn ich an Schlüsselstellen meiner RPG-Karriere denke, denke ich auch nicht nur in Charakternamen, sondern auch in der ersten Person.

Zweitens hat Raven nach meinem Verständnis damit nicht zwangsläufig gemeint, dass man etwas ausspielt, nachdem man gewürfelt hat, sondern nur, dass man das Ergebnis des Wurfs ins Spiel einbaut. Wie ein erfolgreicher Wurf auf Disable Device am Ende ”du hast die Falle entschärft" vorsieht, so hätte in Ravens Beispiel ein fehlgeschlagener Versuch womöglich ein Umdenken des Charakters zur Folge. Die Argumente etc. wurden aber vorher ausgespielt.

Wohlgemerkt: Meistens ist der Effekt solcher Regeln nicht derartig streng, sondern stellt dem Spieler frei, ob er sich überzeugen lässt oder er nur grummelnd nachgibt, weil der Gegenüber für den Moment erfolgreicher argumentiert.

Und jetzt Achtung, da Provokationsgefahr

Zitat
die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")

Und? Was willst du damit sagen? Dass man als Spieler besser gute Argumente für die Ideen seines Charakters hat oder verschissen? Kann der Spieler denn eine 36 beim Versteckenwurf richtig ausspielen? Was ist ein hoher Wurf überhaupt? Ein gutes Argument? Ein gut vorgebrachtes Argument? Ein Argument, das genau auf den Zuhörer zugeschnitten ist? Die Wahrheit? Lüge?

Und dann zu diesem:
Zitat von: "Arldwulf"

"Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"

Das ist eines der schlimmsten Argumente überhaupt. Ich habe vor fast vier Monaten mal einen Beitrag dazu in meinem Blog geschrieben, der aus der Sicht von klassischem Rollenspiel geschrieben wurde, und den ich heute schon wieder anders formulieren würde. Vielleicht passt es dennoch:

http://www.p-pricken.de/?p=681

Genauer hierzu: Ein Spieler kann grundsätzlich seinen Charakter ausspielen, aber nicht die Reaktion der Welt darauf. "Das ist ein gutes Argument" ist also nur aus der Sicht des Charakters gültig, für alle anderen gilt: Würfeln. Gleichzeitig aber kann die Spielwelt natürlich Einfluss nehmen darauf, wie der Charakter sich verhält. Wenn es zur Weigerung kommt, dies zu akzeptieren, weil dies das Charakterkonzept umschmeißt, dann ist das unrealistisch, kindisch und wenig spaßfördernd.

Es ist unrealistisch, weil ja auch in anderen Situationen die Macht der Regeln akzeptiert wird. ”Mein Charakter würde nie von einem Drachen gebissen werden" hilft dir im Zweifel ebensowenig wie "Mein Charakter ist furchtlos und läuft hier nicht weg", wenn der Save gegen die Furcht der Mumie verhauen wird.

Es ist kindisch, weil es eine selbstsüchtige Weigerung darstellt, sich auf das Spiel und die Ereignisse einzulassen. Dieses Denken verlörpert ein Festhalten an statischen Wahrnehmungen, die dem Spiel abträglich sind. So etwas zu sagen ist wie das kleine Kind, dass eine Sandburg zerschlägt, weil Papa den Turm bauen wollte. Das ist eine Trotzreaktion, die verrät, dass das Rollenspiel als gemeinsames Erlebnis nicht verstanden wurde und stattdessen auf einer egoistischen Perspektive beharrt wird.

Es ist wenig spaßfördernd, weil dieses Verhalten den Spielfluss stoppt und die Spieler aus der Situation reißt. Außerdem stört es den Spielspaß des Spielers, weil er seinen Charakter damit auf Dauer aus solchen Momenten entfernt, da man mit ihm ja anscheinend nicht spielen kann. Und es stört den Spaß der anderen Spieler, die vielleicht sehen möchten, wie sich die Situation entwickelt.

Bevor ich eine Lösung präsentiere mal der Umkehrschluss: Was, wenn der SL nun eine Probe auf Intimidate verhaut und daraufhin sagt: "Der Typ ist aber gefährlich. Du hast Angst und bist eingeschüchtert." Eine solche starre Diktatur hat nichts mit dem Zufallselement zu tun, dem man sich bei den meisten Rollenspielen ausliefert.

Ansonsten bleiben nur zwei Möglichkeiten. Entweder sucht man sich ein Rollenspielsystem, bei dem nur feste Werte verglichen werden. Dann ist der gute Redner immer ein guter Redner, weil ihm die Würfel nicht dazwischen funken können.

Oder man betreibt vernünftiges Rollenspiel und sieht so einen Moment als Chance, sich selbst und anderen den Charakter näherzubringen. Denn das Verhalten bei Erfolg und gerade im Scheitern verraten ja, was für ein Typ das eigentlich ist. Was macht er, wenn er trotz bester Argumente nicht seinen WIllen kriegt? Zieht er die Waffe? Macht er eine Szene? Schwört er Rache? Versucht er es mit Magie? Akzeptiert er die Niederlage? Sucht er einen Umweg? *Da* liegt* die Story, *da* wirds spannend. Und das zu spielen, macht Spaß. Wenn man sich darauf einlässt. Wenn man sich einschüchtern lässt und vielleicht sogar weiß, dass der Barbar einen immer wieder zum Kuschen bringen kann – was macht man dann? Fügt man sich, begehrt man auf, lässt man ihn meucheln. holt man seine Brüder? So kriegst du richtig persönliche Storylines hin, denn sei dir mal sicher – wenn dem Spieler das nicht gefällt, und er kriegt später die Gelegenheit, dem Barbar eins auszuwischen, dann wirst du ein Leuchten in den Augen sehen.

"Mein Charakter ist so und so und niemals anders und schon gar nicht wegen anderen" verrät eine verkrustete Ansicht über das Rollenspiel, eine fehlende Kenntnis über die Komplexität menschlicher Verhaltensweisen und eine falsche Überzeugung dessen, wie stringent man selbst einen Charakter eigentlich spielt. Das gehört auf den Müll.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 08:36:19
Da wird dir keiner widersprechen. Aber es gibt derartiges Verhalten, und ich denke wenn man zuvor würfelt, und dann das Würfelergebniss einfliessen lassen soll kann dies dadurch verstärkt werden.

Es ist in jedem Fall etwas über das man sich Gedanken machen sollte.

Wenn man mehrfache Würfe während des Gesprächs zulässt umgeht man das Problem etwas. Weil es dann halt nicht heisst: "du hast eine 1 gewürfelt, lass das mal ins Gespräch einfliessen" - sondern diese 1 nur einen Teil des Gesprächs ausmacht. Vielleicht versaut man die Begrüssung? Vielleicht bringt man sein Anliegen nicht gut rüber?

Aber man kann es dann noch beeinflussen, und der eigentliche fehlgeschlagene Abschnitt ist nicht so gross als wenn man das ganze Gespräch schiefgehen lassen muss.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Wormys_Queue am 05. März 2008, 09:52:46
Zitat von: "TheRaven"
Übrigens würde ich gerne noch hören, wo genau das Problem liegt, wenn sich der Charakter analog des Resultates eines Wurfes verhalten soll/muss. Ist nicht gerade dies das Zentrum und der Sinn des Rollenspieles? Dass man einen Charakter bzw. dessen Reaktionen und Persönlichkeit ausspielt, die eben nicht den eigenen Attributen entsprechen und nicht immer vorhersehbar sind. Wird mein Charakter in D&D eingeschüchtert, dann besteht die rollenspielerische Herausforderung doch gerade darin dies glaubwürdig darzustellen.


Als jemand, bei dem die Würfelmanie so weit geht, dass er sogar Charakterklasse, Volkszugehörigkeit und Gesinnung des Charakters auswürfelt (um ihn danach durch Anpassungen gegebenenfalls gruppentauglich zu machen), stimme ich Dir vollkommen zu.

Zitat von: "Ardwulf"
Der Spieler muss seinen Char anders spielen als er ihn sich vorstellt ("Aber mein Char würde jetzt das und dies sagen, und das ist ein tolles Argument"), und die Gefahr ist da, dass ein Spieler einen hohen Wurf gar nicht mit Argumenten oder einem tollen ausgespieltem Rollenspiel untermauern kann. ("Du hast eine 20 geworfen, spiels mal aus", "ähhmm - mir fällt nix ein")


Hmhm, naja, der Spieler muss dadurch seinen Charakter spielen, wie er ihn gebaut hat. Eines der Dinge, die mich an D&D am allermeisten nerven sind Spieler, die Charisma als Dumpstat einsetzen und nachher zu totalen Charmeuren mutieren, weil der SL die Regeln nicht anwendet. "Mein Char würde das und das jetzt sagen und das ist ein tolles Argument"? Hört sich für mich nach extremem Metagaming an, vor allem der zweite Halbsatz ist in diesem Zusammenhang extrem verräterisch.

Das es natürlich blöde ist, wenn das Charakterspiel durch einen dummen Wurf ad absurdum geführt wird, streite ich gar nicht ab. Aus dieser Problematik entstehen aber doch genau die aktuellen Diskussionsthreads. Die Regeln einfach zu ignorieren ist eben nicht jedermanns Sache. Das man sich also auf die Suche nach Alternativen begibt, die besser funktionieren und (möglicherweise) sogar letztendlich das Charakterspiel in der Gruppe beleben, ist  nicht mehr als die natürliche Konsequenz.

Zitat
Der zweite Punkt ist der Spannungsverlust. Man weiss schon anhand des Wurfs recht gut ob es klappen wird oder nicht, teilt der SL einem das Ergebniss vorher mit dann sogar ganz.

So wie ich es aktuell erlebe, gibt es zwei Gruppen von D&D-Charakterspielern: Die einen betreiben es aus Spass an der Freude. Der Charakter wird ungeachtet möglicher Konsequenzen hundertprozentig ausgespielt (Meine Idealvorstellung, in der Reinform aber kaum bis gar nicht anzutreffen).
  Alle anderen betreiben Charakterspiel vor allem als Form der Optimierung, weil sie wissen, dass sie den SL damit leichter rumkriegen und deswegen ihre Statpoints womöglich woanders nützlicher einsetzen können.
  Naja, und dann gibts noch die Spieler, die ihre Charaktere auf Diplomacy optimieren. Die meisten, die in diese Gruppe fallen, tendieren dazu sich alleine auf ihre Würfe zu verlassen, warum sollte man also noch rollenspielen?

Jetzt meine Frage: Wo ist denn da irgendwo der Spannungsfaktor versteckt?
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: TheRaven am 05. März 2008, 10:12:04
@Arldwulf
Ein Würfelwurf auf eine Fertigkeit sollte ja nur dann durchgeführt werden, wenn der Erfolg nicht sicher ist. Ich kann mit einem Philosophen auch diskutieren ohne meine Fertigkeiten zu bemühen. Geht es aber plötzlich darum den jeweils anderen von etwas zu überzeugen, dann wird zumeist ein Wurf erforderlich und zu diesem Zeitpunkt entscheidet sich der Spieler/Charakter ob er das Risiko eines Fehlschlages eingeht. Nach dem Wurf gilt:

"alea iacta est"

Versage ich bei dem Wurf, dann heisst das vermutlich nur, dass ich es nicht schaffe den Typen zu überzeugen. Bei einem Patzer oder in einer anderen Situation kann das aber heissen, dass mein Gegenüber meinen Charakter (nicht mich) überzeugt und dann hat man das zu akzeptieren und auch so zu spielen, denn sonst frage ich mich, wieso man Rollenspiel betreibt, wenn man sowieso nur seine eigenen, unveränderlichen Ansichten vertritt. D&D basiert übrigens auf dem "alles oder nichts" Prinzip. Ein Wurf und fertig. Fertigkeiten sind hier kein iterativer Prozess. Vermassle ich den Diplomatiewurf, dann hat das direkt Konsequenzen und Auswirkungen. "Try again" ist im System vorgesehen aber nur bei einzelnen Fertigkeiten und nur in spezifischen Situationen.

Ich sehe das so, dass man einen Charakter spielt und nicht, dass man dieser Charakter ist. Soll heissen, dass der Charakter von äusserlichen, nicht von mir abhängigen Einflüssen verändert werden kann. Wir akzeptieren dies ja bei körperlichen Einflüssen oder wehrst du dich im Kampf auch und sagst "aber mein Charakter wäre sicherlich nicht von dem Schwert getroffen worden" obwohl die Attacke vom Gegner erfolgreich war? Wieso also verhält man sich bei bei geistigen/mentalen Einflüssen so?
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 11:24:52
@Wormy und Raven: Ich stimme euch da absolut zu.

Ungeachtet dessen gibt es die angesprochenen Probleme ja. Natürlich ist es besseres Rollenspiel wenn man sich an seinen Charakter und an seine Würfelwürfe hält.

Aber in erster Linie sollten die Regeln halt Hilfen sein - und ich sehe es schon so dass beide klassischen Wege (vorher würfeln, dann ausspielen oder genau das umgedrehte tun) keine guten Hilfen sind.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 05. März 2008, 15:59:27
Ich bin auf ein Beispiel aus einer Burning Wheel-Runde gestoßen, dass vielleicht noch einmal Licht auf eine mögliche Variante von CRP-Regeln wirft. In diesem Fall ist es das (bereits verlinkte) Duel of Wits.

In der Spielsituation hat eine Gruppe Zwerge eine alte Zwergengrotte aufgestöbert, deren Wände voller Edelsteine war. Die meisten gierigen Zwerge wollten sich die Edelsteine natürlich einstecken, aber der Zwergenpriester bestand darauf, diese alte Heimstatt des Clans nicht zu plündern. Ich schlüssele im Folgenden die Vorgehensweise einmal auf.

1) Duel of Wits?
Die Spieler (in diesem Falle die Spieler der Zwergenpriester und der Rädelsführer der anderen Zwerge) müssen sich auf ein Duel of Wits einlassen. Das ist sehr wichtig. Sie können auch entscheiden, dass ihre Charaktere nichts auf die Meinung des anderen geben. Dann müsste – in diesem Beispiel – der Priester einen anderen Weg finden, das Plündern zu verhindern oder zu bestrafen.

2) Zweck-Aussage ("Statement of Purpose")
Im zweiten Schritt müssen die Spieler sich überlegen, was der Gegenüber tun soll, wenn das Duel of Wits gewonnen wird.
Zwerge: "Wenn wir gewinnen, lässt der Priester uns in Ruhe so viel Edelsteine nehmen, wie wir wollen."
Priester: "Wenn ich gewinne, dann wird die Höhle nicht geplündert:"
Wichtig ist, dass beide Parteien sich auf diese Konsequenzen einigen bzw. einlassen. Wenn es keine Einigung gibt (nach Verhandlungen und eventuellen Anpassungen), kommt kein DoW zustande. In der Spielsituation haben aber beide Parteien zugestimmt.

Nun haben beide ein Anfangsargument gebracht und die Stärke ihres Arguments erwürfelt. Danach wurde das DoW ausgewürfelt, was der Priester nach zwei Zügen gewann (sehr schnell). Die anderen Zwerge schafften es dabei nicht, das Argument des Priesters zu schwächen – das hätte einen Kompromiss bedeutet, wo der Priester hätte Zugeständnisse machen müssen.

In der Spielsituation war es wahrscheinlich so, dass die Zwergenspieler wussten, gegen den Priester verlieren zu müssen. Aber sie hofften, dessen Argument entsprechend angreifen zu können, um sich zumindest einen Teil des Schatzes, vielleicht jeder einen Edelstein, sichern zu können.

3) Konsequenzen
Hier kam es nun zum Diskussionsbedarf. Regulär muss nun die Zweckaussage umgesetzt werden. Darum ist es so wichtig, dass beide Parteien zustimmen. Der Priester hat gewonnen, also wird die Hühle nicht geplündert. Ein Spieler wollte jetzt trotzdem agieren und hat sich insgeheim (Heimlichkeit gg. Aufmerksamkeit) einen Edelstein in die Tasche gesteckt. Seine Begründung: Er habe zwar das DoW verloren, aber es sei an dem Priester bzw. dessen Spieler, die Konsequenzen durchzusetzen.

Das zeigt m.E. sehr schön die klassische Spielersicht ("ich lass mir nicht reinreden") und die Notwendigkeit solcher Regeln. Denn wie soll die Konsequenz durchgesetzt werden? In-game hat der Priester ja nichts gesehen. Out-of-game kann der Spieler des Priesters vielleicht dem anderen Spieler keine Chips rüberreichen, aber ansonsten bleibt nur der Verweis auf die Regeln. Und tatsächlich war das ein Regelverstoß des Zwergenspielers, und die Durchsetzung des Ergebnisses erfolgt dank der vorherigen Einwilligung durch das System selbst. Der Zwerg mag grummeln und motzen und mosern und vielleicht dem Priester ins Essen spucken – aber der Raum wird nicht geplündert. Ansonsten braucht man gar nicht würfeln.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 16:19:11
Ist auf jeden Fall ein gutes System um Gruppeninterne Konflikte zu lösen. Besser wäre es aber wohl mit mehr Abstufungen im Ergebniss - die dann auch den heimlichen Diebstahl mit berücksichtigen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Berandor am 05. März 2008, 16:24:27
Es ging mir zwar nur sekundär um das System, aber:

Wie du lesen kannst, gibt es die Möglichkeit zu Kompromissen. Je nachdem, wie viel "Trefferpunkte" das Argument verliert, desto mehr muss der Priester entgegenkommen. Hätte sein Argument z.B. nur 1 oder 2 Punkte verloren, hätte der Kompromiss lauten können: "Ihr könnt versuchen, was rauszuschmuggeln", und vielleicht hätten die Spieler das auch angenommen.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Arldwulf am 05. März 2008, 16:41:51
Ah, sorry  -  habs zwar gelesen aber dann nicht mehr bedacht
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Argamae am 06. März 2008, 21:32:08
Zitat von: "Berandor"
Dein Denken ist in d20 festgefahren. Befrei dich von diesem Mist, dass erzählerische Willkür nötig sei. Wormy oben hats auch richtig gesehen – es ist toll, wenn die Spieler so was versuchen, dann sind sie nämlich interessiert und nicht nur passive Konsumenten deiner Ideen. Übrigens sind viele Spiele mit CRP-Regeln sehr narrativistisch ausgelegt und eben nicht simulationistisch veranlagt.

Andererseits stimme ich dir zu: Wenn du erzählerische SL-Willkür brauchst, dann können CRP-Regeln dir in die Quere kommen.


Ich glaube kaum, daß mein Denken in D20-Bahnen verläuft - von allen Rollenspielen, die ich bislang gespielt und/oder geleitet habe, ist D20 nicht das vorrangigste gewesen.

Und danke für deine Missionierungsversuche, doch weiß ich gar nicht, wozu du mich bekehren willst? Zu Regeln, wenn ich Dinge (beileibe nicht immer) "willkürlich" entscheide? Und ich will sicher alles andere, als meine Spieler zu passiven Konsumenten meiner Ideen zu machen - im Gegenteil: ich kreiere die Geschichte mit ihnen zusammen, nutze Hooks ihrer Hintergrundgeschichten, lasse sie ihre Wege beschreiten (minimiere das Rail-Roading) und lasse die Abläufe des Abenteuers stark durch sie beeinflussen, da es spannend ist, sich neuen Situationen zu stellen. Das ist es ja, was mir als SL im Spiel etwas gibt. Nur der Erzählonkel zu sein und die Buchführung bei taktischen Kämpfen zu betreiben, ist langweilig. Aus diesem Grund löste sich z.B. unlängst eine Spielrunde auf, da die Spieler total passiv waren und immer nur darauf warteten, daß ich ihnen den nächsten Brocken hinwerfe. Da kamen wir auf lange Sicht nicht auf einen Nenner, da ich Spieler mag, die sich einbringen, die mit und durch ihre Charaktere auf Dinge eingehen und mir das Gefühl geben, sie leben in dieser Welt. Aber okay, das ist jetzt wohl etwas off-topic.

Nochmal zusammenfassend: wie ich es bereits andeutete, nutze ich sehr wohl "zufällige" Entscheidungshilfen, wenn meine Spieler in sozialen Rollenspielsituationen mit NSC interagieren. Aber ich brauche dafür kein elaborates Regelkorsett. Was es an bestehenden Regeln gibt (mal wieder auf D20 bezogen), reicht imho völlig aus. Und auch ein Belohnungssystem für "social encounters" ist mit der Erfahrungspunktetabelle nach Herausforderungsgraden umsetzbar.

Die Gefahr, die ich sehe, wenn man gerade zwischenpersönliche Situationen losgekoppelt von den "schauspielerischen Beiträgen" der Spieler per Würfel entscheidet, ist, daß dann weniger Anreiz da ist, Rollenspiel zu betreiben. Warum soll ich als Spieler mich emotional in meine Rolle hinein steigern, wenn davon die Entscheidung, ob meine damit verbundene Handlung erfolgreich ist, unberührt bleibt? Dann würden alle relevanten, spielbeeinflussenden Handlungen weniger durch "in-time-Charaktersprech" als vielmehr durch Ankündigungen wie "ich möchte den Baron jetzt mal verführen, was muß ich würfeln?" geprägt sein.

Ja, ich neige vielleicht zu Extremen. Und natürlich wird auch in meinen Runden nicht jeder popelige Dialog mit Straßenhändlern zur stundenlangen Persönlichkeitsdarstellung der beteiligten Spieler. Aber den Anreiz, daß durch das "Spiel in Rolle" auch das Ergebnis beeinflußt wird, möchte ich persönlich nicht verlieren.
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Windjammer am 07. März 2008, 21:32:10
Zitat von: "Argamae"
Die Gefahr, die ich sehe, wenn man gerade zwischenpersönliche Situationen losgekoppelt von den "schauspielerischen Beiträgen" der Spieler per Würfel entscheidet, ist, daß dann weniger Anreiz da ist, Rollenspiel zu betreiben. Warum soll ich als Spieler mich emotional in meine Rolle hinein steigern, wenn davon die Entscheidung, ob meine damit verbundene Handlung erfolgreich ist, unberührt bleibt?

Weil im Idealfall Rollenspiel auch Ziel sein darf und nicht immer zum Zweck verkommen muss? Aber ich stimme Dir zu, die Gemüter von denen Du ausgehst dominieren in fast jeder Spielenrunde. Rollen-gespielt wird nur das Frauen flachlegen und durch-Verhandeln-an-tolle-Gegenstände-kommen. "Is there a brothel in town?" (The DM of the Rings)
Und weil ich gerade im auf der Vorseite verlinkten p-pricken thread gestöbert habe - ich stelle mir gerade vor, wie's so wäre wenn ich als Spielleiter so denken würde. "Abenteuer? Abenteuer hook? Pff... da müsst schon Ihr mit was daherkommen."  :)
Titel: Essay: Warum "Charakterspiel" Regeln braucht (lang
Beitrag von: Argamae am 08. März 2008, 21:04:42
Zitat
Weil im Idealfall Rollenspiel auch Ziel sein darf und nicht immer zum Zweck verkommen muss?

Oh, absolut!
Zitat
"Abenteuer? Abenteuer hook? Pff... da müsst schon Ihr mit was daherkommen."  :)

Na, das ist doch mal "Player Empowerment"...  :wink: