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Story Hour / Stadt der gläsernen Gesänge
« Letzter Beitrag von Nightmoon am 31. Mai 2024, 00:53:15 »Kapitel XIII: Eine Welt ohne Hölle
Drake
Am Grat der Welt, einige Tage später
Er hatte es also tatsächlich überlebt. Quicklebendig kam Faust zu ihm und setzte sich an den Tisch. Doch etwas an ihm war anders. Er hatte nicht mehr den gewohnt arrogant grinsenden Gesichtsausdruck, den Drake gewohnt war. Ernsthaftigkeit lag in seiner Miene und noch etwas: Abschied. „Drake, du Arschgeige! Hast mich so gut wie tot liegen gelassen!“ Nun war es Drake, welcher arrogant lächelte. „Du hast dich schon von schlimmerem erholt. Und Grimwardt hast du ja freundlicherweise auch am Leben gelassen. Sieh es als eine Art Test: Wärst du gestorben, würde ich dir nicht das geben wonach du suchst. Außerdem musste ich verdammt schnell untertauchen mit diesem Höllen-du-weißt-schon-was. Wenn Grimwardt wüsste, was wir hier tun, würde er mich vierteilen.“ Interessiert lehnte Faust sich im Sessel zurück. „Warum hast du dich entschlossen es mir zu geben?“ Spöttisch verzog der Assassine die Mundwinkel. „Ganz ehrlich: mir ist niemand anderes eingefallen. Das Ding zu verkaufen würde zwar ein Vermögen, aber auch unendlich viel Ärger bedeuten. Würde ich es Grim geben, wäre das ganze Spektakel umsonst gewesen, weil er es wie ein treuer Hund seinem Herrchen geben würde. Du bist der einzige, der bescheuert genug sein könnte das Ding zu vernichten und damit alle verdammten Seelen auf die Welt loszulassen. Endlich bekommt der knochige Sarrukh die Abwechslung, die er sich wünscht. Hast du ihn nochmal besucht?“ „Athindol? Den Weltenseher? König Oreme? Nein, das würde ihm sicher nicht passen. Ich habe mit Omega gesprochen. Über meinen Plan.“ Drake hob eine Augenbraue. „Eine der letzten die noch leben und die wir retten konnten. Und was sagt deine große Meisterin zu deinem Plan?“ Der Kämpfer winkte ab. „Na, was meinst du denn? Sie sagt, das wird das Gleichgewicht der Welt aus den Fugen bringen und so weiter, dass das Multiversum einen Ausgleich schaffen wird.“ „Also hast du deinen Plan verworfen?“ Da war das arrogante Grinsen wieder für einen kurzen Moment. „Ich scheiß auf´s Gleichgewicht! Ich bin nicht der Auserwählte, der das Gleichgewicht bringen will oder wird. Im übrigen war Fardo, der mopsige Psioniker hellauf begeistert und wir haben den Plan noch verfeinert. Es wird so laufen...“„Faust, das interessiert mich nicht.“ Wie einen faulen Apfel schob Drake das verhüllte Portfolio zu seinem ...Freund. „Ich würde ja sagen, ich hoffe du weißt was du tust, aber dafür kenne ich dich inzwischen zu gut.“ Er erhob sich und streckte Faust die Hand hin. „Leb wohl Senftopf. Ich vermute, wir werden uns nicht mehr wiedersehen.“ Auch Faust erhob sich, wollte seine Hand schütteln, entschied sich dann aber doch für eine kräftige Umarmung. „Nicht mehr in diesem Leben jedenfalls. Pass auf dich auf, Drake, so wie immer. Und jetzt mach, dass du weg kommst. Das hier ist der unbewohnteste Ort den ich kenne, aber ich weiß trotzdem nicht, was gleich passieren wird.“ Drake nickte zum Abschied. „Also dann, bis im nächsten Leben!“ Und seine Stiefel teleportierten ihn weit weit weg.
Faust
Nun war er ganz allein und spürte die Kälte und Einsamkeit dieses Ortes. Faust ließ den Stoff fallen und rollte das Portfolio aus. Sofort zog es ihn in seinen Bann. Doch der Griff um Zwiespalt mit seiner anderen Hand war wie der Griff nach einem rettenden Anker. Vermutlich würde er zum neuen Herrn der Neun Höllen aufsteigen, doch er würde es diesem Artefakt der Götter nicht leicht machen! Die Zeilen lasen sich wie von selbst. Der Grat der Welt verschwand um ihn herum. Flammen, Schatten und Leid umgaben ihn zunehmend. Doch sie es fühlte sich richtig an. Er begann zu verstehen, welchen Platz im Kosmos die Hölle einnahm. Wie ein Raubtier in einem Biotop, das für den Erhalt aller Arten wichtig war. Das sollte er denken, doch es war nur der erste Angriff des Portfolios auf Fausts chaotischen Geist. Er bestand die Probe und zog seinen Geist immer mehr zurück, verband ihn mit dem von Zwiespalt. Nun wurde ihm klar, welche ungeheure Macht er erhalten würde. Er würde erreichen, wovon sein Vater und er einst immer geträumt hatten und würde die Welt nach seinen Vorstellungen formen können. Doch ein Impuls von Zwiespalt erinnerte ihn daran, dass das formen von Welten das Gegenteil von dem war, was er wollte. Nun fuhr das Artefakt seinen größten Trumpf auf. Er würde sie alle retten können! Seinen Vater, Tyrail, Miu und Winter. Er wusste, es war keine List. Er würde die Menschen die er liebte wieder zurückholen und sie könnten ihr neues Leben genießen. War es nicht genau das was er wollte? Ein anderes, neues Leben für sie alle. Eine neue Chance. Sie könnten von vorne beginnen. Er hatte fast zuende gelesen. Von vorne beginnen… Er musste an Drake denken. An den Jungen, der in der Gosse aufwuchs und von seiner eigenen Mutter wie Dreck behandelt wurde. Nein, seine Narben würde er niemals heilen können, das konnte nur die Zeit!
Sein Arm leuchtete auf und die Zeit stoppte, als er das letzte Wort des Portfolios las. Ein Moment den es nicht gab, der frei von Verträgen war. Sein innerstes wurde auseinandergerissen und er klammerte sich an Zwiespalt. Doch wie er selbst wurde auch sein Schwert zerteilt. Immer noch in der Zeitstarre sah er sich selbst vor sich stehen – Nein, er sah Faust, den Herrn der Neun Höllen, mit seiner finsteren Klinge Zwietracht. Er blickte auf sich selbst, den sterblichen Faust, den Auserwählten der Zeit, in seiner Hand die Klinge Zwielicht. Er nickte sich selbst zu und Der Gott Faust befahl die Freilassung aller Seelen aus der Hölle. Der sterbliche Faust spürte, wie der Pakt, den er eingegangen war aufgelöst wurde. Und der Gott Faust zerriss im selben Moment das Portfolio. Der Arm des sterblichen Faust leuchtete auf und dann verschwand er. Die Zeit lief weiter. Zu diesem Zeitpunkt endete Fausts göttliche und sterbliche Existenz.
Grimwardt
Grat der Welt, einige Monate später
Der kalte Wind peitschte ihm um die Ohren, doch stoisch wie immer ertrug der Kriegspriester das Wetter. Der Kontrast zur Hitze der Wüste war besonders für seine Soldaten eine harte Umgewöhnung gewesen, doch es musste sein. Scarlet hatte sich schnell erholt und war nun sowohl für die Bedinen, als auch die Umbranten ein angesehenes Oberhaupt. Winter war letzten endes tatsächlich die wiedergeborene Shar gewesen, die über alle Feine triumphierte, bis sie vor aller Augen Umbras hinterlistig ermordet wurde. Er wusste es natürlich besser, doch schnell verbreitete sich das Gerücht, dass Drake Cyrik selbst in der Gestalt eines Menschen war. Die Tochter von Shar, die gleichzeitig die Elani der Bedinen war, würde sich jedenfalls gut behaupten können, da war er sicher.
Ihn hatte es ans Ende der Welt verschlagen, dank Faust. Er verfluchte ihn dafür, dass er tatsächlich getan hatte, was niemand für möglich hielt, vielleicht sogar mit guten Absichten. Doch es blieb das Werk eines mächtigen Idioten. Vermutlich hatte er nicht bedacht, dass Asmodeus Jahre zuvor den Abyss verbannt hatte. Der plötzliche Wegfall der Hölle holte den Abgrund, die schreckliche Welt der Dämonen nicht nur zurück, sie hatte auch gleichzeitig ohne einen Finger zu rühren den Blutkrieg gewonnen, jener ewige Krieg zwischen Teufeln und Dämonen. Und das nicht ohne Folgen. Fardo hatte von einer anderen Welt erzählt, in der er dieses Phänomen auch gesehen hatte. Er nannte es die Weltenwunde. Und nun tatsich eine solche Wunde auch unterhalb des Grats der Welt auf. Eine gewaltige Kluft, die ein Portal zum Abyss darstellte aus dem eine immer währende Flut von Dämonen auf Faerun schwappte. Faust hatte ein gewaltiges Übel auf die Welt losgelassen, indem er die göttliche Ordnung aus den Fugen gerissen hatte.
Und doch war es für Grimwardt wie ein Geschenk gewesen. Die Völker hatten sich vereint gegen einen neuen gemeinsamen Feind im Norden. Die Welt war wieder einfacher geworden. Es war klar wer der Feind war, ohne irgendwelche Ränkespiele. Und so stand er nun hier, wartend auf die nächste dämonische Flut, voller Vorfreude darauf die Kreaturen mit Axt und göttlicher Magie zu vernichten und seine Soldaten dazu anzustacheln, es ihm gleich zu tun. Endlich konnte er den Krieg wieder genießen, tun wozu er bestimmt war. Das Band zwischen Nimoroth, Kalid und ihm war wieder enger geworden und trotz all der Verluste, konnte es sich wieder in das Gefühl von einst hineinversetzen, als er als junger Abenteurer losgezogen war, in einer Gemeinschaft, die er beschützen wollte.
Epilog
Der Harfner
Whispers Braustube, Myth Drannor, 1340TZ
Der Harfner hatte sein Ziel nach langer Suche gefunden. „Der Geschichtenerzähler“ war plötzlich in dieser Gegend aufgetaucht. Zuvor gab es wieder die bekannten Gerüchte über getötete Magier von Thay und befreite Sklaven. Nun konnte er ihn zum ersten mal selbst sehen. Er schien allerdings keiner Wegs bedrohlich und seine Geschichte war, nun ja, eine Geschichte. Vieles passte zu dem, was allgemein bekannt war, andere Details hingegen waren völlig absurd und klar erfunden. Der Grund aber, warum er den Geschichtenerzähler beschattete, war ein anderer. Teile seiner Geschichte bestanden aus Wissen, das nur die wenigsten kannten, geheime Dinge, von denen der alte Mann nichts hätte wissen dürfen.
Die Geschichte war zu Ende. Ein bittersüßes Finale, in dem sich die Protagonisten gegenseitig zerfleischten und die Hölle selbst vernichtet wurde. Die Leute steckten dem Geschichtenerzähler ein paar Kupferstücke zu und gingen ihrem Tagewerk nach. Der Harfner nutzte die Gelegenheit und ging zu ihm. „Eine spannende Geschichte, die ihr da erzählt!“ Ihre Blicke trafen sich und dem Harfner war, als würden die Augen des alten Mannes kurz voller Freude erstrahlen. „Schön, dass du mich endlich gefunden hast, Ekard!“ Die Augen des Harfners weiteten sich. Woher kannte der Fremde diesen Namen? Selbst die meisten Harfner hatten von seiner Vergangenheit keine Ahnung. „Ihr habt also auch eure Informationen. Das wurde mir bereits zugetragen. Gefährliche Informationen.“ Der alte schien nicht auf die bedrohliche Stimmlage des Harfners einzugehen und lächelte stattdessen nur herzlich. „Wir beobachten euch schon länger und doch scheint ihr ein Geheimnis zu sein. Was ist der geheime Code in eurer Geschichte? Wir haben alles überprüft und ihr habt Wissen über das niemand Bescheid weiß. So viel ist klar, wenn auch nicht, wer euer Kontakt ist. Doch was ist mit euren Protagonisten, wofür stehen sie?“ Der Geschichtenerzähler lehnte sich entspannt auf dem Stuhl zurück und hörte weiter zu, was der Harfner über ihn zu berichten hatte. „Es muss irgendein code sein. Wir haben alles überprüft. Nimoroth und Kalid entsprechen in etwa euren Beschreibungen, aber was ist mit den anderen? Grimwardt Fedaykin leitet zusammen mit Xara Tantlor ein Waisenhaus für Kinder, die sonst niemand haben will. Mit einer Mischung aus Liebe und Disziplin scheinen sie dabei großen Erfolg zu haben, doch sie sind keine Abenteuer. Und Winter und Dorien Fedaykin leben zusammen mit ihrer Tochter Scarlet auf einem Hausboot. Sie mögen zwar herumziehende Vagabunden sein, doch auch sie entsprechen nicht den Figuren aus eurer Geschichte. Und was Faust und Drake angeht, diese beiden haben nie existiert. Wo ist die Verbindung von eurem geheimen Wissen zu diesen Personen?“ Jemand setzte sich zu den beiden. „Oh, das klingt aber nach einer spannenden Wendung! Er hat dich also endlich gefunden?“ Erst auf den zweiten Blick erkannte der Harfner, wer der neue Kerl sein musste. „Ihr seid… der Elaner! Ihr werdet an einem völlig anderen Ort vermutet!“ Freundlich nickte der glatzköpfige rundliche Mann dem Harfner zu. „Fardo, schön euch zu treffen, Ekard!“ Der Harfner merkte, dass er keinerlei Kontrolle mehr über den Verlauf des Gespräches hatte. Der Geschichtenerzähler stand auf. „Lasst uns ein paar Schritte gehen. Keine Angst, ich bin schneller als ich aussehe!“ Sie spazierten eine Weile durch Myth Drannor, doch alle Fragen, die der Harfner hatte wurden mit unzureichend oder auf unzusammenhängende Art beantwortet. „Sag mal, Ekard, wo wurdest du geboren?“ Der Harfner kniff die hellen Augenbrauen zusammen. „Das weiß ich nicht, aber ich denke das wusstet ihr bereits.“ „Du hast nichts an deinem Scharfsinn eingebüßt. Weißt du, eine kleine Veränderung in unserer Vergangenheit, kann den Lauf der Geschichte maßgeblich verändern. Du z.B. wurdest als kleines Kind von Harfnern zu freundlichen Eltern gebracht, ehe das Scheusal was dich geboren hat aus dir ein Monster machen konnte.“ Er blieb stehen. „Heißt das, ihr kanntet meine Mutter?“ „Nicht so gut wie ich dich kenne, Ekard. Weißt du, das Ende der Geschichte erzähle ich den Leuten nie, weil es zu fantastisch ist. Faust starb oder stirbt an jenem Tag in der Geschichte, das ist war. Doch ist es ihm gelungen in die Zeit zurückzuspringen. Mein lieber Fardo hier hatte die Theorie, dass man die Vergangenheit zwar nicht ändern könnte, doch wie sich zeigte, hatte er Recht damit behalten, dass es möglich wäre, den Fluss der Zeit zu gabeln. Der Fluss fließt immer weiter, doch sein verlauf ändert sich.“ Dem Harfner wurde schwindelig. „Wer seid ihr?“ Für einen kurzen Moment flackerte die Erscheinung des Geschichtenerzählers. „Ich denke, das weißt du. Die Frage ist, wer bist du, Ekard? Deine Geschichte hat mit ein klein wenig Hilfe einen völlig anderen Verlauf genommen. Du hattest liebevolle Eltern und in Nimoroths Schule warst du auch als Albino niemals ein Außenseiter. Und doch hattest du immer den Drang in dir etwas zu bewegen, die Welt zu verändern. Doch musstest du dafür nie zu Drake werden.“ Ekard musste sich setzen. „Ihr wollt mir also sagen, dass ihr… aus einem anderen Faerun kommt? In dem alles anders war?“ „Naja, nicht alles, aber scheiß drauf, es ist doch eh nur eine Geschichte.“ Der Elaner berührte die Schulter des Geschichtenerzählers, welcher Ekard noch einen Brief reichte. „Hier, dort findest du alle Antworten die du brauchst. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute! Es tat gut dich noch einmal so zu sehen, mein Freund. Wir haben noch einige Rechnungen offen mit anderen Leuten und müssen nun weiter. Leb wohl!“
Und dann verschwanden die beiden einfach. Es dauerte eine Weile, bis Ekard sich wieder aufrichten konnte und den Brief öffnete. Es war eine Einladung von König Oreme.
Drake
Am Grat der Welt, einige Tage später
Er hatte es also tatsächlich überlebt. Quicklebendig kam Faust zu ihm und setzte sich an den Tisch. Doch etwas an ihm war anders. Er hatte nicht mehr den gewohnt arrogant grinsenden Gesichtsausdruck, den Drake gewohnt war. Ernsthaftigkeit lag in seiner Miene und noch etwas: Abschied. „Drake, du Arschgeige! Hast mich so gut wie tot liegen gelassen!“ Nun war es Drake, welcher arrogant lächelte. „Du hast dich schon von schlimmerem erholt. Und Grimwardt hast du ja freundlicherweise auch am Leben gelassen. Sieh es als eine Art Test: Wärst du gestorben, würde ich dir nicht das geben wonach du suchst. Außerdem musste ich verdammt schnell untertauchen mit diesem Höllen-du-weißt-schon-was. Wenn Grimwardt wüsste, was wir hier tun, würde er mich vierteilen.“ Interessiert lehnte Faust sich im Sessel zurück. „Warum hast du dich entschlossen es mir zu geben?“ Spöttisch verzog der Assassine die Mundwinkel. „Ganz ehrlich: mir ist niemand anderes eingefallen. Das Ding zu verkaufen würde zwar ein Vermögen, aber auch unendlich viel Ärger bedeuten. Würde ich es Grim geben, wäre das ganze Spektakel umsonst gewesen, weil er es wie ein treuer Hund seinem Herrchen geben würde. Du bist der einzige, der bescheuert genug sein könnte das Ding zu vernichten und damit alle verdammten Seelen auf die Welt loszulassen. Endlich bekommt der knochige Sarrukh die Abwechslung, die er sich wünscht. Hast du ihn nochmal besucht?“ „Athindol? Den Weltenseher? König Oreme? Nein, das würde ihm sicher nicht passen. Ich habe mit Omega gesprochen. Über meinen Plan.“ Drake hob eine Augenbraue. „Eine der letzten die noch leben und die wir retten konnten. Und was sagt deine große Meisterin zu deinem Plan?“ Der Kämpfer winkte ab. „Na, was meinst du denn? Sie sagt, das wird das Gleichgewicht der Welt aus den Fugen bringen und so weiter, dass das Multiversum einen Ausgleich schaffen wird.“ „Also hast du deinen Plan verworfen?“ Da war das arrogante Grinsen wieder für einen kurzen Moment. „Ich scheiß auf´s Gleichgewicht! Ich bin nicht der Auserwählte, der das Gleichgewicht bringen will oder wird. Im übrigen war Fardo, der mopsige Psioniker hellauf begeistert und wir haben den Plan noch verfeinert. Es wird so laufen...“„Faust, das interessiert mich nicht.“ Wie einen faulen Apfel schob Drake das verhüllte Portfolio zu seinem ...Freund. „Ich würde ja sagen, ich hoffe du weißt was du tust, aber dafür kenne ich dich inzwischen zu gut.“ Er erhob sich und streckte Faust die Hand hin. „Leb wohl Senftopf. Ich vermute, wir werden uns nicht mehr wiedersehen.“ Auch Faust erhob sich, wollte seine Hand schütteln, entschied sich dann aber doch für eine kräftige Umarmung. „Nicht mehr in diesem Leben jedenfalls. Pass auf dich auf, Drake, so wie immer. Und jetzt mach, dass du weg kommst. Das hier ist der unbewohnteste Ort den ich kenne, aber ich weiß trotzdem nicht, was gleich passieren wird.“ Drake nickte zum Abschied. „Also dann, bis im nächsten Leben!“ Und seine Stiefel teleportierten ihn weit weit weg.
Faust
Nun war er ganz allein und spürte die Kälte und Einsamkeit dieses Ortes. Faust ließ den Stoff fallen und rollte das Portfolio aus. Sofort zog es ihn in seinen Bann. Doch der Griff um Zwiespalt mit seiner anderen Hand war wie der Griff nach einem rettenden Anker. Vermutlich würde er zum neuen Herrn der Neun Höllen aufsteigen, doch er würde es diesem Artefakt der Götter nicht leicht machen! Die Zeilen lasen sich wie von selbst. Der Grat der Welt verschwand um ihn herum. Flammen, Schatten und Leid umgaben ihn zunehmend. Doch sie es fühlte sich richtig an. Er begann zu verstehen, welchen Platz im Kosmos die Hölle einnahm. Wie ein Raubtier in einem Biotop, das für den Erhalt aller Arten wichtig war. Das sollte er denken, doch es war nur der erste Angriff des Portfolios auf Fausts chaotischen Geist. Er bestand die Probe und zog seinen Geist immer mehr zurück, verband ihn mit dem von Zwiespalt. Nun wurde ihm klar, welche ungeheure Macht er erhalten würde. Er würde erreichen, wovon sein Vater und er einst immer geträumt hatten und würde die Welt nach seinen Vorstellungen formen können. Doch ein Impuls von Zwiespalt erinnerte ihn daran, dass das formen von Welten das Gegenteil von dem war, was er wollte. Nun fuhr das Artefakt seinen größten Trumpf auf. Er würde sie alle retten können! Seinen Vater, Tyrail, Miu und Winter. Er wusste, es war keine List. Er würde die Menschen die er liebte wieder zurückholen und sie könnten ihr neues Leben genießen. War es nicht genau das was er wollte? Ein anderes, neues Leben für sie alle. Eine neue Chance. Sie könnten von vorne beginnen. Er hatte fast zuende gelesen. Von vorne beginnen… Er musste an Drake denken. An den Jungen, der in der Gosse aufwuchs und von seiner eigenen Mutter wie Dreck behandelt wurde. Nein, seine Narben würde er niemals heilen können, das konnte nur die Zeit!
Sein Arm leuchtete auf und die Zeit stoppte, als er das letzte Wort des Portfolios las. Ein Moment den es nicht gab, der frei von Verträgen war. Sein innerstes wurde auseinandergerissen und er klammerte sich an Zwiespalt. Doch wie er selbst wurde auch sein Schwert zerteilt. Immer noch in der Zeitstarre sah er sich selbst vor sich stehen – Nein, er sah Faust, den Herrn der Neun Höllen, mit seiner finsteren Klinge Zwietracht. Er blickte auf sich selbst, den sterblichen Faust, den Auserwählten der Zeit, in seiner Hand die Klinge Zwielicht. Er nickte sich selbst zu und Der Gott Faust befahl die Freilassung aller Seelen aus der Hölle. Der sterbliche Faust spürte, wie der Pakt, den er eingegangen war aufgelöst wurde. Und der Gott Faust zerriss im selben Moment das Portfolio. Der Arm des sterblichen Faust leuchtete auf und dann verschwand er. Die Zeit lief weiter. Zu diesem Zeitpunkt endete Fausts göttliche und sterbliche Existenz.
Grimwardt
Grat der Welt, einige Monate später
Der kalte Wind peitschte ihm um die Ohren, doch stoisch wie immer ertrug der Kriegspriester das Wetter. Der Kontrast zur Hitze der Wüste war besonders für seine Soldaten eine harte Umgewöhnung gewesen, doch es musste sein. Scarlet hatte sich schnell erholt und war nun sowohl für die Bedinen, als auch die Umbranten ein angesehenes Oberhaupt. Winter war letzten endes tatsächlich die wiedergeborene Shar gewesen, die über alle Feine triumphierte, bis sie vor aller Augen Umbras hinterlistig ermordet wurde. Er wusste es natürlich besser, doch schnell verbreitete sich das Gerücht, dass Drake Cyrik selbst in der Gestalt eines Menschen war. Die Tochter von Shar, die gleichzeitig die Elani der Bedinen war, würde sich jedenfalls gut behaupten können, da war er sicher.
Ihn hatte es ans Ende der Welt verschlagen, dank Faust. Er verfluchte ihn dafür, dass er tatsächlich getan hatte, was niemand für möglich hielt, vielleicht sogar mit guten Absichten. Doch es blieb das Werk eines mächtigen Idioten. Vermutlich hatte er nicht bedacht, dass Asmodeus Jahre zuvor den Abyss verbannt hatte. Der plötzliche Wegfall der Hölle holte den Abgrund, die schreckliche Welt der Dämonen nicht nur zurück, sie hatte auch gleichzeitig ohne einen Finger zu rühren den Blutkrieg gewonnen, jener ewige Krieg zwischen Teufeln und Dämonen. Und das nicht ohne Folgen. Fardo hatte von einer anderen Welt erzählt, in der er dieses Phänomen auch gesehen hatte. Er nannte es die Weltenwunde. Und nun tatsich eine solche Wunde auch unterhalb des Grats der Welt auf. Eine gewaltige Kluft, die ein Portal zum Abyss darstellte aus dem eine immer währende Flut von Dämonen auf Faerun schwappte. Faust hatte ein gewaltiges Übel auf die Welt losgelassen, indem er die göttliche Ordnung aus den Fugen gerissen hatte.
Und doch war es für Grimwardt wie ein Geschenk gewesen. Die Völker hatten sich vereint gegen einen neuen gemeinsamen Feind im Norden. Die Welt war wieder einfacher geworden. Es war klar wer der Feind war, ohne irgendwelche Ränkespiele. Und so stand er nun hier, wartend auf die nächste dämonische Flut, voller Vorfreude darauf die Kreaturen mit Axt und göttlicher Magie zu vernichten und seine Soldaten dazu anzustacheln, es ihm gleich zu tun. Endlich konnte er den Krieg wieder genießen, tun wozu er bestimmt war. Das Band zwischen Nimoroth, Kalid und ihm war wieder enger geworden und trotz all der Verluste, konnte es sich wieder in das Gefühl von einst hineinversetzen, als er als junger Abenteurer losgezogen war, in einer Gemeinschaft, die er beschützen wollte.
Epilog
Der Harfner
Whispers Braustube, Myth Drannor, 1340TZ
Der Harfner hatte sein Ziel nach langer Suche gefunden. „Der Geschichtenerzähler“ war plötzlich in dieser Gegend aufgetaucht. Zuvor gab es wieder die bekannten Gerüchte über getötete Magier von Thay und befreite Sklaven. Nun konnte er ihn zum ersten mal selbst sehen. Er schien allerdings keiner Wegs bedrohlich und seine Geschichte war, nun ja, eine Geschichte. Vieles passte zu dem, was allgemein bekannt war, andere Details hingegen waren völlig absurd und klar erfunden. Der Grund aber, warum er den Geschichtenerzähler beschattete, war ein anderer. Teile seiner Geschichte bestanden aus Wissen, das nur die wenigsten kannten, geheime Dinge, von denen der alte Mann nichts hätte wissen dürfen.
Die Geschichte war zu Ende. Ein bittersüßes Finale, in dem sich die Protagonisten gegenseitig zerfleischten und die Hölle selbst vernichtet wurde. Die Leute steckten dem Geschichtenerzähler ein paar Kupferstücke zu und gingen ihrem Tagewerk nach. Der Harfner nutzte die Gelegenheit und ging zu ihm. „Eine spannende Geschichte, die ihr da erzählt!“ Ihre Blicke trafen sich und dem Harfner war, als würden die Augen des alten Mannes kurz voller Freude erstrahlen. „Schön, dass du mich endlich gefunden hast, Ekard!“ Die Augen des Harfners weiteten sich. Woher kannte der Fremde diesen Namen? Selbst die meisten Harfner hatten von seiner Vergangenheit keine Ahnung. „Ihr habt also auch eure Informationen. Das wurde mir bereits zugetragen. Gefährliche Informationen.“ Der alte schien nicht auf die bedrohliche Stimmlage des Harfners einzugehen und lächelte stattdessen nur herzlich. „Wir beobachten euch schon länger und doch scheint ihr ein Geheimnis zu sein. Was ist der geheime Code in eurer Geschichte? Wir haben alles überprüft und ihr habt Wissen über das niemand Bescheid weiß. So viel ist klar, wenn auch nicht, wer euer Kontakt ist. Doch was ist mit euren Protagonisten, wofür stehen sie?“ Der Geschichtenerzähler lehnte sich entspannt auf dem Stuhl zurück und hörte weiter zu, was der Harfner über ihn zu berichten hatte. „Es muss irgendein code sein. Wir haben alles überprüft. Nimoroth und Kalid entsprechen in etwa euren Beschreibungen, aber was ist mit den anderen? Grimwardt Fedaykin leitet zusammen mit Xara Tantlor ein Waisenhaus für Kinder, die sonst niemand haben will. Mit einer Mischung aus Liebe und Disziplin scheinen sie dabei großen Erfolg zu haben, doch sie sind keine Abenteuer. Und Winter und Dorien Fedaykin leben zusammen mit ihrer Tochter Scarlet auf einem Hausboot. Sie mögen zwar herumziehende Vagabunden sein, doch auch sie entsprechen nicht den Figuren aus eurer Geschichte. Und was Faust und Drake angeht, diese beiden haben nie existiert. Wo ist die Verbindung von eurem geheimen Wissen zu diesen Personen?“ Jemand setzte sich zu den beiden. „Oh, das klingt aber nach einer spannenden Wendung! Er hat dich also endlich gefunden?“ Erst auf den zweiten Blick erkannte der Harfner, wer der neue Kerl sein musste. „Ihr seid… der Elaner! Ihr werdet an einem völlig anderen Ort vermutet!“ Freundlich nickte der glatzköpfige rundliche Mann dem Harfner zu. „Fardo, schön euch zu treffen, Ekard!“ Der Harfner merkte, dass er keinerlei Kontrolle mehr über den Verlauf des Gespräches hatte. Der Geschichtenerzähler stand auf. „Lasst uns ein paar Schritte gehen. Keine Angst, ich bin schneller als ich aussehe!“ Sie spazierten eine Weile durch Myth Drannor, doch alle Fragen, die der Harfner hatte wurden mit unzureichend oder auf unzusammenhängende Art beantwortet. „Sag mal, Ekard, wo wurdest du geboren?“ Der Harfner kniff die hellen Augenbrauen zusammen. „Das weiß ich nicht, aber ich denke das wusstet ihr bereits.“ „Du hast nichts an deinem Scharfsinn eingebüßt. Weißt du, eine kleine Veränderung in unserer Vergangenheit, kann den Lauf der Geschichte maßgeblich verändern. Du z.B. wurdest als kleines Kind von Harfnern zu freundlichen Eltern gebracht, ehe das Scheusal was dich geboren hat aus dir ein Monster machen konnte.“ Er blieb stehen. „Heißt das, ihr kanntet meine Mutter?“ „Nicht so gut wie ich dich kenne, Ekard. Weißt du, das Ende der Geschichte erzähle ich den Leuten nie, weil es zu fantastisch ist. Faust starb oder stirbt an jenem Tag in der Geschichte, das ist war. Doch ist es ihm gelungen in die Zeit zurückzuspringen. Mein lieber Fardo hier hatte die Theorie, dass man die Vergangenheit zwar nicht ändern könnte, doch wie sich zeigte, hatte er Recht damit behalten, dass es möglich wäre, den Fluss der Zeit zu gabeln. Der Fluss fließt immer weiter, doch sein verlauf ändert sich.“ Dem Harfner wurde schwindelig. „Wer seid ihr?“ Für einen kurzen Moment flackerte die Erscheinung des Geschichtenerzählers. „Ich denke, das weißt du. Die Frage ist, wer bist du, Ekard? Deine Geschichte hat mit ein klein wenig Hilfe einen völlig anderen Verlauf genommen. Du hattest liebevolle Eltern und in Nimoroths Schule warst du auch als Albino niemals ein Außenseiter. Und doch hattest du immer den Drang in dir etwas zu bewegen, die Welt zu verändern. Doch musstest du dafür nie zu Drake werden.“ Ekard musste sich setzen. „Ihr wollt mir also sagen, dass ihr… aus einem anderen Faerun kommt? In dem alles anders war?“ „Naja, nicht alles, aber scheiß drauf, es ist doch eh nur eine Geschichte.“ Der Elaner berührte die Schulter des Geschichtenerzählers, welcher Ekard noch einen Brief reichte. „Hier, dort findest du alle Antworten die du brauchst. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute! Es tat gut dich noch einmal so zu sehen, mein Freund. Wir haben noch einige Rechnungen offen mit anderen Leuten und müssen nun weiter. Leb wohl!“
Und dann verschwanden die beiden einfach. Es dauerte eine Weile, bis Ekard sich wieder aufrichten konnte und den Brief öffnete. Es war eine Einladung von König Oreme.