Unkraut
Die Kettenbrecher saßen beim Frühstück. Dirim hatte ihnen ein Heldenmahl kredenzt. Boras nahm einen tiefen Schluck Nektar und rülpste. Keiner machte einen Witz. Es war kein Tag, um Witze zu reißen. Plötzlich riss Dirim die Augen auf.
»Oh. Ich habe… einen Gedanken. Nein, eine Idee.« Er lächelte. »Jetzt ist es ein Plan.«
»Verrätst du den auch?«, wollte Thamior wissen.
»Nein. Gebt mir zwei Stunden, dann bin ich wieder da.«
»Zwei Stunden?« Jørgen war skeptisch. »Wer weiß, was bis dahin–«
»Es lohnt sich«, sagte Dirim. »Vertraut mir.« Er stand auf und marschierte die Treppe hoch.
»Sture Zwerge«, sagte Thamior.
Keiner lachte. Es war kein Tag, um zu lachen.
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»Los!«
Pellir warf drei Äpfel gleichzeitig in die Luft. Sie taumelten voneinander weg, der eine Apfel höher, der andere niedriger. Pellir versuchte vergebens, alle drei im Blick zu behalten.
Es gab drei knirschende Geräusche, dann fielen die Äpfel auseinander wie von Geisterhand und vielen in sechs Hälften zu Boden. Pellir bekam große Augen.
»Hm«, machte Thamior und deutete zum Obstkorb neben dem Jungen. »Jetzt vier.«
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Die Barakmordin umkreisten Boras mit ihren Knüppeln. Boras selbst war unbewaffnet. Trotzdem traute sich keiner, anzugreifen. Brynn traute sich dann doch. Er führte einen Seitwärtshieb aus. Boras packte Brynns Handgelenk und nahm ihm zuerst den Knüppel ab, dann warf er den Soldaten gegen Karras, der herangekommen war. Jetzt griffen Alina, Dernholm und Beregard gleichzeitig an. Boras stieß Alinas Knüppel so zur Seite, dass dieser Dernholms Schlag abfederte, dann schlug er selbst zu. Beregard hielt seinen Knüppel zur Abwehr. Die beiden Holzwaffen zersplitterten beim Aufprall. Zwei Atemzüge später lagen alle Barakmordin am Boden.
Boras grunzte. »Noch Mal, und strengt euch diesmal an.«
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Thargad rannte über das niedrige Dach, stieß sich vom Schornstein ab und ergriff die Kante des höheren Dachs. Mit einem Rückwärtssalto schwang er sich hoch, rollte sich sofort zur Seite und ließ dabei seine Schwerter über die Stelle vor ihm wirbeln. Er kam im Stand aus der Rolle und lief sofort weiter, sprang über die Straße auf das gegenüberliegende Haus, ließ sich durch ein Dachfenster fallen und war sofort aus einem anderen Fenster wieder heraus an die Mauer des nächsten Hauses gesprungen, stieß sich ab und landete wieder auf dem Dach.
Eine kleine Schar Kinder folgte ihm auf dem Boden, konnte aber kaum Schritt halten.
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Jørgen ging durch die Straßen Redgorges. Er sprach mit Stadtwachen und hörte zu, wenn andere ihn ansprachen. Sein Schwert war scharf. Er war bereit. War es immer gewesen, jedenfalls schien es ihm so. Die Gebete waren vor langer Zeit gesprochen, die Übungskämpfe gefochten worden. Nicht einmal der Tod hatte ihn abhalten können, heute hier zu sein und seinem Schicksal ins Auge zu sehen. Er sah zur Kesselstadt, die so klein schien. Hinter ihm hörte er, wie Dirim sich aus seiner Windgestalt schälte.
Es war Zeit.
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»Boss!« Der Dude zeigte mit der Zeigeklaue auf Dirim. »Was geht?«
»Alles«, sagte Dirim. Sobald er den Schädel von Occipitus betrat, hier an der Spitze eines alten Astes des Dämonenbaums, spürte er, wie neue Kraft in ihn strömte. Fast gottgleich.
»Oi«, machte der Dude. »Gut oder schlecht?«
Dirim sah ihn an. »Rat mal.«
»Schon klar, Boss.«
Dirim setzte sich auf den Thron. Es war ein unbequemes Sitzen, mit den spitzen Schwertern, aber durch die Rüstung verursachten sie keine Schmerzen. Dirim zog die Handschuhe aus.
»Boss?«, fragte der Dude. »Alles klar?«
Dirim klatschte die nackten Hände auf die Lehnen des Throns. Metall trieb sich in seine Hände. Blut floss. Gleichzeitig fühlte Dirim noch einmal neue Macht in seinem Griff. Jetzt war er gottgleich. Er merkte, wie das Universum inne hielt, um seinem Wunsch zu lauschen, um seinem Wunsch Folge zu leisten.
»Ich wünsche«, sagte Dirim langsam, »die Kontrolle über das Saatkorn Malgarios.«
Spoiler (Anzeigen)Womit er mich ein wenig in Bedrängnis brachte; ich hoffe, ich habe den Wunsch nicht zu harsch ausgelegt, Dirim? Jedenfalls war es bezeichnend für die Spieler, dass sie nicht einfach Malgario wegwünschen wollten und damit das Abenteuer beenden.
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Außerhalb von Redgorge wartete eine Menschenmenge auf die Kettenbrecher. Jørgen ritt auf seinem Streitross, die anderen liefen nebenher. Die Menschen standen ihnen im Weg, und es waren nicht nur Menschen, sondern auch andere Völker darunter. Annah Taskerhill, Corah Lathenmire, Krystof Jurgensen, Darigaaz, die Barakmordin, Maavu und die Steinmetze, Skylar Krewis, mehrere Wachen und noch einige mehr. Sogar Shensen Tesseril war über Nacht vom Glücklichen Affen hergekommen.
»Ich weiß, dass ihr die Helden seid«, sagte Annah Taskerhill. »Aber Cauldron ist unsere Stadt. Ihr geht auf keinen Fall dorthin zurück, ohne uns mitzunehmen.«
Zustimmende Rufe folgten ihrer Erklärung. Die Kettenbrecher sahen sich kurz an.
»Also gut«, sagte Jørgen, »aber wir gehen in den Baum und sonst keiner. Ihr haltet die Stadt sauber. Und wenn Hakennase kommt, verzieht ihr euch.«
»Damit kann ich leben«, sagte Annah. »Betonung auf leben.«
Die Menge lachte, und die Kettenbrecher lächelten auch. Das Lachen tat gut, besonders an einem solchen Tag. Die Kettenbrecher bahnten sich ihren Weg durch die Menge, und wen sie passierten, der drehte sich um und folgte ihnen. Den Berg hinauf, nach Cauldron.
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Die Verteidiger Cauldrons standen am Südtor und blickten auf die Stadt herab. Der See hatte sich zurückgezogen und viele Hütten mitgenommen. Häuser waren eingestürzt und abgebrannt, aber die Feuer waren erloschen. Überall lagen Trümmer oder liegen gelassene Besitztümer.
»Kein Zeichen von Hakennase«, sagte Thamior.
»Und auch nicht von dem Baum«, fügte Boras hinzu.
»Sag sowas nicht«, bat Thargad, aber zu spät. Der Boden erbebte, stärker noch als am Tag zuvor. Einige der Mitgekommenen mussten sich abstützen, um nicht zu fallen. Dann wölbte sich der Kratersee nach außen. Der ganze Kratersee. Die Oberfläche stülpte sich und dann brach sie auseinander, drängte ein gewaltiges Dickicht aus Blättern empor und schüttelte Unzählige kleine Wassertropfen ab wie ein lästiges Insekt. Das Wasser rauschte in den See zurück und der Baum wuchs und wuchs und wuchs immer weiter. Aus dem Boden um den See herum wanden sich Ranken und Büsche und Bäume von normaler Größe. Es dauerte vielleicht hundert Herzschläge, dann stand in Cauldron ein großer, dichter Wald – und in dessen Mitte ein gewaltiger, siebenhundert Schritt großer Baum. Malgario.
»Heilige Scheiße«, sagte jemand.
Thargad sah zu Boras. »Du weißt, dass das deine Schuld ist, oder?«
Aus dem Wald unter ihnen erklang Geschrei.
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Der Eingang zu Malgario war eine großes Loch in seiner Seite. Davor befand sich eine kleine Lichtung. Drei Dutzend Orks und ein halbes Dutzend Trolle bewachten den Eingang.
»Niedlich«, sagte Boras. »Darf ich die haben? Darf ich?«
»Wer zuerst da ist«, sagte Dirim. Boras rannte sofort los, die Axt erhoben. Thamior wartete noch einen Moment, dann hob er seelenruhig den Bogen.
»Du kannst ganz schön gemein sein, weißt du das?«, sagte Thargad.
Thamior hob eine Augenbraue. Seine Hand bewegte sich so schnell, dass sie zu verschwimmen schien, und der erste Troll fiel gurgelnd zu Boden. Boras sprang über ihn hinweg und mitten in die Orks hinein. Köpfe flogen und Blut spritzte. Einige Orks versuchten, zu fliehen, aber der Barbar war zu schnell. Thamior und Jørgen erledigten beide noch einen Troll, aber der Rest fiel Boras’ Axt zum Opfer. Thargad übernahm die Aufgabe, die Trolle zu verbrennen.
Dann betraten sie die Höhle. Das Innere war von Moos über- und Ranken durchzogen. Es roch faulig und feucht. Das Moos selbst leuchtete in fadem Licht, das von Dirims Auge überdeckt wurde. Boras sah sich um.
»Also, bislang war es ja nicht besonders schwierig.«
»Boras!«, drohte Thargad. Dann seufzte er.
Ranken erwachten am Eingang der Höhle zum Leben und griffen ineinander, dann zogen sie sich zusammen und schlossen den Eingang. Immer mehr Ranken krochen hervor. Das Ende der Höhle wuchs auf die Kettenbrecher zu und drängte sie weiter vorwärts, in den Baum hinein.
(to be continued)
Malgario
Das Innere Malgarios ähnelte stark dem Inneren des Astes, der auf Occipitus zum Schädel hinaufführte. Allerdings war die Luft zwar stickig, aber nicht so faul, und die Wände der organischen Höhlen pulsierten beständig von Leben. Auch veränderten sich die Gänge ständig – anders war es kaum zu erklären, dass nach Dirims zwergischem Gespür die Höhle, in der die Kettenbrecher sich befanden, sich hätte bereits mehrmals kreuzen müssen, ohne dass sie tatsächlich an eine Kreuzung gekommen wären. Man gewann den Eindruck, absolut von dem Willen Malgarios geführt zu werden, was in sich wieder die Frage aufwarf, warum Malgario sie nicht einfach zwischen seinen Wänden zerquetschte, oder alle Luft aus seinem Inneren zog, wie er es sicher vermutete. Die einzige Antwort, die ihnen einfiel, war Neugier. Die Kettenbrecher nahmen sich vor, sie zu belohnen.
Sie waren vielleicht eine halbe Stunde unterwegs gewesen, als sich der Gang plötzlich in eine Höhle öffnete. Diese Höhle war über und über von Ranken und Moos überwuchert und hatte aus Sicht der Kettenbrecher sowohl nach links wie auch nach rechts eine Ausbuchtung. Thamior machte seinen Bogen bereit, und Boras zog die Axt. Jørgen ging langsam in die Höhle hinein.
Eine große, schwarze Gestalt schälte sich aus der Unsichtbarkeit, als der Paladin in ihrer Nähe war. Der humanoide Körperbau mit den langen Klauenhänden und die Tatsache, dass das Geschöpf sowohl drei Meter hoch war wie auch aus lebenden Schatten zu bestehen schien, erklärten es zu einer Nachtschattenkreatur derselben Art, wie sie in der Verteidigung Cauldrons bereits Boras’ Axt Blutrache zerbrochen hatte. Die Klauen griffen sofort nach Jørgen, aber der tat einen Schritt nach hinten und schützte Läuterung für den Moment mit seinem Schild. Thamior feuerte ein halbes Dutzend von Seelenfeuer leuchtende Pfeile in den Nachtwanderer, und unter dieser Deckung steckte Jørgen sein Langschwert wieder in die Scheide und zog seine silberne Axt. Kaum war Thamiors Salve vorbei, stürmte er hinterher und riss weitere tiefe Wunden in die Kreatur, bis sie sich gerade dann auflöste, als von der anderen Seite ein zweites Nachtschattenwesen angriff.
Dirim wollte sofort einen Flammenschlag auf die Kreatur niedergehen lassen, aber plötzlich türmte sich der Boden zu beiden Seiten des Zwerges auf und fiel über ihm zusammen. Malgario griff in den Kampf ein. Boras und Thargad befreiten Dirim. Währenddessen war Jørgen wieder unter Thamiors Deckung zum zweiten Angreifer vorgedrungen und zerfetzte diesen mit der Silberaxt.
Spoiler (Anzeigen)(Im Folgenden habe ich Malgarios Eingreifen nicht beschrieben, aber der Baum hat jede Runde etwas getan, um mitzukämpfen. Vielleicht eine Bodenwelle, oder mit Tentakeln geschlagen oder gegriffen, Säre regnen lassen usw. Insgesamt gab es 9 Effekte, haben also alle Kämpfe bis zum Treffen mit Malgario selbst 9 Runden gedauert.)
Boras und Thargad standen immer noch unschlüssig neben Dirim. Sie hatten ihre Waffen nicht riskieren wollen, wenn es nicht absolut notwendig wäre. Zum Glück war es das nicht gewesen.
»Stattdessen«, sagte Dirim zum Trost, »haben wir die erste Prüfung bestanden, würde ich sagen. Was meint ihr?«
»Ich meine: weiter«, sagte Thamior. »Wir sollten uns hier nicht ausruhen.«
Dirim rieb sich den blauen Fleck, den Malgarios Angriff an seiner Schulter hinterlassen hatte. »Stimmt. Gehen wir weiter.«
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Es war eigentlich nicht ganz korrekt, von Malgario als einer Person zu sprechen. Vor Äonen, als ihn der Dämonenprinz Xi’valanbobrig (genannt Bob) erweckt hatte, um ein Tor in die Höllenebene zu schlagen, wo seine Geliebte von ihrem Vater hin versperrt worden war, war es schon nicht korrekt gewesen, denn die drei mächtigen Dämonen, die Bob im Ritual geopfert hatte, waren von Beginn an nicht vollständig in Malgario aufgegangen, sondern als teilweise autonome Geister erhalten geblieben. Über die Jahrtausende hatte der Dämonenbaum die Seelen derer, die in ihm oder für ihn geopfert wurden, aufgesogen und sie den drei Richtungen zugeordnet, sodass aus drei Geistern drei Fraktionen geworden waren. Diese drei Fraktionen sprachen mit den vielen Stimmen ihrer Seelen, und momentan stritten sie darüber, wie mit den Eindringlingen zu verfahren war, die gerade die zwei Nachtschreiter besiegt hatten.
»Wir müssen sie töten«, zischte die Fraktion des ehemaligen Tanar’ri-Hauptmanns Krang. Bei Krang hatten die Seelen Zuflucht gefunden, denen die pure Lust an der Zerstörung inne gewohnt hatte. Wie üblich sprach Krang mit mehreren Stimmen, die alle dasselbe ausdrückten, aber anders formulierten, sodass gleichzeitig töten gesagt wurde wie auch massakrieren, vernichten, zerreißen und eine Vielzahl anderer Wörter. »Sie sind gefährlich!«
»Gefährlich!«, höhnte Ting. Der Eroberer sprach mit einer Stimme, in der die übrigen Seelen nur flüsternd wahrzunehmen waren. »Nützlich trifft es wohl eher. Wir können sie für unsere Zwecke einspannen. Danach können wir sie immer noch töten.«
»Einspannen? Sie haben einen Paladin dabei, und einen Tyrkleriker.«
»Ting hat Recht«, meldete sich die dritte Stimme, die selbst nur einem Zischen glich. Weitere Stimmen hörte man nicht heraus. Die Seelen, die sich um Arda gesammelt hatten, waren nur auf eines konzentriert, und das so sehr, dass sie mit einer Stimme sprachen: Rache. »Sie könnten nützlich sein. Vielleicht können wir sie gegen jene hetzen, die uns nun beherrschen, und sie als Instrument unseres Zorns verwenden. Wir sollten sie prüfen, um zu sehen, ob sie unseren Herrschern gefährlich werden können.«
»Schicken wir sie zu den Würmern!«, rief Krang. »Die Würmer!«
Die drei Fraktionen wandten ihre Aufmerksamkeit wieder den Eindringlingen zu, während Malgario den Gang, in dem sie wanderten, in die nächste Kammer münden ließ.
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»Was ist es diesmal?«, fragte sich Dirim. »Was müssen wir jetzt töten?«
Der Gang mündete in einer langgezogenen, gekrümmten Kammer. Überall wuchsen große Stämme aus dem Boden, die wenig mehr als einen breiten Weg durch die Mitte gangbar ließen. Es war die perfekte Umgebung für eine Falle.
»Lassen wir uns überraschen«, meinte Thamior und ging voraus. Er hielt sich dank seines Tempos problemlos ein wenig abseits der anderen Kettenbrecher, damit sie nicht alle ein einfaches Ziel boten, ebenso wie Dirim mit etwas Abstand die Nachhut bildete.
Der Boden wölbte sich vor und hinter ihnen, und dann stießen zwei riesige Würmer aus der Erde hervor. Erst kamen ihre Mäuler zum Vorschein. Mehrere Meter weiter brachen giftstachelige Hinterseiten aus dem Boden. Aus der Decke bohrten sich zwei weitere Würmer. Dann begann es, Säure zu regnen.
Thamior hastete von Deckung zu Deckung, um dem Regen zu entgehen, und feuerte Pfeile auf einen der Würmer. Währenddessen griff Jørgen einen weiteren an. Einer der Würmer schnappte nach Thargad und verletzte den Schurken schwer genug, dass der Säureregen ihn zu töten drohte. Dirim stellte sich mit seinem Schild schützend über ihn, war dadurch aber wehrlos, als sich der zweite Wurm mit Stachel und Maul über ihm positionierte. Der Wurm kreischte.
Plötzlich tauchte auf seinem Rücken Boras auf. Der Barbar dampfte, weil die Säure langsam seine Pflanzenrüstung zerfraß, aber er kümmerte sich nicht. Stattdessen hob er Uthgars Zahn zu einem Überhandschlag und ließ die Axt wie ein Holzfäller niederfahren, der auf einem Stamm balancierte und diesen spalten wollte. Und er spaltete. Uthgars Zahn versprühte Eiskristalle, als sich ihre Klinge durch den Hals des Wurms fraß und den Kopf sauber abtrennte. Blut schwallte heraus und über Dirim und Thargad, während sich der kopflose Wurm in Muskelzuckungen wand. Anstatt sich festzuhalten, nutzte Boras den Schwung einer solchen Zuckung, um zum nächsten Wurm geschleudert zu werden, den Thamior ja bereits schwer verletzt hatte. Er landete mit der Axt voraus und schlug sich selbst tief in die Haut des Wurmes vor, sodass auch dieser zu Boden ging.
Jørgen sah sich um. Sein Wurm war schwer verletzt gerade von Thamiors Pfeilen ins Jenseits befördert worden. Der Säureregen hielt an. »Wir müssen hier raus«, rief er den anderen zu. »Kommt schon!«
Die Kettenbrecher hasteten zum Ausgang der Höhle, während der letzte Wurm sich in der Decke anschickte, ihnen zu folgen. Jørgen sah sich noch einmal um. Dirim folgte so langsam wie üblich, und Thargad war wieder auf den Beinen. Thamior war bereits am Ausgang angekommen. Nur Boras fehlte… da war er. Er stand mitten auf dem Weg und blickte dem Wurm in der Decke entgegen.
»Boras!«, rief Jørgen.
Boras drehte sich um. Er grinste. »Geht schon mal vor«, rief er. »Ich komme gleich nach.« Er spannte die Muskeln an und fasste die Axt fester. Der Wurm konnte einem fast leidtun.
-
»Ahh«, machte Krang, als der Hüne den letzten Wurm der Länge nach aufschlitzte. »Mehr!«
»Sie sind nicht sehr organisiert.« Man konnte Tings Kopfschütteln fast hören. »Ineffizient.«
»Aber effektiv!«, sagte Krang.
»Noch ein Test?«, fragte Arda.
»Jaa!«, rief Krang.
»Ja«, sagte Ting. »Das wäre besser. Ein Test, bei dem sie Taktik anwenden müssen.«
»Der Barbar braucht keine Taktik«, gab Arda zu bedenken. »Er könnte selbst uns gefährlich werden.«
»Pah!«, machte Krang. »Wir könnten ihn zerfetzen.«
»Dann tu es doch!«, sagte sie.
»Wir wollen nicht.«
»Arda hat Recht«, sagte Ting. »Außerdem ist der Barbar schwer zu kontrollieren. Ein Risiko. Wir sollten ihn aus dem Spiel nehmen. Wenn die anderen ohne ihn hilflos sind, dann sterben sie eben.«
»Sterben! Vergehen! Fallen!«, machte Krang.
»Und wenn nicht, dann haben wir sogleich ein Faustpfand, das sie gefügiger machen wird.«
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Boras kam tatsächlich kurze Zeit später nach. An ihm klebte immer noch feuchtes Wurmblut. »Habe ich etwas verpasst?«
Plötzlich wurde er von einer dünnen, viskosen Blase umgeben, und bevor einer der Kettenbrecher reagieren konnte, versank er im Boden, der sich über ihm nahtlos schloss, als habe man einen Stein im Sand versenkt.
»Boras!«, rief Dirim. Er wollte einen Zauber beginnen, aber Thargads warnende Hand auf seinem Arm ließ ihn innehalten. Der Schurke sah den Gang entlang, wo sich gerade die Öffnung erst schloss und dann in eine weitere Halle öffnete.
»Der nächste Test«, mutmaßte er.
Dirim zog Schuldspruch. »Gut«, sagte er. »Ich habe gerade Lust, jemanden zu töten.«
(to be continued)
Spoiler (Anzeigen)Boras war bei dem nächsten Spieltermin nicht dabei, so wie Thargad bei diesem...
Für Kylearan
Gebrochene Ketten
Die dritte Halle war eine Sackgasse. Sie verbreiterte sich langsam, um dann am Ende wieder zusammenzuführen. Es gab keinen weiteren Ausgang. Aber am anderen Ende der Halle, auf einem Podest, stand das steinerne Abbild des Dämonenbaums, eine groteske Statue aus Stein.
»Zehn Goldkronen, dass die Statue angreift«, sagte Thamior.
»Pfft!«, machte Thargad. »Ich wette nur, wenn ich gewinnen kann.«
»Ich gebe zwanzig zu eins«, meinte der Elf. Aber niemand schlug ein. Stattdessen schlug die Falle zu, als aus der Wand links und rechts von ihnen plötzlich zwei große Käferwesen brachen und angriffen. Gleichzeitig begann – natürlich – die Statue, sich zu bewegen.
»Thamior, Dirim«, sagte Jørgen, »nehmt euch den Golem vor. Thargad, du links, ich nehme den hier.«
Dirim stürmte mit Schuldspruch auf den Golem zu, während Thamior das Seelenfeuer entzündete und Pfeil um Pfeil fliegen ließ. Thargad tauchte unter der Klaue des Erdkolosses durch und trieb ihm beide Schwerter in die Brust, an denen er sich hochzog und über dessen Kopf schwang, nur um die gerade erst gelösten Klingen nun in den Rücken zu schlagen, sich dann kopfüber hängend abzustoßen, zu drehen und stehend auf dem Boden aufzukommen und schließlich die Schwerter seitwärts nach außen zu schwingen, um sie in die Flanken des Untiers zu bohren. Der Erdkoloss hatte einen dümmlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Dann fiel er tot um. Thargad wirbelte die Klingen, um sie von Blut zu befreien.
Thamior feuerte eine zweite Salve Seelenfeuer ab. Die Pfeile sprengten kleine Stücke aus dem Golem. Steinerne Äste brachen ab und krachten zu Boden. Dirim hatte nur noch die Aufgabe, aus diesen Kerben noch größere zu machen. Währenddessen trieb Jørgen den zweiten Erdkoloss zu Thargad herüber, der sich von der Wand abstieß und seine Schwerter dem Monster direkt in die Augen stieß. Der Koloss stürzte.
Noch während die Kettenbrecher sicherstellten, dass ihre Gegner tot waren, schloss sich der Ausgang hinter ihnen.
»Na toll«, sagte Dirim. »Und jetzt?«
»Ich schätze, jetzt kriegen wir eine Audienz«, sagte Thargad.
Das Podest, auf dem der Golem gestanden hatte, fuhr in den Boden hinab. Die Kettenbrecher näherten sich dem Loch, das sich langsam mit einer süßlich riechenden Flüssigkeit füllte.
»Säure«, warnte Thamior. Die Flüssigkeit erreichte den Rand des Loches und schwappte über. Es begann, Säure zu regnen. Alle Kettenbrecher sahen Dirim auffordernd an.
»Tyr, schirme uns ab vor diesem ätzenden Wetter«, frotzelte Dirim und beschwor einen Schutz um ihn und seine Freunde. Die Säure stieg jedoch immer weiter und weiter, bis der ganze Raum voll und die Kettenbrecher vollständig eingetaucht waren. Dann entstanden um sie herum flimmernde Kraftfelder, Luftblasen ähnelnd, und noch bevor sie sich darin orientieren konnten, schossen sie schon durch die Säure davon.
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Ihr Fahrt dauerte einige Minuten, in denen sie hin und her geschüttelt und nur durch die Luftblasen von stärkeren Verletzungen bewahrt wurden. Auch mussten die Kettenbrecher dadurch nicht die Luft anhalten oder Angst haben, dass Dirims Säureschutz endete. Allerdings gab es auch keinerlei Möglichkeit, ihren Aufenthaltsort zu bestimmen. Eine pulsierende Wand sah schließlich aus wie die nächste.
Dann wurden sie aus einer Wand gespült und schlugen hart auf dem Boden auf. Hier umgab sie keine Säure mehr, und während sie noch versuchten, auf die Beine zu kommen, zerplatzen die Schutzblasen um sie herum. Schwärze umgab sie. Dirim konzentrierte sich kurz, und sein Lichtauge explodierte in weißer Helligkeit. Die Kettenbrecher standen in einem großen Saal, der mindestens zehn Meter hoch war. Die allgegenwärtigen pulsierenden Wände waren durchzogen von kleinen Nischen, aus denen Gesichter aus Baumrinde auf sie herabsahen. Dies war Malgario. Dirim versuchte, das Saatkorn zu erspüren, aber vergebens.
Die Gesichter begannen zu sprechen.
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Zuerst war kein einziges Wort zu verstehen, weil hunderte von Stimmen durcheinander sprachen, aber dann kristallisierte sich aus dem Gemurmel und Gewirr eine Frage heraus: »Was wollt ihr?«
Jørgen erhob die Stimme: »Wir wollen die Käfigmacher töten.«
»Dann werden wir euch töten!«, kreischten Dutzende Stimmen, wenn sie auch unterschiedliche Worte benutzten, um diesen Sinn auszudrücken.
»Wer sagt uns, dass ihr die Wahrheit sprecht?«, kam ein ruhiges Flüstern hintendrein.
»Ich bin ein Paladin«, sagte Jørgen, »und mit mir sind Gesandte von Helm und Tyr. Die Käfigmacher sind unsere Erzfeinde, und wir haben bereits vier von ihnen besiegt. Daran zu zweifeln hieße, mein Wort als Paladin anzuzweifeln.«
Spoiler (Anzeigen)Malgario hatte 3 Identitäten. Bei jeder Identität mussten die Kettenbrecher über Diplomatie, Einschüchtern o.ä. 180 Punkte zusammen sammeln. Sie hatten 10 Proben insgesamt. Je nachdem, welche Fraktion sie ansprachen, gab es Boni oder Abzüge für bestimmte Argumente oder Verhaltensweisen. Sozusagen eine primitive Skill Challenge. Ich habe die Argumente mitgeschrieben. Dies war Argument Nummer 1
»Und wer sagt uns, dass ihr mächtig genug seid?«
»Wir stehen noch«, sagte Dirim trocken. »Wir wären nicht hier, wenn das nicht reichen würde.«
»Und ihr gebt nicht auf halbem Wege auf?«
»Aufgeben?« Jørgen wurde zornig. »Wir verteidigen unser Haus und Heim, und wir sind stark genug, sie zu töten. Aufgeben kommt nicht in Frage.«
»Warum wollt ihr sie töten?«, fragte die Flüsterstimme.
»Sie haben unsere Eltern getötet«, sagte Dirim.
Kurz war Stille, dann sagte die Flüsterstimme: »Wir sind zufrieden.«
»Wir sollten sie töten!«, kam wieder die Kakophonie ins Spiel, nur um von einer dröhnenden Stimme übertönt zu werden.
»Wenn wir euch zu den Käfigmachern lassen, wäret ihr bereit, euch auf einen Handel einzulassen?«
»Wir sind Söldner«, sagte Jørgen. »Ein Handel ist uns willkommen.«
»Und kann man euch trauen?«
»Wenn wir etwas versprechen«, intonierte Thamior, »halten uns nicht einmal Götter davon ab, das Versprechen zu halten.« Er hielt zum Beweis den Seelenbogen hoch.
»Die Käfigmacher halten uns versklavt«, dröhnte es. »Wir hassen das. Wenn wir euch vorlassen, gebt ihr uns dafür frei, wenn ihr gewonnen habt.«
»Uns geht es nur um die Käfigmacher«, sagte Thargad. »Also lasst uns schon durch.«
»Und gebt uns Boras wieder«, sagte Dirim.
»Der Barbar bleibt bei uns, als Faustpfand. Er wird gegen unsere Freiheit eingetauscht. Und nun geht, bevor wir uns doch dafür entscheiden, euch zu töten.«
Spoiler (Anzeigen)Nach diesem siebten Argument hatte die zweite Fraktion 160 Punkte, es war also klar, dass nicht alle überzeugt würden. Daher wurde hier abgebrochen. Mit zwei Fraktionen auf ihrer Seite wurden sie zu den Käfigmachern vorgelassen UND der Baum griff nicht in den Kampf ein. Hätten sie alle Fraktionen überzeugt, hätten Malgario ihnen geholfen.
Die Kettenbrecher sahen sich um. Es gab keinen Ausgang. »Gehen?«, fragte Dirim. »Wohin denn?«
Der Boden, auf dem sie standen, senkte sich plötzlich und über ihnen wuchs eine Decke. Dann ging es spürbar vorwärts und durch den Baum hindurch.
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Die Kammer bewegte sich geräuschvoll durch das Innere des Dämonenbaums. Es rumpelte ein wenig, aber die Unruhe dehnte sich nicht auf die Kettenbrecher aus. Sie standen ruhig und konzentriert. Sie waren bereit. Hofften sie.
Die flüsternde Stimme des Dämonenbaums erklang um sie herum. »Ihr seid gleich da. Sie werden euch hören.«
Schnell gingen sie letzte Schutzvorkehrungen durch. Dann hielt die Kammer mit einem Ruck an und die Seitenwand fiel in sich zusammen. Die Kettenbrecher fanden sich in einer augenförmigen Halle wieder und zwar dort, wo die Tränendrüse wäre. In der Mitte der Halle wuchsen wabernde Tentakel aus der Wand, aber dank ihrer Überredungskünste mussten die Kettenbrecher nicht fürchten, dass sich Malgario gegen sie wendete. Zwischen den Tentakeln flimmerte ein Kraftfeldkäfig, in dessen Mitte wiederum ein Podest stand, auf dem (mittig natürlich) ein melonengroßes Saatkorn lag. Dirim spürte sofort, dass es ihm gehorchen würde. Ganz am anderen Ende schließlich, vielleicht sechzig Schritt entfernt, warteten die Käfigmacher.
Dämonicus Grimm wirkte wie ein normaler Krieger, schwer gerüstet und mit einem Langschwert bewaffnet, wenn er nicht von schwarzen Flammen umgeben gewesen wäre. Er war hochgewachsen und schien den gesamten Raum durch seine reine Anwesenheit zu beherrschen. Zu seiner Rechten stand ein Hühne in einer roten Rüstung voller Stacheln und Klauen, und der geschlossene Helm wirkte wie ein Dämonenschädel. Sein gezacktes Langschwert zitterte leicht in der Luft. Dies war Finster, und auf der anderen Seite war Sonnentau, eine scheinbar ungerüstete Frau in einem engen Kleid, eine Schönheit, die allerdings durch die Grausamkeit entstellt wurde, die ihr im Gesicht stand.
Finster agierte als Erster. Er hob seine Klinge und stürmte vor. Sein Umhang flatterte wie die Flügel eines untoten Drachen, und sein Körper fing Feuer, als er auf Thamior zustürmte. Der Elf feuerte. Den ersten Pfeil parierte Finster mit dem Schwert, dann wurde er in der Schulter, am Knie und in der Brust getroffen, ohne langsamer zu werden. Finster holte aus und schwang sein Schwert in weitem Bogen. Thamior bog den Oberkörper zurück und entging dem Schlag nur um Haaresbreite, und bevor er wieder aufrecht stand, hatte Finster selbst eine abwartende Haltung eingenommen. Thamior spannte den Bogen und zielte. Finster knurrte unter dem geschlossenen Helm. Thamior drehte sich um und feuerte in die Halle hinein.
Finster stutzte. In diesem Moment wurde Thargad, der unsichtbar gewesen war, sichtbar. Zumindest der Teil von ihm, der nicht bis zum Anschlag in Finsters Hals steckte – also nicht seine Schwerter. Finster verkrampfte und Blut quoll aus dem Dämonenmaul seines Helms, dann brach er zusammen.
Spoiler (Anzeigen)Durchschnittsschaden 72w6. Außerdem mit Finster den tollen Sturmangriff mit Zusatzschaden und doppeltem Schaden usw. versaut. Argh! SEEEHR Gefährlicher Mann, das.
Währenddessen hatte Dirim sich in die Luft erhoben und war auf Dämonicus Grimm zugeflogen. Im Flug rief er mit einer Handbewegung das Saatkorn zu ihm, und es durchbrach spielend das Kraftfeld und landete in Dirims Hand. Er spürte, dass er Malgario begrenzt kontrollieren konnte – aber jeder Eingriff war kompliziert genug, um ihn nicht im Kampf nutzen zu wollen.
Dämonicus Grimm nickte Sonnentau zu, sich um Jørgen zu kümmern, dann flog auch er auf das Kraftfeld zu. Er sah Dirim nur an und sagte: »Brenne!«
Dirim krümmte sich. Er würgte, dann hustete er eine kleine Rauchwolke aus. Er sah Grimm an: »Entschuldige, ich hatte mich verschluckt.«
Grimm brüllte auf und ging in den Nahkampf. Sein Zweihänder spie Flammen, als er auf Dirim zukam.
Erneut währenddessen begann Sonnentau mit einem Zauber. Sie sah Jørgen gehässig an. Sie hob den Zeigefinger. Sie öffnete den Mund. Sie schrie vor Schmerzen, als Thamiors Pfeil sie durch ihre Spiegelbilder hindurch in der rechten Schulter traf. Sonnentau taumelte, aber sie fiel nicht.
Dirim drehte sich von Dämonicus Grimm weg, wie sich Thamior von Finster weggedreht hatte, und wies seinerseits mit dem Finger auf Sonnentau: »Betäubung!« Sonnentau erstarrte. Dirim brachte gerade noch rechtzeitig den Schild hoch, um Grimms Schlag zu parieren und wurde von der Kraft dahinter fast von dem Kraftfeldkäfig gedrängt. Grimm musste stärker sein als Boras, und der war nichtmal da. Trotzdem hatten sie ihr erstes Ziel fast erreicht, nämlich Grimm zu isolieren. Fehlte nur noch…
Jørgen war bis auf ein paar Schritt an Sonnentau heran, aber die Magierin hatte immer noch Spiegelbilder um sich und wahrscheinlich noch weitere Schutzzauber. Sein Schwert war außerdem für jemand anderen gedacht. Mit einem starken Nicken ließ er den Drachenhelm von Treorks Bollwerk zuschnappen. Sofort spürte er, wie sich elektrische Energie sammelte und seine Haare aufstellten. Es genügte ein kurzer Gedanke, und die Energie entlud sich in einem Blitzstrahl aus dem geöffneten Maul des Helms heraus. Der Strahl traf Sonnentau mitten auf der Brust und schleuderte sie nach hinten gegen die Wand. Es gab ein knackendes Geräusch, dann sackte die Magierin tot zu Boden. Jørgen drehte sich von ihr ab und marschierte auf sein wahres Ziel zu: Dämonicus Grimm.
Mittlerweile war Thargad am Kraftfeldkäfig angekommen. Mit zwei schnellen Schritten war er oben und stand hinter Grimm. Er fackelte nicht lange. Noch bevor er richtig stand, stach er Todeshauch in Grimms Kniekehle und Funke in seine Hüfte. Er zog die Schwerter zum nächsten Schlag wieder heraus, und Grimm fuhr blitzschnell herum. Thargads Stich ging direkt auf sein Herz, aber der Anführer der Käfigmacher fing den Schlag mit seiner Handfläche ab. Todeshauch durchbohrte die Hand, ohne dass Grimm Reaktionen zeigte. Ebenso ignorierte er Funkes zweiten Stich, obwohl Thargad sehen konnte, dass er stark blutete. Thargad zog die Waffen wieder heraus, und Grimm packte ihn mit der Hand an der Kehle, in der Todeshauch gesteckt hatte. Er hob ihn hoch und sah ihn verächtlich an. Dann schleuderte er ihn von dem Podest.
Währenddessen feuerte Thamior Pfeil um Pfeil auf den Käfigmacher, aber die Geschosse glitten alle von seiner Rüstung ab, ohne einen Kratzer zu hinterlassen, und Anna war zu müde, um noch einmal das Seelenfeuer zu entzünden.
Dämonicus Grimm wandte sich wieder Dirim zu. Die ganze Aktion war so schnell gegangen, dass der Zwerg kaum hatte reagieren können. Jetzt machte er einen Ausfallschritt, um die schweren Wunden, die Grimm davongetragen hatte, auszunutzen und selbst einen Treffer zu erzielen. Grimm war jedoch nicht langsamer geworden. Sobald Dirim aus der Deckung kam, trat Grimm ihm vors Knie, dass es hörbar brach. Dann griff er den Schwertarm des Zwergs und mit einem Ruck brach er auch diesen. Dirim grunzte, aber er schrie nicht. Grimm hielt den gebrochenen Arm fest und hob mit der anderen Hand den Zweihänder, um Dirim den Kopf abzuschlagen. Dirim sah Grimm fest in die Augen. Es war ein guter Tag zum Sterben.
Das Schwert fuhr nieder. Im letzten Moment – Dirim spürte schon die Klinge am Hals – wurde der Schlag abgefangen. Jørgen war noch nicht richtig auf der Plattform, hatte aber dennoch blocken können. Mit aus Dankbarkeit und Zwergenstursinn getriebener Kraft stieß Dirim Grimm den Kopf in den Magen. Dämonicus Grimm machte zwei Schritte nach hinten und gab damit Jørgen die Zeit, um auf das Podest zu kommen.
Jørgen hob Läuterung. Die Klinge zischte fast, so hell leuchtete sie. »Sie sind alle tot«, sagte er. »Dein Plan ist vereitelt. Du hast verloren. Du bist besiegt. Und ehrlich: ich bin nicht beeindruckt.«
Grimm fasste den Zweihänder mit beiden Händen. Die schwarzen Flammen um ihn herum wurden noch schwärzer. »Ich werde dein Herz fressen, Paladin.«
Jørgen breitete die Arme aus. »Komm und hol es dir.«
Dämonicus Grimm brüllte. Er schwang den Zweihänder. Jørgen blockte mit seinem Schild und drängte die Waffe zur Seite, dann machte er zwei Schritte vor und trieb Läuterung bis zum Heft in Grimms Brust hinein. Grimms Augen weiteten sich, dann grinste er ein blutiges Lächeln.
-
Die Explosion warf Dirim vom Podest und hätte ihn fast verbrannt. Thargad rollte sich aus dem Weg und sah aus den Augenwinkeln, wie ein schwärzliches Geschoss durch die Luft flog und in Thamiors Nähe gegen die Wand klatschte. Für einen Moment war nur Tosen und schwarze Hitze.
Die Kettenbrecher rappelten sich auf. Dirim humpelte, Thargad hielt einen Arm mit dem anderen. Die Leiche von Dämonicus Grimm war zu Asche geworden und seine Besitztümer mit ihm. Thamior stand über dem schwarzen Klumpen, der gegen die Wand geschleudert worden war. Es war Jørgen. Seine Leiche war schwarz verbrannt, aber seine Rüstung war intakt. Sein Schwert lag noch in seiner Hand. Auf seinem Gesicht lag ein Lächeln.
Es war ein guter Tag zum Sterben gewesen.
(to be concluded)
Ihr seid so nett – na dann lests halt!
Epilog
Thamior holte den Heilstab heraus und ging sofort zu Dirim herüber. Der fasste sein heiliges Symbol und schickte eine Nachricht an Pellir in Redgorge: Cauldron ist wieder sicher. Nur noch Aufräumarbeiten zu erledigen.
»Gib uns das Korn!«, riefen die Stimmen Malgarios.
»Erst den Barbaren«, sagte Dirim bestimmt.
»Verrat!«, dröhnte es.
»Tötet sie«, kakophonierte es.
»Rache!«, zischte es.
»Ich habe das Korn«, sagte Dirim. Er biss die Zähne zusammen, als Thamior sein gebrochenes Knie heilte. »Du kannst mir nichts tun. Ich beherrsche dich, also gib mir meinen Gefährten, oder du wirst nie frei sein.«
Während er redete, konzentrierte Dirim sich auf das Saatkorn. Er spürte, dass er damit einerseits die Verteidigung des Baumes kontrollieren konnte (und davor gefeit war, selbst angegriffen zu werden). Außerdem konnte er Malgario befehlen, in welche Ebene er seine Tore öffnen sollte – die Käfigmacher hatten vorgehabt, so nach Carceri zu gelangen und Adimarchus nach Cauldron zu holen. Das hatten die Kettenbrecher in der Vision gesehen, und das hatten sie nun endgültig vereitelt. Dirim überlegte: sollte er das Saatkorn nach Occipitus bringen? Oder konnte er es irgendwie zerstören? Vortimax Weer hatte gesagt, Malgario sei nicht zu besiegen. Aber so was sagt man immer nur, bis die betreffende Kreatur einmal besiegt wurde.
Der Boden zitterte leicht, und Dirim hob drohend das Saatkorn. Dann wuchs Boras aus der Erde. Er fiel keuchend auf die Knie – es sah nicht so aus, als habe er viel Luft zum Atmen gehabt –, aber er war unverletzt.
»Da ist er. Jetzt gib uns das Korn.«
»Moment noch«, sagte Dirim. Ihm kam eine Idee. »Erst gehen wir meinen Boss besuchen. Öffne deine Tore!«
»Freiheit!«, brüllten die Stimmen.
»Öffne deine Tore!«, verlangte Dirim erneut. Es war kurz still.
»Wohin?«, kam die Frage.
Dirim lächelte. »Den Berg Olympus auf der Ebene Celestia.«
-
Malgario war ein Geschöpf finsterster Bosheit, und solche Geschöpfe sind auf der Ebene Celestia nicht willkommen. Aber Malgario war noch mehr als ein Geschöpf, er war auch ein Artefakt des Bösen, und ein Ort des Bösen noch dazu. All das führte dazu, dass, als er Dirims Befehl gehorchen musste und gewaltsam Tore auf die Ebene öffnete, sich sogleich die Aufmerksamkeit der Götter und ihrer Diener auf das Geschehen richtete. Sie waren nicht erfreut.
-
Dirim fühlte, wie die Tore sich öffneten. Er fragte sich, ob nun Engel in den Baum eindringen würden oder nach Cauldron kämen. Und er fragte sich, ob das Saatkorn die ganze Zeit so warm gewesen war. Während er sich das noch fragte, kreischte Malgario vielstimmig. Das Saatkorn entflammte in weißem Feuer und verpuffte zu Staub. Der Boden erbebte. An unzähligen Stellen um sie herum fing der Baum Feuer und brannte gleißend hell.
Plötzlich neigte sich der Boden zur Seite. Die Kettenbrecher mussten sich festhalten, um nicht abwärts zu stürzen. Kurz darauf ruckte es, und sie rutschten langsam herunter auf den neuen Boden, der vorher Wand gewesen war. Jetzt begann Dirims linkes Auge so hell zu leuchten, dass es sich durch den Baum fraß.
»Folgt mir«, rief Dirim sofort. »Ich bringe uns hier raus!«
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Die Kettenbrecher standen in gebührendem Abstand und sahen zu, wie Malgario verbrannte. Die heiligen Flammen Celestias waren unaufhaltsam, aber der Baum war so groß, dass ihr Werk dennoch Minuten dauerte. Dann erzitterte der Baum plötzlich so stark, dass in Teilen von Cauldron der Boden aufriss. Riesige Äste stürzten ins Wasser. Malgario neigte sich, erst langsam, dann schneller, was dank seiner Größe immer noch majestätisch wirkte. Der Baum stürzte fast genau nach Süden, und das erste, was er im Fallen umriss, war das Auge Azuths. Der Tempel zerplatzte unter dem Gewicht des Baumes und Dirim stieß ein kurzes Kichern der Genugtuung aus. Dann donnerte Malgario zu Boden. Der Boden erzitterte, dann bebte er, und schließlich sackte er weg. Das Erdbeben, die Lavaausbrüche und jetzt der Sturz des Riesenbaumes waren zu viel für den Kessel. Die Stadtmauer brach ein und das ganze Südviertel fiel in sich zusammen, taumelte die steilen Kraterwände herunter und wurde dann, als sich das Wasser des Sees seinen Weg bahnte, auch hinuntergespült. Schließlich schwemmte es auch die Überreste Malgarios herunter, der immer noch weiter verbrannte, und hinterließ ein fast vollständig zerstörtes und geflutetes Stadtviertel. Der Lathandertempel allerdings stand noch, stolz und einsam auf einer kleinen Insel. Die Hoffnung lebte noch in Cauldron, die Käfigmacher waren besiegt, die Ketten waren gesprengt. Zeit für einen Neuanfang.
»Aber erst«, sagte Thamior als Antwort auf diese von Dirim ausgesprochenen Gedanken, »schlafen.«
Und wenn sogar Elfen müde sind, sollte man nicht widersprechen. Außerdem hatten sich die Kettenbrecher diese Ruhe wahrlich verdient.
Spoiler (Anzeigen)Cauldron vorher und nachher:
(http://www.p-pricken.de/pics/sik/cauldronprepost1.jpg)
oder auch so:
(http://www.p-pricken.de/pics/sik/cauldronprepost2.jpg)
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Als Dirim in den Schankraum kam, erzählte Pellir gerade eine Geschichte. Branda war die einzige, die sein Kommen bemerkte und drehte sich zu ihm herum.
»Wo warst du denn so lange?«, fragte sie ihn.
Dirim zuckte mit den Schultern. Dann rammte er seiner Mutter die Hand in die Brust und riss ihr das noch schlagende Herz heraus. Dirim lachte, als die anderen Schätze Tethyrs um den Tisch herum in Flammen aufgingen. Dann biss er in das Herz wie in einen Apfel.
Als er erwachte, hatte Dirim den metallischen Geschmack von Blut im Mund. Auch seine Hände waren blutig – aber es war sein eigenes Blut. So fest hatte er sich die Fingernägel in die Handflächen gepresst, dass er blutete.
Eine Stimme war in seinem Kopf. Sie war kalt und berechnend und zornig zugleich. Sie war so laut, dass er zu Boden ging. Sie sagte nur ein Wort.
»Bald…«
ENDE
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aber die Kettenbrecher werden zurückkehren
in
Stadt in Ketten XI: ASYL