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Workshop => Story Hour => Thema gestartet von: Mhyr am 22. Oktober 2012, 20:57:17

Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 22. Oktober 2012, 20:57:17
Wie man der Beschreibung des Themas entnehmen kann, spielen wir den zweiten deutschsprachigen Pathfinder-Abenteuerpfad aus dem Hause Ulisses. Die einzelnen Beiträge sind ursprünglich auf unserem Blog Tintenteufel (http://tintenteufel.wordpress.com/) erschienen, jedoch habe ich einst wegen dem Story Hour-Bereich des Gates überhaupt erst angefangen unsere Spielsitzungen ausführlicher aufzuarbeiten und lese noch immer sehr gern bei verschiedenen anderen Story Hours mit. So möchte ich auch wieder hier die Eskapaden meiner Spieler schildern!

Kommentare und Verbesserungsvorschläge sind ausgesprochen erwünscht!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 22. Oktober 2012, 20:59:04
3. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro

Auf dem Ruheland, Ravengros Friedhof und Ort der Trauer, wurde ich heute Zeuge einer ungewöhnlichen Begegnung:

Es war am frühen Nachmittag als eine Trauergemeinde den schwarzen Sarg eines weiteren Toten durch den Regen trug. Auf dem Traumhain stellte sich der düsteren Prozession eine Gruppe übelgelaunter Dorfbewohner in den Weg. Die zornigen Männer wollten den Leichnam nicht in der Erde des Ruhelandes, wie sie immer wieder lauthals betonten. Die Worte “Nekromant” und “Totenbeschwörer” fielen. Angeführt wurde der keifende Mob von einem Tunichtgut namens Gibbs Hefenuss, wenn ich es richtig verstanden habe.

Obwohl die Störenfriede mit Hacken und Forken bewaffnet waren, antwortete ihnen eine der tränenüberströmten Sargträgerinnen mit Mut und Entschlossenheit. Sie überzeugte die Männer vom Wahnsinn ihres Tuns, woraufhin sich der Mob zerstreute und Gibbs allein im Regen stehen blieb. Rot gefärbt von Wut, zeigte er mit ausgestrecktem Finger auf die beherzte Sprecherin und spie ihr etwas entgegen das ich nicht verstehen konnte, bevor er mit eingezogenem Schwanz seinen Spießgesellen folgte.

Es tut sehr gut zu sehen, dass Worte doch mächtiger sein können als das Schwert.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 29. Oktober 2012, 09:47:07
4. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro


Das Dorf war in hellster Aufregung an diesem Morgen. Die Ravengroer strömten förmlich nach Süden, den Fluss entlang. Das Schreckenfelsdenkmal war in der vergangenen Nacht mit Blut beschmiert worden. Jeder hatte Angst, aber keiner wollte sich von der Gerüchteküche in Form des steinernen Direktors Falkran fernhalten. Noch hatte der Konstabler keine Leiche gefunden, doch fragte natürlich nicht nur ich mich woher das ganze Blut wohl stammen mochte.


Lang nach dem Höhepunkt der Aufregung erreichte eine Gruppe das geschändete Denkmal, die sich deutlich von den Dorfbewohnern unterschied. Es handelte sich um die Erben Professor Lorrimors: seine Tochter Kendra und die vier Unbekannten vom Friedhof mit einem neuen, ebenso unbekannten Gesicht. Der Konstabler rief sie auf den blutbesudelten Platz vor dem Denkmal. Er blickte ihnen tief in die Augen und befragte sie. Bevor er sie entließ, schien er sie eindringlich zu ermahnen.

Ein varisisches Paar stimmte am Nachrichtenpfahl vor der Brücke zum Dorf ein trauriges Lied an. Die Tänzerin schlug das Tamburin, während ihre langsamen runden Bewegungen von einer Fidel begleitet wurden. Plötzlich surrten zwei rotbraune Blutmücken auf die Traube von Menschen zu, die sich um die beiden herum gebildet hatte. Die unbekannte Fünfte, eine groß gewachsene blasse Frau mit hellem kurzem Haar schlängelte sich durch die Zuhörer und Musiker in die Flugbahn der durstigen Biester. Sie riss ihren schmalen Mund auf und entblößte einen dunklen kreisrunden Schlund gespickt mit mehreren Reihen spitzer Zähne. Im Sprung flatterten die weiten Ärmel ihrer Reiserobe zurück, während ihre krallenbewehrten Hände hervorschnellten. Blitzschnell hatte sie die beiden Blutmücken in der Luft zerrissen.

Die Menge war erschrocken und erleichtert zugleich, so machten sich die Ravengroer verstört tuschelnd davon.

*      *      *      *      *

Ich war bereits seit geraumer Zeit in den Lachenden Dämon zurückgekehrt, da durfte ich mit Freude feststellen, dass zwei der Erben in die Taverne gekommen waren um Ermittlungen anzustellen. Es handelte sich um den kleinsten der fünf Unbekannten, einen Gnom der sich und seine Begleiterin, das unscheinbare Ding mit dem Gebiss eines Purpurwurms, beim Wirt als Bestimotor von Simelwiz und Pami vorgestellt hatte. Sie sagte keine Wort. Er schrie andauernd nach Zuckerrüben.

Zokar Elkarid unterhielt sich etwas mit dem Gnom, bis sich dieser im wahrsten Sinne des Wortes unter das Volk mischte.

Am späten Nachmittag betraten auch die übrigen Erben Professor Lorrimors den Schankraum. Die Musik hörte auf zu spielen und die Tischgespräche wandelten sich zu einem leisen Geflüster oder verstummten vollkommen. Sichtlich betroffen begrüßten die drei Damen ihre Bekannten und setzten sich zu einem Glas Flüssige Geister.

Auch sie versuchten ihr Glück bei der Befragung der Dorfbewohner, doch die blieben stumm wie die Fische des Großen Blauen Flecks. So nannten die Ravengroer den Liassee, was ich aber erst lang nach meiner Ankunft erfuhr.

Ihr Misserfolg bei den Ermittlungen war nicht von Bedeutung. Die Leute hier brauchen Zeit um aufzutauen, wie das finstere Land in dem sie leben nach den langen Wintern. Mir war es damals nicht anders ergangen. Alles was für mich zählte war ihr Wille gutes zu tun und Ravengro vor dem Bösen zu bewahren, das sich mit dem Blut am Schreckenfelsdenkmal angekündigt hatte.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 05. November 2012, 18:45:29
5. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro


Nur einen Tag darauf betrat ein Reisender den Schankraum des Lachenden Dämons. Er war kein Kaufmann, das verrieten mir das Schwert an seiner Hüfte und der Bogen über seiner Schulter.


Zokar Elkarid stellte sich dem Neuankömmling mit viel Witz und seinem rustikalen Charme vor, bevor er den jungen Mann mit Speis und Trank versorgte. Der Reisende trug den vielversprechenden Namen Antonius Iacobus Santorio, der einfach nicht zu seinem schlichten Äußeren passen wollte, das überwiegend von hoffnungslos abgetragenem Leder und Schlamm, viel Schlamm geprägt war. Santorio musterte den gefüllten Schankraum und die anderen Gäste genau. Dem Wirt schien er kaum Beachtung zu schenken.

Dann fielen die Worte "Geist" und "Schreckenfels". Der junge Mann war plötzlich ganz Ohr. Sogleich versuchte er mehr von Zoki zu erfahren. Unser Herr Wirt spielte jedoch ganz den Geheimnisvollen. Er hatte wie immer sein breites Grinsen im Gesicht, während seine roten Backen im orangen Licht des prasselnden Kaminfeuers schimmerten. Zokar Elkarid erschien mir in diesem Augenblick, da er Santorio zum Hause Lorrimor schickte, wie Cayden Cailean höchst persönlich. Ein Kuppler der die Richtigen zusammenbringt um dem Bösen die Stirn zu bieten. Denn er wusste schließlich ganz genau, dass die Erben des toten Professors bald Arbeit für die Waffen an Santorios Seite auftreiben würden.

Die Wahrscheinlichkeit tatsächlich einem Gott zu begegnen mag gering sein, doch es war ein angenehmer Gedanke. Ich beschloss dem einsamen Wanderer mit dem außergewöhnlichen Namen in jedem Fall zu folgen.

*     *     *     *     *

Haus Lorrimor lag am Ende der Straße. Während Santorio noch rätselte in welchem Gebäude er nun mehr über Schreckenfels und seine Geister erfahren konnte, beschloss ich in den Schatten vorauszuhuschen und mich in das Haus des toten Professors zu stehlen.

Die Erben hatten sich im Teezimmer versammelt und begutachteten einen Gegenstand der mir nur allzu vertraut war: ein Geisterbrett. Wenig später traf auch schon Santorio ein.

Man tauschte Höflichkeiten aus und tat der Form genüge, jedoch ohne dabei die Obacht und das gegenseitige Misstrauen gänzlich fallen zu lassen. Als die Erben das heilige  Symbol Iomedaes am Schwertknauf Santorios erkannten, baten sie den Reisenden zu einer Tasse Tee ins Haus und entspannten sich.

Neben dem Gnom in der blaugelben Tunika und der blaßen Dame mit den scharfen Krallen, stellte sich eine unförmige Variserin als Stralicia Mancini vor. Sie trug zahlreiche Fläschchen und Beutel an ihrer Lederschürze, was in mir den Verdacht erweckte, daß es sich bei ihr um eine ehemalige Kollegin des Professors handeln musste. Die blonde Frau an Kendra Lorrimors Seite war ungewöhnlich gut gebräunt für diese kalte Jahreszeit. Sie schien eigens für das Begräbnis – oder die Testamentsverkündung – aus der Sommerfrische im fernen Süden angereist zu sein und stellte sich mit Runa Corvijn vor. Zu guter Letzt nannte eine unscheinbare junge Frau mit schwarzem Haar ihren Namen: “Tira Krähenfuß”. Auf ihrer Schulter saß ein ebenso schwarzer Rabe der Santorio mit einem befremdlichen Krächzen willkommen hieß.

Der einsame Wanderer war seiner Aussage nach in Ravengro um mehr über die finsteren Machenschaften einer Geheimgesellschaft zu erfahren. Er nannte sie den Wispernden Pfad und beschrieb sie als Zusammenschluss von Nekromanten, Totenbeschwörern und der Brut Urgathoas.

Die Erben schenkten den Behauptungen Santorios Glauben und verrieten ihm von den Ergebnissen ihrer Ermittlungen. In den Archiven des Pharasmatempels hatten sie die Namen fünf berüchtigter Verbrecher, die zur Zeit des großen Feuers in Schreckenfels eingesessen hatten erfahren: Vater Scharlatan, der Kopfjäger, der Moorwassermörder, der Mückenfänger von Argmoor und der Zermatscher. Aber auch über das geschändete Denkmal hatten sie mehr herausgefunden. Drei bemerkenswerte Vornamen, der des Ratsherren Vaschian Feuerroß, der des Hohepriesters Vauran Grimmgräber und der der toten Frau des Gefängnisdirektors Vesorianna Falkran begannen alle mit diesem einen Buchstaben. Mit einem V, das mit Blut an das Denkmal geschmiert worden war. Sie vertrauten dem Reisenden sogar an, dass sie das Geisterbrett zusammen mit anderen uralten Waffen zur Geisterbekämpfung aus einer falschen Gruft auf dem Ruheland “geborgen” hatten.

Die Tochter des Professors zog sich in die Küche zurück um einen kleinen Imbiss zuzubereiten.

Es klopfte erneut an der Tür. Jedoch war es kein gewöhnliches Klopfen, sondern dumpfe Schläge in einem unsteten holprigen Rhythmus. Drei der Erben schlüpften auf den Korridor hinaus. Es handelte sich um den Gnom Bestimotor, die stumme Pami und Stralicia.

Die Lautstärke nahm mit jedem Schlag weiter zu, bis die Erschütterungen an der Eingangstür die Teetassen auf dem zierlichen Beistelltischchen neben Santorio scheppernd tanzen ließen. Dann beendete plötzlich der schrille Aufschrei Bestimotors den Lärm.

Ich konnte durch die Tür einen Mann im weißen Totenhemd der Kirche Pharasmas sehen. Sein Oberkörper und Schädel waren vollständig zertrümmert und nicht viel mehr als eine dunkle Masse. Durch das blasse, kränklich marmorierte Fleisch des ungebetenen Gastes krochen bereits dicke, gelbe Maden. Dennoch stand der tote Körper, kalt und steif auf der Veranda von Haus Lorrimor, erfüllt von negativer Energie die ihn zu seinem unnatürlichen Leben verhalf. Ausdruckslos starrten seine Augen über den Gnom hinweg. Es war ein Zombie. Ein Untoter.

Alles ging schrecklich schnell: Stralicia sprang die Treppe hinauf, während Santorio ihr mit seinem Bogen Feuerdeckung gab. Bestimotor flitzte zwischen den anderen Erben Lorrimors hindurch und flüchtete sich ins Teezimmer zurück. Der kleine Mann war blutüberströmt. Der Zombie reagierte währenddessen nicht auf die Pfeile, die in seiner Brust steckten. Er schlug weiter auf Pami ein, obwohl die Knochen seines rechten Arms beim letzten Schlag gegen den Kopf der blassen Kriegerin krachend zerbrochen waren.

Dann meldete sich die Dame mit dem schneeweißem Haar zu Wort. Und es waren finstere Worte, die klangen als entsprangen sie dem geifernden Maul eines Dämons. Zu der Furcht vor dem Untoten mischte sich der Schreck ob dieser dunklen Sprache aus dem Munde der lieblichen Runa. Erst die fauchende Explosion eines Alchemistenfeuers auf der Brust des Zombies löste die eisige Umklammerung der Angst und beendete den erbitterten Kampf.

Ich nutzte die letzten Momente der Aufregung um unbemerkt in der Nacht zu verschwinden und in den Lachenden Dämon zurückzukehren.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 12. November 2012, 08:11:51
6. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro


Es war einer dieser nebeligen Nachmittage, wie es sie in Ustalav viel zu oft gab. Der Lachende Dämon war nicht gut, aber auch nicht schlecht besucht. Bauern und ihre Knechte tranken flüssige Geister im Schein des wärmenden Kaminfeuers. Sie tauschten Neuigkeiten und Gerüchte aus, bis auf der Straße Worte in einer so finsteren Sprache erklangen, dass es ihnen die eigene verschlug. Abyssisch! Dort vor der Tür wurde die Sprache der Dämone gesprochen.

Ich war weniger überrascht als die anderen Gäste, denn ich hatte in Ravengro bereits zuvor Abyssisch vernommen. Es war in jener Nacht als ich Iacobus Antonius Santorio von der Taverne ins Hause Lorrimor gefolgt war. Die junge Dame mit dem schneeweißen Haar hatte damals in der schwarzen Zunge der Scheusale gesprochen. Im Kampf mit dem Zombie war ihre glockenhelle Stimme plötzlich zu einem abgrundtiefen, widerlichen Organ umgeschlagen.
In jener Nacht hielt auch mich, wie nun die Gäste des Lachenden Dämons, der kalte Griff der Furcht gefangen. An diesem Abend jedoch vermochte ich mich loszureißen und eilte auf die Straße hinaus.

Am Flussufer, im Schatten der Taverne, bekämpften Runa Corvijn, Tira Krähenfuß und Stralicia Mancini einen weiteren wandelnden Toten. Der Zombie schlug erbarmungslos auf die drei Frauen ein. Nur mit Mühe und Not bezwangen die Erbinnen Lorrimors den Untoten, der sie mehr als ein Mal auf den schlammigen Boden der Gasse geprügelt hatte. Wieder waren es die finsteren Worte Runas gewesen, die das sengende Licht der Sonne herabbeschworen hatten. Die feurigen, goldenen Strahlen brannten sich durch das gräulich marmorierte Fleisch des Zombies, während ich den Blick von der gleißend hell erstrahlenden Brust der Erbin abwandte. Aus dem Augenwinkel sah ich den Untoten qualmend wie eine erloschene Fackel in den Schlamm fallen, bevor ich zurück in die Taverne flüchtete.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 19. November 2012, 18:26:05
9. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro


Das Frühstück hatte gerade erst begonnen als Pevrin Elkarid, der Sohn des Wirts, in den Schankraum des Lachenden Dämons stürmte. Vor Schreck ließen die wenigen Gäste der Taverne ihr Besteck fallen, so dass nicht nur die schwingenden Flügeltüren hinter dem Bärenfell schepperten, sondern auch Messer, Löffel und Gabeln. Der junge Bursche stotterte etwas von “Blut” und “Denkmal” zwischen seinen halbherzigen Versuchen wieder zu Atem zu kommen. Dann sprang er schon wieder auf die Straße hinaus.


Wie die anderen Gäste der Taverne, war auch ich Pevrins Beispiel gefolgt. Nein, dem Anschein nach war es ganz Ravengro! Denn ganz gleich ob Bauer, Handwerker oder Kaufmann, alle strömten sie unruhig wie hungrige Krähen nach Süden. Sie bewegten sich zielsicher in Richtung Schreckenfelsdenkmal.

*     *     *     *     *

Wieder war die Statue des ehemaligen Gefängnisdirektors mit Blut beschmiert worden. Wieder war keine Leiche gefunden worden, noch wurde einer der Dorfbewohner vermisst. Dieses Mal standen da die Buchstaben V und E in Blut geschrieben. Konstabler Keller unterhielt sich mit zwei Frauen, als ich das Denkmal erreicht hatte. Es waren Runa Corvijn und Stralicia Mancini. Kurze Zeit später mischte sich auch der Gnom mit dem bleichen Schatten der auf den Namen Pami hörte ein.

Dann brachen die Erben Lorrimors auf. Und ich folgte ihnen. Es war mit Bestimmtheit aufregender diesem Quartett zu folgen, als den uninspirierten Mutmaßungen der Dorfbewohner zu lauschen. Sie suchten die Offene Schriftrolle auf, einen Zauberladen und Schulhaus für die arkanen Künste aus. Ich wartete vor der Tür. Auf dem Weg zurück zum Dorfplatz sprachen die Erben über ihren Besuch der Gefängnisruine Schreckenfels. Sie sprachen von Wandelnden Toten gehüllt in geisterhafte grünliche Flammen, von wehklagenden gespenstischen Gefangenen und von einem Gebäude das verschlossen bleiben wollte.

Ich hatte mich ganz auf das Verfolgen des Gesprächs konzentriert, so erkannte ich nicht gleich, dass wir Ravengro verlassen hatten und bereits erneut dem Pfad auf den Hügel hinauf zu der Ruine folgten. Schreckenfels war ein trostloser Ort. Ein Haufen Rost, Schutt und Unkraut. Die Erben waren offensichtlich auf der Suche nach einem Zugang zu dem ausgebrannten Gefängnis.

Um den Haupteingang machten sie einen verdächtigen Bogen. So versuchten sie es zunächst auf dem ehemaligen Schafott. Eine schwarze Sense erschien und griff die Erben an. Es war kein Schauermärchen! Der Henker wachte tatsächlich noch über die Hinrichtungsstätte. Runa beschwor mit den dunklen Worten der Dämone das heilige Licht der Sonne auf die Sense herab, während Pami nach den skelettierten Armen trat, die die finstere Waffe führten. Eine Bombe der Variserin zersprengte die Henkerssense schließlich, deren Überreste sich zu schwarzem Schleim auflösten und blasenwerfend zerflossen.

Der Gnom hatte nach der Aufregung des Kampfes eine Tür entdeckt, doch auch mit vereinten Kräften gelang es den Erben nicht sie zu öffnen. Bestimotor von Simmelwitz befahl seiner stummen Begleiterin Pami das baufällige Dach zu erklimmen. Morsche Holzbalken ragten zwischen den Schindeln heraus, wie blanke Knochen aus dem zerfetzten Brustkorb eines riesigen Ungeheuers. Ohne sich zu beschweren kletterte die bleiche Kriegerin hinauf. Oben angekommen warf sie den Erben ein Seilende hinunter und zog einen nach dem anderen hinauf.

Neugierig folgte ich den Abenteurern. Über einen schmalen Austritt gelangten sie zu einem Türmchen. Da schoss eine fette, rotschwarze Blutmücke aus dem Schatten der Warte. Mit wenigen gut gezielten Tritten schickte Pami das Biest auf die ruinierten Holzschindeln des Daches. Der kleine Turm hielt allerdings nur Schutt und nicht den gesuchten Zugang bereit. So stiegen die Erben wieder in den Gefängnishof hinab und umrundeten das Haupthaus.

Im Osten von Schreckenfels hatte sich ein dunkler Teich gebildet. Aus dem verdreckten Wasser ragten ruß geschwärzte Mauern, während darüber dichte Efeuranken die gähnenden Löcher in der Ostwand des Hauptgebäudes verdeckten. Die Erben beschlossen an der Pflanze ins Innere zu klettern. Wieder schickte von Simmelwitz seine stumme Dienerin voran. Als Pami die Ranken erreicht hatte, öffneten sich blutrote Knospen und spuckten eine purpurfarbene Wolke. Die geöffneten Blütenblätter zeigten schwarzweiße Muster, die an bleiche Totenschädel mit leeren Augenhöhlen erinnerten. Wie ich meine Faszination für die ungewöhnliche, heimtückische Pflanze überwunden hatte, waren die Abenteurer geflohen. Von Pami fehlte jede Spur und die drei Erben spurteten auf das Tor zu.

Ich hatte noch nicht zu ihnen aufgeschlossen, da machten sie schon wieder kehrt und kamen zurück. Tira Krähenfuß, das Kellidenblut, und Iacobus Antonius Santorio, der einsame Wandersmann, waren bei ihnen. Und auch Pami schlüpfte wenig später durch das Tor. Ich war verwirrt. Wie die Zauberkundige und der Glaubensmann ihren Weg nach Schreckenfels gefunden hatten konnte ich mir erklären, doch nicht wie die bleiche Begleiterin des Gnoms hinter die Mauer gekommen war.

Um nicht entdeckt zu werden huschte ich schnell in das verfallene Herrenhaus vor dem Hauptgebäude.

Unbemerkt beobachtete ich wie die Erben mit neuem Mut noch ein Mal versuchten über die Tür neben dem alten Schafott in das Haupthaus zu gelangen. Wieder machte ich mich heimlich an ihre Verfolgung. Der Gnom befahl seiner Dienerin so lang auf das eisenverstärkte Holz einzuschlagen, bis die Tür nachgab und in ihre Einzelteile zerfiel.

Die Abenteurer erreichten einen Korridor an dem sich Zelle um Zelle aufreihte. Zwischen den Gitterstäben hingen die skelettierten Überreste der elend verreckten Gefangenen. Ihre Knochen waren vom Feuer schwarz und vom späteren Pilzbefall grün gefärbt.

Aus den Schatten schälte sich plötzlich eine Gestalt in der zerrissenen Kutte der Häftlinge von Schreckenfels. Die Erben schienen ihre Anwesenheit nicht wahrgenommen zu haben, denn als sie langsam eine silberne Flöte zum Munde führte und begann ein uraltes Trauerlied zu spielen, zuckten sie nur furcht erfüllt zusammen. Zu den Flötentönen mischte sich das Geräusch lederner Schwingen in der abgestandenen Luft der Ruine und das Klappern eingesperrten Gerippe, die zu unheiligem Leben erwachten.

Gittertüren wurden aufgestoßen und die Untoten wandelten auf den Korridor hinaus. Beherzt stellte sich ihnen Runa in den Weg. Sie sprach Gebete zu ihrer Göttin Sarenrae in blasphemischem Abyssisch und aus ihrer Brust brachen goldene Sonnenstrahlen heraus. Das heilige Licht brannte sich durch die kreischenden Skelette, während der schaurige Flötenspieler nur einen einzigen Ton verfehlte. Ich wendete den Blick ab.

Unablässig brüllte die zarte Runa mit dunkler Kehle gegen die mut raubende Melodie der verhüllten Gestalt an und kanalisierte die positive Energie der Morgenblume. Völlig hilflos eilte ich den Gang hinunter auf das Schafott hinaus. Ich konnte da drin nichts für die Streiter Ravengros tun.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 27. November 2012, 08:15:48
10. Rova, 4711 AK
Pfalzgrafschaft Kanterwall, Ravengro


Der Morgen war grau. Vor meinem Fenster im Lachenden Dämon trieb eine undurchsichtige Nebelsuppe über den Köpfen aufgeregter Ravengroer. Aufgrund der unheimlichen Vorkommnisse der vergangenen Tage und Nächte, war eine außerordentliche Ratsversammlung angesetzt worden. Jeder Dorfbewohner wollte seine Ängste und Bedürfnisse kundtun und hoffte offenbar auf Erlösung von den Schrecken die Ravengro heimsuchten.

Ich beschloss mir das Schauspiel im Rathaus nicht entgehen zu lassen.

Der Versammlungssaal war bereits gut besucht, als ich am frühen Vormittag dort eintraf. Alle waren sie gekommen: Bauern und Großbauern, Händler und Handwerker, Geistliche und Gelehrte, von letzteren gab es in Ravengro jedoch nicht allzu viele. Die langen Holzbänken füllten sich, bis die Leute stehen mussten. Als auch keine Stehplätze mehr frei waren, reihten sich die Männer und Frauen auf dem Korridor auf, um den einen oder anderen Blick zu erhaschen oder einfach nur um mithören zu können.

Die Ratsherren und der Konstabler standen auf einer breiten Bühne am Ende des Saals. Bevor einer von diesen feinen Herrschaften das Wort ergriffen hatten, begannen die Dorfbewohner ihre Meinung laut herauszuschreien. Bald erklang ein beunruhigender Chor von Klagestimmen. Es fiel schwer die einzelnen Personen zu verstehen, doch hier und da verstand ich einen der Berichte. Eine Halblingsdame mittleren Alters erzählte von einer Feuersbrunst über den Köpfen ahnungsloser Kartenspieler, von Schreckgespenstern im Keller und blutbeschmierten Schlafzimmerwänden, aber auch von Geisterjägern. Sie deutete auf eine Gruppe bekannter Gesichter, die den Erben Lorrimors gehörten. Nur Kendra und der einsame Wandersmann waren nicht zu sehen.

Vaschian Feuerross trat an das Rednerpult und bat mit einem Handzeichen um Ruhe. Die aufgebrachte Menge verstummte. Diese Ravengroer waren doch höriger als gedacht. Der Ratsherr erläuterte in gewohnt unbeeindruckter Manier die Sachlage. Er sah in der Priesterschaft Pharasmas und den Leuten des Konstablers die einzige Möglichkeit und Lösung, den rastlosen Toten und Schändungen des Denkmals Herr zu werden.

Die Ravengroer begannen bereits wieder zu blöken wie die Schafe, da erhob sich Runa Corvijns glockenhelle Stimme über die erneut aufkommende Unruhe. Sie bot der Gemeinde an, mit den anderen Erben des verstorbenen Professors, nicht nur die Kirche beim Kampf gegen die Untoten zu unterstützen, sondern auch die Ermittlungen bezüglich der Entehrung Gefängnisdirektor Falkrans Andeckens zu übernehmen.

Das Angebot der jungen Frau wurde von erstauntem Raunen und Murren in der Zuhörerschaft gefolgt. Ein Mann mit misstönender Reibeisenstimme, der ungute Gibbs Hefenuss, protestierte besonders lautstark. Mehr und mehr Ravengroer taten es ihm gleich. Die wütenden Dorfbewohner steigerten sich gegenseitig in ihrem Zorn auf die Fremde, doch brachten sie nur ihre Verzweiflung zum Ausdruck.

Ohne weitere Vorwarnung explodierten die großen Öllampen an der Decke des Versammlungssaals in einem grellen Feuerregen. Durch die vor Hitze wabernde Luft zischten plötzlich zwei in Flammen gehüllte Totenschädel, während unter den Ravengroern absolute Panik ausbrach. Alle Anwesenden versuchten aus dem Saal zu fliehen. Die Leute auf dem Korridor hatten noch gar nicht verstanden was überhaupt vorgefallen war. Jeder war sich selbst der Nächste und kämpfte gegen eine kreischende Menschenmasse an. Nur die selbsternannten Retter von Ravengro behielten einen kühlen Kopf. Unter den Bruchstücken der zersprungenen Lampen zogen sie Frauen und Kinder hervor.

Wieder erklang über all dem Chaos die Stimme von Runa. Dieses Mal jedoch in der finsteren Zunge der Dämone. Stralicia bekämpfte Feuer mit Eis und holte mit zwei gezielten Frostbomben die untoten Flammenschädel aus der Luft, die mit unbarmherzigen Sturzflügen versucht hatten die mutigen Erben des Professors in das Feuer zu treiben.

Einzig und allein die Ratsherren und der Konstabler halfen den fünf Helden des Tages die Flammen zu löschen und den Rauch aus dem Saal zu vertreiben. Dankbar nahm Vaschian Feuerross schließlich das Angebot von Runa an. Er versprach jedem Erben eine satte Belohnung von fünfhundert Goldmünzen für die Erlösung von den Schrecken.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 04. Dezember 2012, 17:41:24
11. Rova, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft Kanterwall


An diesem eiskalten Morgen versammelte sich ganz Ravengro wieder am Denkmal von Gefängnisdirektor Lyvar Falkran. In der vergangenen Nacht war es wieder mit Blut geschändet worden. Die Buchstaben V, E und S waren in schillerndem Rot im grellen Licht der frühen Sonne unter dem grauen Schleier des Herbstes zu erkennen. Für mich war das keine große Überraschung mehr. Heute jedoch verfielen die ersten Dorfbewohner in weinerliche Klage. Sie hatten Angst, sie fürchteten sich vor dem makabren Schriftzug der sich da an ihrem Heiligtum, an ihrem Ort der Heldenverehrung abzeichnete.

Stralicia Mancini war bereits unter den verzweifelten Ravengroern. Sie befragte zusammen mit Santorio und einem unbekannten Burschen im Waffenrock Iomedaes Benjan Keller. Wenig später traf ein Helfer des Konstablers mit einem blassen jungen Mann in den schwarzen Gewändern der Kirche Pharasmas ein, der sich dem hochgewachsenen Unbekannten als Akolyth Alukard vorstellte. Dieser zog die weiße Kapuze vom Kopf, streifte den riesigen Schild vom Arm und reichte Alukard die Hand. Er gab sich als Schildknappe Balduan der Ritter von Ozem aus, während sein goldenes Haar in der Morgensonne schimmerte. Sogleich machte sich der Pharasmit an die Untersuchung des Blutes das die Ermittler umgab. Alukard setzte verschiedene Phiolen, Lösungen und Instrumente ein, konnte offensichtlich aber auch nichts genaueres feststellen. Die Ermittler unterhielten sich noch eine Weile, unglücklicherweise konnte ich nicht verstehen was sie sagten. Der Akolyth begleitete sie und ich folgte ihnen als sie nach Süden aufbrachen.

Wir wanderten den Hügel nach Schreckenfels hinauf. Von den anderen Erben Lorrimors fehlte jede Spur. Es war wirklich ein trauriger, farbloser Ort bar jeder Hoffnung. Stralicia wollte die drei Männer um das Haupthaus führen, doch Santorio und der Schildknappe betraten die Ruine durch den Haupteingang. Ich wartete eine Zeit, dann begab auch ich mich in die Schatten von Schreckenfels.

Eine brüllende Horde grässlich entstellter, geisterhafter Gefangener stürmte mir entgegen. Ich warf mich in einen der verwüsteten Warteräume und ließ die dunklen Schemen passieren. Die Ermittler waren getrennt worden. Balduan versuchte mit seinem Schild eine der fünf Türen in der Eingangshalle aufzustoßen, während Santorio einen Pfeil im Anschlag hielt. Stralicia und Alukard waren nicht zu sehen, ich vermutete die beiden hinter der Tür. Ein weiterer beherzter Stoß von Balduan und die Flügel sprangen auf. Die Variserin und der Akolyth standen zitternd in einem kargen Gerichtssaal.

Schweigend durchquerten wir eine Reihe von Räumen, bis wir in eine rußgeschwärzte Heizkammer gelangten. Die Ermittler schlüpften durch eine schmale Tür, während ich noch den alten Ofen begutachtete. Ich spürte die Anwesenheit eines bösen Geistes hinter dem rostigen Metall. Dann hörte ich ein schrilles Kreischen aus der Brennkammer. Es waren die letzten Schreie eines verbrennenden Mannes. Erschüttert wich ich zurück.

Die Ermittler mussten in einen Kampf geraten sein, denn als ich einen Blick auf die vier riskierte schloss Alukard unter Gebeten zu seiner Göttin die Wunden der Variserin. Sie waren in ein altes Krankenzimmer vorgedrungen. Zwischen löchrigen Feldbetten fanden sie verschiedene Salben, Gegengifte und Heiltränke, die mit dem heiligen Symbol Pharasmas markiert waren. Geheilt und gerüstet machten sich die vier Ermittler wieder an die Erforschung der Gefängnisruine. Sie entdeckten eine Pilzbefallene Waschküche, staubbedeckte Donnerbalken und jede Menge Unrat. Bewacht wurden die heruntergekommenen Räume von belebten Gegenständen. Erst der Zwangsmantel in der modernden Waschküche und dann die rostigen Handfesseln in dieser übergroßen Rumpelkammer, irgendjemand oder irgendetwas hauchte diesen Dingen unnatürliches Leben ein.

Wir erreichten einen Raum, dessen Tür nun bereits seit Jahren auf dem kalten Steinboden liegen musste. Wie die dunkle Kammer auf der anderen Seite des Türrahmens war das Türblatt von dicken Spinnweben bedeckt. Die Ermittler erleuchteten diese Dunkelheit mit dem Licht der Göttin Iomedae das vom Schwert des Schildknappen und vom Bogen Santorios strahlte. Sogleich stürzten sich die haarigen Weberinnen der Netze auf die Menschen. Ich vertraute in die Fähigkeiten der Abenteurer und folgte dem schmalen Gang neben der Kammer bis zu einer weiteren Tür. Dahinter lag der Korridor zur Eingangshalle.

Ich hörte Stimmen. Es war nicht das Raunen der Toten, es waren die anderen Erben Professor Lorrimors. Runa und Tira unterhielten sich, als Bestimotor Pami befiehl Gewalt anzuwenden. Die beiden Gruppen mussten zusammengeführt werden, um gemeinsam gegen das Böse anzukämpfen das der Ruine innewohnte. Ich eilte zurück.

Die drei Glaubensmänner waren noch damit beschäftigt die Kammer von den Spinnweben zu befreien. Offenbar handelte es sich um eine Kapelle die einst Pharasma geweiht worden war, so konnte ich nur die Aufmerksamkeit der Variserin gewinnen. Mit einer kleinen Illusion und verschiedenen Verzauberungen lockte ich Stralicia zur Eingangshalle. Dort hatten die drei anderen Erben die Geister der Gefangenen aufgeschreckt. Die negativen Energien von Schreckenfels hatten sich in den Türen manifestiert, die alle übernatürlich fest verschlossen waren. Es dauerte also bis Pami die Tür zum Korridor eingeschlagen hatte, doch dann standen sich die Abenteurer mit überraschten Gesichtern gegenüber. Ich hatte es geschafft, sie waren wieder vereint.

Ein Schatten am Ende des Korridors erregte die Aufmerksamkeit von Stralicia und Pami. Es war ein weiterer belebter Zwangsmantel der lautlos durch die Dunkelheit schwebte. Die bleiche Kriegerin stürzte sich auf das schwarze Leder. Sie teilte ein paar Schläge und Kratzer aus, bevor der Zwangsmantel sie völlig umschlossen hatte und die Luft aus ihren Lungen drückte. Pami stürzte bewusstlos auf den kalten Steinboden, während Stralicia mit ihrem Knüppel auf den Zwangsmantel eindrosch. Tira feuerte Bolzen um Bolzen mit ihrer Armbrust und Runa beschwor mit Dämonenzunge Sarenraes Macht. Ich wendete von dem grellen Licht den Blick ab, doch als ich wieder hinsah, konnte ich Bestimotor in der tödlichen Umarmung des Mantels erkennen. Wie eine nasser Sack fiel der Gnom auf den Boden.

Der Geist eines Gefangenen von Schreckenfels erschien an der Seite von Bestimotor. Von seiner kräftigen Gestalt hingen geisterhafte Ketten herab, die begannen sich wie Schlangen um den leblosen Körper des Gnoms zu wickeln. In die Fesseln waren die heiligen Symbole unzähliger Götter eingelassen, die in einem pulsierenden blauen Licht erstrahlten. Stralicia wollte ihrem bewusstlosen Gefährten einen Trank einflößen, da wand sich Bestimotor mit schmerzverzerrtem Gesicht und schlug ihr das Fläschchen aus der Hand. Die magische Flüssigkeit spritzte auf die geisterhaften Ketten und rief eine heftige Reaktion hervor. Sie zischten wie Eisen, das von einer starken Säure angegriffen wurde. Dem Geist des Gefangenen über Bestimotor schenkte keine von den Abenteurerinnen Beachtung. Konnten sie den feist grinsenden Schemen etwa nicht sehen? Während noch immer die abscheulichen Worte Runas durch den Korridor hallten, zerstörte Tira mit einem Feuerzauber den belebten Zwangsmantel. Nun legte auch die Hexe ihre heilenden Hände auf die blau leuchtenden Ketten. Sie sprach die uralten Zauberformeln ihrer zwielichtigen Zunft und die Fesseln zersprangen. Der Geist verging laut schreien in grünblauen Flammen, während Bestimotor die Augen aufschlug. Die drei Damen hatten dem Gnom das Leben gerettet.

Obwohl Bestimotor bereits mit einem Fuß auf Pharasmas Beinacker gestanden hatte, begannen die Abenteurer nach den drei Glaubensmännern zu suchen. Stralicia führte die Gruppe zurück zu der alten Gefängniskapelle. Dort fehlte jedoch jede Spur zum Verbleib der Iomedaeanhängern und dem Pharasmaakolythen. Leicht verstört drängte die Variserin weiter in den Westflügel der Ruine vor.

Am Ende des schmalen Korridors entdeckten die Abenteurer eine Kammer, aus der es bis auf den dunklen Gang heraus nach verbranntem Fleisch roch. Sie hielten sich nicht lang in dem Gestank auf, sondern schlossen die Tür zu dem Raum wieder und folgten dem Korridor weiter nach Norden. An einer aufgequollenen Tür machten sie wieder halt. Pami stieß sie mit wenigen kräftigen Tritten aus dem Rahmen. Die kleine Gruppe betrat eine verwüstete Werkstatt. Stralicia hatte gerade den zierlichen, skelettierten Arm einer Frau in einem Haufen Unrat entdeckt, da erschien eine geisterhafte Dame aus bläulichem Licht. Sie trug ein wallendes Kleid und die langen Handschuhe einer Höhergestellten.

Bevor die Abenteurer ihre Waffen gehoben hatten, sprach sie mit klarer Stimme: “Endlich seid Ihr eingetroffen! Wir warten schon so lang auf Verstärkung und die Wachablöse. Man nannte mich einst Vesorianna Falkran, ich war die Gattin des Gefängnisdirektors.” Jedes Wort von ihren vollen Lippen wurde von einer weißen Wolke begleitet wie Trauergesang in einer kalten Winternacht. Die Tote erzählte den Lebenden vom Geist ihres Ehemanns und wie er die fünf mächtigsten Geister, die der berüchtigtsten Gefangenen, auch im Jenseits noch auf Schreckenfels festhielt. Erst die Ankunft von “flüsternden Männern und Frauen in schwarzen Roben” hielt Lyvar Falkran von der Erfüllung seiner Pflicht ab. “Der Anführer dieser geheimnisvollen Gestalten, ein ausgezehrter Mann in blankem Knochenharnisch, trug einen schaurigen Zauberstecken von dessen Spitze ein geknebelter Totenschädel ins Leere starrte. Mit eben jenem Stecken schleuderte er seine todbringende Magie auf einen Ravengroer. Ich hatte den Dorfbewohner bereits zuvor an der Ruine gesehen, doch den Zaubern des Flüsternden hatte er nichts entgegenzusetzen.”, fuhr sie weiter fort. Eine Zeugin, wir hatten tatsächlich eine Zeugin des Mordes an Lorrimor gefunden!

Doch Vesoriannas Rolle auf Schreckenfels war weit bedeutender. Sie hatte den Platz ihres Gatten eingenommen und hielt die untoten Gefangenen davon ab in die Welt der Lebenden zu entweichen. “Dort würden die rachsüchtigen Geister unsagbare Schrecken und Verderben verbreiten.”, prophezeite sie. Vesorianna spürte allerdings auch, dass einer der Fünf – der Zermatscher – stetig an Macht gewann. Er arbeitete irgendwo in der Dunkelheit der unteren Verliesebene an ihrer Vernichtung. Die Abenteurer berichteten der geisterhaften Dame von den blutigen Lettern am Schreckenfelsdenkmal, die ihnen daraufhin bestätigte, dass ihr ausgeschriebener Name sie unwiederbringlich zerstören würde, womit die letzte Barriere zwischen den untoten auf Schreckenfels und den Lebenden in Ravengro gefallen wäre.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 15. April 2013, 10:53:09
12. Rova, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft Kanterwall


Ich folgte dem Akolythen Alukard an diesem trostlosen Tag über das Ruheland. Der blaue Herbsthimmel blieb hinter einer dunklen Wolkendecke verborgen. Am vergangenen Abend hatten die Erben Professor Lorrimors die Wandelnden Toten vernichtet, die aus ihren Gräbern gestiegen waren um Ravengro in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Männer des Konstablers, aber auch die Glaubensbrüder des Akolythen hatten ihr Leben gegeben um den Dorfbewohner etwas mehr Zeit zu verschaffen. Zeit, die den Erben Lorrimors genügt hatte, um die Zombies und Skelette zu zerstören.

Heute blieb dem jungen Mann in den schwarzen Gewändern der Anhängerschaft Pharasmas nur noch die Toten zu bergen. Mit einem laut tönenden Karren brachte er die Leichen zurück zum Tempel. Als Alukard seine traurige Pflicht erfüllt hatte, machte er sich auf zum Lorrimorhaus. Vater Vauran Grimmgräber hatte ihm geheißen den Dank der Kirche zu überbringen. Doch die Helden von Ravengro waren nicht anzutreffen. Kendra Lorrimor, die Tochter des verstorbenen Professors, wies dem Akolythen den Weg zur Ruine von Schreckenfels.

*     *     *     *     *

Im Osten des Parterres entdeckten wir ein Seil, das in die Dunkelheit des Kerkers hinabführte. Unten angelangt, folgte Alukard den Stimmen von Lorrimors Erben die durch die dunklen Gewölbe raunten.

Wir fanden Runa, Stralica und Tira, die Glaubensmänner Iacobus und Balduan, sowie den Gnom und seine befremdliche Begleiterin Pami in der ehemaligen Folterkammer von Schreckenfels. Der Schildknappe wandelte gerade wie von Sinnen auf eine Eiserne Jungfrau zu, die wie von Geisterhand langsam aufgeschwungen war. Er murmelte etwas von “Kendra”, als er sich in die todbringende Umarmung des Folterwerkzeugs begab. Seine Gefährten stürmten auf die Eiserne Jungfrau ein und schlugen geräuschvoll ihre Waffen gegen ihren hohlen Metallkörper. Das abscheuliche Folterwerkzeug sprang auf und gab den blutüberströmten Balduan frei.

Verwirrt taumelte der Schildknappe in die Mitte der Kammer. Alukard schlüpfte durch die Tür, trat auf den hochgewachsenen Mann zu und schloss mit der Magie Pharasmas seine Wunden. Freudig überrascht begrüßten die Helden von Ravengro den Akolythen, bevor sie gemeinsam den Raum durchsuchten.
Stralicia entdeckte eine Geheimtür. Bereit loszuschlagen versammelten sich alle um Pami, die kniend den Mechanismus auslöste der die Wand knirschend zur Seite gleiten ließ.

Die Schwerter der beiden Glaubensmänner waren in goldenes Licht gehüllt, das sich gebrochen auf den feuchten Steinwänden des Geheimgangs spiegelte und das dunkle Wasser auf seinem Boden zeigte. Beherzt wateten die Abenteurer voran. Ich blieb zurück, bis mich Kampfeslärm näher an die Geheimtür lockte. Doch bis heute vermag ich nicht zu sagen was sich den Frauen und Männern aus Ravengro in den Weg gestellt hatte, denn ich konnte zwischen ihren tanzenden Schatten nur spritzendes Wasser ausmachen. Selbst als ich ihnen später durch den dunklen Geheimgang folgte, entdeckte ich lediglich einen vollkommen stillen, schwarzen Wasserspiegel.

Auf der anderen Seite dieser feuchten Finsternis lag ein heruntergekommener Zellentrakt. Auch hier hatten sich unzählige Rinnsale an den Wänden gebildet, die in ein Kerkerloch im Zentrum der Anlage plätscherten. Stralicia, Bestimotor und Balduan waren gerade damit beschäftigt diese Grube zu ergründen, als ich mich aus dem Geheimgang in die angrenzende Zelle wagte.

In heller Aufregung bemerkten die Abenteurer Blutströme, die aus dem Kerkerloch quollen und über das Mauerwerk, hinauf in das Gewölbe der Kammer stiegen. Erfolglos versuchten sie daraufhin die roten Ströme aufzuhalten, die begannen einzelne Buchstaben an den Wänden zu formen. Nach und nach erkannten die Helden von Ravengro wie ihre eigenen Namen auf diese unerklärliche Weise geschrieben wurden. Angsterfüllt verstärkten sie ihre Anstrengungen die blutigen Schriftzüge zu zerstören. Sie hatten ermittelt, dass einer der fünf mächtigsten Geister unter den Gefangenen von Schreckenfels – der Zermatscher – seine Opfer brutal ermordete sobald er ihre Namen mit Blut ausgeschrieben hatte. Ganz so wie es am Schreckenfelsdenkmal geschehen war, ebenso wie in Tiras Alptraum. Jegliche Fassung verloren, schlugen die Frauen und Männer blind vor Wut und Verzweiflung nur noch auf das Mauerwerk ein.

Es gelang ihnen die blutigen Letter auszulöschen, doch brachten sie auch einen Teil des Gewölbes zum Einsturz, der sie um ein Haar erschlagen hätte. Dennoch erleichtert mit dem Leben davongekommen zu sein, erhoben sich die Abenteurer aus den Trümmern, als ein geisterhaftes Gerippe aus den Tiefen des Kerkerlochs empor schoss. Dabei gab es eine schauderhafte Mischung aus Gelächter und Wutschrei von sich. Das schwarze Skelett schwebte bis unter die Decke und musterte die Eindringlinge mit zornigen, rot glühenden Augen. Es musste sich einfach um den Zermatscher handeln. Mit einer geflüsterten Zauberformel beschwor der Geist riesige Ratten aus den Schatten der Gefängnisruine, während ihn Iacobus und Stralicia bereits attackierten. Der Glaubensmann hatte einen magischen Pfeil in den Brustkorb des Untoten gefeurt und die Varisianerin eine Geisterfalle eingesetzt, die nun bläulich leuchtend an seiner unnatürlichen Existenz zerrte. Als die dämonischen Worte Runas die Kammer in heilige Flammen tauchten, zog ich mich in den Schutz des Geheimgangs zurück.

Ich wartete in der Dunkelheit.

Als Stille in den Zellenblock eingekehrt war, riskierte ich einen Blick:
Mit der Magie ihrer Götter hatten die Helden von Ravengro den Zermatscher besiegt!

Um das weitere Vorgehen abzusprechen, machten sie sich auf den Weg zu Vesorianna. Ich eilte ihnen voraus und wartete auf den Gängen nördlich der Werkstatt, wo die Frau des Gefängnisdirektors bei dem schrecklichen Brand auf tragische Weise ihr Leben verloren hatte.

Die Abenteurer waren gerade wieder auf den Korridor herausgetreten, da stützte sich Tira Krähenfuß völlig erschöpft an einer der Wände ab. Zittrig hielt sie sich das Haupt. Das aufgeregte Krächzen ihres Raben hallte durch die Gefängnisruine und hielt die Gefährten des Halbblutes zurück.

Es war Alukard der sich Tira erbarmte. Furcht hatte sich dem Herzen der jungen Frau bemächtigt. Sie konnte sich den Schrecken dieses Gewölbes nicht länger stellen. Der Akolyth brachte die Zauberkundige daher in die Kapelle und versicherte den anderen, dass er sich ihrer annehmen würde. Alukard erkannte keine Schwäche in Tiras Verhalten, nur die Menschlichkeit welche an diesem Ort schon zu lang nicht mehr gezeigt worden war.

Wieder stiegen die Helden von Ravengro in die Kerkerebene hinab. Im Norden lag der einzige Zellentrakt, den sie noch nicht erkundet hatten.

Ein Schatten huschte über den Gang. Pamis Kopf fiel zu Boden. Ihr Mörder war blitzschnell gewesen und ich zu weit entfernt, um es genauer schildern zu können. Die Begleiterin des Gnoms hatte den Rücken der Abenteurer gedeckt und dies mit dem Leben bezahlt. Betroffen bildeten Balduan und Iacobus, Runa und Stralicia, aber auch Bestimotor einen Kreis. Ich konnte ihre Angst förmlich riechen.

Dann wagten sie sich doch weiter in den nördlichen Zellenblock vor. Der Schildknappe Balduan führte sie dabei an. Und ich folgte ihnen.

Als ich die Stelle erreicht hatte, an der die Kriegerin gefallen war, fand ich nur einen dunklen Fleck auf dem staubigen Steinboden vor. Es handelte sich um die Rückstände einer klebrigen purpurfarbenen Masse. Das war kein gewöhnliches Blut. Mein Verdacht, dass der Gnom im Bunde mit Wesen anderer Existenzebenen war, erhärtete sich.

Obwohl wir alle Pamis Mörder im Rücken der Abenteurer vermutet hatten, wurde der Glaubensmann plötzlich angegriffen. Unter lauten Schlachtrufen stürmten die Helden von Ravengro in die große Kammer am Ende des Korridors; geradewegs in die Falle des Kopfjägers, denn der schemenhafte Gefangene nutzte die Gitterstäbe der Zellen im folgenden Kampf geschickt zu seinem Vorteil. Wieder und wieder schlug er garstige Wunden in das Fleisch der Frauen und Männer. Ein roter Nebel kroch aus diesen stark blutenden Verletzungen und strömte zu dem Todesalb. Er schien dem untoten Wesen immer wieder Kraft und Stärke zu verleihen, hatten die Lebenden es verwundet.

Jedoch war es auch dieser vampirische Nebel, der dem Kopfjäger zum Verhängnis wurde. So konnten die Helden von Ravengro den letzten der fünf Geister mit Hilfe des Blutnebels aufspüren und zur Strecke bringen.
Nachdem die Waffen der Abenteurer kaum eine Wirkung gezeigt hatten und ihre Macht Zauber zu wirken versiegt war, schluckte die Alchemistin Stralicia Mancini ein rot glühendes Gebräu. Die Varisianerin spuckte Flammen wie ein Drache, während der Todesalb kreischend in ihrem Feuerodem verging.

Triumphierend kehrten die Erben Lorrimors und die Glaubensmänner zu Vesorianna zurück. Sie berichteten ihr vom Sieg über den letzten der fünf Geister und der Sicherung von Schreckenfels

Die blauen Lippen der geisterhaften Edeldame verzogen sich zu einem Lächeln. Voller Dankbarkeit machte sie einen Knicks, dann begann ihre Erscheinung zu verblassen. Unter freundlichen Worten und einem letzten Seufzer, war sie  plötzlich verschwunden. An ihrer Stelle schwebte die goldene Dienstmarke ihres Ehegatten zu Boden, die sanft zu glühen begann.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 22. April 2013, 23:10:49
15. Rova, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft Kanterwall


Der graue Nebelschleier hatte sich endlich gelichtet und gab den Blick auf einen strahlend blauen Himmel, weiße Wolken und die goldene Sonne preis. Auch das Dorf war nicht wiederzuerkennen. An jeder Straßenecke fanden sich kleine Verkaufsstände mit den verschiedensten Köstlichkeiten: dicke, rote Knoblauchwürste und würzige Fleischspieße, saftige Gänseleberpasteten und sogar Kolasch, die heiligen Teigzöpfe Pharasmas gehörten zu dem reichhaltigen Angebot. Zokar Elkarid, der Wirt des Lachenden Dämons, schänkte seine Flüßigen Geister mit einem besonders breiten Grinsen in handlichen Fläschchen aus, während Sarianna Wai, die Besitzerin des Grenzgasthofs, dunkles Bier in schweren, irdenen Krügen an den Mann brachte. Plötzlich rollte gar eine ganze Wagenladung Caydenbräu über den Dorfplatz. Ich folgte den tanzenden Fässern über die unebene Straße nach Westen.

Eine Gruppe grölender Burschen mit grünen Orkmasken stürmte an mir vorüber. Ich wirbelte orientierungslos umher, doch als ich die bunt gespickten Felder vor Ravengro erblickte, wusste ich was hier gespielt wurde. Wie jedes Jahr hatte das Wandernde Volk neben den Festzelten der Dorfbewohner ihre farbenprächtigen Planwagen aufgeschlagen und es wurde Orktoberfest gefeiert!

Ich sah die Ravengroer beim Hau’ den Lukasch und beim Armbrustschießen, mit Lederbällen auf scheppernde Orkhelme werfen und giftgrüne Zuckerfinger lutschen. Alendru Ghoroven, der wortkarge Besitzer der Offenen Schriftrolle, versah die zahlkräftigeren Kunden sogar mit etwas Flugmagie. So schwebten über den Köpfen der Festbesucher feine Damen in aufgebauschten Kleidern und Edelmänner in flatternden Röcken.

Die jungen Männer und abenteuerlustigen Weiberleute machten dabei Jagd auf die berüchtigten Schwarzen Rosen. Zum Ausdruck ihres guten Willens und Beistands soll Pharasma diese heiligen Blumen in ihrer dunklen Pracht erblühen lassen, und so trugen die Rosenbüsche in Ravengros Tempelgarten am Morgen jener entscheidenden Schlacht gegen die marodierende Orkhorde das schwarze Gewand der Göttin. Fromme Krieger bekamen von ihren Herzensdamen eine solche Rose im Tausch gegen das Versprechen wohlbehalten wiederzukehren. Keiner von ihnen soll in der Schlacht gefallen sein und heute erinnert man sich diesem Wunder mit dem Brauch eine Rosenkönigin zu erwählen.

Erst gegen Abend versammelte sich ganz Ravengro, und vermutlich der Rest von Kanterwall, im großen Festzelt zum Wetttrinken. Kendra Lorrimor und die anderen Erben des Professors waren auch zugegen. Die Dorfbewohner traten ihren frisch gebackenen Helden freundlich und aufgeschlossen gegenüber. Kein Vergleich zu den ersten Tagen nach Petros Lorrimors Beisetzung. Die Halblinge Brando und Brienda brachten den drei Damen, den beiden Glaubensmännern und dem Gnom in karamellisiertem Zucker gebrannte Nüsse, während alle anderen höflich grüßten und die Träger des Silbernen Raben zu ihren Erfolgen beglückwünschten. Als vereidigte Ermittler der Pfalzgrafschaft hatten sie dem eingestaubten Abzeichen in Schreckenfels wieder zu neuem Glanz verholfen.

Jorfa die Schmiedin, der Wirt Zokar Elkarid und der Bauer Ianosch nahmen gerade Platz an dem langen Tisch auf der Tribühne, da sprang Stralicia Mancini zu ihnen empor. Das Wetttrinken begann mit der Wagenladung Caydenbräu, der ich zuvor aus Ravengro auf die Festwiese gefolgt war. Ianosch fiel bereits ziemlich früh neben seinen Krug unter Tisch; das grinsende Gesicht von Elkarid schlug aber wenig später zwischen dem Uskeba auf. Die Variserin musste sich schließlich in einem ehrwürdigen Zweikampf der Zwergin Jorfa und dem Gebräu aus ihrer eigenen Heimat im Westen geschlagen geben.

Akolyth Alukard führte gegen Mitternacht seinen Hohepriester, Vater Vauran Grimmgräber, zu der geschmückten Tribühne hinüber. Der Tradition nach krönte das Oberhaupt des Pharasmatempels die Rosenkönigin von Ravengro, bestimmt wurde die Glückliche jedoch durch den erfolgreichsten Wettstreiter des Orktoberfestes. Um diesen Vorkämpfer zu ermitteln zählte einst der Graf oder die Gräfin, heute die versammelten Ratsmitglieder Gharen Muricor, Schanda Faravan, Mirta Straelock und Vaschian Feuerross die gesammelten Schwarzen Rosen aus.

Nachdem Bestimotor von Simmelwitz unter brüllendem Gelächter unehrenhaft vom Wettstreit um die Krone der Rosenkönigin ausgeschlossen wurde – und das auf Lebenszeit - trat die eigentliche Siegerin, Runa Corvijn, ihre Schwarzen Rosen an den zweitplatzierten Konstabler ab. Benjan Keller gestand daraufhin der Apothekerin, Jominda Fallbrück, seine Liebe und erwählte sie zur diesjährigen Rosenkönigin.

In den frühen Morgenstunden beschloss auch ich mich im Lachenden Dämon zur Ruhe zu begeben und machte mich auf den Weg zurück nach Ravengro.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 29. April 2013, 22:32:58
19. Rova, 4711 AK
nahe Tamrivena, Pfalzgrafschaft Kanterwall


Nach dem Sieg über die bösen Geister in der Ruine von Schreckenfels hatte mich nichts mehr in Ravengro gehalten: der Springende Hans war wie die geheimnisvollen Dunklen Reiter längst weitergezogen gewesen und es hatte nicht mehr dem trüben Warten auf Helden bedurft. Sie waren bereits eingetroffen gewesen! Doch auch sie hatten sich aufgemacht ihr Erbe in Lepidstadt anzutreten. Es war für mich an der Zeit gewesen das abgeschiedene Dorf zu verlassen.

Ich folgte seinen Helden nach Lepidstadt, denn die jungen Frauen und Männer erfüllten mich mit Hoffnung in ihnen zu finden was ich wirklich suchte. In Begleitung von Kendra Lorrimor reisten wir also mit einer varisianischen Wahrsagerin nach Norden. Dabei hielt ich mich die ganze Fahrt im Wagen der Varisianerin verborgen. Obwohl ich ihre Heldentaten in Ravengro zu großen Teilen niedergeschrieben hatte, hatte ich mich bisher keinem von ihnen offen gezeigt.

In der Abenddämmerung waren wir den Verwachsenen, einer befremdlichen Schaustellertruppe aus Sonderlingen und Missgestalten vom Orktoberfest, begegnet. Ich konnte nicht verstehen was gesprochen wurde, doch nach einer Weile schlugen sich die Helden von Ravengro in die hohen, braunen Gräser am Wegesrand.

*     *     *     *     *

Stark verwundet kamen sie bei Dunkelheit aus dem Sumpfland zurück. Die Abenteurer waren einem gefährlichen Monster begegnet, einem Spinnenwesen von einer anderen Existenzebene, das sich selbst “Die Verschlingerin im wässrigen Schatten” genannt haben muss. Ein Mädchen der Verwachsenen war ihr zum Opfer gefallen und Runa hatte es im Kampf gegen die externare Mörderin besonders arg erwischt. Bleich lag sie im zittrigen Schein des Lagerfeuers da. Völlig entkräftet fielen ihr immer wieder die Augen zu, während sie im Halbschlaf von ihren Todesängsten berichtete.

Die beiden Glaubensbrüder Balduan und Iacobus waren schon vor Tagen vorausgeeilt und hatten vermutlich die Festungsstadt Tamrivena bereits erreicht; die anderen unterhielten sich an einem größeren Feuer mit den Verwachsenen. Das war die Gelegenheit mehr über die engelsgleiche Frau mit der Dämonenzunge zu erfahren!

Mit sanfter Stimme sprach ich aus den Flammen des Lagerfeuers zu der Abenteurerin. Wenn ich dabei den Anschein erweckte eine Erscheinung ihrer Göttin Sarenrae zu sein, so war das zugegeben mehr als Zufall. Sie erzählte mir ehrfürchtig von ihrer Vergangenheit, ihrer Familie, ihren Träumen und mehr von ihren Ängsten…
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 06. Mai 2013, 23:27:34
27. Rova, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Lepidstadt glich einem großen Jahrmarkt. Die Stimmung war allerdings nicht so ausgelassen wie wenige Tage zuvor noch auf dem Orktoberfest; die Besucher und Bewohner der Stadt feierten das Ergreifen der Bestie, doch warteten sie nun auf die Hinrichtung des berüchtigten Monsters. Ein riesiger Scheiterhaufen war auf dem Hauptplatz vor dem Gerichtsgebäude errichtet worden aus dem der gefürchtete Funkenmann aufragte. In dem bedrohlichen Holzkonstrukt wurden die zum Tode Verurteilten bei lebendigem Leibe verbrannt.

Bevor sich die Erben Lorrimors diesem Trubel hingaben, machten sich die drei Damen und der Gnom auf die Suche nach einer Bleibe. Kendra Lorrimor hatte gemeinsam mit der varisianischen Wahrsagerin und den Verwachsenen, vor den Toren der Stadt ein Lager aufgeschlagen. Die Glaubensbrüder Iacobus und Balduan hatten bereits einen Tag zuvor Lepidstadt erreicht und es sollte noch eine Weile dauern da die Helden von Ravengro wieder zusammenfanden.

Erst am frühen Nachmittag errungen sie letztendlich einen Schlafplatz in der schäbigen Dachkammer der Herberge Zum Leeren Katapult. Alle anderen Gästehäuser Lepidstadts hatten sich als restlos überfüllt erwiesen.

Ein kleiner schmutziger Junge, den die Wirtin nur "Bock" schimpfte, führte die Abenteurer in ihr schlichtes Gemach. Grauweißer Taubendreck bedeckte den verwinkelten Bretterboden und nur der Gnom konnte hier neben dem Jungen aufrecht stehen. Über seinem rußgeschwärzten Gesicht waren die Ansätze eines Hörnerpaars zu erkennen. Bock war ein Tiefling. In seinen Adern floss das Blut von Scheusalen. Daran Bestand kein Zweifel.

Völlig eingeschüchtert zuckte Bock bei jeder plötzlichen Bewegung seiner Gäste oder einem unerwarteten Geräusch zusammen. Nachdem er von Runa ein fürstliches Trinkgeld erhalten hatte, huschte er aus der Dachkammer.

Als die Abenteurer in die Stadt zurückkehrten, wandelte ich gedankenverloren durch die Herberge. Der Ort war still und verlassen. Die Gäste hatten sich offenbar dem Treiben in den Gassen hingegeben.

Wieder in den verdreckten Gemächern der Erben angelangt, entdeckte ich Bock über den Sachen seiner Gäste. Vorsichtig durchsuchte er ihre Gewänder, Ausrüstung und Fundstücke. Die dunklen Augen des Tieflings funkelten begeistert auf, als sie die Silbernen Raben – die Abzeichen der Ermittler Ravengros – entdeckten. Er hielt sie in das fahle Licht des einzigen Dachfensters und polierte sie mit seiner zerlumpten Weste, um sie erneut im Licht glitzern zu lassen. Dann legte er sie behutsam auf die Fußpfette und öffnete die Truhe mit Büchern, in die ich auch meine Chronik der Helden von Ravengro geschmuggelt hatte.

Er schlug mein Reisetagebuch auf und runzelte die Stirn. Dann erhellte sich sein dunkles Gesicht in einem Ausdruck freudiger Überraschung. Hastig blätterte der kleine Bursche bis zu den Überresten der ausgerissenen Seiten und damit zum Beginn meiner Aufzeichnungen in Ravengro.

Zu meinem Erstaunen sprach er jedes gelesene Wort mit. Zu lang war es her, dass meine Niederschriften – wenn auch nur im Flüsterton – laut verlesen worden waren. Ich war berührt und ließ mich von der zittrigen Stimme des Tieflings in die Vergangenheit tragen…
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 13. Mai 2013, 23:56:46
13. Arodus, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft Kanterwall


Im Norden stritten Barbaren mit den unbarmherzigen Orks von Belkzens Boden, während im Süden Galgenkopf – der Kerker des Wispernden Tyrannen selbst – seinen finsteren Schatten auf die Wälder und Hügel von Ustalav warf.

Des Tages herrschte ein bedrückender Frieden, bei Nacht die Angst vor den ruhelosen Geistern der Toten. Ein hervorragender Ort um nach den Helden dieses Zeitalters zu suchen! In Korvosa, dem Juwel Varisias, hatte ich vor vielen Monden diese Suche begonnen.

Nebel verhüllte Ustalav wann immer unsere Wagen über seine schlammigen Straßen gerollt waren. Das erbärmliche Geheul eines hungrigen Wolfs irgendwo in der mondlosen Nacht jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Die aufgeweichten Handelswege durchzogen das Land wie die braunen, verdreckten Adern einer Blutvergiftung den farblosen Leib des Erkrankten. Sie verbanden die Zentren Ardis, Karcau und Caliphas mit den lebenswichtigen Kornkammern von Kanterwall, den Weinbergen von Varno und dem geschuppten Silber von Versex, dem Fischfang in der Avalonbucht.

In Caliphas war ich an Land gegangen, aber erst in Ardis hatte ich die Wahrheit erkannt: Ustalav war im Verfall begriffen. Die uralten Adelsgeschlechter, die Grafen und Fürsten konnten ihren Ahnen nicht das Wasser reichen. Ihre Besitztümer hatten den Glanz von einst verloren, ihre Marmortafeln waren gesprungen, ihr Stahl mit Rost bedeckt und von ihren kunstvollen Wandgemälden blätterte die Farbe.

Es besaß jedoch ebenso die makabre Schönheit, die man den Vampiren nachsagte. Die feingliedrigen Kathedralen, Schlösser und Mausoleen suchten Ihresgleichen an der Inneren See und darüber hinaus; die Kunstsammlungen der großen Häuser waren noch immer prächtig, mit Werken aus allen Winkeln Avistans, Casmarons und Garunds.

Nachdem Königin Ileosa die Tintenteufel in alle Winde zerstreut hatte war ich also wieder auf der Suche. Mich hatte es ins Hinterland von Ustalav verschlagen, wo die Landbevölkerung noch auf Helden hoffte, auf Männer und Frauen die sie vor den Schrecken der Nacht behüten mögen. Ich war kein solcher Held und würde niemals einer sein. So hoffte auch ich auf Glücksritter und furchtlose Abenteurer. Ihre Chronik, meine Niederschrift ihrer Taten, sollte mich mit ihnen unsterblich machen.

Es war der einzige Weg mir meinen Traum zu erfüllen. Bei Caileans Kelch, ich wollte Kundschafter werden! Absalom mit eigenen Augen zu sehen, verlorenes Wissen ans Licht des Tages zu bringen und dabei von glorreichen Taten zu berichten, das war das Leben wie ich es mir erträumte.

Die Geschichten vom Springenden Hans hatten mich nach Ravengro verschlagen. Ein Nest im Schatten der berüchtigten Gefängnisruine Schreckenfels, das seine Berechtigung im Feuer auf den Hügeln verloren hatte. Ja, hier wollte ich fündig werden. Der blaue Teufel, den die Leute nur den “Springenden Hans” nannten, zog von Schänke zu Schänke durch ganz Kanterwall. Er verhöhnte die tapfersten Krieger, hüpfte von Dach zu Dach und spuckte seinen bedauernswerten Opfern garstige Worte und tödliche Flammen ins Gesicht.

An diesem Abend waren zwei Abenteurer angekommen. Ein Zwerg und eine Elfin. Sie jagten den Springenden Hans mit Axt und Bogen, und ich wollte von dieser Jagd berichten. Bevor ich mich auf den Weg in den Grenzgasthof machte, warf ich noch einen Blick in den Spiegel meiner Dachkammer:

Avanil Sternentänzer trug eine abgewetzte, rote Samtweste auf die mit Goldfaden winzige Drachenlöwen gestickt waren über einem weißen Hemd. Sein platinfarbenes Haar hatte der gutaussehende Mann mit ei­ner schlichten Lederschnur zu einem Pferde­schwanz gebändigt. Die nachtblauen Augen und die spitzen Ohren verrieten die Elfen unter seinen Ahnen. Die waldgrünen Hosen des Halbelfen steckten in passenden Kniestiefeln, während an seiner Hüfte das schlanke Rapier eines Edelmanns seiner Zeit baumelte. Mit einer fließenden Bewegung hüllte sich mein Spiegelbild in den blauen Überwurf mit dem Silberrand.

Ich wollte gut aussehen, da ich meinem Schicksal gegenübertrat, doch zu mehr hatte es nicht gereicht. Mit einem Säufzer öffnete ich die Tür.

*     *     *     *     *

Es regnete. Das Dorf war wie ausgestorben. Nur aus den großzügigen Butzenfenstern der Herberge fiel goldenes Licht auf die Straßen von Ravengro. Aus den Stallungen drang ein Flüstern an meine Ohren. Nicht viel mehr als ein Wispern in der Dunkelheit. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte: “Wer da?”

Vier Gestalten, unter schwarzen Roben verborgen, schälten sich aus der Finsternis. Die Pferde wieherten verstört auf als die flüsternden Vier auf mich zukamen. Sie gaben keine verständliche Antwort, doch zwischen den aufgebrachten Pferden vernahm ich die Hufe und das rasselnde Zaumzeug eines weiteren Reittiers hinter mir. Ich vergeudete keine Zeit und riss die Tür des Gasthofs auf.

Die Abenteurer waren nicht aufgetaucht. Die vier – oder waren es gar fünf? -unbekannten Reiter aus den Stallungen hatten den Grenzgasthof nicht betreten. Nach einem langen, ereignislosen Abend des Wartens, machte ich mich also wieder auf den Heimweg in den Lachenden Dämon.

*     *     *     *     *

Eine Handvoll Dorfbewohner spielten Türme im Schankraum. Der Wirt Zokar Elkarid brachte gerade einen Humpen Bier und ein Glas Wein an das prasselnde Kaminfeuer. Der ewige Regen machte in diesem Land selbst noch die Sommernächte kalt und unfreundlich. Es kam nicht überraschend, dass die beiden Abenteurer allein am Kamin saßen. Die Leute hier fürchteten Fremde und das Unbekannte, wie der Großteil der einfachen Bevölkerung Ustalavs.

Elkarid hatte gerade mit einem breiten Grinsen meine Bestellung entgegengenommen, da sprang der Zwerg auf. Sein weißer Bart war von grauen Strähnen durchzogen und hüpfte auf seiner Brust als er mit gezogener Axt auf uns zuspurtete. Die Elfin sprach einen Zauber und trug für einen Augenblick einen rot glühenden, durchschimmernden Brustpanzer. Sie nahm ihren Bogen, schlang sich den buntgefiederten Köcher um und huschte ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen an uns vorüber.

Ich wirbelte herum und folgte ihnen in die Nacht hinaus.

Blaue Flammen erfüllten die kühle Luft. Der Zwerg fiel gurgelnd zu Boden, als ihm eine dunkle gehörnte Gestalt einen funkelnden Dolch durch den Bart und die Kehle zog. Die Elfin feuerte einen grün gefiederten Pfeil auf den hinterhältigen Angreifer, doch dieser war bereits auf dem Dach des Nachbarhauses gelandet. Im silbrigen Licht des Mondes sah ich den lauernden Teufel zu einem mächtigen Sprung ansetzen. Sein Oberkörper glich dem eines jungen Mannes mit drahtigen Muskeln, während sein Unterleib die haarigen Beine und gespalteten Hufe einer Ziege aufwies. Haut und Fell des Monsters schimmerten purpurfarben auf, wie in einer Mischung von Blut und Tinte getränkt. Über seinen rot leuchtenden Augen saßen lange, spitze Hörner. Die Elfin legte gerade einen weiteren Pfeil auf die Sehne ihres Bogens, da hatte sie der zischende Teufel schon erreicht. Sie stolperte ob der Wucht des Aufpralls zur Seite, dann umgaben sie blaue Flammen aus dem Maul des Monsters. Der Springende Hans kletterte auf die Brust der gestürzten Frau und stach schrill lachend auf sie ein.

Ich traute mich nicht meine Angst herunterzuschlucken. Lautlos schlüpfte ich zurück in den Lachenden Dämon und schloss die Tür.

*     *     *     *     *

Diese Niederlage konnte mich dennoch nicht von meinem Vorhaben abbringen.
Ich werde die Blutige Spur vom Springenden Hans weiterverfolgen und schwöre mit diesen Zeilen nicht zu ruhen ehe ich die Helden dieses Zeitalter gefunden!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 20. Mai 2013, 23:27:22
28. Rova, 4711AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Die zurückkehrenden Erben Lorrimors verscheuchten mich aus meinem Versteck in der Dachkammer. Am gestrigen Tag hatten sie offensichtlich noch die Freunde des toten Professors, Embreth Daramid in ihrem herrschaftlichen Stadthaus und Montagnie Kroll in der Universität zu Lepidstadt aufgesucht. Genächtigt hatten sie trotz der Mühen des Vortags aber nicht im Leeren Katapult.

Im Schankraum schlugen sich die anderen Gäste mit einem kümmerlichen Morgenmahl aus Haferschleim und trockenem Brot den Bauch voll. Der Bestienprozess war in aller Munde. Die Geschichte war nur so furchtbar enttäuschend. Sie hatte keine Helden. In blinder Zerstörungswut war das Scheusal von Gardisten in der Universität festgesetzt worden. Und dann hatte auch noch Richterin Embreth Daramid die Erben Lorrimors damit beauftragt die Schuld des Monsters zu überprüfen. Sie stellte diese tatsächlich in Frage! Warum? Die Bestie suchte Lepidstadt bereits seit Dekaden heim, erschlug harmlose Männer, erdrosselte Frauen im Schlaf und raubte unschuldige Kinder! Sie hatte es verdient zu brennen! Genau wie ihr gottloser Schöpfer, der die Bestie aus Mördern und Vergewaltigern, aus Orks, Trollen und Schlechterem zusammengefügt hatte.

Aber ich wollte dem Urteilsvermögen der Helden Ravengros Vertrauen schenken, sie bei ihren Untersuchungen begleiten und mir ein eigenes Bild von der Sachlage machen.

*     *     *     *     *

Nebel verbarg den Dippelweihersumpf vor meinen Augen, doch nicht so sein schauriges Gurgeln, ruheloses Brodeln und widerwärtiges Schmatzen vor meinen Ohren. Ich folgte den Erben Lorrimors in sicherem Abstand auf meinem Geisterross, das ich mit der letzten verbliebenen Schriftrolle des Zaubers beschworen hatte.

Wir erreichten den Weiler Morast noch am frühen Vormittag. Zwischen weißen Nebelfetzen standen vermodernde Holzbauten aus den Marschen. Blaue und grüne, gelbe und purpurfarbene Pilze wucherten an Pfeilern, Balken und Sumpfgras gedeckten Dächern. Schmale Planken und ungeschälte Baumstämme verbanden die einzelnen Gebäude, die wie geheimnisvolle Inseln im Dunst trieben.

Die Erben Lorrimors sprachen beim Dorfältesten vor, während ich über die vertäuten Nachen der Fischer weiter in den Sumpf hinaus wandelte. Plötzlich kletterten die drei Damen, gefolgt von drei Sumpfbewohnern aus dem Nebel zu den Booten herab. Ich verbarg mich in einem Haufen Fischernetze, kurz darauf spürte ich wie sich der Nachen in Bewegung setzte.

Als ich aus meinem Versteck lugte näherten wir uns einer bewaldeten Insel. Fetische aus Knochen, Federn und Tierhäuten hingen von den verkrüppelten Ästen toter Bäume und steckten zwischen immergrünen Nadeln. Die Fährmänner aus Morast blieben in den Nachen zurück, während die Abenteurer an Land wateten. Ein elendes Gebrüll durchbrach die trügerische Stille und eine monströse Gestalt erhob sich in den bedeckten Himmel. Sie wurde von ledrigen Schwingen getragen, besaß den geschwollenen Leib einer trächtigen Raubkatze und das Gesicht einer verbitterten Frau. Eine Mantikorin!

Zu der Insel hinübereilend, verbarg ich mich hinter einem moosbedeckten Felsblock. Der Schwanz des Monsters peitschte hervor und ein Schauer tödlicher Stachel regnete auf die drei Frauen hinab. Ich spürte ihre Furcht und stimmte ein altes Schlachtlied der Ulfen an. Die erste Strophe eines langen Heldenepos über einen ihrer berühmtesten Lindwurmkönige, ein Heldenlied das meine Mutter von meinem Vater gelernt hatte und mir vorzusingen pflegte. Es sollte ihnen Kraft und Mut im Kampf verleihen. Ja, und es wirkte! Mit ihrer Magie bezwangen die Drei das Monster.

Jammernd flüchtete es in den Sumpf. Nun erkannte ich den Grabstein vor mir. Das war ein Friedhof. Heiliger Boden, geschützt von den kellidischen Fetischen. Die Frauen teilten sich auf und suchten die ganze Insel ab. Im Nest der Mantikorin fanden sie die Leiche eines Zwergs, gespickt mit den Stacheln des Monsters; im faulenden Wasser der Marschen einen löchrigen Kahn mit grausigem Inhalt; im braunen Sumpfgras an den Ufern der Insel  bargen sie dazu verschiedenste Fundstücke, die hier mit Bestimmtheit nicht hingehörten; nur fanden sie keine eindeutigen Beweise für die Unschuld der Bestie.

Ich machte mich auf den Rückweg nach Lepidstadt. Ohne Reittier würde ich lange nach den drei Damen dort ankommen.

*     *     *     *     *

Wieder gepflasterte Straßen unter meinen Füßen, beschloss ich mich auf die Suche nach den beiden Glaubensmännern zu machen. Die Ermittlungen von Iacobus Antonius Santorio und seinem treuen Schildknappen erschienen mir deutlich vielversprechender. Ich vermutete sie in einem der Gotteshäuser von Lepidstadt. Da sie in Ravengro eng mit der Kirche der Pharasma zusammengearbeitet hatten, um die ruhelosen Geister der Gefangenen von Schreckenfels zu vernichten, begann ich meine Suche an der Grabfülle. Über die Fassade der berühmten Kathedrale der Pharasma galoppierte eine Armee skelettierter Streitrösser, auf ihrem Kurs immer im Aufstieg begriffen, während sie in die ätherische Domäne der Göttin auffuhren. Von den Iomedaner fehlte jede Spur.

Neben der Kathedrale gab es dem Anschein nach keine weiteren ausgemachten Tempel in Lepidstadt, so versank ich erfolglos an einem Schrein der Desna nahe dem Westtor in kurzem Gebet und bat um Glück für meine Suche, bevor ich mich daran machte die Gasthäuser abzugehen. In den Schänken und Tavernen, den Herbergen und Gasthöfen herrschte die Heiterkeit. Noch immer feierte man den Bestienprozess und dessen todsicheren Ausgang.

Erst spät in der Nacht belauschte ich eine Gruppe Studenten im Bronzeschädel wie sie sich über “die zwei Kreuzritter” lustig machten. Einer der jungen Männer hatte einen ganzen Tisch aufgestellt und hielt ihn zur Veranschaulichung seiner Posse wie einen Turmschild zwischen sich und seine Saufkumpane. “Ich hätte ihn ganz umrundet, ehe der Blecheimer auch nur seinen Schild angehoben!”, höhnte er. Sein Publikum prustete mit roten Backen und glasigen Augen, bis der Spassmacher etwas ernster fortfuhr: “Vielleicht statten wir dem Liebespärchen im alten Arodenschrein einfach noch einen Besuch ab und fordern zum Tanz?!” Die anderen Studenten schüttelten beschämt die Köpfe. “Die Nördliche Hafenstraße ist zu so später Stunde voller Diebe und Gesindel. Da haben es Edelmänner, wie wir es sind, schwer mit unserem Sinn für Ehre und einen aufrichtigen Kampf. Lasst uns lieber noch eine Runde bestellen.”

Mit diesem Wissen kehrte ich zuversichtlich in die Herberge und zu meinem Reisetagebuch zurück.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 27. Mai 2013, 22:36:19
29. Rova, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Ich erwachte noch vor der Morgendämmerung aus einem wirren Traum. Bei Sonnenaufgang wandelte ich bereits am Westufer des Kleinen Moutray entlang. Möwen kreischten ihren Hunger in die kalte Morgenluft hinaus; Hafenarbeiter und Fischer verrichteten ihr frühes Tagewerk, sonst waren nur noch Dirnen und Säufer der vergangenen Nacht in den Gassen zu finden.

Kein Wunder, dass ich den Schrein am gestrigen Tag übersehen hatte. Es war eines der wenigen Steingebäude an der Nördlichen Hafenstraße, doch Unkraut verbarg das Gotteshaus vor dem Ahnungslosen. Nur die hohen Ostfenster waren nicht restlos eingeschlagen, während die verdreckten Halbplastiken in den Wandnischen kaum noch als heilige Frauen und Männer zu erkennen waren. Der Rundbogen des Portals war von dicken Efeuranken überwuchert, die Türflügel standen aber einladend offen.

Zunächst hielt ich es für ein frühes Bildnis Iomedaes, doch der Schrein war dafür viel zu alt. Die Westwand wurde demnach von einem verblassenden Wandgemälde geziert das Arazni, die Schutzheilige der Ritter von Ozem und die gefallene Heroldin des Aroden, zeigte. Sie war 3823 AK von Tar-Baphon aufs ärgste gepeinigt und niedergestreckt worden; ihre heiligen Gebeine 3890 AK aus der Zitadelle des Ritterordens vom Geisterkönig Geb geraubt. Das Schicksal der Halbgöttin war dennoch nur eine von unzähligen Tragödien die der Wispernde Tyrann heraufbeschworen hatte.

Im rot gesprenkelten honigfarbenen Licht der bemalten Glasfenster knieten zwei Männer in den weißen Waffenröcken der Ritter von Ozem. Auf ihre Langschwerter gestützt, beteten sie zu Arodens Erbin Iomedae. Sie erhoben sich und bezogen im leergefegten Altarraum Stellung. Mit einer rituellen Begrüßung weihten sie das folgende Duell ihrer Göttin.

“Die Gästehäuser der Stadt haben in den vergangenen Wochen keine verdächtigen Personen aufgenommen.”, stellte Santorio fest und griff seinen Gefährten mit einem vertikalen Schnitt von der linken Hüfte zur rechten Wange an. Der Hieb hätte seinem Glaubensbruder diagonal den Bauch aufgeschlitzt, doch dieser war besonnen einen Schritt zurückgewichen. “Wir haben aber auch die Kultstätten böser Götter vergebens gesucht, mein Herr.”, antwortete Balduan kombiniert mit einem horizontalen Schnitt nach des anderen Kopf. Die Männer tauschten wenige Schwerthiebe aus, dass der Raum vom Gesang ihrer Klingen erfüllt war. Wieder kreuzten sie die Schwerter und wirbelten durch die Kapelle. “Heute sollten wir uns daran machen die Professoren und Studenten von Nekromantie und Totenbeschwörung an der Universität zu befragen.”, schlug Santorio schließlich vor. Der Schildknappe warf ihn mit einem beherzten Stoß in die Mitte des Altarraums, triumphierend zielte er mit der Schwertspitze auf das ungeschützte Gesicht seines kauernden Gegners. “Ein guter Vorschlag, mein Herr. Doch dieser Kampf scheint für Euch verloren!”

“Die Dinge sind nicht immer so wie sie erscheinen mögen, Balduan.”, belehrte Santorio seinen Untergebenen. Der Blick des Ritters fiel auf das eigene Schwert hinunter das bedrohlich auf des Schildknappen Herzen zeigte. Mit einem Lächeln zog sich der blonde Jüngling zurück. “Ich danke Euch für diese Lehrstunde, mein Herr.”
“Und ich für die exzellente Übung.”

*     *     *     *     *

Die Universität zu Lepidstadt war ein beeindruckendes Bauwerk im Süden der Stadt. Studenten, Professoren und andere Gelehrte waren auf dem ganzen Gelände verteilt. Sie frönten hitzigen Debatten, Diskussionen und Streitgesprächen. Nur die Spitzhüte und kristallbesetzten Stecken von Zauberkundigen suchten wir vergebens. Hier hatte man sich den “Weltlichen Wissenschaften” verschrieben. Wir begannen in der Fakultät für Anatomie und Medizin, wurden aber bald an die Fakultät für Altertumskunde verwiesen: “Dort beschäftigt man sich mit so esoterischen Dingen wie dem Spindelstein, Hexenfelsen und den arkanen Traditionen von Thassilon, Koloran und Geb.”

Em Ende eines langen Tages hatten wir herausgefunden, dass es tatsächlich die Alchemisten waren, die arkane Magie mit den weltlicheren Naturwissenschaften zu einer eigenständigen, mächtigen Disziplin verquickten. Mit Ölen sollte es manchen von ihnen sogar möglich sein die Toten zurückzuholen. An dieser Stelle wäre es sicher von Vorteil gewesen Stralicia zur Hand gehabt zu haben. Von den Akademikern an der Universität wollte jedenfalls niemand etwas über flüsternde Kultisten des Untodes gehört haben. “Und wenn, bedürfen solche Subjekte ohnehin der Unterstützung freischaffender Alchemisten, als Zulieferer ihrer finsteren Zunft. Die strenge Buchführung dieser Anstalt wäre eine zu große Hürde für solch’ schändliche Machenschaften.”

Die Glaubensbrüder beschlossen morgen alle Laboratorien und Werkstätten, jede Apotheke und Giftküche in ganz Lepidstadts aufzusuchen und nicht eher Ruhe zu geben ehe sie dem Wispernden Pfad wieder auf die Spur gekommen waren.

*     *     *     *     *

Wie ich am Tag zuvor, entdeckte Bock mein Reisetagebuch nicht sogleich. Die Erben Lorrimors hatten die Bücher mit der Truhe an Doktor Kroll und Richterin Daramid übergeben, die Chronik ihrer eigenen Taten daraufhin sorglos in den Taubendreck gelegt. Der Tiefling blätterte in meinen Aufzeichnung und polierte dabei gedankenversunken die Silberbroschen der Helden von Ravengro. Immer wieder hielt er inne und hob die silbernen Raben in das helle Mondlicht der sternenklaren Nacht. Als er mit ihrem Glanz zufrieden war, ließ er die prächtig glitzernden Vögel mit seiner zittrigen Stimme krächzen und bewunderte ihren Flug durch die staubige Luft der Dachkammer in seiner eigenen schmutzigen Hand. “Die Silbernen Raben”, murmelte er schließlich, legte die Abzeichen an ihren neuen Platz auf die Fußpfette zurück, nur um sich nun ganz dem Studium meines Reisetagebuches zu widmen.

Doch was hatte er da getan? Der kleine Bursche hatte den Helden von Ravengro soeben einen Namen gegeben!

Bock fand meinen zweiten Eintrag. Wieder las er laut mit, als sein schwarzer Finger über meine Worte fuhr. Und wieder trug mich seine Stimme in die Vergangenheit…
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 16. September 2013, 23:45:14
Nach einer unangenehmen Pause, zu der ich dort (http://tintenteufel.wordpress.com/2013/08/18/zuruck-zu-den-wurzeln/) mehr niedergeschrieben habe, geht es jetzt auch hier wieder weiter.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 16. September 2013, 23:48:29
16. Arodus, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft Kanterwall


Ich erwachte in völliger Dunkelheit. Es musste weit nach Mitternacht sein. Irgendwie stolperte ich schlaftrunken aus der Dachkammer und stieg die enge, verwinkelte Treppe in den Schankraum hinab. Das Kaminfeuer war zu einem glimmenden Haufen Kohle herabgebrannt und die Stühle auf den Tischen verstaut. Der Wirt und sein Junge waren bereits zu Bett gegangen. Ganz allein wankte ich also hinter den Tresen, um mich selbst zu bedienen.


Eines der hohen schlanken Gläser, in denen Elkarid seine Flüssigen Geister ausschenkte, wartete unberührt darauf gefüllt zu werden. Mittlerweile hatten sich meine Augen vollkommen an die Dunkelheit gewöhnt. Der Reihe nach ging ich die Etikettes an den Fässern durch. Als ich gefunden hatte, wonach mich dürstete, griff ich nach dem Glas. Meine Finger bekamen jedoch nichts zu fassen.

Wieder und wieder versuchte ich das Glas zu erwischen, doch mein Blick verschwamm und meine Hände fuhren einfach durch die wabernde Form des Glases hindurch. Offenbar hatte ich ohnehin schon genug gehabt. Ich stieg wieder die Treppe in die Dachkammer hinauf.

Als ich an dem alten Silberspiegel vorüberging machte ich eine erschreckende Entdeckung:

Avanil Sternentänzer trug noch immer die rote Samtweste mit den goldenen Drachenlöwen über dem weißen Hemd, den dunklen Umhang und die waldgrünen Kniestiefel. An seiner Hüfte baumelte auch noch immer das schlanke Rapier. Nur sein platinfarbenes Haar war der Lederschnur teilweise entkommen. Mit nachtblauen Augen musterte er sein Spiegelbild. Entsetzen und maßlose Verzweiflung waren im Gesicht des Halbelfen zu erkennen, denn durch seine ganze Gestalt fiel silberner Mondschein auf den Spiegel. Die Farben an ihm selbst waren verblasst und die Umrisse schemenhaft. Eine Geistererscheinung.

Was war geschehen? Mit einem kurzen, elfischen Vers zauberte ich Licht in dieses Dunkel. Da zuckte ich schon zusammen, entdeckte ich doch meinen leblosen Körper am Schreibpult. Über den Aufzeichnungen in meinem Reisetagebuch eingesunken. Aus meinem geöffneten Munde hatte sich – mittlerweile eingetrockneter – Schaum über den Tisch ergossen. Neben meiner weißen Hand der umgestoßene, schwarz angelaufene Pokal, aus dem ich meinen Wein zu trinken pflegte. Der Wein geronnen, wie Blut auf einem Pergamentbogen. Vergiftet? Hatte man mich tatsächlich vergiftet und damit zum Gespenst verdammt, zur ruhelosen Seele zwischen den Welten?

Aber wer? Und weshalb? Wem hatte ich so Unrecht getan?
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 24. September 2013, 12:33:18
30. Rova, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Die Alchemisten von Lepidstadt gingen ihrem Handwerk im Südosten der Stadt nach. Dämpfe in den giftigsten Farben krochen aus geschwärzten Schornsteinen und quollen aus den verdreckten Fenstern ihrer Arbeitsstätten und Geschäfte, sie krochen durch die Seitengassen der Südlichen Hafenstraße wie der grünliche Nebel durch den weiten Dippelweihersumpf.

Unter grauen Umhängen verborgen, trugen die Glaubensmänner Iacobus und Balduan noch immer den weißen Waffenrock der Ritter von Ozem. Sie bewegten sich so entschlossen durch die verpestete Luft wie Kreuzfahrer auf heiliger Mission durch Feindesland marschieren. Der Ritter übernahm die Befragung der Alchemisten und ihrer Gesellen, der Schildknappe deckte den Rücken des Ermittlers. Sollte der Wispernde Pfad die Operation in Ravengro aus einer Zelle in Lepidstadt geplant haben, lauerte in den farbigen Nebelschwaden der Tod oder schlimmeres. Bei diesen Gedanken fragte ich mich selbst wieder, warum sie den Geist Lyvar Falkrans entführt hatten? Was bezweckten diese Wahnsinnigen mit der Seele des Gefängnisdirektors? Gehörten die Dunklen Reiter in jener Nacht dem Wispernden Pfad an? Fühlten sie sich von mir ertappt, bedroht? Waren sie meine Mörder? Fesselten die von ihnen freigesetzten nekromantischen Energien meine Seele an diese Welt?

*     *     *     *     *

Gegen Mittag hatte ich auf meine Fragen keine Antwort gefunden, Iacobus und Balduan waren aber sämtliche Apotheken und Läden abgegangen, in denen alchemistische Gegenstände veräussert wurden. Nach einer einfachen Mahlzeit mit reichlich Knoblauchsoße am Stand eines Fischhändlers – Pavels Imbiss – machten sie sich daran die Produktionsstätten aufzusuchen. Ohne Zeugen oder andere Hinweise gefunden zu haben, blieb am frühen Abend nur noch eine Adresse offen: Vorkstags & Greins Alchemistische Werkstatt.

Vor dem verschlossenen Tor der kleinen Manufaktur trafen wir auf fünf bekannte Gesichter: Runa Corvijn, Tira Krähenfuß, Stralicia Mancini, Bestimotor von Simmelwitz und Pami. Die eigenen Ermittlungen hatten die Erben Lorrimors zu Vorkstag & Grein geführt und so waren die Silbernen Raben wieder vereint.

Kurze Zeit nachdem sie den Gnom Grein persönlich an das Tor gelockt hatten, war es ihnen bereits wieder vor der Nase zugeschlagen worden. Während der treue Schildknappe Balduan zur Stadtwache unterwegs war, machten sich die weniger gesetzesfürchtigen Raben daran sich selbst Zugang zu der Alchemistenwerkstatt zu verschaffen.

Im Vorhof des Gebäudes entbrannte ein erbitterter Kampf mit einem grässlichen Wesen aus künstlich gefügten Sehnen und Muskeln unter einem löchrigen Flickenwerk aus rissiger Haut. Das unheilige Fleisch war auf ein Knochenskelett gespannt das entfernt an einen Hund oder Wolf erinnerte. Nach heftigem Schlagabtausch zertrennte Pami letztendlich mit roher Gewalt die Nähte und magischen Ströme die das unheilige Geschöpf zusammengehalten hatten.

Die Raben brachen die Türen zu den Werkräumen auf und stießen mit weiteren befremdlichen Wesen zusammen. Es handelte sich um die humanoiden Handlanger der Alchemisten, doch keine Menschen, Elfen oder Zwerge, aber auch keine Orks oder Goblins. Sie besaßen die Merkmale verschiedenster Völker zugleich! In ihnen vereinten sich unzählige Eigenheiten haarige Affenarme mit geschuppten Echsenbeinen, listige Schlangenaugen mit gekrümmten Vogelschnäbeln, und viele andere unpassendere Paarungen. Sie brüllten und bellten, krakelten und krächzten, als die Raben auf sie losgingen.

Es gelang den seltsamen Arbeitern jedoch den Ansturm der Abenteurer abzuwehren. Sie verbarrikadierten sich in der Werkhalle, bis ihre gellenden Todesschreie aus dem Gebäude drangen.

Die Raben wagten sich hinein. Ich blieb in den Schatten des Vorhofs verborgen.

In meiner Furcht versunken, hatte ich die Zeit völlig vergessen. Ich Tor! Was hatte ich überhaupt noch zu fürchten? Erst als eine Tür über den Stallungen aufgeschoben wurde kam ich wieder zu mir. Aus der Dunkelheit stürzte die Gestalt eines Kindes. Bock? Nein, wir waren nicht in der Herberge. Grein, ich vermutete dass es sich um den Gnom gehandelt haben musste.

Schnell schwebte ich über die reglose Gestalt, da folgte dem kleinen Mann bereits Balduan mit gezogenem Schwert. Der Schildknappe landete heftig auf dem Alchemisten und hatte Pharasma ihre Seelenbegleiter noch nicht ausgesandt, so waren sie nun sicher auf dem Weg. Die Dunkelheit vermochte es nicht meinen Blick zu täuschen, so nahm ich ein seltsames Flackern in den Gesichtszügen des Toten wahr.

Die Illusionsmagie verblasste und die graue Haut von “Grein” zerfloss in eine Pfütze aus Schatten. Nur noch seine schwarzen Gebeine lagen auf dem Dreck des Innenhofes. Das waren nicht die Überreste eines Gnoms! Sie mochten der Ersten Welt entsprungen sein, an der Bleiche leiden, aber nie zuvor habe ich gehört, dass sich Gnome nach dem Tode einfach so aufgelöst haben. Es musste sich bei “Grein” höchstenfalls um eine artverwandte Kreatur gehandelt haben!

Derro, die verhassten Gnome der Finsterlande – nicht zu verwechseln mit den Svirfneblin – waren meine erste Idee. Im bläulichen Schein giftiger Pilze hausten sie tief unter den Ansiedlungen von Menschen, Elfen und Zwergen. In der Dunkelheit der Nacht wagten sie sich aus ihren Löchern empor und stahlen die friedlicheren Bewohner der Oberfläche, nur um sie grausamen Experimenten zu unterziehen. Manche der Unglücklichen durften in das Licht der Sonne zurückkehren, doch sie waren nicht mehr dieselben. Gebrochen und verdreht, war ihr Geist verloren.

Ich erinnerte mich an einen ganz bestimmten Bericht von einem Kampf gegen die gnomenhaften Monster. Zanovia Tabu, eine varisische Abenteurerin, hatte unter dem Friedhof von Korvosa gegen die Derro gekämpft. Sie selbst hatte ihre wahnsinnigen Widersacher nicht erkannt, ihre Beschreibungen ließen aber keinen Zweifel zu.

Die Aufzeichnungen der Korvosianerin waren mit den anderen Errungenschaften meiner Karriere gut unter den Sachen der Wahrsagerin versteckt. Sogleich machte ich mich auf den Weg zum Lager der Verwachsenen, um sie zu studieren.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 30. September 2013, 23:26:28
An dieser Stelle Stelle studiert der geisterhafte Chronist die Aufzeichnungen von Zanovia Tabuu die damals in diesem Story Hour-Beitrag (http://forum.dnd-gate.de/index.php/topic,18344.msg367133.html#msg367133) festgehalten wurden. Aus verschiedenen Gründen konnten wir die Kampagne nicht weiterspielen. daher wurden leider auch die Aufzeichnungen eingestellt.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 30. September 2013, 23:29:53
1. Lamashan 4711 AK,
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Die Nacht hatte ich mit unsinnigen Nachforschungen verschwendet. Als der Morgen anbrach, war ich mir wenigstens sicher, dass “Grein” kein Derro gewesen ist. Im zarten Licht des jungen Tages begab ich mich dann zum Gerichtsgebäude – wie wohl die meisten Leute in Lepidstadt.

Obwohl es noch so früh war, hatte ich Schwierigkeiten unbemerkt in das eindrucksvolle Gebäude zu gelangen. Auf dem Hauptplatz, in dessen Zentrum bedrohlich der Funkenmann auf den Urteilsspruch des Bestienprozesses wartete, hatte sich eine murrende Menschenmasse eingefunden. Im Gerichtssaal selbst sicherte die Priesterschaft Pharasmas mit der Macht ihrer Göttin den unabhängigen Ablauf der Verhandlung. Für einen untoten Geist war es demnach nicht einfach dem letzten Prozesstag beizuwohnen.

Bei meinen gescheiterten Eindringungsversuchen konnte ich allerdings die Wachen und anderen Besucher der Gerichtsverhandlung belauschen und erfuhr was noch alles in der vergangenen Nacht geschehen war:
Die Hälfte der Silbernen Raben hatte offensichtlich im Kerker übernachtet, “nachdem sie die ehrenwehrten Alchemisten Vorkstag und Grein überfallen hatten”. Zwei der “entwischten Unruhestifter” – der Beschreibung nach Runa Corvijn und Antonius Iacobus Santorio – hatten währenddessen das Gerichtsgebäude vor dem wütenden Pöbel verteidigt und damit die Bestie von Lepidstadt vor der Lynchjustiz bewahrt.

Die Gerichtsverhandlung war bereits in vollem Gange, da hatte ich es endlich geschafft in der hohen Kuppel über der Richtbank, ironischerweise zwischen Heiligenbildnissen, einen Platz zu ergattern den die göttliche Magie Pharasmas nicht für Meinesgleichen gebannt hatte.

So wurde ich an diesem Tag doch noch Zeuge wie die Raben Stück für Stück, mit schlichter Beweisführung und Schlussfolgerung, die wahren Täter der Verbrechen derer die Bestie beschuldigt wurde enthüllten und damit mein Verständnis von Heldentum unwiderruflich umstießen.

Seitdem wir Lepidstadt erreicht hatten, glaubte ich unverrückbar an die Schuld des grauenerregenden Hünen, der an allen Straßenecken und Stadtplätzen, in allen Schankräumen und Gassen als blutrünstiger Räuber und Mörder verflucht wurde. Die Erben Lorrimors hatten dem Scheusal einen Namen gegeben, durch “Watzkos”unmenschliche Fratze hindurchgeblickt und unvoreingenommen ermittelt. Auf der Suche nach Heldentaten hatte ich mich nur an die beiden Glaubensbrüder gehängt und auf eine reisserische Begegnung mit den Dunklen Reitern gehofft.

Die Besite von Lepidstadt – Watzko – wurde freigesprochen. Der Pöbel war entsetzt, doch ich war den Silbernen Raben für die heutige Lektion wahrhaft dankbar.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 08. Oktober 2013, 22:40:49
3. Lamashan 4711 AK,
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Nachdem Bestimotor von Simmelwitz und Runa Corvijn am Vortag beim Mittagessen in der Herberge Zum Leeren Katapult in blinde Fresswut verfallen sind, haben sie die anderen Raben in die Kathedrale gebracht. Wieder war es die Priesterschaft Pharasmas die mich daran hinderte den Abenteurern zu folgen. Ihre Magie durchdrang das Gebäude und schützte es vor uns Untoten. Kam ich Grabfülle zu nah, vernahm ich die Schlachtgesänge der Totenarmee, deren skelettierte Streitrösser über die Fassade hinauf in die ätherische Domäne der Göttin preschten. Die Positive Energie zerrte an mir und drohte mich zu verschlingen.

Es waren drei der schwarz gerobten Akolythen die mir unwissentlich den schrecklichen Befund verrieten: Ghulfieber. Der Gnom vertraute offensichtlich auf die weltliche Heilung, während Runa die Macht Pharasmas empfangen hatte. Die drei waren sich sicher, dass nur göttliche Magie diese Krankheit heilen und Linderung verschaffen konnte.

Wenig später schwebte Runa förmlich die ausgetretenen Stufen zum Hauptportal der Kathedrale herab. Ihr schneeweißes Haar strahlte im Licht der Sonne und ihr Gesicht hatte seine gesunde Farbe wieder. Sie glich einem Engel. Die Akolythen blickten völlig bezaubert zu der Abenteurerin auf und teilten ihre Bedenken mit der Mystikerin. Sie beschwichtigte die drei mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen und machte sich auf den Rückweg zur Herberge.

Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und folgte ihr.

*     *     *     *     *

Die Raben hatten mir eine Lehre erteilt, also entschloss ich mich dazu ihrem Gespür zu vertrauen. Ich begleitete die Abenteurer zum Fluss, um von ihren Taten berichten zu können. Sie hatten sich scheinbar vorgenommen den Kleinen Moutray für Lepidstadt und seine Alchemistengilde von den Schlicken zu befreien, die sich aus den Überresten von Experimenten über die Jahre hinweg gebildet hatten.

Nach Stunden des Wartens und der Spurensuche in engen verdreckten Gassen, auf morschen Stegen und zwischen stickenden Fischabfällen, hatten die Abenteurer Aale und Ratten bekämpft. Die “schleimigen Schrecken” waren wohl doch nicht so schrecklich gefährlich und allgegenwärtig wie die Stadtväter befürchteten.

Dann entdeckten die Raben doch noch die klebrigen Überreste von Schlicken. Sie trieben die widerlichen Dinger in einem Fass mit Fischinnereien auf und machten mit Magie und Waffengewalt kurzen Prozess. Diese unappetitliche Jagd dauerte noch den gesamten Nachmittag an. Bei Sonnenuntergang hatten sie dann endlich genug Schleim abgefüllt um die Bürger von Lepidstadt zu beruhigen und der Alchemistengilde die Belohnung zu entlocken.

Und da waren sie wieder: diese verdammten Zweifel. Würde ich je Erlösung finden? Durch die Niederschrift solcher “Heldentaten”?
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 14. Oktober 2013, 18:20:34
4. Lamashan 4711 AK,
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Der Hohepriester Kidaimoikis vermutete in der Rüstkammer am Westtor einen Grabesritter. Er befürchtete, dass die Soldaten ihn unwissentlich von den Schlachtfeldern zwischen den Feuerschaugipfeln und Raschka-Tor nach Lepidstadt getragen haben. Ein Grabesritter wäre in der Tat ein mächtiger Untoter gewesen – der unbeugsame Geist eines blutrünstigen Feldherrn dessen Kampfeslust ihn nicht zur Ruhe kommen ließ, sondern in seiner Rüstung an diese Welt kettete.

Den erfolgreichen Geisterjägern galt eine kostbare Belohnung, denn die Kirche Pharasmas versprach ein Bildnis der Verwalterin des Skein. Hierbei handelte es sich um eine Statuette, die einen Toten, dessen Seele Pharasmas Beinacker noch nicht erreicht hatte, wieder zum Leben erwecken konnte. Balduan Tarrt, Runa Corvijn und Stralicia Mancini folgten diesem Hilferuf des Hohepriesters ans Westtor.

*     *     *     *     *

Wir betraten ein niedriges Gewölbe. Staubige abgestandene Luft erfüllte die Rüstkammer. Vier gewaltige Plattenpanzer wurden im ersten Raum aufbewahrt. Es musste sich um die Rüstungen von Ogern oder Trollen gehandelt haben, aber mit Gewissheit nicht um die von Menschen. Einer der vier Haufen Metall erwachte zu unheiligem Leben. In der Dunkelheit hinter dem monströsen Visier leuchteten zwei rote Punkte auf, während zwischen den einzelnen Platten ein kränkliches grünes Licht zu sehen war.

Der Schildknappe machte einen beherzten Sturmangriff mit gezogenem Langschwert. Laut scheppernd streifte die Klinge den Brustpanzer. Orange Funken sprühten. Es folgte ein heftiger Schlagabtausch zwischen den schwer gepanzerten Gegnern; dann mischte sich auch Stralicia in das Kampfgeschehen ein. Sie sprengte mit einer ihrer Bomben den linken Arm der Geisterrüstung in den angrenzenden Raum.

Ich wagte einen Blick in das Gewölbe und sah neun weitere Rüstungen. Hier besaß nur ein einzelner Harnisch die Größe für Riesen. Lange stacheln ragten von den Metallplatten hervor und versprachen Schmerzen für jeden Angreifer seines Trägers. Geschwungene Hörner am Helm und dazu ein Visier mit Dämonenfratze erweckten den Eindruck einem wahren Scheusal gegenüberzustehen. Die anderen acht Rüstungen waren zwar für mächtige Männer geschmiedet worden, doch für Menschen oder wahrscheinlicher für Orks.

Balduan wütete noch im Vorraum, als sich in der Hauptkammer bereits die nächsten Gegner rührten. Der Schildknappe fegte noch die leblosen Panzer um und verteilte sie lautstark im ganzen Gewölbe. Ein erster Pfeil fauchte durch die staubige Luft. Zwei Geisterrüstungen nahmen die Abenteurer unter Beschuss. Die Alchemistin hielt sie mit weiteren Bomben in Schach, während die grauenvolle Dämonenzunge Runas erklang. Mit finsteren Worten bündelte die Mystikerin Sarenraes Macht Untote mit heiligem Licht zu verbrennen.

Plötzlich glitt der Dämonenhelm von den Schultern des stachelbewehrten Harnischs. Er schoss auf Balduan zu, der gerade die Rüstkammer betreten hatte. Die spitzen Hörner drohten den Schildknappen aufzuspießen, doch eine Bombe von Stralicia zersprengte den Helm zu einer Hand voll harmloser Metallteile. Mit Schwert, Alchemie und göttlicher Macht zerstörten die Raben vier weitere Geisterrüstungen.

Plötzlich sprangen die Türflügel zu einer dritten Kammer aus den Angeln. Ein untoter Reiter stürmte in die verwüstete Rüstkammer. Der “Reiter” war der Harnisch eines orkischen Feldherrn in dessen Innerem ebenso geisterhaftes Licht wie in den Rüstungen zuvor glühte. Sein “Reittier” war der Panzer für einen riesigen Wolf, auch in ihm erkannte ich die negative Energie des Untods. War das der gefürchtete Grabesritter?

Goldenes Licht umhüllte die Klinge des Schildknappen als er sich den beiden Rüstungen entgegenstellte. Er brüllte: “Für die Erbin!” und stürzte sich in den nächsten Kampf. Zu dem Schlachtruf des Knappen mischten sich die widerlichen Worte der Mystikerin und ich wurde von den heiligen Flammen Sarenraes umgeben. Kurze Zeit später sah ich den “Grabesritter” fallen, dann floh ich enttäuscht aus diesem Inferno positiver Energie.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 21. Oktober 2013, 23:44:52
5. Lamashan, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Bestimotor hatte den Tag mit Nachforschungen verbracht. Ich hatte die anderen Raben zu Samsaras Töchter, einer exquisiten Schneiderei im Süden der Stadt begleitet. Danach hatten sie sich getrennt. Balduan und Iacobus waren in den verfallenen Schrein zurückgekehrt. Tira war im Lager der Verwachsenen mit Kendra Lorrimor, der varisianischen Turmdeuterin und der Alten Ulloka, einer örtlichen Hexe, verabredet gewesen. Ich folgte Stralicia zurück in die Herberger Zum Leeren Katapult.

Rechtzeitig zum Abendessen kamen auch Besmo und Pami dort an. Die bleiche Begleiterin des Gnoms saß den ganzen Abend wie immer still an seiner Seite. Unter den grauen Fetzen ihrer Reiserobe erkannten die ahnungslosen Gäste des Katapults ihre externare Herkunft nicht. Was vermutlich auch besser so war. Der Bestienprozess war Aufregung genug! Besmo und Stralicia hingegen scherzten und tranken mit den anderen Gästen. Sie kamen sogar mit der wortkargen Wirtin ins Gespräch. Bock war verschwunden. Die alte Jungfer schwitzte in ihrem engen Ledermieder wie ein Spanferkel über der Flamme. Unentwegt schimpfte sie über die Unzuverlässigkeit des Jungen und jammerte ob ihrer misslichen Lage.

Stralicia legte eine Schürze um und sprang für den Burschen ein. Sie verdiente sich ein schlechtes Abendessen und eine Flasche sauren Wein. Bestimotor spielte unterdessen Karten – Das Spiel der Türme. Der Gnom hatte auf dem Tisch platz genommen, damit er seinen Gegnern auch in die Augen sehen konnte; doch auch er hatte an diesem Abend nicht viel gewonnen. Nachdem Stralicia die Tische abgewischt und die Stühle hochgestellt hatte um den Boden zu säubern, löste sich auch diese kleine hartnäckige Runde auf. Als sie mit ihrer Arbeit fertig war, stiegen die drei Raben enge ächzende Treppe hinauf.

*     *     *     *     *

Die Dachkammer war in schwarze Schatten gehüllt. Ich konnte jedoch die zierliche Gestalt von Bock inmitten der Nachtlager erkennen, als wäre es hellichter Tag. Er war nur mehr ein dunkler Schemen dessen Augen feurig glühten. Pami hatte den Jungen ebenso bemerkt, während Besmo und Stralicia sich noch über den “miesen Abendfraß” ausließen. Bock stürzte sich zornig auf die Abenteurer, da bemerkte ich den toten Körper des Jungen. Er lag neben den silbernen Abzeichen der Raben.

Pamis übernatürlichen Krallen und Hörner brauchten nicht lang um den körperlosen Todesalb zu zerreißen. Der Untote brüllte noch wütend und verzweifelt im Kampf um seine unberechtigte Existenz, da erfüllte ein ohrenbetäubendes Summen die Dachkammer. Mir war als hätten wir uns in ein Hornissennest verirrt und der gesamte Staat war plötzlich erwacht uns willkommen zu heißen. Es war kein angenehmes Gefühl. Obwohl mir die Stacheln weltlicher Hornissen nichts mehr anhaben konnten, befürchtete ich das Schlimmste.

Und meine Furcht war begründet. Aus dem Dachstuhl stieg ein weiterer Todesalb herab. Er besaß die Gestalt eines weiten, schattenhaften Mantels mit Kapuze. In der Finsternis des Schemens starrten mich unzählige glühende Augenpaare bedrohlich an, bis ich still und leise aus der Dachkammer schwebte. Ich konnte den drei Raben nicht mehr helfen! Ich wollte kein Teil dieses unheilvollen Schwarms werden! Ich musste mein Schicksal erfüllen, wollte ich diesem traurigen Dasein als Geist entkommen!

Der Namensgeber meiner Silbernen Raben war tot. Pami hatte den Jungen von seinem Untod erlöst, doch würden die drei gegen den eigentlich Mörder, gegen diesen schrecklichen Todesalb bestehen können?
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 28. Oktober 2013, 16:22:03
6. Lamashan, 4711 AK
Dippelweihersumpf, Pfalzgrafschaft Vieland


Weißer Reif bedeckte den Dippelweihersumpf, der einen starken Gegensatz zum dunklen Wasser zwischen den Mooshügeln und verrottenden Bäumen bildete. Langsam breitete sich der riesige Schatten einer Gewitterwolke über der schwarzweiß gefleckten Landschaft aus. Plötzlich peitschten heftige Regenschauer auf die Marschen hernieder und grelle Blitze zuckten geräuschvoll aus dem verfinsterten Himmel herab, gefolgt von ohrenbetäubendem Donnerschlag.

Die Eiskristalle des Raureifs spritzten auseinander, saugten sich mit Regenwasser voll und verwandelten sich in eine graue, brodelnde Suppe. Hinter den Regenschleiern erhoben sich rund um die durchnässten Abenteurer unförmige, menschenähnliche Gestalten aus dem aufgewühlten Sumpf. Ihre Körper waren in dichte Flechten gehüllt, von denen noch der Schlamm und das eiskalte Wasser triefte, als sie sich unerwartet schnell auf die Reisenden zu bewegten.

Die enormen Angreifer trieben die verängstigten Reittiere der Silbernen Raben mühelos auseinander. Ihnen schien das unwirtliche Wetter nichts auszumachen. Im Gegenteil: Blitz und Donner steigerten ihre Kampfeslust! Hatten die Klingen der Glaubensbrüder oder die Klauen der Blassen Dame ihre Körper aus moderndem Moos und Schlingpflanzen verwundet, schloss die knisternde Energie des Unwetters diese Wunden wieder.

Dann war alles vorüber: der Sturm weitergezogen; die Raben zerstreut. Es herrschte eine gespenstige Ruhe, bis eine Nachtschwalbe am Wegesrand ihre Stimme erhob. Mit onyxschwarzen Augen sah der Vogel zu wie sich Bestimotor von Simmelwitz, Stralicia Mancini und Runa Crovijn schmatzend aus dem Schlamm zogen. Pami war von den überwucherten Hünen auf ihre Heimatebene gebannt worden; von Tira Krähenfuß und den beiden Glaubensbrüdern fehlte jede Spur.

Zum Gesang der Nachtschwalbe mischten sich nun die verzweifelten Laute von Zimtstern. Besmo hatte das treue Pony einst von Brienda erhalten. Die winzige Schankmaid hätte dem Gnom ihr Herz geschenkt, doch der Bücherwurm hatte sich für das Kleinpferd entschieden. Jetzt steckte das gutmütige Ding bis zur Brust im Treibsand unweit der Raben. Es befand sich im aussichtslosen Kampf gegen den Dippelweihersumpf.

Einer der modernden Schlurfer bewegte sich grobschlächtig auf die beiden Frauen zu. Stralicia zerrte noch an ihrem linken Bein, mit dem sie in einem morschen Baumstamm eingebrochen war, während Runa versuchte sich von ihrem leblosen Reittier Sturmwind zu befreien. Besmo hingegen kämpfte einzig und allein gegen den Sog des für ihn knietiefen Schlamms.

Da schlug ein letzter Blitz ein. Er traf den grünen Hünen nur wenige Fuß vor den Raben. Das Untier brüllte auf und beschleunigte zu einem wilden Ansturm. Gelbe Stromstöße zuckten dabei laut knisternd über seinen mächtigen Leib.

Es entbrannte ein wilder Kampf zwischen den Reisenden und dem Sumpfbewohner. Die Helden von Ravengro trugen jedoch den Sieg davon. Das Pony war in der Zwischenzeit von den Marschen beinahe verschluckt worden. Entschlossen zog der Gnom eine Elfenbeinschnitzerei hervor. Er beschwor ein geisterhaftes, zotteliges Geschöpf aus dem hohen Norden das Zimtstern mit seinem Rüssel aus dem Treibsand zog.

Besmo reinigte mit Stralicia noch das tapfere Kleinpferd, da vernahm ich das Schluchzen von Runa. Sie kniete über Sturmwind, dem eigenen Ross das totenstill auf der Straße lag.
“Komm.”, riss sie die Varisianerin aus ihrer Trauer. “Jetzt finden wir erst Mal die beiden Strahlemänner und Tira!”, versprach Stralicia.
Sie konnte ihr Versprechen nicht halten. Nach stundenlanger Suche zogen die drei Raben ab.

*     *     *     *     *

Die Abenteurer waren längst verschwunden, als ich meinen Blick noch über den Sumpf links und rechts der Straße schweifen ließ. Nebel kroch aus dem gurgelnden Wasser empor, während blubbernde Luftblasen entweichende Faulgase verrieten. Der schrille Schrei einer Krähe riss mich aus meiner Versunkenheit. Zwei der schwarzen Vögel kämpften mit einem Raben um etwas im Sumpfwasser. Eine Hand voll Federn schwebte noch durch die nebelverhangene Luft, als ich den dunklen Haarschopf von Tira zwischen gebrochenen, gelbbraunen Schilfhalmen entdeckte.

Nun erkannte ich auch in dem siegreichen Einzelkämpfer Corvus, den Vertrauten der Hexe. Er zerrte mit Klauen und Schnabel am Kragen seiner Meisterin und versuchte sie aus dem kalten Nass zu ziehen. Ich beschloss den Guten mit etwas Magie zu unterstützen.

Anschließend begann ich neben dem schlotternden Halbblut Feuerholz zu stapeln. Ihre blasse Haut war marmoriert, ihre Lippen blau angelaufen und ihr schwarzes Haar bereits angefroren. Es war nicht an mir sie sterben zu lassen. Viele Helden haben Unterstützung durch Götter und andere höhere Wesen erfahren. Warum sollte ich dann nicht Tira Krähenfuß vor den schwarz gefiederten Aasfressern retten? Die Hexe hatte einen so jämmerlichen Tod einfach nicht verdient. Auch wenn ich kein Erzengel, sondern nur ein ruheloser Toter war.

Ich stimmte ein altes Holzfällerlied aus dem Osten des Grungirwaldes, der Grenze zu Irrisen, an. Meine Geisterhand und Feuermagie hatten tatsächlich ein vernünftiges Lagerfeuer in Gang gebracht, da dauerte es nicht mehr lang und Tira regte sich wieder in seinem zittrigen Schein. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt, doch die Hexe war noch nicht wieder zu vollem Bewusstsein erwacht.

Jenseits des orangen Lichtscheins versammelten sich wieder die Aasfresser der Sümpfe. Ihre Augen glühten in der Finsternis, während Corvus aufgeregt um seine Meisterin herum sprang. Ich beschloss mich Tiras Verbundenheit mit den Sumpfbewohnern zu bedienen und sprach zu ihr mit krächzender Stimme. Sie schlug die Augen auf und antwortete!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 04. November 2013, 13:08:25
7- Lamashan, 4711 AK
Schloß Karomark, Pfalzgrafschaft Vieland


Noch vor dem Morgengrauen verließ ich Tira Krähenfuß. Die Aasfresser des Dippelweihersumpfes waren längst überzeugt, dass die Hexe noch lebte und in Corvus hatte sie einen entschlossenen Beschützer gefunden. Ich machte mich also auf die Suche nach den übrigen Raben und Schloß Karomark.

Nicht weit von der Stelle an dem die modernden Schlurfer die Abenteurer überfallen hatten, ragten die Türme des ehemaligen Herrschersitzes in den sterngesprenkelten Nachthimmel empor. Der Nebel schreckte noch vor der Dunkelheit zurück, so hatte ich um diese Zeit keine Mühe das beeindruckende Bauwerk an den Klippen zu erspähen. Mehrere Gebäude und ihre Auswüchse waren über zerklüftete Felswände verteilt und thronten zwischen mächtigen Wasserfällen. Schlanke bogenförmige Brücken verbanden die vielen Flügel der Schloßanlage.

Als ich das Torhaus erreicht hatte bot sich mir ein Bild des Grauens. Das schwache Licht der Morgendämmerung zeigte ein gutes Dutzend Krähen und noch mehr Sumpfratten die sich an verkohlten Gliedmaßen und grünlichen Fleischbergen gütlich taten. Es musste sich dabei um die Kadaver von großen, bulligen Hunden oder Wölfen gehandelt haben. Das verbrannte Fleisch hatte widerliche Blasen geworfen, während die grüne Färbung wohl nicht erst durch den Tod hervorgerufen worden war. Dann entdeckte ich einen riesigen, sehnigen Arm auf den sechs schwarzgefiederte Vögel mit ihren spitzen Schnäbeln einhackten und emsig zähe Fleischstücke herausrissen. Für einen Augenblick war mir so als verkrampfte sich die krallenbewehrte Hand an seinem Ende in einer letzten Geste der Verzweiflung.

Durch die Fugen der Torflügel fiel das orange Licht eines Lagerfeuers. Vorsichtig glitt ich durch das eisenbeschlagenen Holz hindurch und stieß auf die versammelten Silbernen Raben. Schlafend lagen sie im Kreis um das Feuer. Nur Bestimotor von Simmelwitz stand mit dem Rücken zu mir auf der gegenüberliegenden Seite des Torhauses. Der Gnom sah zu einem finsteren Herrenhaus hinüber. Er begann im Selbstgespräch vertieft durch einen Haufen Unrat zu schlendern, der auf eine abgerissene Barrikade hinter dem inneren Tor hindeutete. Unter gesplitterten Holzbalken und zerbrochenen Mauersteinen erkannte ich die graue Uniform eines Wachhabenden.

Plötzlich verließ der kleine Abenteurer das Torhaus. Er spazierte geradewegs über die zierliche Steinbrücke und den tosenden Wasserfall darunter. Auf der anderen Seite wartete eine abscheuliche Bestie auf den Gnom. Sie glich dem Wächter im Vorhof von Vorkstags & Greins Werkstätte:
Ein grässliches Wesen aus künstlich gefügten Sehnen und Muskeln unter einem löchrigen Flickenwerk aus rissiger Haut, dessen unheiliges Fleisch auf ein wölfisches Knochenskelett gespannt war.

War Besmo von allen guten Geistern verlassen? Nein. Ich stimmte ein varisisches Tanzlied an und hüllte den Raben in die Illusion der grauen Wachuniform, die ich zuvor entdeckt hatte.

Die Bestie rührte sich nicht. Fröhlich pfeifend hüpfte der Gnom an ihr vorbei. Der Himmel besaß mittlerweile eine zarte Rosafärbung und ich fragte mich wann seine Gefährten denn gedachten sich von ihrem Nachtlager zu erheben. Besmo zog an einer verborgenen Kordel im Maul eines Gargylen. Es dauerte eine Weile, dann schwang die Tür lautlos auf.

Wir betraten eine zweigeschossige Eingangshalle. Doch es war niemand zugegen. Wer hatte uns geöffnet? Der Gnom kündigte sich mit übertrieben höflicher Grußformel an und wartete. Niemand antwortete ihm. Wenig später begann er die Türen in die angrenzenden Räume zu öffnen.

Schon bald steckte er seine neugierige Nase in eine kleine Bibliothek und schlüpfte hinein.

*     *     *     *     *

Nach Stunden der Nachforschungen und des Durchstöberns aller gesammelten Werke verließ ich Bestimotor von Simmelwitz. Ich wollte endlich die anderen Raben aufschrecken und sie zu ihrem Gefährten ins Herrenhaus locken. Als ich durch das Eingangsportal trat, geriet ich jedoch in einen unerbittlichen Kampf auf Leben und Tod.

Hier türmten sich über Runa Corvijn, Stralicia Mancini und den beiden Glaubensbrüdern die dunklen Wolken eines riesigen Luftelementars auf.

Der Elementar gebot über die Winde, die so hoch über den rauschenden Fluten des Wasserfalls stürmten, und wirbelte die tapferen Helden Ravengros umher wie ein paar Spielkarten. Balduans Schwert erstrahlte in einem goldenen Licht, während der Schildknappe wild um sich schlagend nach oben zum Kopf des riesigen Gegners schwebte. Iacobus war in einer Windhose unter dem externaren Wächter gefangen, feuerte aber dennoch Pfeil um Pfeil nach ihm. Die Alchemisten spie ihren verheerenden Feuerodem, während Runas Dämonenzunge  die Wunden ihrer Gefährten schloss. Mit vereinten Kräften, Magie und Kampfgeschick gelang es den Abenteurern letztendlich den übermächtigen Gegner zu bezwingen. Ein wahrlich beeindruckender Kampf, dem keine Beschreibung gerecht werden konnte!

Es erwies sich als sehr viel schwerer ohne die graue Uniform in das Herrenhaus zu gelangen. Stralicias langwierige Versuche das Portal zu öffnen begannen mich zu langweilen. Ich wandelte über die reissenden Wasserströme, die zwischen den Gebäudetrakten in die dampfenden Tiefen des Sumpfes stürzten. Dann hatten es die Abenteurer endlich geschafft sich Zugang zu verschaffen.

Runa, Stralicia und Balduan trafen in der Eingangshalle auf Besmo, der es endlich geschafft hatte seine Nase wieder aus den Büchern zu ziehen und den Rufen seiner Gefährten zu folgen. Da der Gnom nicht weiter als in die Bibliothek vorgedrungen war, machten sich die Raben gemeinsam an die Durchsuchung des Herrenhauses. Der Schildknappe hatte es nicht für richtig gehalten, so weit in die Räumlichkeiten des Grafen ohne dessen ausdrückliche Zustimmung vorzudringen. Er war daher sogleich zur Ablöse seines Glaubensbruders Antonius Iacobus Santorio ins Torhaus zurückgekehrt.

Ich folgte ihm. Die Gemächer eines entmachteten Herrschers versprachen nicht so viel wie die Wacht über eine Befestigungsanlage, die ganz offensichtlich für einen weiteren Trollangriff aus dem Dippelweihersumpf bemannt werden musste.

*     *     *     *     *

Es dauerte bis in den späten Nachmittag hinein, bis flammende Pfeile den frühen Abendnebel über Schloß Karomark verschlangen. Jedoch wurden sie nicht zwischen den Zinnen des Torhauses von seinen selbsternannten Verteidigern abgefeuert, sondern von einer schwarz geflügelten Frau über dem Wasserfall.

Balduan beobachtete noch immer den Sumpf. Er war völlig arglos was die Gefahr in seinem Rücken anging.

Ich überließ den Schildknappen seiner eintönigen Wacht und flog auf die geflügelte Schützin zu. Die Angreiferin war ohne Zweifel ein gefallener Engel, eine Erinye die Feuer auf die Silbernen Raben regnen ließ. Pami stand auf der einen Seite der Brücke, während Iacobus reglos in einer Pfütze seines eigenen Blutes auf der anderen Seite lag. Wieder und wieder feuerte die fliegende Furie auf die Externare Begleiterin des Gnoms. Bestimotor selbst war nicht zu sehen. Wo war der Zauberkundige, und wo waren seine anderen Begleiterinnen?

Mit einem heftigen Tritt brach Pami die Türen zu dem Gebäude auf ihrer Seite des Abgrunds auf. Als die Türflügel von unsichtbarer Hand wieder geschlossen wurden, begann ich zu vermuten, dass sich die Raben vor den todbringenden Feuerpfeilen unter den Deckmantel magischer Unsichtbarkeit gerettet hatten. Besser gesagt wähnten sie sich nur in Sicherheit, denn die Teufelinnen konnten sehen was Sterblichen verschleiert blieb. Die Erinye hatte demnach zweifellos gesehen, wie die Abenteurer in das Schloß geflohen waren.

Sie landete vor dem Portal, zog ihr Schwert und trieb die brennende Klinge tief in das verstärkte Holz seiner Flügel. Schrill kreischend schlug sie darauf bis die Konstruktion aufgab und in ihre Einzelteile zerfiel. Die Furie holte zu einem weiteren Schlag nach der entblößten Pami aus, da wurde sie plötzlich von einer Stichflamme verschluckt und löste sich schreiend in einer schwarzen Rauchwolke auf.

Besmo, Pami und Stralicia überquerten die gefährlich wankende Seilbrücke und versorgten Iacobus mit Heiltränken. Er lebte, doch wo war Runa?
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 13. November 2013, 00:06:33
8. Lamashan, 4711 AK,
Schloß Karomark, Pfalzgrafschaft Vieland


Rauch stieg in den grauen Himmel über dem Dippelweihersumpf auf. Die Silbernen Raben hatten sich entschlossen, ohne offiziellen Empfang durch den Schloßherren Graf Karomark, die Nacht erneut im Torhaus zu verbringen. Und so hatte ich mit ihnen Wache gehalten. Runa war am vergangenen Tag in die reißenden Fluten der Wasserfälle gestürzt. Keiner der Abenteurer zweifelte an ihrem Tod. Besmo und Stralicia schliefen noch. Während die beiden Glaubensbrüder Balduan und Iacobus hinter dem Feuer lediglich einen Versuch fürchteten, die Verteidiger aus dem Torhaus zu locken, beschloss ich dem Ganzen auf den Grund zu gehen!

*     *     *     *     *

Neben einem kleinen Scheiterhaufen aus Sumpfgräsern, Schilfrohr und verkrüppelten Ästen nicht weit von Schloß Karomark stand Tira Krähenfuß mit einer Fremden in den rotschwarzen Gewändern der pharasmischen Inquisition. Äusserst vorsichtig näherte ich mich den Damen. Die Inquisitorin sprach Gebete, während die Flammen sich qualmend zu einem Leichnam unter weißem Totentuch fraßen. Eine schneeweiße Locke verriet mir, dass es sich um die Bestattung von Runa Corvijn handelte.

Betroffen hielt ich Abstand. Ich hatte mir so viel mehr ruhmreiche Geschichten von der Mystikerin mit der ungewöhnlichen Verbundenheit zu Sarenrae erhofft. Wenig später folgte ich den beiden zurück zum Schloß.

*     *     *     *     *

Die Inquisitorin stellte sich den anderen Raben als Gizella Biharra vor. Sie war Varisianerin, was mich in Ustalav nicht sonderlich erstaunte, allerdings trug sie wie die Helden von Ravengro den Silbernen Raben, was weniger selbstverständlich war. Gizella musste demnach ebenfalls freie Ermittlerin der Pfalzgrafschaften sein! Sie behauptete ein Mob sei mit Fackeln und Forken auf dem Weg zum Schloß, um die Bestie und ihren Schöpfer zu richten, und es sei ihre Aufgabe die Raben, aber auch Graf Karomark von dieser Bedrohung zu unterrichten.

Besmo und Stralicia erklärten solgeich welch seltsamen Zustände auf dem Schloß herrschten. Balduan und Iacobus blieben wie ich misstrauisch. Pami sagte wie immer kein einziges Wort.
Die Erben Lorrimors wollten den Grafen und “Watzko” suchen gehen. Die beiden Glaubensbrüder wollten weiterhin das Torhaus bewachen. Die Inquisitorin schloss sich den Erben an.
Ich sah noch immer nichts heldenhaftes im Durchstöbern des heruntergekommenen, ehemaligen Herrschaftssitzes.

Von den Zinnen des Torhauses konnte ich die Erben dabei erspähen, wie sie die gefährlich wankende Seilbrücke zwischen den beiden Gebäuden hinter dem Herrenhaus sicherten. Danach verschwanden sie in dem Portal, das die Erinye am Vortag zerstört hatte.

Der Schildknappe hielt Wache. Und ich wartete auf den wütenden Mob aus der Stadt. Dann löste Iacobus seinen Glaubensbruder ab. Ich wartete weiter ab. Im Untod war Zeit nicht mehr dasselbe. Es gab keinerlei körperlichen Bedürfnisse wie Hunger, Schmerz oder Erschöpfung die einen Unterschied machten ob eine Stunde, ein Tag oder Woche verging.

*     *     *     *     *

Gegen Nachmittag kehrten die Erben Lorrimors mit der Inquisitorin zurück. Sie berichteten von einem ganzen “Museum” sinistrer Exotik und eigenartigster Kreaturen. Die meisten tot und konserviert, andere aber allzu lebendig oder gar untot. So hatten die Abenteurer Nachahmer, fliegende Medusenhäupter und eine Mumie aus dem fernen Osirion bekämpft. Unglücklicherweise mussten sie den abscheulichen Museumswächter – einen blinden Fleischgolem, der von einem Schwarm Homunculi geführt wurde – in einem Kampf um Leben und Tod erschlagen.

Graf Karomark musste in der Tat ein paranoides Genie mit ausgeprägtem Hang zu monströsen “Bastelarbeiten” sein. Ich war also überzeugt und wollte den nächsten Vorstoß in sein Schloß unbedingt begleiten!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 25. November 2013, 18:30:01
9. Lamashan, 4711 AK,
Schloß Karomark, Pfalzgrafschaft Vieland


Es war kurz nach Mitternacht, als ein blasser Mann in weißem Hemd und schwarzer Weste in den Schein des Lagerfeuers trat, um das sich die Raben versammelt hatten. Die Abenteurer leckten noch immer ihre Wunden vom letzten Vorstoß in das Schloss, so hatten sie den Fremden erst bemerkt als er sie nur noch wenige Schritte entfernt förmlich grüßte und nach ihrem Begehr fragte.

Ich war so überrascht wie die Helden von Ravengro. Selbst Simmelwitz und Stralicia hatte es die Sprache verschlagen. Der Mann war ganz offensichtlich über die steinerne Brücke aus dem Schloss gekommen. Die Raben hatten das Herrenhaus, die Werkstatt und am vergangenen Tag das Museum durchsucht, doch offenbar hatten sie dabei nicht alle Geheimwege und Schlupfwinkel entdeckt! Vielleicht beherrschte er aber auch nur den Zauber Fliegen oder andere Reisemagie.

Im ersten Augenblick dachte ich Graf Karomark beehrt nun endlich seine Gäste, doch der Fremde stellte sich als Major Domus, der Haushofmeister von Schloss Karomark vor. Dabei verwendete er den alttaldanischen Titel wie seinen eigenen Namen. Oder war es Altosirisch? Sehr seltsam, jedenfalls. Sein nach hinten gekämmtes Haar schimmerte ölig im tanzenden Lichtschein der Flammen und auch seine Haut glänzte wie frisch gefettet.

Stralicia Mancini fand wieder zu Worten und log Major Domus mitten ins Gesicht! Der Graf habe sie und ihre Gefährten eingeladen und erwarte sie mit seinem “Sohn”. Major Domus schenkte ihr Glauben und bat die Abenteurer in das weitaus gastfreundlichere Herrenhaus hinein. Nur mit dem “Sohn” des Grafen wusste er nichts anzufangen. Er behauptete Karomark sei kinderlos und wusste auch von keiner Schöpfung seines Herren, die für diese Bezeichnug in Frage kam.

Während die Raben tief und fest in den Himmelbetten schlummerten, beobachtete ich den eigentümlichen Haushofmeister, der den Besuchern scheinbar mehrere Tage aus dem Weg gegangen war. Er ließ sich erst sehr spät in einem Sessel mit Blick auf die nördlichen Flügel von Schloss Karomark nieder. Ob er überhaupt Schlaf fand, vermochte ich nicht zu sagen.

*      *      *      *      *

Am Morgen überquerten Bestimotor von Simmelwitz und Pami, Tira Krähenfuß mit ihrem Raben Corvus und Stralicia Mancini, gemeinsam mit Major Domus den schlüpfrigen Steg zur Werkstatt. Ein feiner Sprühregen durchnässte die Abenteurer und ihren Begleiter. Die beiden Glaubensbrüder waren mit der Priesterin Pharasmas im Torhaus zurückgeblieben. Ich war nicht traurig und folgte den anderen.

Wir passierten die marode Werkstatt in deren Boden noch immer das Loch klaffte durch das Runa Corvijn in den Tod gestürzt war. Die Raben bewegten sich mittlerweile ziemlich geübt durch das heruntergekommene Schloss, so gingen sie sehr langsam und sicherten die schaukelnde Seilbrücke zum Museumsflügel mit ihrem magischen Seil aus der Gefängnisruine.

Nördlich der Sammlung von Karomark führte ein schmaler Pfad in der Klippenwand zu einem viergliedrigen Turm der teilweise mit dem natürlichen Felsgestein verschmolz. Ein starker Wind pfiff den Abenteurern ins Gesicht, während sie sich mehr kletternd als gehend einer rostigen Eisentür am Fuße des Turmes näherten.

Pami kletterte um den ganzen Turm herum, doch fand keinen besseren Zugang für die weniger geschickten Damen. Es dauerte eine Ewigkeit bis sie die Tür mit Alchemie, roher Gewalt und Magie zerstört hatten. Dunkle Wassermassen sprudelten ihnen entgegen, die eine rostfarbene Schaumkrone trugen. Der Turm war überflutet worden! Die Position der Tür ließ darauf schliessen, dass es sich dabei weder um eine dauerhafte noch geplante Flutung handelte. Wieder war es die Furcht die mich zurückhielt. Doch was konnte dieses Gebäude für einen Geist schon gefährliches bereithalten?

Ich rang noch mit meinem Mut, da stürzten die ersten Raben schon wieder aus dem Turm. Sie hatten im schmutzigen Wasser einen riesigen Blutegelschwarm aufgescheucht, den sie nun mit Feuermagie bekämpften. Als Bestimotors herbeigezauberte Ratten noch genüsslich an den gerösteten Blutsaugern schmatzten, erkannte ich den ernst der Lage. Pami war auf ihre Heimatebene gebannt worden und die anderen Streiter hatten zu viel Blut verloren um die Erkundung des überfluteten Turmes fortsetzen zu können.

Von Schmerzen und entstellenden Wunden gepeinigt, kletterten die Abenteurer zurück in den Museumsflügel. Der Gnom passierte gerade den kostbaren Sarkophag der osirianischen Mumie, die sie bereits am Vortag vernichtet hatten, da rammte Major Domus dem Zauberkundigen Stralicias Dolch in den Rücken.

Ein kurzer, aber heftiger Kampf entbrannte. Bestimotor beschwor seine Leibwächterin, während der Haushofmeister die Raben beschuldigte nur gekommen zu sein um den Grafen zu töten und “das Werk der dunkel gerobten Gestalten zu vollenden!”

Major Domus schlug völlig irrsinnig auf den kleinen Gnom ein. Ich konnte allerdings nur über das nachdenken, was der Wahnsinnige gerade gesagt hatte! Der Wispernde Pfad, hier auf Schloss Karomark? Die drei Damen setzten dem Haushofmeister mächtig zu, doch es quoll kein Blut aus den Wunden des Mannes, sondern heisses Wachs! Bestimotor brüllte “Wachsgolem”, da wechselte Tira von ihren Verzauberungsversuchen zu einer mächtigen Feuerkugel und verbrannte den Haushofmeister einfach. Seine Kleider gingen in Flammen auf und sein Körper zerfloss zu einer Pfütze von hellem, fleischfarbenem Wachs.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 16. Dezember 2013, 11:02:27
10. Lamashan 4711 AK,
Schloß Karomark, Pfalzgrafschaft Vieland


Schneeregen fiel in dicken, nassen Flocken auf Schloß Karomark herab. Die Silbernen Raben brachen nach einem kurzen Frühstück im Speisesaal zu einer weiteren Suche nach ihrem Gastgeber Graf Karomark auf. Nur Balduan Tarrt hatte wieder Stellung im Torhaus bezogen. Der Schildknappe wartete noch immer auf den Mob aus Lepidstadt und die Rückkehr der Trolle aus dem Dippelweihersumpf. Wenn seine Gefährten schon die Wächter des Grafen Stück für Stück vernichteten, wollte der aufrichtige Bursche wenigstens seine Tore verteidigen.

Verhüllt von frostigen Regenschauern flog ich zwischen den einzelnen Gebäuden der Schloßanlage voraus, zu dem viergliedrigen Turm hinter dem Museumsflügel. Es war nicht leicht den Abenteurern unbemerkt in die engen Korridore des Bauwerks zu folgen, also wartete ich eine geraume Zeit bevor ich hineinschlüpfte.

Die Raben bekämpften in den überfluteten Kammern des Turmes einen riesigen schwarzen Blob. Mit jedem Hieb teilten sie das schleimige Monster und standen einem weiteren Gegner gegenüber, anstatt ihm den Gar auszumachen. Stralicias Bomben und Tiras Magie vollbrachten schließlich was schnöde Waffengewalt nicht vermocht hatte.

Nach dem Kampf teilten sich die Abenteurer auf. Pami suchte den oberen Teil des Gebäudes ab, während Stralicia, Tira und Iacobus weiter die gefluteten Korridore und Kammern im unteren Teil ergründeten. Die drei Menschen hatten nichts als Dreck und die Überreste bereits gefallener Gegner vom Vortag gefunden, da rief der Gnom nach ihnen. Pami hatte einen Raum entdeckt, in dem verschiedenste Pilze und Flechten gezüchtet wurden. Iacobus beseitigte noch mit Pfeil und Bogen die gefährlichen Exemplare, als die Blasse Dame bereits wieder etwas wahrnahm.

Nun hörte ich es auch: Krallen quietschten im angrenzenden Korridor über das Mauerwerk. Doch der Gang war leer. Eine Hand voll beherzter Tritte der Blassen Dame genügten, um drei eingemauerte Untote zu befreien. Gierig stürzten sie sich auf die Raben. Gizella Biharra rief die mystischen Kräfte ihrer Göttin Pharasma an und peinigte die Gruftschrecken – wie mich selbst – mit positiver Energie.
Ich floh durch die Dunkelheit der Aussenwände hinaus in das Unwetter über den Klippen.

Nicht viel später verließen die Abenteurer den viergliedrigen Turm durch einen anderen Ausgang. Sie überquerten den steinernen Bogen einer Brücke zum höchsten Turm der Schloßanlage und öffneten das Portal an seinem Fuße.

Es hatten noch nicht alle Raben den Turm betreten, da sprang eine weitere, abscheuliche Schöpfung des Grafen vor die Eindringlinge. Karomark hatte hier purpurfarbene Muskelstränge an das vierarmige Skelett eines Girallons gefügt und mit unnatürlichem Leben erfüllt. Bevor sich Pami auf die Bestie stürzen konnte, entkam der Kehle des exotischen Fleischgolems ein wildes, trockenes Brüllen, das die Abenteurer sichtlich erschaudern ließ. Der Turmwächter wurde seinerseits von zwei gut gezielten Pfeilen und einer Bombe von Iacobus und Stralicia empfangen, die ihre Fassung schneller als die anderen wiedererlangt hatten. Einen Augenblick später drang bereits Pami auf das Monster ein. Sie rammte ihre Hörner in das Fleisch des Golems und zerlegte ihn danach mit einem wahren Schlaghagel.

Der Weg nach oben war frei.

In einer staubigen Kammer spannten sich dort klebrige Spinnweben zwischen den geschwungenen Aussenwänden des kreisrunden Turmes. Das weißgelbe Gewebe versperrte nicht nur die Sicht der Raben, sondern hinderte sie auch daran weiter in das Gebäude vorzudringen. Mit Flammen bahnte sich Stralicia einen Weg bis zu der Wendeltreppe, die sich in ein weiteres Geschoss nach oben wand. Ihre Gefährten folgten der Alchemistin dort hinauf, bis Pami – wie ich – das Schlagen lederner Flügel vernahm.

Die Raben entdeckten einen Homunculus. Nicht noch so eine seelenlose Kreatur Karomarks! Entnervt wartete ich hinter den verbliebenen Spinnweben darauf, dass die Helden Ravengros kurzen Prozess mit dieser Miniatur von einem Teufel machen würden.
Ich wurde “enttäuscht”. Die Kreatur fuchtelte mit Händen und Füßen in der Luft herum, doch sprach dabei kein Wort. Gizella und Stralicia begannen sich mit dem winzigen Konstrukt zu “unterhalten”. Die Variserinnen verstanden schnell, dass der Homunculus sie vor einer weiteren schrecklichen Kreatur warnen wollte. Besmo schlussfolgerte sogar, dass es der Graf sein musste, der durch das Konstrukt zu den Raben “sprach”.

Ohne zu verstehen, vor was genau sie der Homunculus da gewarnt hatte, kehrten die Abenteurer auf die Steinbrücke vor dem Turm zurück. Von dem was ich auf die Entfernung und über dem rauschenden Wasserfall verstehen konnte, hatten sie den Plan geschmiedet von oben in das zweite Geschoss des Gebäudes vorzudringen. Der Schneeregen hatte nachgelassen und sich zu einem eisigen Nieselregen gewandelt. Mit Flugmagie wurde Pami nach oben geschickt. Die Blasse Dame befestigte aneinander geknotete Seile und zog die Abenteurer zu sich hinauf. Ich schwebte ausser Sichtweite in den bedeckten Himmel hinauf.

Eine komplexe gusseiserne Konstruktion thronte auf der Turmspitze, die von einem kupfernen Blitzableiter gekrönt wurde. Darunter standen seltsame Apparaturen, überladen mit Hebeln, Schläuchen und anderen Leitungen. Daneben waren dunkle Säfte mit unterschiedlichen Messständen in schmutzigen Glasbehältern zu erkennen. Stralicia untersuchte die Gerätschaften, während sich ihre Gefährten um die Dachluke versammelt hatten. Die Alchemisten betätigte einen der Hebel und das eine Gerät begann zu summen. Über der Eisenkonstruktion bildete sich eine schwarze Gewitterwolke.

Bestimotor riss die Dachluke auf. Was die Raben in der Kammer unter der Turmspitze sahen, hätte ich nicht erahnen können. Ein greller Blitz zuckte aus der finsteren Wolke über unseren Köpfen in den Blitzableiter und fand knisternd seinen Weg nach unten; dicht gefolgt von ohrenbetäubendem Donnerschlag. Ich musste wissen vor was der Homunculus – oder Graf Karomark – die Abenteurer gewarnt hatte und begab mich im Sturzflug nach unten.

Als körperloser drang ich mühelos durch die Mauern. Ich fand mich in einem verwüsteten Raum wieder. Dicke Spinnweben, wie in der Kammer darunter, spannten sich hier zwischen zerschlagener Laborausrüstung, einer befremdlichen Eisenfigur und einem übergroßen Glockenglas. In dem Glasbehälter trieb eine bleiche, regungslose Frau gespenstisch in der Schwerelosigkeit einer trüben Substanz.

An der Decke saß ein riesiges, muskelbepacktes Ding mit mächtigen Krabbenscherenhänden und langen haarigen Spinnenbeinen. In seinem unförmigen Leib vereinten sich zahlreiche Kreaturen von Schalentieren, Reptilien und Humanoide zu einer widerwärtigen Abnormität. Aus seinem schleimigen Maul standen verkümmerte Beisswerkzeuge, darunter klebten weißgelbe Spinnweben auf seiner breiten Brust. Mit einer Tintenfischtentakel peitschte es brüllend nach den Raben auf der Turmspitze.

Wieder und wieder vernahm ich den geräuschvollem Einschlag von Blitzen. Aus dieser Position konnte ich den Kampf mit dem Monster nicht gut einsehen. Ich schwebte bereits wieder noch oben, als plötzlich Watzko – die Bestie von Lepidstadt – mit dem rollenden Donner in das verwüstete Laboratorium sprang. Wütend zog er sich die Leiter zu der Dachluke empor und packte die Abnormität an einem seiner borstigen Spinnenbeine. In wildem Schlagabtausch wurden die fallenden Fleischgolems von den weißgelben Netzen aufgefangen. Das klebrige Gewebe konnte das enorme Gewicht der beiden jedoch nicht halten, so landeten die Gegner unsanft auf dem ächzenden Holzboden.

Die Abnormität setzte Watzko schwer zu. Iacobus feuerte zu seiner Unterstützung Pfeil um Pfeil in den Rücken des Monsters. Corvus, der Rabe von Tira, flatterte nach unten und übertrug die heilende Magie der Hexe auf die Bestie. Was trieben die anderen Raben da oben?

Ich flog zurück auf die Turmspitze und erkannte, dass Stralicia immer noch einen der Apparate bediente. Gizella heilte die schwer verwundeten Abenteurer. Pamis Existenz auf dieser Ebene musste von der Abnormität beendet worden sein und Besmo versuchte am Rand der Dachluke mit seinen verbliebenen Zaubern etwas auszurichten. Stralicia war hoch konzentriert. Die Varisianerin fluchte laut auf; dann erschien ein triumphierendes Lächeln auf ihrem Gesicht. Was tat die Alchemisten da eigentlich? Als ich einen Blick in das Turmzimmer wagte, verstand ich: sie steuerte über die Hebel und Druckknöpfe der Apparatur Watzko! Der Fleischgolem hatte mit Stralicias Hilfe die Überhand gewonnen und prügelte die Abnormität gerade zu einem riesigen Haufen teigigen Fleischs und gebrochener Knochen.

Die Silbernen Raben hatten das Monster besiegt!

Sie kletterten zu Watzko und Corvus hinab. Hastig wurde der Raum durchsucht und da fanden die Raben in der grässlichen Eisenfigur letztendlich den Schloßherren: Graf Karomark. Der ehemalige Herrscher Vielands war nach Tagen der marternden Gefangenschaft in dem Folterinstrument ein ausgetrockneter alter Mann, der sich sogleich nach seinen verbliebenen Leibeskräften bei den Abenteurern bedankte.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 24. Dezember 2013, 01:01:04
13. Lamashan, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Ein eisiger Wind wehte um die Türme von Schloß Karomark. Obwohl ich die Kälte selbst nicht spürte, so konnte ich sie in den dampfenden Wassermassen sehen, die unter mir lautstark in die Tiefe stützten. Graf Karomark hatte die Silbernen Raben kurz nach dem Frühstück erneut zu sich in den Speisesaal gerufen. Ich beobachtete die kleine Gesellschaft, in jenem kalten Wind fliegend, durch ein großzügiges Butzenfenster.

Der entmachtete Edelmann hatte vor sich eine Reihe von Gegenständen auf dem Tisch ausgebreitet. Er schien die Raben nacheinander anzusprechen und ihnen dabei jeweils eines der unbekannten Objekte zu überreichen. Die Beschaffenheit der Fenster ließ mich nur mit verzerrter Ahnung zurück, was er den Helden da anvertraut hatte.

*     *     *     *     *

Wir erreichten Lepidstadt kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Balduan brachte gemeinsam mit Tira und Bestimotor die Pferde zu den Stallungen am Osttor. Ich folgte Iacobus, Stralicia und Gizella in die Taverne Zum Bronzeschädel. Die Silbernen Raben hatten ihre Ermittlungen nicht eingestellt. Sie wollten noch immer mehr über das Bildnis des Meeresgrauen Schreckens herausfinden, das durch Watzkos Hand aus der Universität zu Lepidstadt entwendet worden war, und natürlich über die Kultisten des Wispernden Pfades, die Ravengro fast in eine Geisterstadt verwandelt hatten, nur um anschließend Schloß Karomark zu verwüsten und zur Todesfalle zu machen.

Die Trinkhalle war ausgesprochen gut besucht. Es waren ganz offensichtlich überwiegend Studenten und Absolventen der Universität, die hier auf ihre siegreichen Duellgänge anstießen. Nicht wenige wurden durch die berüchtigte Lepidstadtnarbe verraten, andere durch die schlanken Klingen an ihren Hüften.

Man erkannte die Abenteurer. Manche legten bereits die Hand an den Schwertgriff als die drei Platz genommen hatten, manche beobachteten die Retter der Bestie mit Freuden und manche gaben vor sie gar nicht erst zu beachten. Die Besitzerin der Trinkhalle, Kaysian Cazynsik, brachte ihren berühmten Gästen eine Runde auf das Haus. Dann wuchs die Anspannung wieder. Die jungen Duellanten wollten ihr Waffengeschick im Kampf mit den Raben beweisen.

Plötzlich wurde jedoch die Seitentür zu einem der Stege aufgestoßen. Ein Mann stürzte, von blauen Flammen umgeben, in den Schankraum. Er brach nach nur wenigen Schritten auf dem klebrigen Holzboden der Taverne zusammen. Angst und Entsetzen machten sich unter den Gästen des Schädels breit. Der Schankwirt, ein kräftiger Mann mit grauem Bart und einem Bauch wie ein Bierfaß, trat hinter dem Tresen hervor. Bewaffnet mit einem schweren Knüppel stellte er sich schützend vor Cazynsik.

“Der Springende Hans”, wurde geraunt. Tatsächlich, die blauen Flammen deuteten auf nichts anderes hin! Ich glitt durch die Aussenwand und es bot sich mir ein bekanntes Bild: Im silbrigen Licht des Mondes sah ich den bösartigen Feengeist, wie einst in Ravengro. Sein Oberkörper glich dem eines jungen Mannes mit drahtigen Muskeln, während sein Unterleib die haarigen Beine und gespalteten Hufe einer Ziege aufwies. Haut und Fell des Monsters schimmerten purpurfarben auf, wie in einer Mischung von Blut und Tinte getränkt. Über seinen rot leuchtenden Augen saßen lange, spitze Hörner.

Draussen auf dem Steg entbrannte ein hitziger Kampf zwischen den Raben und dem Feengeist. Iacobus und Stralicia beschossen ihn trotz heftiger Gegenwehr unerbittlich und trieben ihn so über das Dach auf die andere Seite des Gebäudes. Ich flog in sicherer Entfernung hinter ihm her. Immer wieder sprang er durch die Türen in den Schankraum. Er tötete einen weiteren Mann und fügte zwei anderen Gästen garstige Wunden mit seinem gewellten Dolch zu, bis ihn eine Bombe der Alchemistin endlich aus der Luft zurück auf den Boden schleuderte.

Sie hatte dem Springenden Hans, der seit Jahrzehnten die Pfalzen heimgesucht hatte, den Gar ausgemacht! Die Raben wurden gefeiert. Ich freute mich irgendwie für “meine” Helden. Ein Gefühl das ich schon sehr lang nicht mehr verspürt hatte. Doch konnte ich es nicht mit dem eines Lebenden vergleichen. Was ich fühlte war weit erhabener. Ungewöhnlich befreiend. Ein Zustand der sich noch in der selben Nacht steigern sollte.

Zwei aussergewöhnliche Damen führten eine kleine Gruppe Variser in die Taverne. Die eine war hoch gewachsen, hatte weißgraues Haar und trug eine schimmernde Ritterrüstung. Es konnte sich nur um die legendäre Mirella Teufelsbann, Paladin der Iomedae und glorreiche Heldin des Krieges der Gefallenen handeln. Die andere ihr Gegenstück: eine kleine, zierliche Elfin und finstere Schönheit. Sie trug die kostbaren Gewänder und eine der kunstvollen Masken Sinarias. Bei ihrem ersten Wort schon, erkannte ich die gefeierte Schattenherz darin.

Als wolle mich die Elfin in meiner Annahme bestärken, begann sie im silbrigen Mondlicht das durch die Fenster des großzügigen Erkers fiel mit ihrer Darbietung.

Ihr Name ist Seristial.

Im Schädel herrschte gespenstische Stille, als sich die rauchige Stimme von Nymia Schattenherz über das ächzende Holz der Landungsstege, den stetigen Strom des Flusslaufs und den säuselnden Wind erhob.

Vier Wächter sind’s, die sie dort binden
Im Dunkel ist ihr Heim zu finden
Im Dunkel, wo sie rastlos darben
Versklavt, nicht frei, im Schloss der Narben


Mit wohl gezielten Silben und abgepassten Betonungen erschuf die Diva um ihre gefesselte Zuhörerschaft ein verlassenes Gebäude aus leeren Spitzbögen, verwüsteten Hallen und bröckelndem Mauerwerk.

Ein Geist, gebor’n in blut’gem Osten
Steht unbeirrt auf altem Posten
Die Klinge aus der Höllen Sturm
Wacht ungeseh’n in kaltem Turm

Und Todeshauch in grimmer Zwinge
Harrt unstet dort des Laufs der Dinge
Der Heil’ge ruht im Haus der Schmerzen
Wird Seele, Leben, Geist ausmerzen

Entkettet sie, dass kampfesmürbe
Am Ende auch ihr Meister stürbe
Der Fluch, er bricht und löst die Seelen
Der Hüter wird den nächsten wählen


Bevor die letzte Strophe der berüchtigten Ballade aus dem Westen durch das unsichtbare Schloß hallte, wurden Ihre Worte schwer von Trauer und ergriffen die Herzen ihres Publikums noch fester.

Im Ort, wo Schatten blüh’n und Totes geht
Wo Tränen glüh’n und Schrecken weht
Liegt wach, bereit und nicht mehr brach
Seristial, Kazavons Schmach


Nicht einer hatte seine Sprache bereits wiedergefunden, noch war die Darbietung ganz verklungen, da schoss in einer schäumenden Fontäne von Flusswasser eine unförmige Kreatur aus dem Kleinen Moutray. Sie zog sich durch eine quadratische Öffnung im Boden bis zum Tresen empor, dabei zog ihre schleimige, wabernde Masse lange Fäden zwischen Stühlen und Tischen. Mühevoll richtete sich die purpurfarbene Kreatur auf und zeigte ihre vage Form: ein drahtiger Riese, dessen Oberkörper aus dunklen, zähen Strängen bestand, während sich sein Unterleib zu tropfenden Schleimströmen verflüssigte. Seine milchigen Augen glühten weiß vor Zorn auf die Lebenden.

Stralicia Mancini zögerte keinen Augenblick und zersprengte das untote Ding mit einer ihrer Bomben zu stinkendem Glibberregen. Der schleimige Schauer war noch nicht vollständig auf den schmutzigen Dielenboden der Trinkhalle geprasselt, da erfüllte bereits das schallende Gelächter des Schankwirts den Raum. Die Variser schlugen ihre Schellen und zupften die Fideln. Nun wurden “die Helden des Abends” ausgiebig gefeiert. Niemand zweifelte mehr am Können oder der Gesinnung meiner Raben.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 24. Dezember 2013, 01:03:56
Die Ballade von Nymia Schattenherz ist eine inoffizielle Übersetzung von Zellara’s Song aus dem amerikanischen Pathfinder #11 Curse of the Crimson Throne: Skeletons of Scarwall. Unser Dank für die schöne Arbeit geht an Exeter aus dem Paizo-Forum: Zellara’s Song in German (https://secure.paizo.com/cgi-bin/WebObjects/Store.woa/wa/DirectAction/createNewPost?thread=v5748rzs2n0y9#newPost)!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 30. Dezember 2013, 09:25:59
25. Lamashan, 4711 AK
Lepidstadt, Pfalzgrafschaft Vieland


Ich wartete auf die Silbernen Raben in Lepidstadt.

Gizella, gefolgt von Balduan, Iacobus und Stralicia, war ihrer Heimatstadt Tamrivena durch ein magisches Portal zur Hilfe gekommen. Die Alte Ulloka, eine kellidische Hexe, war von Ratsherrin Zoenessa Thell bestochen worden, die uralte Magie des Spindelsteins zu nutzen um die Helden auf schnellstem Weg in die Hauptstadt von Kanterwall zu bringen.

Mir war es ganz einfach nicht vergönnt gewesen mit den Lebenden durch das Portal zu schlüpfen. Doch verspürte keinen Zorn darüber. Unerwartet, doch so war es. Tira war den anderen Raben ebenfalls nicht gefolgt. Sie hatte bei der Alten Ulloka eine Lehre begonnen. Die beiden Weiber verbrachten Tage in der finsteren Höhle der Hexe. Unentwegt tuschelten sie und kicherten an brodelnden Kesseln mit abscheulichem Inhalt.

Ab und an trafen sich Tira Krähenfuß und Kendra Lorrimor in der Stadt. Die Tochter des Professors war an die Universität zurückgekehrt und hatte die Fakultät ihres Vaters übernommen. So gehörte sie zu einem auserwählten Kreis der mit Nachrichten aus dem belagerten Tamrivena versorgt wurde.

Was die Krähen nicht übermittelten, versuchte Kendra selbst mit Erkenntismagie zu ermitteln. Und sie berichtete ihrer Freundin im Bronzeschädel über die Heldentaten der anderen Erben Lorrimors: Sie hatten den Anführer der Orkhorde, den berüchtigten Sensenmann, erschlagen und anschließend die Streitkräfte von Kanterwall gegen die Grünhäute zu Felde geführt.

Am heutigen Tag waren die Raben jedoch siegreich aus der Schlacht um Tamrivena (http://tintenteufel.wordpress.com/tag/schlacht-um-tamrivena/) nach Lepidstadt zurückgekehrt.

*     *     *     *     *

Das Unkraut war entfernt worden, die Fensteröffnungen wieder alle kunstvoll verglast worden und die Halbplastiken heiliger Frauen und Männer in den Wandnischen gründlich gesäubert und magisch ausgebessert worden. So erstrahlte eines der wenigen Steingebäude an der Nördlichen Hafenstraße – der Schrein des Aroden – wieder in einstigem Glanz. Die Türflügel unter dem schlichten Rundbogen des Portals standen einladend offen.

Von der Westwand wachte eine stolze Kriegerin über den Altarraum. Das Bildnis der Schutzheiligen der Ritter von Ozem war wiederhergestellt worden. Jedoch hatte der Künstler die ursprüngliche Darstellung Araznis mit einer durchschimmernden Überlagerung Iomedaes versehen. Der Betrachter konnte demnach beide Schutzgottheiten in ihr sehen, die alte und die neue.

Im rot gesprenkelten honigfarbenen Licht der bemalten Glasfenster knieten zwei Männer und eine Frau in den weißen Waffenröcken der Ritter von Ozem. Auf ihre Langschwerter gestützt, beteten sie zu Arodens Erbin Iomedae. Sie erhoben sich und bezogen im Altarraum Stellung. Mit einer rituellen Begrüßung weihten sie das folgende Duell ihrer Göttin.

Mirella Teufelsbann befreite sich aus der Zwinge zwischen Balduan und Iacobus mit einem horizontalen Rundschlag. Der Schnitt war so schnell, dass die Flammen um die zweigeteilte Klinge ihres Langschwerts eine goldene Lichtscheibe vor ihren Glaubensbrüdern geschaffen hatten.

“Sensenmann mag ein passender Name für einen geisteskranken Schlechter und Totenbeschwörer gewesen sein. Wie ihr wisst war er jedoch ein Sterblicher, nicht die seelenlose Verkörperung des gewaltsamen Todes.”, erklärte die ehrwürdige Paladin.

Während Iacobus einen Angriff wagte, verschanzte sich Balduan hinter seinem Turmschild. Mirella fing die Klinge des Inquisitors ab und entwaffnete ihn mit einer routinierten Bewegung aus dem Handgelenk. Das Langschwert landete ganz selbstverständlich in ihrer freien Hand. Sie legte die gekreuzten Klingen gelassen an die Kehle von Iacobus und fuhr fort: “Sein wahrer Name war Barin. Das ist zwergisch und bedeutet Frieden.”

Nun war es an Balduan einen Vorstoß zu wagen. Blitzschnell wirbelte die Paladin herum und gebot dem Ansturm des Schildknappen mit einem wohl gezielten Tritt gegen seinen Schild Einhalt noch bevor sein Schwertarm zum Streich vollends ausholen konnte. Balduan strauchelte und sank unweigerlich auf die Knie.

“Er war kein Scheusal, kein seelenraubender Daimon, aber alles andere als friedlich.”, stellte Mirella bestimmt fest. Sogleich versuchte Balduan sich wieder zu erheben, doch ein weiterer horizontaler Rundschlag verwies ihn zurück in die Knie.

“Nein!” Der Schildknappe sah noch die goldene Lichtscheibe des Schwerthiebs über sich, da brachte er für einen Stoß mit der nötigen Reichweite seinen Turmschild zur Seite. Mit dem Schwert von Iacobus lenkte die Paladin den Angriff ab. “Barin Teufelsbann war mein Sohn.”

Dann lag Mirellas eigene Klinge plötzlich auf Balduans Schulter, bedrohlich nah an seinem Hals. Der junge Mann zeigte wie immer keine Angst. “Mein eigen Fleisch und Blut.”, unterstrich die legendäre Kriegsheldin.

“Ich danke Euch, dass Ihr Golarion von dieser Plage befreit habt. Möge er endlich in Frieden ruhen. Und nun erhebt Euch, Ritter Balduan Tarrt!”
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 06. Januar 2014, 12:45:34
26. Lamashan, 4711 AK
Asconarhütte, Pfalzgrafschaft Lozeri


Hoffnung, ein Gefühl das ich nicht dachte im Untod je wieder zu verspüren. Die Silbernen Raben hatten von Richterin Embreth Daramid erfahren, dass der Wispernde Pfad aller Wahrscheinlichkeit nach in das Schauderholz gezogen ist. Waren die Nekromanten tatsächlich meine Mörder? Und wenn ja, sollte ich durch ihre Vernichtung tatsächlich Erlösung erfahren?

Daramids Spitzel hatten berichtet, dass die Dunklen Reiter an der Ascanorhütte gesehen worden waren. Ich konnte nicht länger an mich halten und zog aus, um den Wahrheitsgehalt meiner Vermutungen zu überprüfen. War es doch der einzige Weg, der mir geblieben. Die Silbernen Raben waren noch mit Reisevorbereitungen beschäftigt, als ich bereits über den nebelverhangenen Dippelweihersumpf auf den dunklen Schatten am Horizont, das Schauderholz zuflog.

Zwischen dem grünlichen Dunst der aus dem Moorwasser aufstieg, war da nur ein schwarzes Band, das sich im Osten so weit das Auge reichte von Norden nach Süden erstreckte.

*     *     *     *     *

Als ich den Waldrand erreicht hatte, ragten turmhohe Nadelbäume vor mir in den bedeckten Himmel hinauf. Ihre kahlen Stämme besaßen nur mehr wenige dürre Äste, die wie bleiche Finger in die Dunkelheit des Schauderholzes reichten. Weit über dem nadelbedeckten Waldboden, hatten sich nämlich die besser bestückten Zweige im Kampf um Ustalavs spärliches Sonnenlicht zu einem hoffnungslosen Filz verfangen und ein nahezu undurchdringliches Dach gebildet.

Furchtlos begab ich mich aus lichtem Tage in die Finsternis des mächtigen Waldes. Als ich die blubbernden Sümpfe hinter mir gelassen hatte, umgab mich eine Totenstille. Tiere, so schien mir, gab es im Schauderholz schlichtweg nicht. Weder Vögel, noch Hörnchen, weder Fuchs, noch Dachs. Es war ein trostloser Ort.

Ich folgte dem Alten Pfad nach Ascanor. Die berühmte Jagdhütte des ehemaligen Grafen von Lozeri war heutzutage zwar immer noch Spielplatz der Reichen und Mächtigen, doch mittlerweile konnte jeder mit genügend Kleingeld ihre Annehmlichkeiten für sich beanspruchen, nicht nur die Spießgesellen des entmachteten Herrschers.

*     *     *     *     *

Acanor war bevölkert von hochnässigem Gesocks und dienstfertigem Pöbel. Markgraf von Sturnidae, Marquesa Welgory und wie sie nicht alle hießen. Es kümmerte mich nicht im Geringsten. Ich war einzig und allein vom Gedanken an meine Mörder beherrscht. Auch die Raben und die Aussicht auf ihre Heldentaten im Kampf mit den Schrecken des Waldes hatte ich auf meiner Reise völlig vergessen. Sogleich machte ich mich daran das herrschaftliche Anwesen und seine Nebengebäude zu durchsuchen. Müdigkeit oder Erschöpfung kannte ich als Untoter nicht.

Meine Suche war vergebens. Ungeahnter Zorn und marternde Ungeduld verdrängten das süße Gefühl der Hoffnung. Wann sollten endlich diese Gott verfluchten Raben entreffen. Die Abenteurer hatten bereits in Lepidstadt ihr kriminalistisches Geschick unter Beweis gestellt. Und nun hatten sie dies verdammt noch mal hier auf Ascanor zu tun!
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 13. Januar 2014, 19:04:25
30. Lamashan, 4711 AK
Asconarhütte, Pfalzgrafschaft Lozeri


Die Tage auf Ascanor waren lang und die Nächte noch viel, viel länger. Während die Raben tagsüber Nachforschungen bezüglich des Wispernden Pfades anstellten, gingen sie des Nachts mit einem Schnösel namens Dursitan Silvio Arisier auf Werwolfjagd. Weder die Befragungen der Aristokraten, der Bediensteten oder der Bücher Ascanors umfangreicher Bibliothek konnte weitere Hinweise auf den Verbleib der Nekromanten enthüllen. Doch war die Pirsch durch das Schauderholz weitestgehend ereignislos, so war die Lauerjagd selbst für diesen Untoten eine wahre Geduldsprobe. Hatten die Abenteurer behauptet in der Nacht ihrer Ankunft selbst gegen Werwölfe gekämpft zu haben, so bezweifelte ich bereits die Existenz der Lykanthropen innerhalb des Waldes.

Es war seltsam; die Belange der Lebenden entglitten mir ganz einfach. War ich zu Beginn meiner Aufzeichnungen noch hell auf begeistert von den Heldentaten der Erben Lorrimors und ihrer Gefährten, erschien mir ihr Tun, da ich diese Zeilen schreibe, trist und farblos. Ganz so als würde ich sie durch den grauen Schleier des Totentuches sehen.

Dann löste sich der Knoten plötzlich und die Silbernen Raben konnten in Erfahrung bringen, dass der Verwalter von Ascanor sowohl mit Werwolfstämmen des Schauderholzes, wie auch mit den Nekromanten des Wispernden Pfades im Bunde stand. Mit Magie und Hinterlist entkam der Schurke jedoch. Und das bevor die Ermittler mehr über den Verbleib der Dunklen Reiter herausfinden konnten. Nun blieb den Helden von Lepidstadt nur noch ein Anhaltepunkt: die Mondtreppe. Dabei handelte es sich um die Ruine eines verschollenen Desnatempels mitten im Schauderholz, die mittlerweile den Werwölfen des Waldes als Versammlungsort diente. Es stellte sich heraus, dass nur ein Mann auf Ascanor wusste wo dieser Ort war und das musste ausgerechnet dieser Wichtigtuer Dursitan Silvio Arisier sein.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 20. Januar 2014, 23:15:07
1. Neth, 4711 AK
Asconarhütte, Pfalzgrafschaft Lozeri


Gedankenverloren wandelte ich durch die gespenstische Landschaft des Schauderholzes zur frühen Morgendämmerung. Als ich das Nachtlager der Werwolfjäger wiedergefunden hatte, stieg ein Unbekannter lautlos über die Schlafenden.

Von Duristan, Raziel und Bestimotor fehlte jede Spur. So lagen Stralicia, Iacobus und Gizella verlassen in ihren Schlafsäcken auf dem kalten, nadelbedeckten Waldboden.

Der Unbekannte trug einen grauen Reisemantel mit tiefer Kapuze die mir den Blick auf sein Gesicht verwehrte. Ein lautstark brechender Zweig verriet den Mann. Sogleich hatten die Silbernen Raben ihre Waffen bereit, um sich zu verteidigen.

Beschwichtigend streckte der Unbekannte seine Hände von sich. An seiner Hüfte hing ein Langschwert, gleich neben einem Zauberstab. Er stellte sich als Ritter Caldavin Tarrt vor und zog die Kapuze zurück. Sogar im Zwielicht des Schauderholzes schimmerte sein Haar golden. Er war zweifellos nicht nur ein Ritter von Ozem, sondern auch der Bruder des gefallenen Raben Balduan Tarrt.

Die Abenteurer hatten nicht die Zeit sich ausführlicher mit Caldavin zu unterhalten, denn ihre Weggefährten waren vermeintlich spurlos verschwunden. Es war Stralicia die sie eines besseren belehrte. Die Alchemistin hatte einen Fetzen von Bestimotors blauem Umhang an einer Kiefer entdeckt, der ganz offensichtlich nicht zufällig dort hängen geblieben war.

*     *     *     *     *

Wir folgten der Spur des Paktmagiers bis zum Rand einer großen Lichtung. In ihrer Mitte fielen bleiche Sonnenstrahlen auf die verwitterte Ruine eines Turmes. Das weißgraue Licht drang nicht sehr tief in die Finsternis des Waldes, enthüllte den Raben jedoch zwei zottelige Werwölfe in Mischgestalt, bewaffnet mit Steinschwertern. Knurrend sprangen die Bestien auf die Abenteurer zu.

Ein Streich mit einer der mächtigen Steinklingen genügte, um Gizella aus dem Sattel zu werfen. Zwischen den Explosionen von Stralicias Bomben und Caldavins Angriffszaubern hörte ich nur wie sich die Krallen und Fänge der Werwölfe in Menschenfleisch gruben. Es ging alles unglaublich schnell, dann schwebten Iacobus und Stralicia bewusstlos über den geifernden Werwölfen. Blut tropfte aus ihren zahlreichen Wunden auf den Waldboden, wo der zerfetzte Leib von Gizella lag. Die Klerikerin war tot. Caldavin war mit Hilfe seiner Magie entkommen, jedoch musste er seine neuen Gefährten zurücklassen.

Die Werwölfe kreisten mit geifernden Mäulern unter den Bewusstlosen. Das Geheul der beiden hatte noch einen weiteren Lykanthropen herbeigerufen. Später gesellten sich sogar noch zwei weitere hinzu. Bis zu letzt hatte ich gehofft Caldavin oder Bestimotor würden Iacobus und Stralicia vor Gizellas Schicksal bewahren. Doch als der Zauber die beiden nicht mehr in der Luft hielt, fielen auch sie den Fängen der Werwölfe zum Opfer.

Sie mochten Ravengro vor den Gespenstern von Schreckenfels befreit haben, der Bestie von Lepidstadt zu Recht verholfen haben und Tamrivena vor den Orks behütet haben, doch das waren ganz offensichtlich nicht die Helden dieses Zeitalters. Enttäuscht begab ich mich zurück in die Dunkelheit des Schauderholzes.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 27. Januar 2014, 09:54:58
3. Neth, 4711 AK
Asconarhütte, Pfalzgrafschaft Lozeri


Caldavin Tarrt blickte über seinen Bericht an Paladin Mirella Teufelsbann durch das geöffnete Fenster in die Dunkelheit des Waldes hinaus. Die Tage auf Ascanor hatten dem Magier scheinbar nicht die Ruhe und Erholung gespendet, die er nach den schrecklichen Ereignissen an der Mondtreppe dringend benötigte.

Ein zaghaftes Klopfen zerriss die nächtliche Stille. In seinem Trübsinn aufgeschreckt, stieß Caldavin den leeren Weinkelch neben dem Schriftstück um und stolperte zur Tür.

Er öffnete einer jungen Dame. Sie war zierlich und ihr Haar Kastanienbraun. Obwohl sie gut gekleidet war, gehörte sie ganz offensichtlich nicht zu den Aristokraten die für gewöhnlich das Jagdschloss besuchten. Ich erkannte Kendra Lorrimor sogleich, für Caldavin war sie eine Fremde.

Wie hatte sie den jungen Mann gefunden? Woher wusste sie überhaupt von seiner Verbindung zu den Silbernen Raben? Sicher, sie gebot über ein gewisses maß an Erkenntnismagie, ihre Anwesenheit auf Ascanor, vor Caldavins Zimmer, war mir dennoch ein Rätsel.

Sie stellte sich vor und erklärte ihr Verhältnis zu den Weggefährten des Magiers. Kendra wusste vom Tod seines Bruders. Er bat sie herein und erzählte ihr, was danach alles geschehen war.

“Balduans Tod hatte mich zutiefst erschüttert. Er war so voller Güte, Bescheidenheit und Heldenmut. Nie hatte ich einen besseren Mann getroffen als ihn, Caldavin.”, gestand die Erbin von Professor Lorrimor. “Nun berichtet Ihr mir zudem vom Tod meiner treuen Freunde Stralicia und Iacobus? Pharasma prüft uns wahrlich auf’s Ärgste!”

Kendra wandte sich von Caldavin ab und zog ein weißes Spitzentaschentuch aus ihrem Ärmel hervor, um ihre Tränen zu trocknen. “Ritter…”, begann sie hoffnungsvoller, nur um von Balduans Bruder unsanft unterbrochen zu werden: “Vergesst das mit dem Ritter!” Der Magier zischte seinen Titel dabei wie eine Beleidigung.

Sie blickte Caldavin trotz des rüden Tons voller Entschlossenheit an. “Ihr habt berichtet Bestimotor von Simmelwitz sei mit den Werwolfjägern verschwunden. Und Ihr seid der Spur des Gnoms bis zur Ruine des Desnatempels gefolgt. Besmo hat mittlerweile den Weg in ein Nest namens Morcei gefunden. Ich bitte Euch, zieht mit ihm zurück zur Mondtreppe und findet heraus welch finstere Machenschaften der Wispernde Pfad in den Schatten des Schauderholzes vorangetrieben hat!”

Von ihrer Brust löste die junge Frau eine silberne Anstecknadel. Das Schmuckstück besaß die Form eines stilisierten Raben. “Dieses Abzeichen gehörte Eurem Bruder, Caldavin. Er verdiente es sich im Kampf mit den Gespenstern von Schreckenfels, in der Pfalzgrafschaft Kanterwall. Nun sollt ihr den Silbernen Raben in den Diensten der Pfalzgrafschaft Vieland tragen.”
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 11. Februar 2014, 11:47:46
Ursprünglich wollte ich diese SH jeden Montag fortschreiben. Natürlich habe ich es nicht immer geschafft. Beispielsweise wäre es gestern... vor einer Woche... wieder so weit gewesen. Für 2014 habe ich mir vorgenommen, mich von diesen Vorsatz zu verabschieden. Mir fehlt schlichtweg die Zeit dafür.  :(

Wie bereits erwähnt, erschienen bisher die einzelnen Beiträge stets zuerst auf unserem Blog Tintenteufel (http://tintenteufel.wordpress.com/). Das soll sich aber in Zukunft ändern, denn das Gate soll mindestens eine Woche Vorlauf bekommen.

Am Spieltisch haben wir mittlerweile das dritte Modul des Abenteuerpfads, Zerbrochener Mond, abgeschlossen. Das Reisetagebuch des geisterhaften Chronisten Avanil Sternentänzer hat gerade erst begonnen davon zu berichten.
Titel: Die Chronik der Silbernen Raben
Beitrag von: Mhyr am 17. März 2014, 09:48:00
6. Neth, 4711 AK
Morcei, Pfalzgrafschaft Lozeri


Caldavins Magie erleichterte die Reise durch das finstere Schauderholz ungemein. So erreichten wir Morcei ohne nennenswerten Zwischenfälle. Ich hatte daran geglaubt nach Ravengro nicht so schnell wieder in Ustalavs Hinterland Halt zu machen, doch ich hatte mich geirrt. Morcei war ein verfluchtes Nest! Es gab einen Platz, besser gesagt eine Kreuzung, wo drei Straßen aufeinander trafen. Dort stand der Nachrichtenpfahl (http://tintenteufel.wordpress.com/2013/05/07/am-nachrichtenpfahl-teil-3/) und die drei wichtigsten Gebäude der Siedlung: das Gasthaus, das Gefängnis und die Kirche.

Nur das Gasthaus Zum Schwarzen Hirsch besaß zwei Stockwerke. Der Sockelbau war aus dunklem Bruchstein erbaut worden, die obere Etage aus den mächtigen Waldriesen des Schauderholzes. Das Gotteshaus mit seinen Nebenbauten war das einzige reine Steingebäude von Morcei. Seine Türme überragten das Gasthaus noch um ein gutes Stück, mit Spitzbögen, Wasserspeiern und einer kunstvoll gestalteten Fensterrose über dem Hauptportal. Das Gefängnis unterschied sich nur durch die vergitterten Fenster von den übrigen windschiefen Holzhütten der Fallensteller und Waldarbeiter.

Es dauerte nicht lang, da erfuhr Caldavin im Schwarzen Hirsch von Bestimotors tragischem Schicksal. Unter den Trinkern von Morcei erzählte man sich der Gnom habe den Verstand verloren. Er wurde "zu seinem eigenen Schutz" - und dem der Dorfbewohner - in der Heilanstalt der Kirche festgehalten.

Während der Magier den Dorfplatz überquerte um die Hohepriesterin aufzusuchen, blieb ich zwischen den verstaubten Weinflaschen hinter dem Tresen verborgen und lauschte den Gästen noch eine Weile. Sie erzählten sich von den Heldentaten der Daimonenhand. Dabei musste es sich ganz offensichtlich um eine Abenteurergruppe handeln, die vor längerer Zeit die ortsansässigen Werfledermäuse und Korruption innerhalb der Kirche Pharasmas besiegt hatten. Der ehemalige Hohepriester von Morcei hatte dem Anschein nach nicht nur mit den blutsaugenden Lykanthropen, sondern auch mit Daimonen - seelenhandelnden Scheusalen der unteren Ebenen - paktiert. Amaryllis Hollenampfer (http://tintenteufel.wordpress.com/2013/05/04/nachruf-amaryllis-hollenampfer/), Jal Jadrescu, Luana Ruxandra, Raska von Breughen und der Variser Marek hatten ihm das Handwerk gelegt und waren dabei zu Helden geworden. Meine Neugierde war selbstverständlich sogleich geweckt, hatte doch ein Großteil meiner Silbernen Raben vor kurzem ein ruhmloses, viel zu frühes Ende gefunden.

Nach ihrer Rückkehr aus Karcau war die Daimonenhand in das Schauderholz gezogen um den verfluchten Gestaltwandlern des finsteren Waldes wieder das Fürchten zu lehren. Ganz nebenbei hatten Marek und Raska - zu meiner Freude - mit der Hilfe von Besmo und Pami einen Zirkel Grüner Vetteln zerschlagen.

Zu gern hätte ich noch mehr über ihre Zeit in Sinarias kultivierter Hauptstadt erfahren, diese jüngsten Heldentaten klangen jedoch äusserst viel versprechend. Zudem zog es die Daimonenhand scheinbar ebenso zur Mondtreppe, jenem verfallenen Desnatempel in den Tiefen des Schauderholzes an dem Gizella, Iacobus und Stralicia gefallen waren.

Vielleicht hatte meine Chronik der Silbernen Raben mit dem Ableben der drei Abenteurer doch noch kein Ende gefunden.