5 Mishamont
Wir sind nun schon einige Tage auf See und steuern mit der Levinbolt auf unser neues Ziel zu. Es scheint, als würden die Götter des Lichts doch wohlwollend auf uns herab blicken. Nachdem wir die Dracheneier an Toede übergeben hatten, war es uns erlaubt, die Bibliothek zu betreten. Wir stießen unter anderem auf eine Legende über einen Ritter von Solamnia, der in den Sümpfen in Nordmaar auf eine mystische Quelle stieß, die alles Leid von einem nehmen kann. Dieser von Habbakuk gesegnete Ort ist das Ziel unserer Reise, denn wir hoffen, die verfluchte Träne Mishakals dort reinigen zu können.
Mit diesem Ziel vor Augen scheint eine große Last von meinen Schultern genommen zu sein und ich spüre, zum ersten Mal seit langem, wieder Zuversicht in meinem Herzen. Selbst der Umstand, dass dieser Koboldzauberer, Yap, mit uns an Bord ist, kann mir meine Laune nicht verderben. Tarlan treibt sich die meiste Zeit über unter Deck herum – vermutlich bringt er die Mannschaft beim Würfeln um die Heuer. Er scheint sich um unsere heilige Mission nur sehr wenig zu kümmern. Terengar ist beinahe die ganze Zeit über in seine Bücher vertieft und geht „seinen Studien nach“, wie er beim Essen fassen selber angibt. Deshalb verbringe ich die meiste Zeit mit Syrah und Sati. Während mir die Kiri-Jolith Priesterin nach wie vor ein Rätsel ist, habe ich die Kleine ins Herz geschlossen (Habbakuk verbiete, dass dies jemals jemand aus der Gruppe liest). Das Mädchen hat viel durchgemacht seit wir sie aus der Festung der Dark Knights befreit hatten. Dennoch scheinen die Gefahren die Kleine eher neugierig zu machen, denn abzuschrecken. Ich weiß nicht, was es ist, das mich an dem Mädchen so fasziniert. Sie erinnert mich an den Zwerg, der ich einmal war und der ich immer bleiben wollte. Meine Vergangenheit hat mich hart und verschlossen gegenüber den Rest der Welt gemacht. Die Erfahrungen in Sanction und später in Flotsam haben Mitleid und Anteilnahme tief in mir verschüttet. Doch Satis unschuldige Art, nun... irgendetwas scheint sich in mir zu regen. (Die Tinte des folgenden Satzes ist zerflossen, vermutlich durch Spritzwasser oder einen Regentropfen) ...hinter ihrer Oberflächlichkeit etwas tieferes, geheimnisvolleres liegt. Etwas, das vielleicht in naher Zukunft ans Tageslicht gelangen wird. Ihren Erzählungen nach scheint sie jedenfalls älter zu sein, als ich bisher angenommen hatte. Jetzt wo ich weiß, welches Erbe sie in sich trägt, wundert mich das nicht. Aber Sati ist nicht die Einzige, die mir Rätsel aufgibt. Syrah ist ebenfalls eine Mine voll geheimnisvoller Stollen. Manchmal ist sie wild und unbändig, als wollte sie ganz Krynn niederringen. Dann, plötzlich ist sie unsicher, in sich gekehrt, und scheint mit ihrem Schicksal zu hadern, das ihr der Gott des gerechten Streits auferlegt hat. Immer wieder frage ich mich, wie sie ihre Weihen erlangt hat. Sicher nicht in einem Kloster, oder einer Ordensburg, nach langen Jahren der Schulung und Disziplin. Dafür ist sie auch viel zu jung. Ich hoffe, dass ihr Gott ihr die Kraft gibt, die Prüfungen zu bestehen, die vor uns liegen. Jedenfalls sieht sie es, ebenso wie ich, es als Pflicht an, Sati ein wenig im Zweikampf zu schulen. Das gemeinsame Training, und vor allem die Pausen dazwischen, schweißt uns als Gemeinschaft enger zusammen. Schade, dass Tarlan und Terengar dem Ganzen nichts abgewinnen können. Doch was ist das? Die Mannschaft ist aufgeregt. Dunkle Wolken sammeln sich am Horizont und selbst der Kapitän ist aufgeregt.
8 Mishamont
Ich will nun nicht länger mit meinen eigenen Taten prahlen, denn die letzten Erlebnisse haben einmal mehr bewiesen, dass das Wasser ein den Zwergen feindlich gesonnenes Element ist. Jede Seereise, die ich bisher unternommen hatte, sei es nun freiwillig oder unfreiwillig, war von Zeboims dunklem Fluch überschattet. Das Sklavenschiff, auf dem ich war, erlitt Schiffbruch und hätte mich und Syrah beinahe mit in den nassen Tod gerissen. Unsere erste Reise mit der Levinbolt führte uns fort von einer sterbenden Stadt, die zweite Reise ließ uns direkt an Zeboims finsterer Algeninsel anstranden, wo wir ein Leben gegen ein anderes tauschen mussten. Nun folgen die Erzählungen meiner vierten und hoffentlich letzten Seereise, auch wenn ich befürchte, dass Habbakuk es mir zur Aufgabe gemacht hat, die nasse Öde wieder und wieder zu bereisen.
Die Zeilen, die nun folgen sind den wahren Helden der Geschichte gewidmet. Ich selbst spiele darin nur eine kleine Rolle, wie Habbakuk es in seiner göttlichen Weisheit beschlossen hat. Diese Geschichte ist die eure Sati, Syrah, Tarlan und Terengar. Ihr habt bestanden, wo ich gefehlt habe und meine Nachfahren sollen eure Namen für das, was ihr für mich getan habt, in Ehren halten und auf euch trinken, wenn die Geschichte dereinst in trautem Kreise weitergegeben wird.
Finstere Wolken am Himmel waren nur Vorzeichen eines schrecklicheren Übels. Der Fluch der Blood Sea war über uns gekommen. Die Matrosen erzählten uns von einer schrecklichen Kreatur, die es offensichtlich auf uns abgesehen hatte. Ein gewaltiger untoter Wal, Zeboims Diener, rammte die Levinbolt und das Schiff nahm sofort Wasser. Der Sturm peitschte, einige Matrosen gingen über Bord, unrettbar verloren. Es war, als wäre die dunkle Herrin der Stürme selbst über uns gekommen und ihr Zorn peitschte unbarmherzig auf uns herab. Noch ehe wir wussten, wie wir uns gegen dieses Monster zur Wehr setzen konnten, tauchte ein gewaltiger Kraken aus den fluten auf, der großgewachsene, blauhäutige Meerelfen auf seinen riesigen Tentakeln trug. In wenigen Augenblicken setzte das Ungetüm die Meerelfen an Deck ab. Unmissverständlich machten die Elfen uns klar, dass wir dem sicheren Tod nur entrinnen konnten, wenn wir uns ergeben würden. Verzweifelt streckten wir die Waffen und gingen unserem dunklen Schicksal entgegen – hinein in den kalten Bauch des untoten Wals.
Der Gestank im inneren der Kreatur raubte uns die Sinne. Als wir wieder zu uns kamen, waren wir in einer seltsamen Kammer eingeschlossen. Unsere Geschichte hätte hier wohl ein frühes Ende gefunden, hätten wir nicht Terengar in unserer Mitte gehabt. All meine Verachtung für nutzloses Bücherwissen musste ehrlichem Respekt weichen, denn nur dank Terengars Öffnungszaubers allein konnten wir entfliehen. Die scheinbar harte und undurchdringliche Wand verwandelte sich in weiche Masse und es gelang uns die Wachen, eigenartige Krötenwesen namens Kuo-Toa (so hatte sie Terengar genannt), auszuschalten. Auch hier leisteten Terengars Zauber gute Dienste, wo wir doch unbewaffnet waren. Die Kuo-Toa trugen Korallenringe, mit denen man die eigenartigen Türen aus seltsamen Schleim weich und wieder fest machen konnte. Auf diese Weise wurden einige der Durchgänge hier unten geöffnet und verschlossen und das Wasser am Eindringen gehindert. Auch die restlichen Mannschaftsmitglieder, die paar Seeleute die den Angriff überlebten, konnten wir aus den Nachbarzellen befreien. Auch fanden wir einen Teil unserer Ausrüstung und einige Waffen in einer Kammer ganz in der Nähe der Gefängniszellen. Doch zu unserem Schreck waren alle magischen Gegenstände nicht darunter. Unsere Waffen, die Drachenlanze, auch die Tränen der Mishakal waren fort! Und das Schlimmste war, dass wir offenbar in einem Gebäude tief unter Wasser gefangen waren. Außerhalb unserer Zellen waren Gänge und Kammern geflutet. Ein senkrechter Schacht, annähernd Kreisrund im Durchmesser führte sowohl hinauf, als auch tiefer in die Fluten. Meine Kinder und Enkel – sollte ich jemals mit Nachwuchs gesegnet sein – werden mir die Ironie nicht glauben. Ich, Thengol Battlebellow, Belkhars Sohn aus dem Clan der Neidar war der beste Schwimmer. So lag es hauptsächlich an mir den Höhlenkomplex in Zeboims dunklem Reich auszukundschaften. Denn dass wir nicht in Habbakuks gesegneten Gewässern waren, hatte mir der Gott in einem Traum gezeigt. Ich sah ein Meerelfendorf am Grund der See, die zu Habbakuk beteten. Doch in meinem Traum zog ein dunkler Schatten der ewigen Schildkröte über das Dorf hinweg und brachte Finsternis und Schrecken mit sich. Seabreeze, meine treue Klinge, vibrierte, als der Schatten auch über mich kam.
Als wir schwimmend und tauchend die Kammern rings um den senkrechten Schacht erkundeten, stellten wir fest, dass die Levinbolt nicht das einzige Schiff gewesen war, dass auf den Grund des Meeres geschickt wurde, denn in anderen Kammern fanden wir Schätze unvorstellbaren Ausmaßes. Truhen und Kisten voll mit Münzen und Geschmeide, Statuetten und wertvolles Geschirr, Bilder, Büsten und Kunstgegenstände, deren Zweck und Herkunft mir unbekannt waren türmten sich in verschiedenen Räumen vor uns auf. Sollten wir aus unserem Gefängnis entfliehen können und einige dieser Schätze bergen, dann könnten wir nicht nur ein neues Schiff kaufen und unserem wagemutigen Kapitän Emir und seiner Mannschaft eine ordentliche Heuer ausbezahlen.
Was mich aber am Meisten überraschte, war der bronzene Drache, der in einem kleinen Kerkerraum an die Felswand gekettet war. Er stellte sich uns als Seaquake vor und flehte uns an ihn zu befreien. Nachdem wir Jassim Emir und seine Mannschaft an einem sicheren Ort zurück ließen, machten wir uns auf die Suche nach geeignetem Werkzeug, um Seaquake zu befreien. Wir hatten die Möglichkeit nach oben oder nach unten zu tauchen und entschieden, dass Sati und ich erst Mal nach oben tauchen sollten. Tatsächlich gelangten wir in einen mit Luft gefüllten Kuppelraum, wo sich auf einen Tisch die vermissten magischen Schätze und Waffen befanden, doch der Raum wurde von einem Seeoger und zwei krabbenartigen Wesen namens Chuul bewacht. Sofort gingen die Monster zum Angriff über und von da an schien unser Glück verbraucht gewesen zu sein. Zuerst versuchten Sati und ich uns gegen die Feinde zur Wehr zu setzen und gaben das vereinbarte Zeichen, dass die anderen nach oben tauchen sollten. Doch schon nach wenigen Augenblicken war klar, dass wir zwei nicht durchhalten konnten, bis die anderen bei uns waren. Sie waren zu schlechte Schwimmer, als dass sie es rechtzeitig geschafft hätten. Doch Flucht in den mit Wasser gefüllten Schacht war ebenfalls keine gute Wahl gewesen. Die Kreaturen konnten unheimlich schnell schwimmen und setzten uns bei unserer Flucht den Wasserschacht hinab schon ziemlich zu. Sati und ich schwammen in einen mit Luft gefüllten Raum, unserem ehemaligen Gefängnis, während Tarlan, Terengar, Syrah und Yap eine andere Fluchtroute wählten. Mein Plan wäre gewesen, die Chuuls in einer Kammer zwischen zwei dieser seltsamen Türen einzuschließen, doch bevor Sati und ich den uns verfolgenden Chuul einsperren konnten – wir hatten beide die Korallenringe – bekam mich das Monster zu fassen. Sosehr ich mich auch wehrte, aus dem tödlichen Griff des Monsters gab es kein Entrinnen. Ich rief Sati noch zu, sie möge sich retten, dann wurde es dunkel um mich. Ich erwachte erst wieder, als wir uns am Strand von Kernen befanden, doch ich möchte die Geschichte so wiedergeben, wie Sati sie mir später erzählt hat.
Nur einer der Chuuls war Sati und mir nachgeschwommen. Der andere verfolgte Syrah in den gefluteten Gang, wo auch Seaquake gefangen war. Syrah ist eine denkbar schlechte Schwimmerin und hatte in einem Zweikampf keine Chance. Doch es war dieser Kobold an ihrer Seite und auch Terengar schloss sich dem Kampf an, indem ihr durch ein Zaubertor zu Hilfe eilte. Es muss ein schrecklicher Kampf gewesen sein, denn in einem engen Gang, der fast völlig unter Wasser steht, gegen dieses Wesen anzutreten war eine verzweifelte Lage. Doch meine heldenhaften Gefährten bewahrten Ruhe und bewiesen Gottvertrauen. Trotz aller Schwierigkeiten gelang es Terengar zu Zaubern und Syrah rief mit Kiri-Joliths Macht Wasserkreaturen als Beistand herbei. Gemeinsam besiegten sie das Ungetüm.
Während es den anderen gelang den Chuul, der sie verfolgte, mit Magie und von Kiri-Jolith gesandten Kreaturen auszuschalten, war Sati in einer verzweifelten Lage. Es gelang ihr zwar, den Chuul einzusperren, doch ich lag auf der anderen Seite und für Sati gab es keine Fluchtmöglichkeit. Sie versuchte das Monster zu überlisten und an ihm vorbei zu huschen. Es wäre ihr auch beinahe gelungen, doch im letzten Moment erwischte sie der Chuul und verwundete sie schwer. Trotz ihres harten Panzers und dem massigen Körper waren diese Kreaturen sehr flink. Sati wurde von einer der Scheren getroffen und verlor das Bewusstsein.
Tarlan war noch der Klügste von allen gewesen, denn er floh in die Kammern, wo Jassim Emirs Mannschaft wartete. Als er beunruhigt nach den anderen suchte, war Terengars und Syrahs Kampf bereits vorbei. Schnell entschieden die Gefährten, dass es wohl am Klügsten sei, einen Versuch zu wagen den bronzenen Drachen ohne geeignetes Werkzeug zu befreien. Glücklicherweise gelang der Versuch auch indem Syrah wiederum die Macht Kiri-Joliths herabbeschwor, um den Drachen mehr Kraft zu verleihen.
Mit vereinten Kräften sprengten sie die Ketten und Seaquake war frei. Danach drangen sie mit Terengars Magie in die einzige Kammer ein, deren Zugang verschlossen war, denn nur dorthin konnten Sati und ich geflohen sein. Kaum hatten sie sich in die enge Vorkammer gequetscht, als das verwundete Monster sich ihnen entgegen warf. Es ist schwer vorstellbar, was sich dort abgespielt hat, denn sowohl der Chuul, als auch der Drache waren ziemlich groß. Dennoch gelang es ihnen, die Kreatur zu erschlagen. In der Kammer dahinter fanden sie die regungslose Sati. Das Mädchen atmete noch und sie konnten mit Magie ihre Lebensgeister wieder wecken. Für mich jedoch schien es keine Rettung zu geben. Noch während meine Gefährten überlegten, was nun zu tun sei, tauchte ein weiterer Kuo-Toa auf und meine Gefährten verfolgten mit Seaquake die Kreatur bis in den Kuppelraum. Rasches und beherztes Handeln war gefragt, bevor das Wesen noch größeres Übel herbeirufen konnte. In der Kammer wartete immer noch der schreckliche Seeoger und sofort entbrannte ein heftiger Kampf, der nur knapp gewonnen wurde. Sowohl der Seeoger, als auch der Kuo-Toa, waren Priester von Zeboim und warfen meinen Freunden ihre dunkle Macht entgegen. Unheilige Macht durchflutete den Raum und Tarlan wurde von ihr erfasst und kampfunfähig gemacht. Der Oger war ein furchtbarer Gegner mit seinem großen Schwert und auch der Kuo-Toa machte Sati mit seinem Dreizack schwer zu schaffen. Das Mädchen hatte sich ihm entgegen geworfen, um den hilflosen Tarlan zu verteidigen. Dass der Kampf nur um Haaresbreite gewonnen werden konnte, wurde mir klar, als Sati mir erzählte, dass sogar Seaquake so schwer getroffen war, das er kampfunfähig wurde. Als Syrah ein letztes Aufgebot als Verstärkung herabbeschwor, war die Übermacht offensichtlich, denn der Oger fällte den gerufenen Skorpion mit einem einzigen Hieb. Mit blankem Stahl und magischer Macht stritten Sati, Syrah und Terengar um ihr Leben, während der Drache seinen tödlichen Odem in Blitzen entlud. Das Schlachtenglück wandte sich, als der Kuo-Toa getötet wurde, denn sofort fiel der schreckliche Zauber von Tarlan ab und er konnte endlich in den Kampf eingreifen und tötete den Oger mit einem alles entscheidenden Hieb. Gerne hätte ich den Heldenmut mit meinen eigenen Augen gesehen. Viel eindrucksvoller könnte ich den beherzten Kampf in meiner Vorstellung sehen, als er sich aus Satis Mund darstellt. Doch was letztendlich zählt ist, dass sowohl der Kuo-Toa, als auch der Oger fielen und die Tränen und die Drachenlanze zurückerobert werden konnten. Sowohl der Oger, als auch der Kuo-Toa, waren Priester der Zeboim und wieder einmal haben die Götter des Lichts über ihre Dunkelheit triumphiert. Wo Habbakuk und Kiri-Jolith in Eintracht schreiten, muss das Böse weichen.
Nachdem die Verletzten mit Tränken und Magie geheilt waren, begab sich die wackere Gruppe wieder hinab in die Fluten, um nach einem Ausweg aus dem Komplex zu finden. Während sie noch um meinen reglosen Leib herum standen, tauchten Meerelfen auf. Mir läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich an Terengars Schilderung denke. Die Elfen sind viel größer als ihre Vettern an Land, etwa sechs bis sieben Fuß und haben blaue Haut und dunkles, meist schwarzes, Haar. Zwischen ihren Zehen und Fingern spannen sich Schwimmhäute und sie tragen Rüstungen aus der eigenartig schuppig-gezahnten Haut eines Hais. Ihre Namen sind lang und für unsere Zungen schwierig auszusprechen. Es überrascht mich nicht, dass meine Gefährten erschrocken waren, als sie mit ihren Dreizacken in die enge Kammer eindrangen. Als Tarlan aus Überraschung sein Schwert zog, senkten sich die Dreizacke herab. Zunächst schien es, als würde ein weiterer Kampf entbrennen, denn die Meerelfen waren überrascht, dass es uns gelungen war aus den Zellen zu entkommen. Nur ein beherztes Einschreiten Terengars verhinderte das Schlimmste. Er trat zwischen die gezogenen Waffen und redete auf die Elfen ein. Er erklärte ihnen, dass Zeboims Fluch von ihnen genommen und die dunklen Priester tot waren. Glücklicherweise erinnerten sich die Elfen an ihre ehemalige Verbundenheit zu Habbakuk, auch wenn sie ihn unter einem anderen Namen kannten. „Abbuku“, so nannten sie ihn – und das Erzählte erinnert mich so sehr an die Phaeton, die Kinder des Phönix. So wie es mir Tarlan schilderte, schienen die Elfen verwirrt zu sein, als wären sie soeben aus einem Traum erwacht und nach einigem hin und her erklärten sie sich einverstanden uns an der Küste abzusetzen. Wir waren tatsächlich tief unter den Wellen gefangen gewesen. Mich wundert etwas, dass meine Gefährten nicht darauf gedrängt hatten, die seltsamen Ereignisse noch weiter aufzuklären. Warum war Zeboim zu den Elfen gekommen und wie war es ihr und ihren Priestern gelungen, das Volk der Elfen zu unterwerfen und zu bekehren? Werden die ehemaligen Priester Habbakuks zu ihrem Glauben zurückfinden, oder würde Zeboims Fluch weiterhin auf ihrer Seele lasten? Was war mit all den Seeleuten geschehen, die wie wir in die Fluten hinabgerissen wurden? All diese Fragen werden ungeklärt bleiben. Ich bete zu Habbakuk, dass er sich der Elfen annimmt, den auch wenn mir das langohrige Volk ewig ein Rätsel bleiben wird, so habe ich dank der Phaeton einen Einblick in ihr Leben erhalten, der den meisten Brüdern und Schwestern meines Volkes verwehrt bleibt. Auch wenn ich nur ein geringer deiner Diener bin, oh gewaltiger Herr des Landes und der See, segne die Geschwister des Meeres und lasse sie nicht allein in der Dunkelheit der Tiefen.
Auch ohne die quirlige, lebhafte Art Satis – kein Zwerg könnte eine Geschichte auf ihre Weise niederschreiben – klingt all das wie verrücktes, dunkles Märchen. Aber in Anbetracht der vielen eigenartigen Dinge, die wir bereits erlebt haben, denke ich, dass das Meiste von Satis Erzählungen wohl war ist. Auch Tarlan, Syrah und Terengars Berichte decken sich weitgehend mit dem, was Sati mir geschildert hat. Der Umstand, dass ich heute am Lagerfeuer sitze und alles niederschreibe, nachdem ich kalt und tot in der Grotte gelegen bin, ist aber der größte Beweis für die Wahrhaftigkeit der Erzählung. Für meine Gefährten hieß es Abschied nehmen von dem fremden Volk des Meeres und auch von Seaquake dem Bronzenen, denn er hat sich entschlossen bei den Meerelfen zu bleiben. Nach einer Rast und Erholung von all den erschöpfenden Erlebnissen hat Syrah schließlich die Macht ihres Gottes angefleht, um meinem kalten Leib neues Leben einzuhauchen. Und wie als letzten Beweis für unseren Triumph wurde ihre Bitte erhört.
Ein weiteres dunkles Übel ist an uns vorübergezogen und hat tiefe Spuren hinterlassen. Dem Tod ins Auge zu blicken ist mein, ist unser Schicksal. Nur die Götter allein wissen, welch grimmige Prüfungen auf dem Weg nach Nordmaar noch auf uns warten. Ich bin bereit den Gefahren entgegen zu treten, solange ich meine Freunde an meiner Seite weiß. Vor noch nicht allzu langer Zeit wollte ich ein Held meines Volkes sein, wie Agate Thorwallen, Grallen oder Flint Firestone. Heute ist mir klar, dass ich nicht in den Augen meiner Vorfahren bestehen muss, nicht einmal in den Augen der Götter. Aber ich möchte meinen Freunden das zurück geben, was sie in den tiefen Fluten für mich getan haben, so wahr ich Thengol Battlebellow bin, Belkhar und Tamashas Sohn.