Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?
Du siehst mir nicht nach Vaterunser aus, Holde.
Du weißt, was dich erwartet, wie in dem süßen Augenblick aufkeimender Glückseligkeit, als ich dich im Schaufenster liegen sah.
Ebenso berückend noch diese geschmeidigen Glieder, diese sanfte Wölbung der Hüften, diese jugendlich straffen Brüste.
O, wie berauscht vom Glück muss der große Meister gewesen sein, als das vierzehnjährige Original vor seinen Blicken hingestreckt auf dem Diwan lag!
Wirst du mich auch bisweilen im Traum besuchen? Mit ausgebreiteten Armen empfang ich dich, und will dich küssen, dass dir der Atem ausgeht. Du ziehst bei mir ein wie die angestammte Herrin in ihr verödetes Schloss. Tor und Tür öffnen sich von unsichtbarer Hand, während der Springquell unten im Parke fröhlich zu plätschern beginnt…
Die Sache will`s! – Die Sache will`s!
Dass ich nicht aus frivoler Regung morde, sagt dir das fürchterliche Pochen in meiner Brust. Die Kehle schnürt sich mir zu im Gedanken an meine einsamen Nächte. Ich schwöre dir bei meiner Seele, dass nicht Überdruss mich beherrscht. Wer wollte sich rühmen deiner Überdrüssig zu sein!
Aber du saugst mir das Mark aus den Knochen, du krümmst mir den Rücken, du raubst meinen Augen den letzten Glanz. – Du bist mir zu anspruchsvoll in deiner unmenschlichen Bescheidenheit! – Du oder ich! Und ich habe den Sieg davongetragen.
Wenn ich sie herzählen wollte – all die Entschlafenen, mit denen ich hier den nämlichen Kampf gekämpft! - : Psyche von Thumann – noch ein Vermächtnis der spindeldürren Mademoiselle Angelique, dieser Klapperschlange im Paradies meiner Kinderjahre; Io von Corregio; Galathea von Lossow; dann ein Amor von Bouguereau; Ada von I. van Beers – diese Ada, die ich Papa aus einem Geheimfach seines Sekretärs entführen musste, um sie meinem Harem einzuverleiben; eine zitternde, zuckende Leda von Makart, die ich zufällig unter den Kollegienheften meines Bruders fand – sieben, du blühende Todeskandidatin, sind dir vorangeeilt auf diesem Pfad in den Tartarus! Lass dir das zum Troste gereichen und suche nicht durch diese flehentlichen Blicke noch meine Qualen ins Ungeheure zu steigern.
Du stirbst nicht um deiner, du stirbst um meiner Sünden willen! – Es liegt etwas tragisches in der Rolle des Blaubart. Ich glaube, seine ermordeten Frauen insgesamt litten nicht so viel wie er beim Erwürgen jeder einzelnen.
Aber mein Gewissen wird ruhiger werden, mein Leib wird sich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rotseidenen Polstern meines Schmuckkästchens residierst.
Mädchen, Mädchen, warum presst du deine Knie zusammen? - warum auch jetzt noch? – angesichts der unerforschlichen Ewigkeit?? – Eine Zuckung und ich gebe dich frei! – Eine weibliche Regung, ein Zeichen von Lüsternheit, von Sympathie, Mädchen! – ich will dich in Gold rahmen lassen, dich über meinem Bett aufhängen! – Ahnst du denn nicht, dass nur deine Keuschheit meine Ausschweifungen gebiert?
Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?
Das Herz krampft sich mir zusammen
Unsinn! – Auch die heilige Agnes starb um ihrer Zurückhaltung willen und war nicht halb so nackt wie du!
Einen Kuss noch auf deinen blühenden Leib, deine kindlich schwellende Brust – deine süßgerundeten –
deine grausamen Knie…
Die Sache will`s, die Sache will`s, mein Herz!
Die Sache will`s –