Ich vergleiche jetzt mal die beiden Passagen miteinander:
Passage 1:
Als Powergamer (kurz: PG) wird unter Rollenspielern ein Typ von Spieler bezeichnet, der das Rollenspiel als einen Konkurrenzkampf untereinander versteht.
Passage 2:
Bei den meisten Spielern herrscht die Ansicht, dass es im Rollenspiel kein klar definiertes Ziel gibt außer dem, Spaß zu haben und durch eigene Beiträge und konsequentes Spiel eine möglichst tiefe und authentische Atmosphäre zu schaffen. Ein Powergamer dagegen sieht es als Spielziel an, sich gegenüber seinen Mitspielern einen Vorteil zu verschaffen. Dieser Vorteil besteht meistens darin, die Fähigkeiten seines Avatars (der Charakterfigur) möglichst zu maximieren und die bestmögliche Ausrüstung zu erlangen. Mittel der Wahl ist dabei entweder das Auslegen der Regeln zum eigenen Nutzen oder das Ausnutzen von Lücken im Regelwerk.
Ein weiterer Unterschied besteht in dem Verhältnis zur Spielfigur. Die meisten Rollenspieler sehen es als reizvoll an, ihren Avatar möglichst authentisch zu spielen, das heißt neben seinen Stärken auch seine Schwächen zu berücksichtigen, und diese glaubhaft in das Verhalten der Figur mit einfließen zu lassen. Ein Powergamer dagegen sieht beim Erstellen seines Avatars in erster Linie die Stärken, und versucht die Schwächen entweder zu ignorieren oder durch Lücken im Regelwerk auszugleichen beziehungsweise "wegzuerklären". Auch andere Grenzen des eigenen Charakters sind für den Powergamer nicht wichtig, es zählen allein die Vorteile.
Ohne Ironie will ich sagen, dass es sicherlich auch einen Reiz gibt eine Adeligen, einen Experten oder einen Adepten zu spielen. Es kann auch Spaß machen einen Charakter mit enormen Schwächen zu spielen.
Aber kommt es nicht eher darauf an, welche Gruppe man vor sich hat.
Bei einem meiner Spielleiter weiß ich relativ genau, dass ich meine Charaktere nicht verskillen sollte. Denn es gibt harte und anspruchsvolle Kämpfe. Ich versuche also mir ein Charakterkonzept zurecht zu legen, dass mir Spaß macht. Ein Charakter, den ich toll finde zu spielen. Meist ist das bei mir ein recht ausgefallenes Konzept.
Dennoch kann ich mir es einfach meiner Mitspieler zu liebe nicht leisten etwas *verdammt* extremes oder allzu schwaches zu spielen. Denn letzten Endes geht es um den Spielspaß
aller Spieler. Wenn man einen verrückten Charakter zu heftig ausspielt, kann es zu Komplikationen in der Gruppe kommen und die Spieler könnten ihren Spielspaß verlieren. Der
gemeinsame Spielspaß könnte flötten gehen.
Zum anderen würde es mich stören, wenn ich meinen Charakter so geskillt hätte, dass er bei einem Kampf gegen einen Golem zum Beispiel nur däumchen-drehend im Eck sitzt, weil er nichts sinnvolles in dem Kampf machen kann. Denn es könnte wirklich sein, dass ein Charakter stirbt, weil ein Charakter effektiv gar nichts sinnvolles zu einem Kampf beitragen kann. Bei einem Magier ist das vielleicht noch völlig übertrieben. Bei einem Schurken oder Barden würde es aber u.a. wieder ganz anders aussehen...
Bei kampflastigen Kampagnen müssen meine Charaktere nichts im Alleingang erledigen, aber sie sollen auch nicht der "Klotz am Bein" der Gruppe sein.
Und das sind wir wieder beim eigentlich Kern angelangt:
Es gibt x-variablen bei einer Bestimmung, was im Einzelfall "übermächtig" sein könnte und was nicht...
Wie kampflastig ist die Kampagne? Welche Monster mit welcher CR und wieviele genau schickt der Meister seiner Gruppe entgegen, wenn er sie mal kämpfen lässt? Ist es eine Low-Magic Kampagne? Ist es eine Stadtkampagne, eine Erforschung alter Ruinen, ein Wildnisabenteurer, ein Abenteuer in den Ebenen oder was ganz anderes? Wieviele SCs spielen insgesamt mit? Was haben die denn so für PrCs, Grundklassen und magische Ausrüstung? Sind alle Spieler gleich erfahren? Wieviele Bücher lässt man zu? Unter welchen Umständen wird etwas zugelassen?
Diese Liste an Fragen könnte man endlos weiterführen.
Nehme wir doch mal an, dass wir eine Gruppe aus Dervish, Incantatrix/Archmage, aus nem Cleric Contemplative und einem Schurken mit Feats hat, die einem erlauben normalerweise Sneak-Immune Gegner doch zu Sneaken (unter bestimmten Bedingungen) und der auch mit ein paar Feats aus dem Complete Scoundrel ausgestattet ist und einer finessable Reach-Weapon hat. Vielleicht noch mit hohem Point-Buy und einem großzügigen Vermögen für alle SCs. Wer sagt denn, dass die Gegner nicht entsprechend anspruchsvoll gemacht werden können, um als SL auf diese Bedingungen einzugehen? Wer sagt, denn dass die Spieler die Lust zu 100% an ihrer konkreten Kampagne verlieren werden?
Jeder von den Charakteren hätte das gleiche Machtniveau in etwa auf seine individuelle Art und Weise. Wenn dann darf man nicht PrCs die Schuld geben, falls es trotzdem Machtunterschiede geben sollte. Der Fehler in der Balance, den man möglicherweise sehen könnte, ist eigentlich schon in den Grundklassen etwas vorprogrammiert. Wo ich vor einigen Tagen einigen Spielern zustimmen musste, dass es doch auf höheren Stufen Machtunterschiede bei Kämpfern und Magiern/Hexenmeistern gibt, so bin auf der anderen Seite aber nicht der Meinung, dass man den PrCs für eine nicht ganz so gelungene Balance den Schwarzen Peter zuschieben sollte. Der "Fehler", wenn man so will, ist eigentlich schon bei den Grundklassen angelegt.
Jetzt irgendein "PG" aus dem Hut zu zaubern, dass primär durch die pösen PrCs kommt, halte ich schlichtweg für falsch.