Da ich nächstes Wochenende in Landen ohne Internet bin, stelle ich das nächste jetzt schon rein. Schöne Feiertage, guten Rutsch und vielleicht ein paar Kommentare an mich (?!) an alle Mitleser.
Die Ruinen von Dorasharn
Adamant weckte die beiden Frauen, noch bevor es richtig hell wurde. Esra musste feststellen, dass es Vorteile hatte, mit einem Gefährten zu reisen, der keinen Schlaf benötigte. Aber wo war Thalaën?
„Der Elf sitzt schon seid Stunden in der Küche und pflegt seine Waffe. Die meine übrigens auch.“
Esra runzelte die Stirn, bis ihr einfiel, dass Elfen ja bekanntlich nicht schliefen. Sie meditierten in der Nacht einige Stunden, aber mehr auch nicht. Diese Eigenschaft hätte sie bei der Jagd auch des Öfteren gebrauchen können.
„Frühaufstehen war noch nie meine Stärke“, gähnte Astamalia, worüber Esra nur den Kopf schütteln konnte. Sie fühlte sich ausgeruht und für alles bereit, was der Tag heute bringen sollte.
Andererseits, nachdem was sie gestern erlebt hatte, war sie wahrscheinlich nicht auf alles vorbereitet. Schon deswegen weil sie es sich einfach gar nicht vorstellen konnte.
„Wir sollten im Geborstenen Amboss frühstücken, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Es ist bereits spät.“
„Spät?“, staunte Astamalia gähnend. „Nun ja, wie ihr meint.“
Esra konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Thalaën saß bereits in seiner Tracht am Küchentisch, die Beine auf dem Tisch und seine Waffe mitsamt einem Wetzstein in der Hand.
„Brechen wir endlich auf? Diese langen Pausen sind etwas anstrengend.“
„Jaja, hackt nur alle auf mir herum“, maulte Astamalia, die immer noch im Halbschlaf war.
„Kommt, ich weiß, wo wir hin müssen. Das Gasthaus befindet sich im Maurerturm, ein ganzes Stück entfernt von hier. Wir sollten eine Luftkutsche nehmen.“
„Muss das sein?“, fragte Esra.
„Was ist das?“, fragte Thalaën.
Die Entscheidung fiel letztendlich dagegen aus. Zum einen, da sie alle mit ihrem Geld sparen mussten, zum anderen, weil Esra nicht zu begeistern war, und zum dritten, da bis auf eine Person in der Runde alle der Meinung waren, dass Astamalia ein morgendlicher Spaziergang gut tun würde.
„Wir wissen doch alle, was passiert ist, als wir gestern spazieren gingen“, zog leider auch nicht.
Die Schenke Zum Geborstenen Amboss lag in einer Ecke des Maurerturms und schien, zumindest um diese Tageszeit, nicht viel besucht zu sein. Über der Tür hing das Wappen von Haus Ghallanda, welches das Mal der Gastfreundschaft trug. Astamalias erster Lichtblick an dem regnerischen und viel zu frühen Morgen. Das bedeutete zumindest, dass die Qualität des Frühstücks passen würde.
Nacheinander traten sie ein und wurden auch gleich von einer älteren, dicklichen Halblingsfrau, die stark nach Essen roch, in Empfang genommen.
„Ihr werdet bereits erwartet. Frühstück gefällig?“
„Ja.“
„Gerne.“
„Mir knurrt schon der Magen.“
„Danke, ich esse nicht.“
Alle drehten sich zu Adamant um.
„Stimmt doch“, verteidigte sich der Kriegsgeschmiedete.
Die Halblingsfrau brachte sie an einem Tisch in einem Eck des Lokals.
Dort saß eine Frau mit eleganten Gesichtszügen, mit einem dunkelgrünen Umhang gekleidet. Die Augen waren dunkelblau und das schwarze, glatte Haar mit Spangen aus Silber und Türkis zusammengefasst. Ihre Finger waren manikürt und sie trug einen nicht zu übersehenden Siegelring des Hauses Cannith an ihrem rechten Ringfinger.
„Ich danke euch für euer Erscheinen“, sprach sie das Quartett mit sanfter, klarer Stimme an. „Wir haben wichtiges zu besprechen. Es geht – wie ihr bereits wisst – um das plötzliche Ableben von Bonal Geldem. Aber bitte, nehmt doch erst einmal Platz und bedient euch.“
Weder das eine noch das andere ließen sich die vier zweimal sagen. Der Tisch war mit Krügen voll Wasser, Bier und Wein gedeckt und die Halblingsfrau brachte zudem noch ein reichliches Frühstück, so dass sich bald der Tisch unter der Last des ganzen zu biegen schien.
Während sich die drei über das Mal hermachten und Adamant ihnen im Geiste beistand, begann die Frau zu erzählen:
„Mein Name ist Elaydren d’Cannith. Ich arbeitete mit Dekan Geldem zusammen um ein altes Familienerbstück zu bergen. Er wollte sich letzte Nacht mit euch treffen, doch wie ihr wisst, hat er es nicht bis zum Treffpunkt geschafft. Ich wurde, als seine Leiche gefunden wurde, sofort von der Stadtwache unterrichtet und sendete euch daher einen Boten, der euch hierher schickte.“
„Um was für ein Erbstück sollte es sich denn dabei handeln? Und wo soll es sich befinden?“, erkundigte sich Adamant, da die anderen alle noch am essen waren.
„Laut den Legenden unserer Familie befindet sich das Erbstück, das wir suchen, in einer längst vergessenen Schmiede, die noch zu Zeiten vor der Begründung des Königreichs Galifar errichtet wurde. Der arme Bonal war der Ansicht, eine Beschreibung des Standorts der Schmiede in einem alten Tagebuch eines Familienmitglieds von Haus Cannith gefunden zu haben.“
„Ah, ich glaube, dieses Tagebuch haben wir nun, aber es ist komplett leer. Astamalia?“
Die Magierin sah den Kriegsgeschmiedeten Kleriker an, als sei er verrückt geworden.
„Willst du der Dame Elaydren nicht ihr Eigentum zurückgeben?“, fragte er noch einmal.
Missmutig zog Astamalia ihren Rucksack hervor und kramte das Buch heraus.
„Danke sehr“, sprach Elaydren und nahm das Buch an sich. Als sie es aufschlug erschienen Buchstaben auf den Seiten.
„Was hast du da gestern Abend so lange damit gemacht?“, fragte Thalaën ungläubig.
Doch Astamalia gab keine Antwort.
„Die vergessene Schmiede scheint tief unter dem Dorasharnturm zu liegen“, erklärte stattdessen Elaydren. „Genauer gesagt, 57 Stockwerke unter dem System von Abwasserkanälen, über dass der Turm heute verfügt.“
Sie klappte das Buch wieder zu.
„Ursprünglich sollte es Bonals Aufgabe sein, eine Expedition zusammenzustellen. Aber nun… Seid ihr daran interessiert das Erbstück zu beschaffen? Ich biete euch 1000 Galifar und die Dankbarkeit meines Hauses als Belohnung, wenn ihr das Erbstück findet und zu mir bringt. Seid ihr bereit diesen Auftrag anzunehmen?“
„Sind wir nicht ohnehin deswegen nach Sharn gekommen? Natürlich mache ich da mit“, stimmte Thalaën zu.
Esra und Astamalia nickten ebenfalls.
„Ich hätte da nur noch zwei Fragen“, zögerte Adamant seine Entscheidung noch hinaus. „Dieser Auftrag wird doch nicht gegen die Prinzipien der Silbernen Flamme verstoßen?“
Elaydren wirkte verwirrt.
„Nein, nicht das ich wüsste.“
„Gut. Und was genau sollen wir jetzt suchen und finden?“
„Ah ja. Das Relikt, dass ich suche ist eine Adamantitscheibe. Sie ist ungefähr so groß wie eine menschliche Hand und hat die Form eines siebenzackigen Sterns. Das Schema selbst verfügt über keinerlei spezielle Kräfte oder besonderen Wert. Es ist allerdings Teil eines mächtigen Schöpfungsmusters, das die Magieschmiede von Haus Cannith einsetzen, um ungewöhnliche Gegenstände herzustellen. Wenn ihr dieses Stück Geschichte für uns bergen könnt, wird sich das Haus Cannith sehr dankbar erweisen.“
„Wisst ihr eigentlich, wer Bonal Geldem getötet hat?“, erkundigte sich Esra.
„Wahrscheinlich Diener des Klingenfürsten. Dieser Fanatiker sucht schon lange nach diesem Schema und möchte es für seine finsteren Zwecke einsetzen. Welche auch immer das sein mögen.“
„Dann sollten wir allerdings auch noch wissen, wie wir da nach unten kommen, oder?“, fragte Astamalia.
„Das ist einfach. Ihr müsst nur den Ventilknoten E-213 finden und euch weiter nach unten bewegen. Leider kann ich euch nicht sagen, was genau dort unten auf euch warten wird. Ich erinnere mich nur, dass Bonal einmal meinte, er dürfe nicht vergessen Feuer mitzunehmen. Was auch immer er damit meinte.“
Elaydren grübelte nach.
„Ich denke das war’s. Hier habt ihr einen Vorschuss über 100 Galfiar, damit könnt ihr euch für den Ausflug eindecken. Ihr könnt mich danach wieder hier finden.“
Während das Quartett aufbrach wechselten weiter unten, in den Tiefen des Dorashanturms mehrere glänzende Goldstücke ihren Besitzer.
Nach dem Einkauf auf einem der Märkte in Sharn den Dorashanturm zu finden war kein Problem. Auch nicht weit hinab zu kommen. Jedoch hatte keiner gesagt, dass es dort unten so unangenehm werden würde. Thalaën war ein Elf der weiten Steppen und auch wenn Klaustrophobie in seiner Rasse unbekannt war, so fühlte er sich im Augenblick doch sehr eingeengt. Sie befanden sich auf den untersten Ebenen des Turmes. Hier waren die Gänge niedrig und vor allem eng. Adamant passte mit seinem Körper gerade mal durch den Tunnel, durch den sie sich gerade durcharbeiteten. Nur selten gab es irgendwelche Fenster, von denen man aber nur auf die Fundamente anderer Türme und Gebäude blicken konnte. Von den magischen Laternen der Oberstadt war hier nichts zu sehen. Hin und wieder brannten Fackeln und spendeten so ein spärliches und flackerndes Licht. Vor allem aber spendeten sie Rauch, der in der Kehle kratzte und Tränen in die Augen trieb. Zudem stank es bestialisch nach Schweiß und Schimmel.
Was wohl diese Astamalia über diese Umgebung dachte?
Und obwohl die Umgebung so ungastlich war, dass Thalaën am liebten auf der Stelle wieder umgekehrt wäre, schienen hier unten eine Menge Wesen zu Hausen. Es wimmelte praktisch von Angehörigen aller Völker Eberrons. Und obwohl sie alle sehr verdreckt und ärmlich wirkten, sah jeder einzeln von ihnen so aus, als wüste er sich seiner Haut zu erwehren.
Endlich öffnete ich der Tunnel zu einem großen Raum, der auch hoch genug war, das beklemmende Gefühl in Thalaëns Eingeweiden weichen zu lassen.
Eine Gruppe von Menschen, Goblins und Wandlern hatte sich hier um einen Haufen Müll versammelt, der auf mehreren verrotteten Decken ausgebreitet da lag. Und mitten auf dem Haufen Müll stand ein dicklicher Goblin.
„Nicht drängeln meine Herrschaften! Auf dem Lumpenmarkt ist für jeden was dabei!“, pries er seine Ware an. Und anscheinend konnte er sich des Andranges wirklich kaum erwehren. Auch wenn sich Thalaën nicht vorstellen konnte, was es dort so wertvolles geben sollte.
„Sollen wir den Kerl mal nach dem weiteren Weg fragen? Er scheint sich hier auszukennen und sehr viel weiter nach unten scheint es offiziell nicht zu gehen“, schlug Thalaën vor.
„Auf jeden Fall befinden wir uns am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchie“, erwiderte Astamalia pikiert. Sie hatte bereits etliche Stockwerke höher ihre teure Robe aus Schöngewebe abgelegt, aber auch das was sie darunter trug war so teuer und auffallend, dass ihr andauernd Blicke zugeworfen wurden; und nur wenige davon waren freundlich gesinnt.
Dennoch stapfte sie tapfer auf den Lumpenmarkt zu:
„Ihr da, könnt Ihr uns vielleicht sagen, wie wir den Ventilkonten E-213 finden können?“
„Tja, da hätten wir erstmal eine äußerst seltene und sehr hochwertige Stange Siegelwachs, nur leicht gebraucht und lächerliche 60 Kupfermünzen“, begann der Goblin.
„Ich fragte nach dem Ventilknoten…“, setzte Astamalia erneut an, doch der Goblin sprach einfach weiter:
„Oder vielleicht könnte ich die Damen und Herren für diese prächtige Wolldecke interessieren, die kaum angeschimmelt ist? Nur 39 Kupfermünzen! Oder mit diesem vorzüglichen Hanfseil! Ganze 12 Meter lang, wirklich hervorragender Zustand!“
„Wir nehmen das Seil“, mischte sich nun Esra ein. Bis jetzt war die Wandlerin abseits gestanden und hatte die anderen Leute auf dem Platz genau gemustert.
Die Wandlerin warf dem Goblin mehrere Silberregenten zu und nahm das Seil an sich.
Die Miene des Goblins hellte sich auf.
„So, nachdem wir das erledigt haben: Ihr sucht also den Ventilkonten E-213. Und was habe ich davon?“
„Wie viel wollt Ihr denn davon haben?“, erkundigte sich Esra.
„Sagen wir 100 Silberregenten?“
„Was?“, empörte sich Astamalia. „Wir lassen uns doch nicht über den Tisch ziehen!“
„Beruhig dich Astamalia“, mischte sich nun auch Adamant ein. „Das sind doch nur 10 Galifar. Die bezahlen wir doch ohne…“
„Hier geht es ums Prinzip“, stellte die Magierin fest. „Ich werde keinem Halsabschneider hier so viel Geld nachwerfen.“
An ihrer diplomatischen Einstellung musste die Halb-Elfe noch arbeiten, fand Thalaën.
„Wir geben dir 90 Silbermünzen. Immerhin haben wir dir bereits das Seil abgekauft. Und das ist unser letztes Angebot“, schlug Esra vor.
„Skakaan ist damit einverstanden“, grinste der Goblin. „Folgt mir.“
Im Handumdrehen hatte er seine Decken zu einem wuchtigen Bündel zusammengefasst und über die Schulter geworfen. Rasch führte er sie aus der Halle heraus, noch weiter nach unten.
„Hast du vorhin etwas gesehen? Du hast die Menge sehr genau gemustert“, nutzte Thalaën die Möglichkeit, Esra anzusprechen.
„Ich dachte, ich hätte etwas gesehen. Aber ich muss mich wohl geirrt haben“, schüttete sie den Kopf.
Plötzlich blieb Skakaan vor einer windschiefen Tür stehen, auf der, gerade noch so zu lesen, die Worte E-213 standen.
„Hier sind wir. Meine Belohnung bitte sehr.“
Esra warf ihm das versprochene Geld zu und der Goblin verschwand eilend in der Dunkelheit.
„Das hätten wir auch alleine gefunden“, stellte Astamalia fest.
„Mag sein, aber es hätte länger gedauert.“
Esra warf einen Blick hinter die Tür. Ein enger Gang, eine steile Treppe nach unten.
„Wir werden hintereinander gehen müssen. Wer geht voran?“
„Ich“, stellte Thalaën klar, dann deutete er nacheinander auf die anderen. „Esra danach. Dann Astamalia und Adamant deckt unseren Rücken, für den Fall der Fälle.“
Thalaën fühlte sich ganz in seinem Element. Kein langes reden, nur Taten. Und hier wusste er zudem genau was er tat. Auch wenn es das erste Mal war, dass er zu einer Erkundung in einen Abwasserkanal stieg. Aber irgendwann war bekanntlich immer das erste Mal.
Er zündete sich eine Fackel an und betrat den Gang. Die anderen folgten ihm in der von ihm angeordneten Reihenfolge.
Mit jeder Stufe, die sie weiter nach unten brachte, wurde der Gestank nach Moder, Dreck, vor allem aber nach Fäkalien stärker. Sie befanden sich eindeutig auf dem richtigen Weg. Auch das fließen von Wasser war zu hören und wurde mit jedem Schritt lauter.
Endlich bog er um eine Ecke und seine Fackel beleuchtete die trübe Oberfläche eines Kanals.
„Scheint, als wären wir da.“
Hinter ihm ertönte ein dumpfer Schrei, Stahl traf auf Adamantit.
Adamant wusste nicht wie ihm geschah. Gerade noch war er hinter seinen Gefährten die Treppe hinab gestiegen, als er vor Schmerz plötzlich aufschrie. Irgendetwas spitzes drag tief in seine Eingeweide und wurde mit einem Ruck wieder herausgerissen.
„Ihr habt das Tagebuch des Dekans!“, drang eine geflüsterte Stimme an sein Ohr. „Und dafür werdet ihr sterben. Langsam und qualvoll.“
Adamant nutzte diese gesprächige Phase seines Gegners um herumzuwirbeln und dabei sein Schwert zu ziehen. Vor ihm stand ein kleiner Kriegsgeschmiedeter mit einem dunklen, fast schwarzen Körper. In der Hand hielt er einen Rapier, den er anscheinend gerade durch Adamants Panzerung gerammt hatte.
Doch der Kleriker wusste sich zu verteidigen und brachte einen kräftigen Schlag an. Zumindest wäre es einer geworden, wenn der Gang breiter gewesen wäre, so traf er nur das alte Gemäuer.
„Was ist los da hinten!“, hörte er Thalaëns Stimme.
„Adamant wird angegriffen“, rief Esra zurück und feuerte einen Pfeil auf den Angreifer. Doch Adamant stand – wieder einmal – im Weg. „Wir müssen aus diesem Gang heraus!“
Währenddessen erhielt Adamant einen weiteren Schlag, schaffte es aber im Gegenzug auch einen anzubringen.
Thalaën durchschaute die Situation rasch. Sie waren in eine Falle gelockt worden! Mit mehren Sprüngen legte er die Distanz bis zum Kanal zurück und sprang in das brackige, gut 60 Zentimeter tiefe Wasser.
„Ist das eklig“, brummte er.
Da drang ein animalisches Brüllen an sein Ohr. Er hob die Fackel und erblickte in einiger Distanz zwei Wandler, die gerade ihr Erbe aus sich herausließen.
„Nicht gut“, meinte er zu sich und zückte seinen Krummsäbel.
Hinter ihm platschte Astamalia in den Tunnel. Der Ekel stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Wandler!“, rief ihr Thalaën zu und rannte durch das Wasser auf die neue Bedrohung zu.
Esra sah, dass sie in dem engen Gang nicht viel ausrichten konnte und stürmte ebenfalls in den Kanal, stolperte fast über Astamalia. Thalaëns Kriegsruf hallte durch den Tunnel, während er weiter durch das Wasser rannte.
Esra feuerte einen Pfeil.
Daneben.
Sie fluchte unterrückt und legte einen neuen ein. Von der Treppe waren weitere Kampfgeräusche zu hören. Neben ihr hatte sich Astamalia gefangen; die Magierin begann knappe Bewegungen zu machen und murmelte leise vor sich hin.
Eine kleine funkelnde Kugel schoss aus ihrem Finger und traf zielsicher einen der Wandler in die Brust, wo sie einen hässlich dunklen Fleck hinterließ.
Thalaën war inzwischen auf die Idee gekommen nicht an der tiefsten Stelle des Wassers zu laufen. Zu beiden Seiten des Kanals gab es halbwegs trockene Stege.
Dort traf der Elf auch mit einem der Wandler aneinander. Esra feuerte einen letzten Pfeil auf den zweiten, warf dann wütend ihren Bogen weg und zückte ihr Schwert. Währenddessen zauberte Astamalia weiter.
Adamant auf der Treppe schien die Ausweglosigkeit seines Tuns erkannt zu haben und ergriff ebenfalls die Flucht nach vorne – in diesem Fall nach unten in den Tunnel hinein.
Rasch versuchte der Kleriker die Situation zu überblicken. Esra, die ausnahmsweise mit einem Schwert auf ihren Gegner einhieb, Astamalia, die knietief in den Abwässern stand und mit magischen Energien um sich schleuderte und Thalaën, der mit fliegenden Klingen einen zweiten Wandler bedrängte, genau vor…
„Achtung Thalaën!“, rief Adamant.
Genau in diesem Moment öffnete sich schlagartig eine der zwölf Irisblenden, welche den Tunnel flankierten und spuckte in weitem Bogen einen Schwall von Abwässern aus. Zum Glück hatte sich keiner der Kämpfenden davor befunden.
Dafür hatte dieser hinterhältige Meuchelmörder Adamant eingeholt und bedrohte ihn wieder mit seinem Rapier.
Die Schlacht ging also weiter.
Thalaën fluchte unterdrückt, während er den Klauen des Wandlers ausweichte. Diese Bestien waren geschickter, als sie aussahen. Das hätte er ihnen gar nicht zugetraut. Andererseits: Esra war auch nicht viel anders. Dafür hatte sie aber keine mörderischen Krallen an den Händen, wenn sie sich wandelte. Damit hatte sein Gegenüber Thalaën schon etliche schmerzhafte Wunden beigebracht. Keine davon wirklich bedrohlich, doch zusammen begannen sie den Elfen doch schon zu schwächen. Zu allem Überfluss hatte ihn der Wandler so weit bedrängt, dass er nun direkt vor einer der Irisblenden stand.
Die sich zu allem Überfluss genau jetzt öffnete!
Erschrocken versuchte Thalaën dem Schwall brackigen Wasser auszuweichen, doch er war zu langsam. Er ging in der Brühe zu Boden, schaffte es jedoch seine Säbel zu behalten. Außerdem nutzte er die Situation, dem völlig überraschten Wandler, von unten die Waffe bis zum Heft in den Bauch zu rammen.
„Endlich“, stöhnte er auf und kämpfte sich wieder hoch.
Esra war immer noch in ihren Kampf verwickelt und sah aus, als könnte sie durchaus etwas Hilfe vertragen. Astamalia waren anscheinend ihre Zauber ausgegangen, denn sie hatte eine Armbrust im Anschlag und feuerte damit auf den letzten Wandler. Adamant war auch immer noch mit seinem Gegenüber beschäftigt, schien ihn aber recht gut in Schach halten zu können.
Kurze Überlegung, Esra helfen!
Er sprang zur Wandlerin und nahm den Angreifer in die Zange. So hatte der Wandler keine Chance mehr und ging rasch zu Boden.
Mit vereinten Kräften schafften sie dann auch noch den Kriegsgeschmiedeten.
„Na das war ja was“, ächzte Adamant und besah sich seine Wunden.
„Das haben wir gleich wieder.“
Astamalia murmelte etwas und legte Adamant die Hand auf dir Brust. Sofort begannen sich etliche der klaffenden Öffnungen in seinem Körper wieder zu schließen.
„Und wie jetzt weiter?“, fragte Esra.
„Den Tunnel entlang, nach Westen“, ordnete Thalaën an und ging wieder zu seiner Fackel um den anderen den Weg zu leuchten.
„Nur so eine Frage am Rande“, meldete sich Astamalia zu Wort, während sie durch die Abwässer stapften. „Warum vertrauen wir dieser Dame Elaydren eigentlich? Wir wissen nicht das geringste über sie. Immerhin wäre es auch möglich, dass sie hinter all dem steckt. Wir sozusagen den Feinden Bonals in die Hände spielen.“
„Dann würden wir aber nicht verfolgt werden von Leuten, die uns gerade benahe umgebracht hätten“, stellte Thalaën klar.
„Zudem denke ich nicht, dass sie Böses im Schilde führt“, schloss sich Adamant dieser Meinung an.
„Es könnten ja auch mehrere Parteien hinter diesem Schema her sein. Und woher willst du wissen, dass sie nichts Böses im Schilde führt?“
Adamant zuckte die Achseln.
„Keine Ahnung.“
Er blieb stehen und deutete in einen Seitengang, an dessen Ende ein Schott zu erkennen war.
„Vielleicht geht es hier weiter?“
Ohne eine Antwort abzuwarten stapfte er weiter, die anderen folgten ihm.
Irgendwie ging dieser Kriegsgeschmiedete Astamalia auf die Nerven. Aber zumindest mit der Abzweigung schien er recht gehabt zu haben.
Ein kreisförmiges Metallschot war hier in die Tunnelwand eingelassen. Es war über und über mit Runen überzogen und in der Mitte des Schotts befand sich ein schwach bläulich leuchtendes Symbol aus Mithral, das dem Symbol auf dem Tagebuch glich.
Die Runen ließen Astamalia stutzen. Das hier sah gefährlich aus.
Sie sprach einen schwachen Zauber aus und erkannte, dass sie recht gehabt hatte. Die Tür strahlte Magie aus. Hier war Vorsicht geboten.
Sie holte das Tagebuch aus ihrem Rucksack und drückte es Thalaën in die Hände.
„Versuch es einmal auf das Symbol an der Tür zu halten“, schlug sie vor und ging vorsichtig einige Schritte zurück.
Der Elf war entweder mutig oder dumm. Ohne lange zu zögern drückte er das Buch gegen die Tür, die auch mit einem Schnappen aufschwang. Ohne Worte reichte er der Magierin das Buch zurück und beugte sich mit seiner Fackel in den Bereich dahinter.
Ein schwacher Windzug kam von dahinter und ließ seinen Umhang flattern.
„Was sieht du?“, frage Esra.
„Senkrechten Tunnel. Etwas mehr als einen Meter im Durchmesser. Sehr tief.“
Der Elf kroch wieder zurück, sah sich kurz um, nahm einen kleinen Stein und warf ihn in die Tiefe. Dann lauschte er. Lange.
Schließlich gab er es auf.
„Wenn der Stein wo aufgeschlagen ist, dann war es zu weit unten.“
„Na toll. Und nun?“
Adamant drängte sich an den anderen vorbei und blickte ebenfalls in die Tiefe.
„Die Wände scheinen aus gepresster Erde und Mauerwerk zu bestehen. Ich könnte versuchen Stufen hineinzuschlagen. Würde war etwas länger dauern, wäre aber sicherlich am sichersten.“
„Nur zu“, unterstützte ihn Astamalia. Vielleicht stürzte er ja auch ab.
„Wir anderen könnten die Pause nützen um etwas zu essen. Wer weiß, was uns dort unten noch alles erwartet.“
Es dauerte Stunden, bis Adamant nach unten gekommen war. Es störte ihn nicht wirklich, diese Arbeit zu machen, Was ihn schon mehr störte war, dass er dadurch irgendwie zum Außenseiter wurde. Die anderen aßen und konnten sich unterhalten; er musste arbeiten. Das war anscheinend das Los seines Volkes.
Dennoch fühlte er eine gewisse Befriedigung, als er einen Punkt erreichte, an dem der Schacht nicht mehr so steil abfiel. Ab hier würden sie auch ohne größere Kletterhilfen unterwegs sein können.
„Ihr könnt nachkommen!“, rief er nach oben.
Er hoffte, sie konnten ihn hören. Noch einmal wollte er die fast zweihundert Meter nicht nach oben steigen, nur um zu sagen, dass der Weg bereitet war.
Bald schon hörte er von über sich Klettergeräusche.
Nacheinander kamen sie herab, durch ein Seil aneinander gesichert.
Auch das war klar. Ihn hätten sie alleine abstürzen lassen, sie selbst sicherten sich gegenseitig. Andererseits, hätte er mit seinem enormen Gewicht, bei einem Absturz wohl alle anderen mit in die Tiefe gerissen.
„Ab hier geht es leichter“, stellte er unnötigerweise fest und schritt auch weiter voran.
Der Tunnel führte weiter und weiter nach unten, wurde dabei aber auch immer flacher und schien sich wie eine Spirale zu drehen. Während den anderen der Weg bald zu lang wurde, schritt Adamant ohne Ermüdung immer weiter. Seine Spezies hatte doch immer wieder Vorteile.
Plötzlich stockte er. Vor ihm öffnete sich der Gang, anscheinend zu einem großen unterirdischen Raum. Er ging noch einige Schritte nach vor und blieb dann am Tunnelausgang stehen.
Der Schacht kam in einer Höhe von fast zwei Metern aus der Wand dieses Raumes. Die anderen Wände dieser Höhle waren so weit entfernt, dass er sie im Licht der Fackeln nicht erkennen – ja nicht einmal erahnen – konnte. Jedoch konnte er die Überreste von Gebäuden sehen, die sich undeutlich aus der Dunkelheit abhoben.
„Scheint so, als wären wir da“, brummte Thalaën hinter ihm und warf einen Blick über seine Schulter. „Und jetzt?“
„Weiter!“, verkündete Adamant fröhlich und sprang nach unten.
Esra ging als letzte, und das, obwohl sie sich so gar nicht wohl fühlte. Zuerst Städte, dann unterirdische Höhlen und Gebäude. Was würde noch auf sie zukommen?
Sie sehnte sich nach ihrem geliebten Wald.
Doch der war weit weg und die noch unsichtbaren Gefahren der Höhle viel näher. Und Gefahr lag in der Luft, umgab sie. Das sagten ihr ihre uralten Gene.
Aber sie konnte einfach viel zu wenig sehen. Kein Sternenlicht. Keine Monde, die das Geschehen erleuchteten.
Seufzend sprang sie ebenfalls in den Raum hinab und zog ihren Bogen. Immer auf alles gefasst sein. Wenn sie schon ihre Augen verließen, musste sie sich eben auf ihre andern Sinne verlassen.
Sie spitzte ihre Ohren.
Ein Zirpen und Summen schien von den Wänden und vom Boden des Raumes auszugehen.
„Hört ihr das auch?“, fragte Thalaën in dem Moment.
„Klingt wie das Zirpen die Insekten im Titanenwald“, meinte Esra.
Das Geräusch wurde lauter, bedrohlicher. Und plötzlich schien sich der ganze Boden in eine kochende schwarze Masse verwandelt zu haben.
„Käfer!“, keucht Esra auf. „Tausende!“
Der dunkle Teppich aus Chitin gepanzerten, faustgroßen Leibern schob sich über den Boden auf sie zu.
„Weg hier!“, rief Astamalia und ergriff die Flucht.
Doch für Adamant schien es zu spät zu sein. Eine ganze Flut von Käfern umschwappte ihn wie eine Flüssigkeit, kletterte an ihm hoch und begann sich durch seine Panzerung zu fressen.
„Was sollen wir tun?“, rief Thalaën und schwang hilflos seinen Säbel.
„Feuer!“, rief Astamalia und zog ihren Rucksack vom Rücken.
Der Schmerzensschrei des Kriegsgeschmiedeten gellte durch die Halle.
Da endlich hatte die Magierin gefunden was sie suchte. Sie drückte dem Elf und der Wandlerin je ein tönernes Gefäß in die Hand.
„Werft es in den Schwarm. Adamants Rüstung wird es aushalten.“
„Was aushalten?“, war Thalaën vollkommen verdattert.
„Das!“, rief Astamalia und warf ihrerseits eines der Gefäße. Dort wo es auftraf zerbrach es und sofort stand die Umgebung in Flammen. Die Käfer brannten zu hunderten.
„Macht schon!“
Esra sah sich das Ding abschätzend an, wog es in der Hand und war es zugleich mit dem Elf.
Das Geschoss der Wandlerin traf voll, jenes von Thalaën landete Meter entfernt und diente nur zur Beleuchtung der Kulisse.
Doch die beiden Feuerbomben hatten den Käfern gereicht. Sie zerstreuten sich so rasch in alle Winde, wie sie sich gesammelt hatten. Zurück blieb nur ein etwas angeknabberter, noch schwelender Adamant.
„Danke, aber bei der nächsten Rettung könntet ihr versuchen etwas sanfter vorzugehen.“
Astamalia nickte und wendete wieder einen Reparaturzauber bei ihm an.
„Werden wir machen. Wenn wir die Wahl haben. Dummerweise sind meine magischen Kräfte für heute erschöpft. Wir sollten zusehen, dass wir irgendwo einen sicheren Unterschlupf finden.“
„Dort hinten scheint eines der Gebäude noch gut in stand zu sein!“, deutete Esra in die Dunkelheit.
„Gut, das werden wir probieren.“
Thalaën kam sich etwas dumm vor. Er hatte von diesen alchemistischen Spielsachen schon gehört, aber normal war es unter seiner Würde, so etwas zu verwenden. Er setzte lieber auf seinen Doppelkrummsäbel, der bewährten Waffe der Valenar-Elfen; vielleicht auch noch auf seinen Bogen, aber nicht auf Magie oder anderen Schnickschnack.
Andererseits hatte ihm die Magierin gerade gezeigt, dass es Dinge auf dieser Welt gab, die man mit solchen Dingen besser und mit einem einfachen, soliden Schwert gar nicht bekämpfen konnte.
„Es handelt sich hierbei wohl um einen alten Tempel von Onatar, dem Gott der Handwerkskunst und der Magie“, ließ sich Adamant vernehmen und deutete dabei auf das Symbol, welches über der Tür eingelassen war.
Erstaunlicherweise war der Tempel nach alle den Jahrhunderten immer noch in gutem Zustand. Gut, die Tür hing etwas schief in den Angeln, aber das war es dann auch.
Adamant öffnete die Tür vorsichtig und trat ein. Thalaën huschte sofort hinterher. Das Innere zeigte davon, dass der Tempel schon bessere Tage erlebt hatte. Doch er strahlte immer noch eine göttliche Ruhe und einen Frieden aus, wie ihn Thalaën eigentlich nur von den Gräbern seiner Ahnen kannte.
„Scheint mir ein passabler Ort für eine Rast zu sein“, stellte er fest und sah sich weiter um.
Man schien alles Wertvolle aus dem Tempel entfernt zu haben, als er in Vergessenheit geraten war oder aber Grabräuber waren bereits sehr erfolgreich gewesen.
„Seht, wir haben sogar eine Frischwasserquelle“, freute sich Thalaën, als er ein kleines Becken fand. Ohne zu zögern kniete er daneben nieder und trank einen kräftigen Schluck daraus.
„Seid Ihr wahnsinnig!“, fuhr ihn Astamalia an und stieß ihn weg. „Das könnte alles mögliche sein!“
„Es scheint sich in diesem Fall um heilendes Wasser zu handeln“, mischt sich Adamant besänftigend ein und deute auf Thalaëns Körper. Viele seiner Wunden aus der letzten Schlacht hatten sich wie von Zauberhand geschlossen.
„Dennoch war es leichtsinnig“, beharrte Astamalia.
Dessen ungeachtet hatte sie nichts mehr dagegen, dass Esra und vor allem der angeschlagene Thalaën das Becken leer tranken.
Eine wirklich merkwürdige Person, dachte Thalaën bei sich. Sie scheint immer die Kontrolle über alles und jeden haben zu wollen. Zudem war sie eindeutig zu verzogen.
„Ich werde die Nacht über Wache halten“, meldete sich Adamant freiwillig. „Und euch dann ich acht Stunden wieder wecken.“
„Ich werde dir etwas beistehen. Die Frauen sollen schlafen.“
Astamalia fasste diese Bemerkung anscheinend etwas falsch auf, denn sie warf ihm einen giftigen Blick zu und trollte sich dann in eine abgelegene Ecke des Tempels.
„Welche Ironie“, versuchte Thalaën ein Gespräch mit dem Kleriker zu beginnen und setzte ich neben ihn. „Ein Kleriker der Silbernen Flamme und ein Anhänger des Todlosen Hofstaates suchen Schutz in einem Tempel von Onatar.“
„Ich sehe die Ironie nicht“, war Adamant verdattert.
Thalaën seufzte.
„Ich glaube du siehst sie wirklich nicht.“
Astamalia hatte keine Ahnung, wie Adamant wissen wollte, wann acht Stunden vergangen waren. Aber sie war sich ziemlich sicher, dass er sich um einige Stunden erschätzt hatte. Sie hatte sich doch gerade erst hingelegt, als sie seine schwere Hand an der Schulter rüttelte.
Missmutig setzte sie sich auf. Wirklich gut geschlafen hatte sie auf dem Steinboden in diesem zugigen Tempel nicht. Aber sie war sich zumindest sicher, dass ihr Geist wieder frei war, für neue arkane Energien.
So zog sie eine Portion Trockennahrung und ihren Drachensplitter aus dem Rucksack. Begann ersteres zu verspeisen und letzteres genau zu studieren.
Adamant betete derweil still vor sich hin, während der Elf und die Wandlerin vollkommen ruhig ihr Frühstück zu sich nahmen. Zumindest gab es keine labernden Waschweiber, mit denen sie reisen musste, versuchte die Halb-Elfe mal wieder etwas positives an der Entwicklung der Dinge zu sehen.
„Wir sollten versuchen bald aufzubrechen, damit wir den Tempel auch wirklich heute noch finden“, versuchte Thalaën nach einiger Zeit aber doch auf Eile zu drängen.
„Einverstanden, ich bin bereit“, meldete sich Astamalia. Auch Adamant schien mit seinem Gebet fertig und Esra saß ohnedies schon auf einem Steinblock neben der Tür, den Bogen im Schoß und abmarschbereit
Außerhalb des Tempels war es genauso dunkel wie drinnen – natürlich. Dennoch hatte Astamalia instinktiv Tageslicht erwartet. Aber das hier war auch die erste Höhle, in der sie übernachtet hatte.
Der Elf und der Kriegsgeschmiedete übernahmen die Führung. Auch wenn sich die Magierin nicht sicher war, wohin sie sie führten. Denn eigentlich hatte keiner eine rechte Ahnung, wohin sie sich wenden mussten. Dennoch dauerte es – erstaunlicherweise – nicht sehr lange, bis sie vor einem praktisch unbeschädigten Gebäude standen, dessen Türen dummerweise verschlossen schienen.
Adamant trat an die massive Doppeltür heran, auf der dasselbe Symbol wie auf dem Tagebuch und auf dem Schott im Tunnel zu sehen waren und klopfte dagegen.
„Scheint massiver Adamantit zu sein. Auf brutalem Wege werden wir hier kaum hineinkommen.“
Astamalia zuckte mit den Achseln und kramte wieder das Tagebuch hervor. Doch hier versagte dieser Öffnungsmechanismus kläglich. Die Türen blieben verschlossen.
Thalaën seinerseits drückte die brennende Fackel auf das Symbol.
„Und was soll das bitte bringen?“, fragte Astamalia, nicht wenig irritiert.
„Elaydren hat doch gesagt, dass wir Feuer mitnehmen müssten. Vielleicht ließe sich ja so die Tür öffnen…“
Anscheinend hatte er erkannt – nun, da ihn alle entgeistert anstarrten – dass das wohl eher eine dumme Idee gewesen war und er gab die Fackel wieder weg.
Dafür eilte er rasch einmal rund um das Gebäude.
„Keine Fenster“, berichtet er knapp.
„Dann vielleicht durch das Dach?“, schlug Esra vor.
Das Gebäude war in der Tat nicht sehr hoch und für Adamant war es ein leichtes, die kleine Wandlerin hoch zu hieven.
„Das Dach ist hier an einer Stelle eingestürzt!“, rief Esra.
„Na also, unser Weg ins Innere“, freute sich auch Astamalia und kletterte über Adamant nach oben. Thalaën folgte als nächstes und zu dritt wuchteten sie dann den schweren Kämpfer nach oben – das Dach knackte gefährlich.
Thalaën hängte sich kopfüber in das Loch und machte einen raschen Rundblick.
„Scheint feindfrei zu sein.“
Ohne weiter abzuwarten sprang er nach unten.
Astamalia konnte über soviel Leichtsinn nur die Augen verdrehen. Zumal die beiden anderen es ihm wie die Lemminge gleich taten.
Nun, alleine hier warten wäre auch nicht klug, also auch hinterher.
Im Inneren fand sie die anderen mit kampfbereiten Waffen. Ein dunkles, bedrohliches Knurren erklang und Astamalia erblickte zwei riesige Hunde aus Metall mit rotglühenden Augen, die auf sie zuschritten.
„Eiserne Verteidiger“, flüsterte sie.
„Egal. Tötet sie!“, rief Thalaën und stürmte, alle Vorsicht vergessend, vor.
Esras Pfeil schoss an ihm vorbei.
Adamant stürmte auf den zweiten los, der unter dem wüsten Ansturm an Schlägen bald zu Boden ging. Dem anderen erging es nicht viel besser.
„Tapfere Verteidiger“, höhnte Thalaën und steckte seinen Säbel wieder weg.
„Hunde aus Eisen zu bauen. Das ist wieder die Natur“, war Esras Meinung dazu.
Astamalia hatte für beide keine Beachtung.
„Habt ihr das gesehen?“, fragte sie und untersuchte die beiden Hunde. Jeder der beiden hatte einen metallenen Stab aus dem Maul fallen lassen, als er erschlagen wurde. Einer hatte einen quadratischen und der andere einen dreieckigen Querschnitt.
„Wofür die wohl gut sein mögen?“
Während die anderen um diese eisernen Leichen herumstanden, begutachtete Esra das Innere. Der herab gefallenen Teil des Daches hatte Regale und Schränke unter sich begraben und regelrecht zermalmt. Zudem schien es einmal drei dieser Bestien gegeben zu haben, denn deren Überreste blickten unter den Trümmern hervor. Staubige, aber davon abgesehen, unversehrte Regale standen an der Südwand des Raumes. Eine große Schmiede, die mit einem Schmelzofen kombiniert war, füllte den östlichen Teil aus. Beide schienen schon seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt worden zu sein.
Während sich Esra umsah, hatte sich auch Astamalia der Schmiede zugewandt.
„Hier über dem Schmelzofen befinden sich Vertiefungen, die aussehen, als würden diese Stäbe von den Verteidigern hineinpassen. Aber es gibt drei davon“, stellte sie fest.
„Es gab ja auch einmal drei Verteidiger.“
Esra deutete auf den begrabenen Hund und kniete daneben nieder. Hier fand sich wieder ein Stab; diesmal fünfeckig.
„Damit finden wir sicherlich eine geheime Kammer, in der sich auch das Schema befindet“, teilte Astamalia den anderen ihre Gedankengänge mit.
„Thalaën, probier mal aus.“
Sie übergab dem Elf die Stäbe, während sie selbst einigen Sicherheitsabstand aufbaute.
Esra bewunderte Thalaën. Er schien der Magiern blind zu vertrauen.
Adamant hingegen schien für die Geschehnisse überhaupt keine Zeit zu haben. Er besah sich in Ruhe die Regale und verstaute immer wieder Dinge in seinem Rucksack, der bereits zum bersten gefüllt war.
Ein grelles Leuchten und ein gellender Schmerzenschrei brachte die Aufmerksamkeit aller wieder zu dem Elfen zurück. Thalaëns Haare schwelten und sein Gesicht war schmerzverzerrt. Es roch nach verbranntem Leder; seine Schuhe rauchten.
„Probiere es noch mal. Vielleicht braucht es eine gewisse Reihenfolge“, schlug Astamalia unbekümmert vor. „Zuerst das Dreieck, dann das Viereck.“
Thalaën sah sie zweifelnd an, tat dann aber, wie ihm aufgetragen. Nacheinander rasteten die Stäbe hörbar ein. Nach dem dritten schwang an der Seite der Schmiede ein kleines Fach auf.
„Das Geheimversteck!“, triumphierte die Magierin.
Das Versteck entpuppte sich als mehr. Es war eine Art Tresor: Nicht nur das gesuchte Schema fand sich hier. Auch mehrere Beutel mit Gold und Silber, Goldbarren, Phiolen, die als Heiltränke markiert waren, sowie zwei Stück Pergament, welche Astamalia brennend interessierten.
„Ha! Eine Erweiterung meines Wissens!“, freute sie sich, ohne eine nähere Erklärung abzugeben und steckte die erste Rolle ein. Die zweite studierte sie etwas länger.
„Das scheint eine Landkarte zu sein. Eine sehr alte Landkarte. Hier ist noch Cyre eingezeichnet, obwohl das Gebiet heute den Staat Darguun, Valenar und das Klagelandes umfasst. Außerdem sind hier verschiedene Standorte markiert. Aber nichts ist beschriftet. Scheint sich nicht um Städte zu handeln. Merkwürdig.“
„Könnten wir das vielleicht in einem Gasthaus genauer ansehen? Immerhin haben wir was wir wollten und ich könnte wahrlich ein Bett und etwas Pflege brauchen“, mischte sich Thalaën ein und warf bei den letzten Worten dem Kleriker einen Seitenblick zu.
Adamant nickte wissend und begann wieder seine göttliche Magie zu weben, um die Wunden durch die elektrische Falle verschwinden zu lassen.
„Dann raus hier“, freute sich auch Esra.
Adamant nickte und warf den schweren Riegel der Tür zurück, so dass sie nun durch den Eingang hinaus konnten und nicht weder über das Dach klettern mussten.
Kaum trat er einen Schritt aus der Schmiede schoss auch schon ein brennender Bolzen aus den Ruinen auf ihn zu und traf ihn voll. Adamant taumelte, sowohl vor Überraschung als auch vor Schmerz.
„Schwaches Fleisch!“, donnerte eine Stimme, die aus der Schussrichtung des Bolzens zu kommen schien. „Nun steht ihr Säbel gegenüber! Dem mächtigsten der treuen Diener des Klingenfürsten!“
Ein weiterer Bolzen schoss auf Adamant zu und traf mit ebensolcher Sicherheit.
Seine Kameraden stürzten an seine Seite und feuerten Bolzen und Pfeile in die Dunkelheit zurück. Doch rund um Adamant wurde es dunkel. Der letzte Pfeil schien etwas wichtiges in seinem Inneren getroffen zu haben…
Erschrocken musste Thalaën mit ansehen, wie der Koloss aus Adamantit von zwei Bolzen niedergestreckt wurde.
Wütend ergriff er seinen Krummsäbel und begann auf die Ruinen zuzulaufen. Auf halbem Weg kam ihm ein Kriegsgeschmiedeter entgegen, der ebenso wuchtig gebaut war wie Adamant. Er schwang ein Langschwert und hieb damit auf ihn ein. Thalaën ignorierte den Schmerz und wirbelte seine Klinge herum. Zweimal traf er Säbel. Doch diese verdammte Rüstung hielt das meiste an Schaden ab.
Ein Pfeil und ein Bolzen schossen an ihm vorbei. Die beiden anderen versuchen ihm Feuerschutz zu geben. Doch das würde sich nicht als so einfach erweisen, wollten sie nicht auch ihn aus versehen treffen.
Die nächsten Schläge konnte Thalaën gut parieren, was Säbel noch wütender machte. Er legte noch mehr Kraft in seine Schläge. Doch Thalaën war flink, wich immer wieder aus, parierte und landete den einen oder anderen Schlag.
Er stand auf der Seite der Gewinner. Immer mehr Fetzen hingen von dem Konstrukt herab.
Schließlich schien auch sein Gegenüber den Ausgang dieses Kampfes zu erkennen. Er brachte einen wütenden letzten Schlag an, unter dem Thalaën taumelte und wandte sich dann zur Flucht. Er war schneller als man es ihm zugetraut hätte.
„Esra!“, krächzte Thalaën und ging vor Erschöpfung in die Knie.
Ein Pfeil sauste in die Dunkelheit und weit vor ihm stolperte Säbel, als er eine Mauerruine überklettern wollte, stürzte mit dem Gesicht nach vorne und blieb reglos liegen.
Geschafft!
„Alles in Ordnung Thalaën?“, hört er eine Stimme, wie aus weiter Ferne.
„Sicher doch. Adamant?“
„Sieht übler aus als es ist. Ich kann ihn wieder zusammenbauen.“
„Gut.“
***
„Ihr seht also, Dame Elaydren, dass wir uns dieses Schema teuer erkämpft und erarbeitet haben. Ich hoffe, Ihr würdigt das entsprechend“, beendete Astamalia ihren Bericht und sah ihre drei Kameraden fragend an, ob sie etwas vergessen hätte.
Elaydren lächelte und betrachtete den Stern in ihren Händen voll Wohlwollen.
Nachdem sie Säbel besiegt hatten, war es vor allem darum gegangen, Adamant wieder funktionstüchtig und Thalaën wieder zu Bewusstsein zu bekommen. Die Rückkehr in die oberen Bereiche des Turmes und am Ende in die Oberstadt war sogar ohne weitere unerwünschte Zwischenfälle geschehen.
„Wahrlich. Eine gute Arbeit. Der versprochene Lohn ist Euer“, stimmte Elaydren zu und schob ihnen einen dicken Beutel über den Tisch. „Ihr seid euch im klaren, dass dies nur das erste Teil eines verschollenen Artefakts war, welches mein Haus sucht? Würdet Ihr bei einer weiteren Suche ebenfalls zur Stelle sein? Die Belohnungen werden ebenfalls sehr großzügig sein.“
„Warum nicht“, stimmte Thalaën zu.
„Solange es nicht gegen die Doktrin der Flamme geht.“
„Ich hoffe, das nächste Mal in bessere Gefilde, und nicht wieder durch Abwasserkanäle.“
„Ein Wald wäre schön.“
Elaydren lächelte.
„Dann sind wir uns wohl einig. Seht einfach regelmäßig in der Nachrichtenstation von Haus Sivis im Barminturm vorbei. Sobald ich neues über den Aufenthalt der weiteren Teile erfahre, werde ich euch dort eine Nachricht hinterlegen lassen. Bis dahin: Gehabt Euch wohl.“
Sie verneigte sich, nahm das Schema an sich und verließ den Geborstenen Amboss.
„Und ich gehe jetzt erst einmal schlafen“, stellte Astamalia klar. „Wirtin, habt Ihr Zimmer zum Vermieten?“
***
Entermesser war mehr als nur wütend als der dritte Bote ihn erreichte. Seine Agenten waren gescheitert. Anscheinend musste man sich wahrlich um alles selbst kümmern. Aber zuvor musste er den Fürsten informieren. Immerhin bestand auch eine geringe Chance, dass er selbst ebenfalls scheitere. Dann musste der Fürst jemand neuen schicken, der nicht so versagen würde.
Aber das würde nicht eintreten. Entermesser nahm sich fest vor, den Fürsten nicht zu enttäuschen und das Schema in seinen Besitz zu bringen. Und wenn es die letzte Tat in seinem Leben wäre.