Ich finde das sehr seltsam. Hier in Deutschland stimmen die CDU-Wähler doch auch nicht plötzlich für Claudia Roth (bzw. Die Grünen) wenn Angela Merkel nicht mehr als Bundeskanzlerin kandidieren sollte.
Aber ich als eigentlich eingefleischter SPD-Wähler wähle Angela Merkel, weil ich vom typisch männlichen Führungsstil ala Helmut Kohl oder Gerhard Schröder komplett die Nase voll habe, und zwar sowas von. Und leider ist meilenweit kein Helmut Schmidt in Sicht, der daran etwas ändern könnte.
Du hast im Prinzip aber natürlich recht. Was daran liegt, dass die Wahlen in den USA viel stärker personalisiert sind als in Deutschland. Hier gehen die meisten (wenn sie denn gehen) wie die Schafe zur Schlachtbank und machen ihr Kreuzchen brav bei der Partei, bei der schon ihre Eltern immer ihr Kreuzchen gemacht haben, egal wie inkompetent der Kandidat ist oder welche Politik die gewählte Partei überhaupt anstrebt.
Soll heißen, wenn Du ein Anhänger von Hillary Clinton warst, wählst Du nicht unbedingt automatisch ab sofort Obama, nur weil der auch zufällig ein Demokrat ist. McCain hatte alleine sicher genug Feindbildcharakter, um trotzdem auf der Demokratenstange sitzen zu bleiben. Sarah Palin als Person greift aber genau an den Themen an, von denen Obama bisher behaupten konnte, sie alleine besetzt zu haben. Wie Du ganz am Anfang gesagt hast: So langsam wird dieser Wahlkampf richtig interessant.
Habe gerade etwas Mühe dich zu verstehen. McCain darf also eine, deiner Aussage nach, Frau die unter Demokraten beliebt ist als Vize wählen um sämtliche Kritik von sich abzuwehren aber Obama, der genau dasselbe macht, einfach in die umgekehrte Richtung, darf das nicht?
Das Problem daran ist die unterschiedliche Botschaft die beide aussenden. Obama stand bisher da als visionärer, der Zukunft zugewandter Politiker, als Hoffnung auf ein neues Amerika. Joe Biden dagegen ist ein Mann der Vergangenheit steht als genau für das Gegenteil dessen, was Obama bisher in den Mittelpunkt seiner Botschaft gestellt hat.
Während McCain mit seinem Schachzug das Signal aussendet, dass die gegen ihn gerichteten Vorwürfe, ein reaktionärer Knochen zu sein, weit übertrieben sind.
Ich zitiere dazu mal die ZEIT vom 28. AUgust:
"In seinen besten Momenten hält der Demokrat (Obama -WQ) eine Idee hoch, die größer ist als er selbst, ja, sogar größer als die Vereinigten Staaten: Die Freiheit von Furcht ist möglich.
...
Ausgerechnet jetzt aber hat Obama nicht auf Obama gehört. In der Woche vor und von Denver hat der Kandidat zweimal sein Prinzip Hoffnung verletzt. Und plötzlich wird der Schatten der Angst offenbar, der wie ein dunkler Zwilling Obamas fast manische Zuversicht verfolgt.
Indem Obama für die russische Invasion Georgiens nur verzagte Worte fand - und das vom Urlaubsparadies Hawaii aus - hat er den Vorwurf bestätigt, den viele Republikaner gegen viele Liberale erheben ... dass ihre heeren Worte sich weder energisch gegen fremde Panzer richten - noch etwas gegen sie bewirken.
Außerdem hat Obamas Selbstzweifel ein neues Gesicht bekommen, das Gesicht von Joe Biden. Selten zuvor standen für den Posten des Vizepräsidenten so qualifizierte Kandidaten zur Auswahl. Natürlich wäre die Berufung des Friedensnobelpreisträgers AL Gore ein Risiko gewesen, natürlich Hillary Clinton kein einfacher Partner. Trotzdem wäre die Botschaft eindeutig gewesen: Die Aufgaben sind so groß, dass wir die Besten brauchen, auch wenn sie manchmal schwierig sind.
Stattdessen hat Obama sich für einen schwachen Vize entschieden. Zu jung, zu elitär, zu unerfahren, zu unamerikanisch - so lauteten die vier Angriffslinien aus Camp McCain. Mit seiner Entscheidung für einen weißen, alten, erfahrenen Mann aus dem Herzen Amerikas hat Obema den Angriffen nachgegeben. Seine eigenen Schwächen zu kennen ist klug, trotzdem hat der Kandidat nun die Frage aller Fragen heraufbeschworen, die Charakterfrage: Warum lässt sich Barack Obama im Augenblick der Krise von Selbstzweifeln leiten. Georgien und Biden - zweimal hat der Kandidat der Furcht gehorcht, statt die Hoffnung zu stärken." [zitatende]
Der Abschnitt stammt aus Josef Joffes Leitartikel. Man muss dazu sagen, dass Joffe im Herzen wohl eher republikanischen Positionen zuneigt, während seine Zuneigung zu den Demokraten nicht immer die allergrößte zu sein scheint.
@Selvan: Die Frage ist, warum sie jetzt auf einmal Obama wählen sollten, denn an den Gründen, warum sie ihn vorher nicht haben wollten, hat sich nichts geändert. Sicher ist die Antwort: Ich wähle in jedem Fall keinen Republikaner eine mögliche. Die Antwort: ich wähle auf keinen Fall Obama ist eine andere, ebenso mögliche.
Vor allem aber gilt in den USA wie auch in Deutschland, dass nicht die treuen Parteianhänger die Wahlen gewinnen, sondern die bis kurz vor der Wahl unentschiedenen Wechselwähler, die keine festgelegte Präferenz zu einer Partei haben. Und gerade in dieser Gruppe kommts oft viel mehr auf die Personen an, von denen sie nach der Wahl vertreten werden.