Ich finde den Ansatz nicht uninteressant, da meiner Meinung nach die wenigsten Rollenspiele die Spieler auf der Metaebene herausfordern. Es ist wohl kein Zufall, dass "Metagame Thinking" genau wie "Powergaming" nach dem vorherrschenden Verständnis vieler Rollenspieler etwas Schlechtes ist.
Dabei entsteht in den meisten klassischen Brett- und Kartenspielen die Spannung ja genau auf dieser Metaebene. Beispiel "Siedler von Catan" - da hat man zwar auch eine Welt, die es zu erkunden und besiedeln gilt, es gibt Ritter, Räuber, Händler und Barbaren, aber der Reiz des Spiels geht davon aus, dass man seine Ressourcen verwalten, geschickt verhandeln und strategisch wie taktisch kluge Entscheidungen treffen muss. Das Setting ist dabei eigentlich austauschbar, so könnte man problemlos die Insel durch einen unerforschten Sektor des Weltalls ersetzen, Dörfer durch Raumstationen, Städte durch planetare Kolonien, Räuber durch Raumpiraten, die Barbaren durch eine Alieninvasion usw.
Im Rollenspiel will ich das zwar natürlich nicht in diesem Umfang haben, aber ein bisschen mehr Meta fände ich schon nett. Für meine Freeport-Runde denke ich deswegen über ein System nach, in dem die Statistiken einen Charakter auf einer anderen Ebene als der für kommerzielle Systeme typischen beschreiben. Statt detaillierten Zahlenwerten für körperliche und geistige Eigenschaften, erlernte Fertigkeiten und spezielle Fähigkeiten, würde ich das ganze auf einer viel abstrakteren Ebene angehen. Das Spiel soll gar nicht erst versuchen, durch Regeln einen Charakter detailliert zu beschreiben.
Stattdessen gibt es eigentlich nur eine handvoll von "Statistiken", maßgeschneidert auf das bespielte Setting, die Piraten- und Handelsmetropole Freeport:
- Glück
- Wagemut
- Einfluss
- Kampfkunst
- Magie
- Ehre
- Schicksal
- Verschlagenheit
Mehr an harten Spielwerten gibt es nicht. Diese acht Kategorien sind dabei als begrenzt verfügbare Ressourcen zu betrachten, die es zu verwalten und richtig einzusetzen gilt. Um mal ein Beispiel aus der Popkultur zu bringen - einige Charaktere aus Fluch der Karibik könnte man in etwa so beschreiben:
Charakter | Glück | Wagemut | Einfluss | Kampfkunst | Magie | Ehre | Schicksal | Verschlagenheit |
---|
Cpt. Jack Sparrow | Hoch | Sehr hoch | Gering | Hoch | Nicht vorhanden | Mittel | Mittel | Sehr hoch |
Will Turner | Mittel | Sehr hoch | Gering | Sehr hoch | Nicht vorhanden | Sehr hoch | Mittel | Gering |
Elizabeth Swan | Gering | Mittel | Hoch | Mittel | Nicht vorhanden | Mittel | Gering | Hoch |
Cpt. Barbossa (als Untoter) | Mittel | Mittel | Gering | Hoch | Mittel | Gering | Hoch | Sehr hoch |
Davy Jones | Mittel | Mittel | Gering | Hoch | Hoch | Gering | Sehr hoch | Sehr hoch |
Calypso | Mittel | Gering | Hoch | Gering | Sehr hoch | Mittel | Sehr hoch | Hoch |
Diese Werte sind natürlich subjektiv und nicht großartig überdacht und müssen auch nicht weiter diskutiert werden. Je nachdem, wie gut ein Charakter eine dieser Kategorien ausgebaut hat, erhält er für jeden Konflikt einen entsprechenden Pool aus Würfeln, die er benutzen kann, um den Ausgang des Konflikts zu beeinflussen.
Wie genau der Konfliktresoultionsmechanismus aussehen wird, habe ich mir noch nicht überlegt, allerdings wäre etwas poker-ähnliches schonmal kein schlechter Ansatz, da hier die Komponenten Glück, Taktik und Psychologie enthalten wären. Spontane Idee:
Jeder Spieler erhält am Anfang einer Runde sechs normale Spielkarten in die Hand. Jeder der oben genannten Kategorien ist nun eine der Farben zugeordnet:
Farbe | Kategorien |
---|
Herz | Ehre, Schicksal |
Kreuz | Kampfkunst, Verschlagenheit |
Karo | Magie, Glück |
Pik | Einfluss, Wagemut |
Nun können wie beim Poker Karten getauscht werden um bestimmte Kombinationen zu erzielen, die viele Punkte einbringen. Der Einsatz besteht allerdings nicht aus Geld oder Chips, sondern aus Poolwürfeln, die die Spieler abhängig davon, wie sie die Situation einschätzen, in ihren Würfelbecher packen können. Dabei gilt, dass nur Würfel aus den Kategorien eingesetzt werden können, für die der Spieler auch Karten in einer gültigen Kombination hat. Wenn ein Spieler zum Beispiel ein Pärchen von Herz- und Pikkönig auf der Hand hat, so kann er Würfel aus den Pools Ehre, Schicksal, Einfluss und Wagemut in seinen Becher geben.
Sobald ein bestimmtes Kriterium erfüllt ist, müssen die Spieler ihre Karten offenbaren und die eingesetzten Würfel werfen. Es gewinnt derjenige, der die höchste Punktzahl erzielt, der Konflikt wird in seinem Sinne entschieden. Zum Rollenspiel wird das Ganze dadurch, dass nun alle gemeinsam das Ergebnis des Metagames interpretieren und in eine Erzählung verwandeln.
Das hier beschriebene System ist natürlich nur eine spontan niedergeschriebene Idee und müsste sicherlich zunächst vernünftig ausgearbeitet werden, aber im Grunde beschreibt es das, was ich gerne hätte. Klassen braucht das System nicht, Stufen wird es aber geben, die dann entscheiden, wieviele Poolwürfel ein Charakter insgesamt besitzt.