Autor Thema: NW/Ethik-Split: emotionale KI  (Gelesen 638 mal)

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Jackonyourback

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« am: 21. September 2009, 16:56:04 »
...denn wenn Maschinen denken können wie wir, dann können sie auch lieben, hassen und glauben wie wir...
Ist diese Folge so richtig? Immerhin sind das Emotionen, nach der Biologie also dem Selbsterhaltungstrieb zuzuordnen. Emotionen sind hormonabhängig und benötigen nicht mal Intelligenz, um empfunden zu werden. (siehe Tiere) Was sie aber benötigen sind körperliche Voraussetzungen, Hormone und Rezeptoren.
'Fun will now commence.' - 7of9

TheRaven

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #1 am: 21. September 2009, 17:06:57 »
Sehe ich auch so. Emotionen verfälschen und steuern ja das Denken, sind also demnach eher Störfaktoren des Denkprozesses. Emotionen sind allerdings Voraussetzung für Kreativität. In der einfachen KI Programmierung macht man das ja bisher auch genau so. Zuerst wird der "Denkprozess" programmiert und die künstlichen "Emotionen" sind Einflüsse, welche den Denkprozess, die Logik, brechen.
« Letzte Änderung: 21. September 2009, 17:15:52 von TheRaven »
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #2 am: 21. September 2009, 19:17:41 »
Sehe ich auch so. Emotionen verfälschen und steuern ja das Denken, sind also demnach eher Störfaktoren des Denkprozesses. Emotionen sind allerdings Voraussetzung für Kreativität. In der einfachen KI Programmierung macht man das ja bisher auch genau so. Zuerst wird der "Denkprozess" programmiert und die künstlichen "Emotionen" sind Einflüsse, welche den Denkprozess, die Logik, brechen.

Ich glaube nicht, dass man Emotionen allgemein als Störfaktoren von Denken betrachten kann. Ich weiß, Du meintest, dass Emotionen dazu führen, dass in bestimmten Situationen irrationale Entscheidungen getroffen werden. Ein anderer Ansatz wäre jedoch, dass Emotionen rationales Handeln erst ermöglichen. Zum einen indem zuerst ein angestrebtes Ziel formuliert wird, was auch mit antizipiertem Affekt zusammenhängt. Zum anderen, dass bei unzureichender Information oder kurzfristigen Entscheidungen Heuristiken zum Einsatz kommen, die mit Emotionen zusammmenhängen können (wie z.B. bei Damasios Somatic marker Hypothesis, dem "Bauchgefühl")

Dahingegen, Emotionen können Kreativität anregen, für den eigentlichen Prozess, glaube ich, sind sie nicht notwendig. Kreativität hat meines Wissens damit zu tun, dass man Assoziationen bildet, die "Spielregeln" beim Problemlösen ausweitet und den Lösungsweg neu definiert. Intelligentes Handeln ist kovergentes Denken, d.h. es gibt einen genau vorgegebenen Lösungsweg, wie bei Mathe Aufgaben. Kreatives Handeln erforgert divergentes Denken, wie z.B. bei diesem bekannte Rätselbild, wo der Lösungsraum erweitert wird.

Ich wäre aber sehr interessiert, wie die Informatik diese beiden Felder behandelt.

-mino
« Letzte Änderung: 21. September 2009, 19:32:07 von Minotaur Warrior »
Das ist philosophisch noch ungeklärt.

Priest

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #3 am: 21. September 2009, 19:32:48 »
Sehe ich auch so. Emotionen verfälschen und steuern ja das Denken, sind also demnach eher Störfaktoren des Denkprozesses. Emotionen sind allerdings Voraussetzung für Kreativität. In der einfachen KI Programmierung macht man das ja bisher auch genau so. Zuerst wird der "Denkprozess" programmiert und die künstlichen "Emotionen" sind Einflüsse, welche den Denkprozess, die Logik, brechen.

Ich glaube nicht, dass man Emotionen allgemein als Störfaktoren von Denken betrachten kann. Ich weiß, Du meintest, dass Emotionen dazu führen, dass in bestimmten Situationen irrationale Entscheidungen getroffen werden. Ein anderer Ansatz wäre jedoch, dass Emotionen rationales Handeln erst ermöglichen. Zum einen indem zuerst ein angestrebtes Ziel formuliert wird, was auch mit antizipiertem Affekt zusammenhängt. Zum anderen, dass bei unzureichender Information oder kurzfristigen Entscheidungen Heuristiken zum Einsatz kommen, die mit Emotionen zusammmenhängen können (wie z.B. bei Damasios Somatic marker Hypothesis, dem "Bauchgefühl")

Dahingegen, Emotionen können Kreativität anregen, für den eigentlichen Prozess, glaube ich, sind sie nicht notwendig. Kreativität hat meines Wissens damit zu tun, dass man Assoziationen bildet, die "Spielregeln" beim Problemlösen ausweitet und den Lösungsweg neu definiert.

Ich wäre aber sehr interessiert, wie die Informatik diese beiden Felder behandelt.

-mino

Ich persönlich denke nicht das man so etwas komplexes wie den Menschlichen Verstand irgendwie als KI definieren kann. Zumal man die einzelnen Komponenten Logik, Gefühle und Körper nicht einfach so voneinander trennen kann. Das ist alles ein komplexes Gleichgewicht, welches zusammenspielt, sich ergänzt und dadurch eben erst das bildet was wir Verstand nennen.
Wenn es jemals eine KI gibt die genauso handelt wie wir, dann nur wegen sehr sehr komplexen Programmen die versuchen soetwas zu "simulieren" kann mir aber nicht vorstellen das soetwas von sich heraus aus einer komplexen KI entstehen kann. Also das ein schlauer PC irgendwann anfängt zu heulen zB ;)
Alles Wissen beginnt im Zweifel und Endet im Glauben

Talwyn

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #4 am: 22. September 2009, 10:40:07 »
Nochmal bezüglich KI und Emotionen: Der Begriff der "starken" KI schließt per Definition auch die Simulation von Emotionen mit ein. Man geht dabei davon aus, dass Emotionen eine Abbildung des Lustprinzips bilden "negative" Emotionen repräsentieren nichts anderes als "Unlust" - also die ablehnende Bewertung einer Situation, eines Objekts, einer anderen Person usw. Positive Emotionen  sind hingegen "Lust" - also eine bejahende Bewertung - und die Bewertung der Beziehung zwischen "Ich" und "etwas anderes" ist nichts anderes das, was man als "Sinn" bezeichnet, und genau dieser Sinn ist wohl notwendig, wenn man das Phänomen "Bewusstsein" verstehen will (soweit das überhaupt schon möglich ist), denn ohne Sinnzuschreibungen kann keine "Denkmaschine" eine eigenständige Entscheidung treffen - sie kann dann nur das, was ihr der Programmierer vorgibt - sie bewertet ja alles um sich herum völlig neutral und kann deswegen auch nicht wählen, weil sie - salopp ausgedrückt - keine der zur Verfügung stehenden Optionen besonders "gut" oder "schlecht" findet.

Ein etwas anschaulicheres Beispiel sind so genannte evolutionäre oder genetische Algorithmen, bei denen durch Selektion verschiedener Lösungsansätze eines komplexen Problems durch einen Evolutionsprozess immer effizientere Lösungen entstehen, und zwar automatisch. Hierbei handelt es sich um ein momentan recht aktuelles Thema in der KI-Forschung und derartige Algorithmen gelten als vergleichsweise hoch entwickelte KI. Es handelt sich aber dennoch um eine "schwache" KI, weil das System nicht selbst entschieden hat, dass eine effiziente Lösung für das gegebene Problem erstrebenswert ist - seine Programmierer haben ihm das vorgegeben, und genau diese Anweisung braucht eine starke KI nicht.

TheRaven

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #5 am: 22. September 2009, 11:17:17 »
@Talwyn
Ist es nicht eher so, dass die Emotionen die Motivation für das Denken/Handeln darstellen oder genauer gesagt die Ziele des Denkens definieren? Damit man denken und bewerten kann braucht es keine Emotionen, lediglich drei Bestandteile. Ein Ziel, Informationen und Optionen. Die Entscheidungen werden durch Emotionen beeinflusst aber nicht erst durch sie ermöglicht. Mir scheint es auch als bringe man hier Erfahrung und Emotion durcheinander. Mittels Erfahrung werden Informationen gesammelt und gewichtet. Eine Gewichtung ist auch ohne Emotionen möglich oder genauer gesagt sind die Emotionen lediglich das Interface zu der Gewichtung. Wenn eine Handlung in der Vergangenheit mehrheitlich zu positiven Ergebnissen geführt hat, dann ist diese in Relation zu den damals vorliegenden Informationen hoch gewichtet. Beim Menschen zeigt sich diese Priorisierung durch Emotionen/Gefühle.

Anders erklärt. Um Optionen "gut" und "schlecht" zu finden braucht es Erfahrung, also angesammelte Informationen, welche im Kontext zueinander, dem erklärten Ziel und den Optionen stehen. Die Auswertung der Probabilität, der Output sind dann die Emotionen. Emotionen sind das GUI zum logischen Denkprozess. Stark vereinfachte Erklärung, schon klar.
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Talwyn

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NW/Ethik-Split: emotionale KI
« Antwort #6 am: 22. September 2009, 12:18:56 »
@Talwyn
Ist es nicht eher so, dass die Emotionen die Motivation für das Denken/Handeln darstellen oder genauer gesagt die Ziele des Denkens definieren? Damit man denken und bewerten kann braucht es keine Emotionen, lediglich drei Bestandteile. Ein Ziel, Informationen und Optionen. Die Entscheidungen werden durch Emotionen beeinflusst aber nicht erst durch sie ermöglicht. Mir scheint es auch als bringe man hier Erfahrung und Emotion durcheinander. Mittels Erfahrung werden Informationen gesammelt und gewichtet. Eine Gewichtung ist auch ohne Emotionen möglich oder genauer gesagt sind die Emotionen lediglich das Interface zu der Gewichtung. Wenn eine Handlung in der Vergangenheit mehrheitlich zu positiven Ergebnissen geführt hat, dann ist diese in Relation zu den damals vorliegenden Informationen hoch gewichtet. Beim Menschen zeigt sich diese Priorisierung durch Emotionen/Gefühle.

Anders erklärt. Um Optionen "gut" und "schlecht" zu finden braucht es Erfahrung, also angesammelte Informationen, welche im Kontext zueinander, dem erklärten Ziel und den Optionen stehen. Die Auswertung der Probabilität, der Output sind dann die Emotionen. Emotionen sind das GUI zum logischen Denkprozess. Stark vereinfachte Erklärung, schon klar.

Ja, nach dem Lustprinzip geht man z.B. davon aus, dass Emotionen als Motivatoren zur Bedürfnisbefriedigung dienen - man pflanzt sich nicht fort, weil man seine Art erhalten will, sondern weil Sex Spaß macht (mit einer positiven Emotion verknüpft ist).

Getriggert werden die Emotionen durch Schlüsselreize von außen - überschreitet die Stärke des Reizes eine bestimmte Schwelle, wird die entsprechende Emotion "ausgelöst". Erfahrung ist hier aber nicht als Ersatz für die Emotion zu gebrauchen, sie dient dazu die Schwellen für die Reizstärke zu beeinflussen. Wird ein Kind von einem Hund gebissen, so steigt dadurch die wahrgenommene Bedrohung durch Hunde: Angst vor Hunden stellt sich nicht erst ein, wenn ein Hund knurrend, bellend und zähnefletschend auf einen zu gerannt kommt, sondern schon, wenn ein ganz friedlicher Hund der Person zu nahe kommt.

Wichtig ist, dass man zwischen Emotion und Gefühl unterscheidet. Letzteres ist nämlich eigentlich das, was die Alltagssprache meint, wenn sie Emotion sagt. Ein Gefühl ist die subjektive Wahrnehmung/das Erleben der Emotion - also wieder eine Wertzuschreibung*. Ob man diese für eine höhere KI wirklich braucht, kann ich nicht sagen, aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass es sich kaum vermeiden lässt, da man der KI ansonsten explizit verbieten müsste, ihre Emotionen zu bewerten (im Unterschied z.B. zu dem, was sie an Umweltreizen aufnimmt), und eine solche Selbstreflexion zeichnet aus meiner Sicht das höhere Bewusstsein aus.

Wie gesagt ein äußerst spannendes Thema. Wer sich dafür interessiert, dem kann ich wärmstens den Roman "Angenehm" von Matthias Hirth empfehlen, der sich mit exakt diesen Fragen befasst, und zwar in ziemlich gut recherchierter Form. Nicht unbedingt leichte Kost, aber die Lektüre ist die Mühe IMO allemal wert.