5. Reisejahr, 63. Reisetag
Liebes Tagebuch
Die gute Nachricht: Es wird wieder wärmer. Die schlechte: Wer durfte mal wieder aufräumen? Genau.
Gestern sind wir, als unsere Karren durch den Schnee zuckelten, einer alten Dame begegnet, eine Art Kräuterfrau. Sie teilte uns mit, dass die Kälte wohl von einem nahen Turm ausgehen würde. Jener Turm soll mal einem Zwergenhexer gehört haben, und der soll da komische Sachen gemacht haben. Gerüchten zu Folge haben irgendwelche Feen den Hexer in dem Eisgefängnis eingesperrt, wieso, weiss keiner so genau. Aber das Feen öfters mal Dinge ohne ersichtlichen Grund machen, ist jetzt nicht unbedingt was neues.
Wir haben uns dazu bereit erklärt, da mal vorbei zu schauen. Die alte Frau meinte, dass es bisher noch nie so kalt gewesen sei, die Kälte wäre immer um den Turm herum konzentriert gewesen. Dank Katabatis Kenntnis über Winterlandschaften (Sie verwandelt sich ja nicht umsonst öfters in eine Schneeleopardin) erreichten wir den Turm ziemlich zügig. Wir kamen an ein paar Hügeln vorbei, in denen laut Katabatis Worten wohl Goblins lebten, und da es unwahrscheinlich war, dass die uns auf einen warmen Tee einluden, machten wir einen großen Bogen drum herum. So erreichten wir den Turm ohne weitere Hindernisse.
Was folte war eine einzige Riesenprügelei. Ich erspar dir mal die Details, aber wir haben uns zuerst mit Statuen vor dem Turm und dann Eisarchons im Turm rumschlagen müssen. Letztere sprangen aus einigen blauen Kaminfeuern, und ich hatte schon ernsthaft Sorgen, dass wir überrannt würden. Irgendwie haben wir uns dennoch gegen sie durchgeschlagen und konnten alle Kaminfeuer löschen, um dann den Turm etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
Das, was wir da fanden, war nicht sehr schön. Scheinbar stand dieser Hexer im Bunde mit Teufeln, und wir haben eine Art Beschwörungskreis mit etwas herumstehender Säure ausgelöscht. In einigen Regalen standen Bücher, manche davon so unheilig, dass ich gar nicht genau nachlesen wollte, andere Forschungsberichte und Tagebücher. Und jetzt halt dich fest.. Falls Tagebücher das können, natürlich. Dieser Zwergenhexer wollte Karsus rufen. Karsus, den Nesseriler, der vor vielen Jahrhunderten Mystril die Macht gestohlen hat. Ich kannte zufälligerweise den Namen, immerhin hab ich mir ja meinen Namen teils nach jener modelliert, und berichtete den anderen kurz von der Geschichte. Karsus war damals ein großer Magier in Nesseril, und er entwickelte einen mächtigen Zauber, den mächtigsten aller Zeiten, um sein Land von einer Invasion von fremdartigen Wesen namens Nephilim zu beschützen. Dieser Zauber diente dazu, einer Gottheit die Göttlichkeit zu stehlen. Das hat auch geklappt, aber Karsus wurde dabei wahnsinnig, und in dem darauf folgenden Chaos ging Nesseril mehr oder weniger unter. Wobei es jetzt natürlich irgendwie wieder da ist, aber das ist eine andere Geschichte.
Wie dem auch sei, scheinbar hat Karsus weiter existiert, als etwas, das der Hexer als Vestige bezeichnet in seinen Tagebüchern. Keine Ahnung was das sein soll, wohl so eine Art Geist. Scheinbar fanden die Feen das nicht so toll, dass er Karsus aufwecken wollte (wieso auch immer) und haben deshalb den guten Zwergen getötet oder mit in den Wald geschleift. Seine Leiche fanden wir jedenfalls nicht, im Gegensatz zu den Leichen zweier Diener.
Das alles war natürlich sehr faszinierend, änderte aber nichts an der Kälteproblematik. Da wir aber deswegen hierher kamen, erklommen wir weiter den Turm. Seine Spitze war ein ziemlich beeindruckender Anblick, unter einem Dom aus Eisschichten gefangen, die das Sonnenlicht funkelnd brachen. In seiner Mitte war hell leuchtender Kristall, der sich langsam in der Luft drehte und mit seltsamen arkanen Symbolen verziert war. Sie waren in Primodrial geschrieben, wenn auch in einem mir nicht ganz vertrauten Dialekt. Soweit ich das übersetzen konnte, waren es wohl die Archons, die den Feenzauber verändert hatten, um die nähere Umgebung in einen ewigen Winter zu stürzen. Keine Ahnung wieso, Mama sagte immer, die Archons währen wahnsinnig und würden nicht den Willen der vier großen Schöpfer folgen.
Kaum stören wir den Kristall (Ich schüttete einen Eimer Wasser drüber) sprang aus ihm eine riesige, fellbedeckte Bestie, die, wie könnte es auch anders sein, uns sogleich angriff. Sie rammte Katabatis durch den Eisdom und von der Plattform. Glücklicherweise war draussen dichter Schnee, sodass die gute weich aufkam. Was dann folgte war etwas seltsam. Hassad wirkte irgendeinen Zauber, der die Bestie von dem Turm stolpern ließ, sodass sie im Schnee aufkam und darin ein großes Loch hinterließ. Kaum rappelte sich das Viech auf, kletterte es auch schon wieder nach oben, nur um dann von einer heftigen Windböe von Katabatis vom Turm gerissen zu werden. Noch ein drittes Mal konnten wir das Wesen vom Turm treten, indem ich mich mit aller Kraft gegen die Brust des Wesens warf. Es war eine ziemlich verwirrende Angelegenheit, wir ließen Wurfspeere und Zauber auf das Ding regnen, irgendwo her kam eine Art Flammenvogel, der ständig auf dem Eiswächter herumhackte, und zuletzt brach es nach einem Schwerthieb von Ai zusammen, wobei es aus mehreren dutzend Wunden blutete. Irgendwie traurig, so ein Wesen zu töten, dass nur seiner Aufgabe nachging und eigentlich etwas bewachte, was garnicht so sinnlos war. Aber es war nicht wirklich so, dass es uns eine Wahl gelassen hatte. Wir hatten nicht wirklich Zeit, unsere Situation zu überdenken, denn kaum tat der Eiswächter seinen letzten Atemzug, zersplitterte die Kristallkugel, und der Eisdom über den Turm ging auf uns nieder. Glücklicherweise konnten wir uns schnell genug in Sicherheit bringen.
Wir rasteten die Nacht über im Turm, während wir die Bücher in zwei Haufen sortierten. Auf der einen Seite Bücher, die es sich lohnte, in Baldurs Tor weiter zu verkaufen, denn außer ein paar Alchemiereagenzien und den Splittern des großen Saphirs fanden wir im Turm nichts von Wert. Auf der anderen Seite Bücher, die so bedenklich waren, dass es wohl besser war, sie zu verbrennen, was wir dann auch taten. War immerhin schön warm. Wir haben ein paar eingelegte Vorräte gefunden, die sogar noch genießbar waren, vor allem ein Glas mit eingelegtem Aal, der gar nicht übel schmeckte. Komisch, dass keiner außer mir was wollte. Wir werden jetzt gleich aufbrechen, um den anderen zu sagen, dass es weitergehen kann. Hoffen wir, dass die Wagen nicht all zu sehr vom Schlamm gebremst werden.