Wissenschaftliche Erkenntnisse vielleicht nicht, das bezweifle ich auch, dass sich innerhalb von nicht einmal sechs Monaten so viel neues ergeben hat, dass man aufgrund dieser neuen Erkenntnisse radikal umdenkt.
Aber man kann natürlich aufgrund der Ereignisse in Japan in der Risikobewertung zu neuen Schlüssen kommen, und genau das ist passiert, meiner Meinung nach. Auch die Union war sich die ganze Zeit bewusst, dass der Betrieb von Kernkraftwerken mit einem - wie man glaubte - sehr geringen und eingehbaren Risiko verbunden ist, weil redundante Sicherheitssysteme nahezu jegliches technische und menschliche Versagen kompensieren könnten, sofern sie nicht alle gleichzeitig ausfallen. Nun sieht man in Japan, dass letzteres schneller eintreeten kann, als man geglaubt hat und bewertet die ganzen Szenarien neu.
Was jetzt allerdings folgt, das halte ich eben für unwürdig, und deswegen möchte ich Wormy auch nochmals widersprechen. Jetzt stellt sich die Kanzlerin nämlich hin und anstatt zu sagen "Japan hat uns gelehrt, dass wir uns möglicherweise in der Risikobewertung verschätzt haben und deswegen schalten wir jetzt doch erstmal alle Reaktoren von vor 1980 ab und überlegen nochmal neu." Das wäre transparent, integer, ehrlich und in meinen Augen sehr lobenswert und verantwortungsvoll.
Stattdessen heißt es aber, die Laufzeitverlängerung wäre begründet gewesen, auf wissenschaftllichen Erkenntnissen, die einen Störfall praktisch ausschließen (es erschien unmöglich, dass er eintritt) nur diese wissenschaftlichen Erkenntnisse seien jetzt durch die Ereignisse in Japan ... ja, was? Ungültig? Und das halte ich einfach für bodenlosen Unsinn und einer Physikerin nicht würdig.
Wieso ist es bloß so schwer, eigene Fehleinschätzungen/Fehler einzugestehen und ehrlich zu sagen mea culpa, da haben wir uns offenbar geirrt, aber der Fehler wird sofort behoben? In diesem Fall wahrscheinlich, weil dann sofort kluge Menschen aufschreien würden, die immer schon gesagt haben, die Atomkraft ist nicht so sicher, wie Betreiber oder Regierung uns das erzählen.