Da ich jetzt ein wenig mehr Zeit habe als heute Mittag, das ganze nochmals in aller Ruhe. Die Frage, auf die ich eine Antwort zu geben versucht habe, ist die, wie wahrscheinlich es ist, das ein Spielercharakter in den FR als Agnostiker oder gar als Atheist durchs Leben zieht, sprich ob sich das Problem mit den Patron Deities überhaupt stellt. Meiner Meinung nach entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist die Tatsache, dass Magie eine ganz entscheidende Rolle in Toril spielt, und dass diese Rolle auch allen Einwohnern bewusst ist.
Was für mich eine Tatsache darstellt, wird von Tempus Fugit, wenn ich ihn richtig verstehe, mit dem Verweis auf das FRCS angezweifelt Also lesen wir mal nach, was dort so drinne steht:
Zunächst mal aus der Einleitung, „A world of magic“ (Seite 6) :
Toril is steeped in magic. It permeates the entire world.
Hört sich doch schon mal gut an. Allerdings steht da auch:
Most Faerûnians never learn to speak a spell, but magic touches their lives in ways they do not always see.
Weiter geht's auf Seite 92, Kapitel „Magic and Society“:
Faerûnians live in a world populated by practitioners of Magic both arcane and divine.
Aber auch hier wieder die Einschränkung (den Satz lese ich genau wie TempusFugit, da hat er mich wohl falsch verstanden:
Even so, magic still rarely touches the life of the common Faerûnian.
Wir sehen hier einen (scheinbaren) zweifachen Widerspruch; auf der einen Seite die Allgegenwart der Magie, von der aber andererseits kaum jemand etwas mitbekommt. Aber stimmt das denn überhaupt? Sehen wir uns die weiteren Abschnitte dieses Kapitels an, zunächst mit einem besonderen Augenmerk auf arkaner Magie:
Wielders of arcane magic - also known as the art - are rare in most Heartland societies. No more than one person in a hundred or so is likely to have any ability as a wizard or sorcerer. Half of those are dilletants and dabblers.
Ein Prozent der Bevölkerung der Herzlande( Cormyr, Sembia und die Talländer haben laut FRCS eine Gesamtbevölkerung von 4.425.840 Einwohnern) gehört also zur Gruppe arkaner Zauberwirker. Das macht gerundet ca 44.250 Magier und Hexenmeister. Ich teile übrigens das Argument von TempusFugit bzgl. der Adepten nur eingeschränkt. Im ganzen Kapitel werden Adepten überhaupt nicht erwähnt, immer ist von „mages“ als Oberbegriff von „wizards“ und „sorcerers“ die Rede. Wenn also überhaupt, fallen Adepten unter die Gruppe der „dabblers and dilletants“.
Wir reden also alleine für die Herzlande von ca. 22.000 „echten“ Magiern und Hexenmeistern“, was auf alle Fälle einen relevanten Anteil darstellt. Und egal, wo wir die Adepten hinrechnen und mit welcher Stufe wir sie veranschlagen, auch diese verfügen über arkane Magie.
Wohlgemerkt, es gibt so manches Gebiet in den FR, in dem der Anteil an Magiern wesentlich höher veranschlagt werden muss (Halruua, Thay) sowie Rassen wie Gnome, Mond- und Sonnenelfen, für die der Einsatz von Magie etwas ganz natürliches ist. Dort ist die Magierdichte also um einiges höher anzusiedeln.
Weiter zur göttlichen Magie:
Temples and shrines to some numbers of deities stand in virtually every thorp and hamlet of Faerûn.
Man kann also nirgendwo hingehen, ohne nicht mit der Nase auf die Götter gestossen zu werden. Hierzu wendet TempusFugit ein, dass nicht jeder Tempel von einem Kleriker besetzt sei. Dazu sagt allerdings das FRCS:
Most of these are under the supervision of a low- to- mid-level cleric of the appropriate deity.
„most of“ ist sicherlich etwas vage, aber dieser Satz spricht sicherlich dafür, dass die Leitung eines Tempels oder Schreins im Normalfalle tatsächlich von einem Kleriker übernommen wird, der eben doch zauberkundig ist.
Wie wirkt sich das jetzt auf den Alltag des gewöhnlichen Einwohner Faeruns aus?. TempusFugit hat recht, wenn er sagt, dass es nirgendwo industriell hergestellte „magische Laternen“ (a la Eberron) gibt. Tatsächlich heisst es im FRCS, dass arkane Magie normal nicht angewandt wird, wenn man eine Aufgabe auch auf andere Art bewältigen kann. Allerdings heisst es auch, dass bei jedem grösseren Ärger ortsansässige Magier mit die ersten sind, an die die Einwohner sich wenden. Diese sind sich der Macht von Magiern also durchaus bewusst (zumindest glauben sie daran), ob sie den Einsatz von Magie schon einmal gesehen haben oder nicht. Wobei zumindest für magische Gegenstände folgendes gilt:
Nearly all Faerûnians, no matter how humble or removed from the adventuring lifestyle, have seen minor magic gimmicks at some points in their lives.
Also kommt doch fast jeder irgendwann mit arkaner Magie in Berührung.
Für göttliche Magie dürfte das um so mehr gelten, als Kleriker niemanden leichter von der Macht ihrer Gottheit überzeugen können als durch eine praktische Demonstration ihrer Macht. Gerade Menschen einfachen Bildungsgrades können auf diese Art und Weise leicht für eine Gottheit gewonnen werden. Gebildetere Menschen dagegen erfahren im Unterricht von der Wahrheit der Existenz der Götter (die ja ständig ihre Finger in die Angelegenheiten Torils stecken).
Langer Rede, kurzer Sinn: Die Magie Faerûns hat sicher nicht dieselben Alltagsanwendungen, wie das zum Beispiel in Eberron der Fall ist. Dennoch aber ist sie (speziell die Macht der göttlichen Magie) fest im Bewusstsein nahezu aller Bewohner Faerûns fest verankert. Die Frage, ob man an Götter glaubt, stellt sich gar nicht. Man weiß, das sie existieren. Man „weiß“ um ihre Macht und man müsste schön blöd sein, sich um die möglichen Vorteile zu bringen, indem man ihnen die notwendige Ehrerbietung verweigert. Und natürlich wendet man sich in erster Linie an den Gott, der einem die größten Vorteile verspricht, was schon dazu ausreicht, diesen Gott als „patron deity“ zu deklarieren.
Natürlich mag es Personen geben, die den Göttern jeglichen Respekt verweigern. Insoweit kann man das auch Spielercharakteren nicht verweigern. Die Spieler müssen allerdings wissen, dass eine Wiederbelebung nur dann möglich ist, wenn Ihr SC diese Einstellung ändert, da die Götter ansonsten keinen Finger für sie rühren werden. Verweigern sie sich dieser Grundtatsache der Theologie Faerûns, müssen sie eben hoffen, dass die 1d10 Tage nach ihrem Tode ausreichen, dass ihre Begleiter sie irgendwohin bringen, wo man die Leiche wiederbeleben kann.
Atheismus halte ich im Sinne der Spielwelt tatsächlich für unmöglich und würde das daher auch niemals einem meiner Spieler erlauben.
@Tempus: Falls du meine zuvor etwas überspitzte Darstellung falsch verstanden haben solltest, hoffe ich das jetzt klargestellt zu haben. Ansonsten lasse ich mich gerne berichtigen, bisher halte ich meine Sichtweise nämlich für durchaus logisch.
Falls überhaupt jemand diesen etwas länglich geratenen Post überhaupt liest^^