…Taeahen sprang genau zwischen die drei Mischwesen und die Frau hinter dem Busch.
Als er am Boden ankam hatte er schon einen Pfeil auf der Sehne und dieser zeigte genau auf das Herz des einen Halb-Wolfes.
Die Werwölfe zuckten zurück, begaben sich wie in Zeitlupe in einen Halbkreis. Hinter sich konnte der Wildelf die hektisch atmende Frau hören.
Er hatte nur noch drei magische Pfeile mit denen er den Wesen Schaden zufügen konnte. Dann musste er in den ihm so ungeliebten Nahkampf gehen.
Es sah schlecht aus.
Dann sah er den riesigen Werwolf hinter den anderen drei aus dem Unterholz treten. Die Bestie war so groß wie ein Oger und mit dunkelgrauem Fell bedeckt. Seine Pranken hatten die Größe von Wagenrädern. In seinen Augen spiegelte sich der Hass.
Der riesige Halb-Wolf kam einen Schritt näher.
Die drei kleineren Werwölfe wichen winselnd zur Seite. Bleckten sich aber die Zähne und fokussierten wieder abwechselnd Taeahen und die Frau.
Der Riesen-Halb-Wolf grollte und aus der Tiefe seines Rachens formten sich Worte.
„Du bist einer der unseren. Komm. Gib dich der Jagd hin. Jage mit dem Rudel! Du gehörst zu uns!“
Taeahen konnte deutlich den Geruch von Adrenalin wahrnehmen und für einen Augenblick wollte er sich dem Tier in sich ergeben.
Doch der Gedanke an unschuldige, in der Raserei getötete Opfer ließ ihn die Bestie in seinem Innern verdrängen.
Er biss die Zähne aufeinander und stieß knirschend einige Worte hervor.
„Niemals!“ Taeahen ließ den ersten Pfeil fliegen, registrierte wie ein silberner Schweif an ihm vorbeischoss und rief sich arkane Worte aus seinem Unterbewusstsein an die Oberfläche.
Der erste Werwolf starrte verwirrt auf die zwei Pfeile in seiner Brust als die gelb-blitzenden Geschosse in seinem Gesicht aufschlugen. Dann kippte er um.
Die beiden kleineren Werwölfe sprangen durch die Luft auf ihre Opfer zu, während der riesige Halb-Wolf aufbrüllte.
„Malar! Hilf Grageons Rudel!“
Dann brach das Chaos aus.
Taeahen und die Frau konnten beide noch einen Pfeil abfeuern bevor der erste Wolf seine Klauen in Richtung Hals des Elfen riss. Der Werwolf stürzte an dem sich nach hinten abrollenden Wildelfen vorbei und fing sich den nächsten Pfeil der Frau ein.
Mit dem Bogen wehrte Taeahen den Klauenhieb des zweiten Werwolfs ab und in einer fließenden Bewegung suchte sich Askapendion Dämonenbann den Weg zwischen zwei Rippen hindurch. Keuchend stolperte der Werwolf einen Schritt weiter und sank mit einem Pfeil mit weißer Federung durch die Stirn getroffen, zu Boden.
Hinter sich brüllte der Werwolf auf, dem der Elf ausgewichen war, aber Taeahen hatte keine Zeit.
Grageon der riesige Werwolf traf den Wildelfen mit seiner Pranke an der Schulter. Trotz seiner immensen Größe war der Lykantrop blitzschnell und sein Hieb wirbelte Taeahen durch die Luft. Schmerzhaft schlug er auf dem Boden auf. Instinktiv rollte er sich nach vorne ab und entging so dem zuschnappenden Gebiss.
In Taeahens Ohren rauschte es, seine Sinne waren bis aufs Äußerste gespannt, er schmeckte den metallischen Geschmack des Blutes auf der Zunge und kurz bevor der nächste Schlag landete, wich er ihm schon aus.
Aus den Augenwinkeln sah er wie die junge Frau, eine wunderschöne Halb-Elfin mit silbrigem Haar, sich auf einem Bein drehte und einen Pfeil auf den Werwolf vor ihr abfeuerte, sie verfehlte ihn. Doch der Pfeil veränderte seine Flugbahn und traf den Lykantropen in der Schulter.
Zeitgleich jaulte der Halb-Wolf auf und Taeahen warf sich zu Boden und rollte zwischen den Beinen seines größeren Feindes hindurch. Mit einem Satz war dieser herum und drosch auf den davon eilenden Wildelfen ein. Taeahen merkte wie die rasiermesserscharfen Klauen seine Rüstung am Rücken aufschlitzten.
Ein roter Schleier senkte sich auf die Sicht des Jägers. „Nein, Fenmarel. Gib mir die Kraft dem zu widerstehen.“
Eine Klaue traf Taeahen am Bauch und riss ihm die Haut auf. Noch so einen Treffer würde er nicht überleben, außer… Außer er nutzte das Tier in seinem Innern. Nur einmal, nur ein einziges Mal.
Dem Hieb wich er grazil aus, duckte sich weg und machte einen Seitschritt. So plötzlich im Rücken des Gegners stieß er Dämonenbann in die Kniekehle des riesigen Werwolfs.
Grageon warf sich nach hinten und begrub den viel kleineren Wildelfen unter sich.
„JA! Ich werde ihn töten und zu Ehren von Malar fressen!“
Der Werwolffürst spürte den kleinen Elfen unter sich und drehte sich herum, versuchte sich festzubeißen, seine Augen waren aufgerissen und suchten sein Opfer.
Taeahen hatte den Angriff nicht vorhergesehen, sein Gegner hatte ihn überrascht und als der massige Körper auf ihn fiel und sämtliche Luft aus seinen Lungen gepresst wurde, überkam ihn das Gefühl, alles wäre umsonst gewesen.
Kurz war er ganz ruhig und das Ziehen war weg, die Bestie fort. Wie im Traum umklammerte Taeahen den Griff von Askapendion Dämonenbann und ein strahlendes Leuchten erhellte den eben noch finsteren Wald taghell.
Grageon schrie auf und sprang zurück. „Was hatte dieser elfische Bastard getan. Er war
blind!“
Zu schnell für den, sich langsam an seine anderen Sinne erinnernden Werwolffürsten, bohrte Taeahen Vrinn die magische Waffe aus den Tagen des alten Earlann in den Unterleib seines Gegners. Brüllend taumelte dieser zurück.
Wieder schoss das Kurzschwert des Elfen heran.
Blut ergoss sich aus den tiefen Wunden. Blind versuchte sich Grageon zu schützen, Taeahen hob zum tödlichen Stoß an, als er den Schrei der Frau hörte.
Sie war durch das helle Licht ebenfalls geblendet worden, während der letzte Werwolf wohl schnell genug die Augen geschlossen hatte. Nun hockte die Bestie auf ihrem liegenden Opfer und wollte gerade ihre geifernden Fänge in den Hals der Halb-Elfin schlagen.
Taeahen drängte den roten Schleier weg und griff zu der Kraft aus seinem Unterbewusstsein. Ein brennender Strahl schoss auf den Wolfsmann zu und erwischte ihn voll. Der Gestank von verbrannter Haut und versengten Haaren erfüllte die Luft.
Der Werwolf kippte zur Seite.
Stille.
Taeahen wirbelte herum und suchte den Werwolffürsten. Er war verschwunden.
In seiner Brust begann das Ziehen.
Langsam drehte er sich wieder zu der Frau herum. Anscheinend hatte sie ihr Augenlicht wieder. Ihre eisigen, wunderschönen blauen Augen ruhten auf dem Wildelf.
Taeahen konnte nichts mehr hören. Es rauschte in seinen Ohren, sein Blut tropfte auf den Waldboden. Vermischte sich dort mit dem Blut der anderen Lykantropen.
Er drehte den Kopf. Seine Augen sahen durch einen roten Schleier wie die Lippen der Frau eine Frage formten. Aber es war zu spät. Durch die Äste schien der nahezu volle Mond.
Der Kiefer des Elfen wurde länger, seine Beine krümmten sich und der Fellwuchs setzte ein. Die scharfen Zähne brachen durch das weiche elfische Gebiss. Taeahens Augen füllten sich mit Tränen.
Als der Wildelf am nächsten Morgen wach wurde und ihm die Geschehnisse der letzten Nacht einfielen wurde ihm die Unerträglichkeit seines Daseins bewusst. Was hatte er verbrochen um mit diesem Fluch bedacht zu werden? Was getan um so bestraft zu werden.
Dann realisierte er seine Umgebung.
Das weiche Moos unter ihm wärmte ihn, die Sonnenstrahlen kitzelten seine Nasenspitze. Sein weiches Hemd, warm von der Sonne schmiegte sich an seinen Körper. Irgendwo plätscherte ein friedlicher Bach.
Taeahen schoss hoch. Er schaute an sich herab. Seine Kleidung war nicht zerrissen. Jemand hatte ihn gewaschen und von den Leichen der Werwölfe fort getragen. Sein Körper tat nicht weh und ihm schien als habe er seit Jahren wieder erholsam geschlafen. Sogar die Wunden, die ihm der Werwolffürst geschlagen hatte waren verheilt.
Er hatte sich nicht verwandelt.
Taeahen sog gierig die frische Waldluft ein. Seine Zehen bohrten sich in den Waldboden. Er blickte sich um, irgendwoher kam ein leichter Duft nach Omelett.
Um seinen Hals hatte er, neben dem Amulett der „Feuerrotenbögen“ einen Anhänger aus Mithrilsilber der einen stilisierten Sternenhimmel zeigte und auf der anderen Seite das Gesicht einer Frau.
„Möchtet ihr frühstücken? Omelett mit Tee?“ Unbemerkt war die Frau von gestern Nacht herangetreten. Ihr Bein schien so gut wie geheilt. Ihr silbriges Haar umfloss ihr schmales Gesicht das die typischen Elfenaugen hatte. Eiskalte blaue Bergseen. Taeahen vergaß zu antworten und tauchte stattdessen in die Tiefen ihrer Augen hinab.
„Hallo?! Stimmt etwas nicht?“ Ein freundliches Lächeln verzierte ihr Gesicht. Zwei Grübchen gaben ihrer Aussage eine nicht zu überhörende Ironie.
„Verzeiht. Meine, äh, Holde…“ Taeahen wurde ein wenig rot. Er hatte vergessen wie sich seine eigene Stimme im Gespräch anhörte.
„Nennt mich nicht Holde! Mein Name ist Falkenstern Sariandir, besser bekannt als Mondglanz.“ Ihr Lächeln strafte ihren bösen Blick Lügen.
„Aber ich danke euch vielmals, dass ihr mir das Leben gerettet habt.“ Mondglanz war mit einem Holzteller und einem Hornkrug mit dampfendem Tee näher getreten.
„Entschuldigt. Ich habe so lange nicht mehr mit anderen Leuten gesprochen.“ Der Duft des Tees mit der wundervollen Farbe des Omeletts zusammen, stieg Taeahen in die Nase und sein Magen meldete sich lautstark.
„Nehmt nur, ich habe schon gegessen. Ich war die ganze Nacht auf und habe über euch gewacht. Ihr habt einen starken Geist. Ohne ihn hättet ihr euch verwandelt und ich hätte euch töten müssen. Es versuchen zumindest.“
Mondglanz setzte sich auf einen Stein nieder und hielt dem Elfen Teller und Becher hin. Ihre Haare reflektierten das Sonnenlicht und ihre gebräunte Haut zeigte, dass sie wohl schon einige Wochen unterwegs war.
Taeahen verschlang das Omelett schnell und der heiße Tee tat seiner Kehle gut.
Die Halb-Elfin beobachtete ihn dabei ruhig. Jedesmal wenn er in ihre eisblauen Augen sah drohte er darin zu versinken.
„Wer seid ihr und wie konntet ihr mir helfen?“
Taeahen musterte ihre Ausrüstung um nicht in die Verlegenheit zu kommen wieder kein Wort sprechen zu können.
Sie war in leichte grüne Kleidung gehüllt unter der eine fein gearbeitete Lederrüstung zu sehen war. Am Gürtel trug sie ein Langschwert elfischer Machart und neben ihr lehnte ein schwerer Langbogen aus Schwarzholz der mit elfischen Runen versehen worden war.
„Nicht nur ich habe euch geholfen, sondern auch Selune. Ihr Anhänger ist es, der euch vor dem Fluch schützt. Solange ihr ihn tragt solltet ihr die Bestie in euch unter Kontrolle haben.“
Taeahen fiel der fein gearbeitete Bogenschützenhandschuh auf, der an ihrem Gürtel hing.
„Ich bin Falkenstern Sariandir aus Silbrigmond. Dort besser bekannt als Mondglanz die magische Bogenschützin. Ich bin im Auftrag der Herrin von Silbrigmond unterwegs. Die Hohe Dame Alustriel hat mich beauftragt nach dem Sohn eines Freundes von ihr zu suchen. Er ist Mitglied der „Prinzen von Yartar“ einer Abenteurergruppe. Ihr habt ihn nicht zufällig getroffen?“
„Nein, ich habe niemanden getroffen. Nur euch und ein Rudel Werwölfe.“
Hunger und Durst gestillt und zum ersten Mal seit Monaten wieder entspannt, begann der Wildelf seine Geschichte zu erzählen.
In den folgenden Tagen reisten die beiden zusammen durch die Wildnis des Entlegenen Waldes. Taeahen merkte bald, dass Mondglanz Art zu schießen eine Mischform aus Zauber und Pfeilen war und begann von der Halb-Elfin zu lernen.
Zusammen schlugen sie sich durch den Wald und kämpften dort gegen mehrere seltsame Riesenfrösche und Eulenbären. Immer auf der Suche nach den Prinzen von Yartar.
Als die beiden Suchenden am Abend eines Tages an eine große Senke kamen wurden sie zum ersten Mal fündig.
Am Boden der Senke fanden sich die Überreste einiger Rüstungen und die Spuren eines Kampfes. Auf einem Schild war das Symbol Yartars zu erkennen.
Allerdings war nicht auszumachen wer oder was hier die Menschen getötet hatte. Ratlos setzten sich Taeahen und Mondglanz nach einigen Stunden Suche auf einen Felsvorsprung.
Der Mond hatte seinen Platz am Himmel eingenommen, ein Umstand, der Taeahen seit er Mondglanz kannte, keine Angst mehr bereitete.
Die Bogenschützin betete zu Selune und legte sich dann mit dem Rücken auf den Fels. Taeahen betrachtete die wunderschöne Frau, deren Haar im Mondlicht noch schöner war als im Licht der Sonne.
Ihre Eigenheiten waren so widersprüchlich.
Sie hatte die Grazie und Eleganz der Mondelfen, doch die Leichtigkeit der Menschen die eher in den Tag hinein leben. Sie schien einfach zufrieden mit sich und der Welt. Ihre Augen waren elfisch, genau wie ihre Kopfform. Aber ihr Lächeln war reiner, positiver als das der Elfen. Ihr Körper war auch muskulöser als der einer Elfin. Sie hatte die Hüfte einer Menschenfrau, aber ansonsten den Körperbau des alten Volkes.
Taeahen dankte Selune und Fenmarel dass sie ihm so einen Engel schickten.
Am Boden der Senke bildete sich eine Nebelwolke, so plötzlich dass sie nur unnatürlichen Ursprungs sein konnte.
Sofort lagen die Bögen mit aufgelegten Pfeilen in den Händen der beiden.
„Haltet ein! Wenn wir gewollt hätten, wärt ihr schon längst tot, oder schlimmeres.“
Direkt hinter dem Wildelf hatte sich ein Mann aus einem toten Baumstamm geschält. Seine Haut war blass, fast weiß und seine Augen dunkel und blutunterlaufen.
Dennoch ging eine charismatische Aura von ihm aus.
Als Kleidung trug er die Überreste einer schwarzen Robe auf der einst das Symbol Yartars prangte.
„Wir haben euch einen Vorschlag zu machen.“
Um Taeahen und Mondglanz herum tauchten noch mehr Untote auf. Rücken an Rücken auf einem Felsvorsprung stehend, umgeben von Vampiren, beschloss Taeahen unbedingt wieder einmal mit seinem Paladinfreund zu reisen.