Nächstes Update! Dieser Teil bringt die Story genau an den Punkt, an dem auch die Spieler stehen. Gespielt wird erst wieder am 03.10., deswegen gibt es auch erst danach wieder mehr.
So jetzt aber est einmal viel Spaß noch beim Lesen!
~o~
Ätzelbert schlug die Augen auf. Was hatte ihn geweckt?
Regen trommelte an das Fenster des kleinen Zimmers, das er sich mit Spange teilte. Draußen konnte er den Wald rauschen hören, der schwer vom Wind gebeutelt ächzte und stöhnte.
Donner grollte in der Ferne.
Der Kleriker der Vol streckte sich, dann drehte er sich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen.
Da bellte unten der Hund.
Stimmt, der Hund, dachte Ätzelbert. Er hatte vorhin schon mal angeschlagen, oder? Deswegen war er wach geworden.
Der Priester erinnerte sich flüchtig, wie der kleine Sohn der Wirtstochter dem Tier – Brulf war sein Name gewesen, richtig? - am Schwanz gezogen hatte, bevor sie ihn hatte erwischen können. Der Junge gefiel ihm. Einen Hund zu ärgern, das es an Größe und Gewicht mit seinem Großvater aufnehmen konnte.
Spange unterbrach sein Schnarchkonzert nur, um sich an der Nase zu kratzen.
Der Hund bellte erneut.
Vielleicht ein Kaninchen...
Brulf bellte jetzt durchgehend. Irgendwie klang es auf einmal drohend. Er schien irgendetwas zu wittern.
Oder irgendjemanden.
Ätzelbert stand auf und ging zum Fenster. Nichts zu sehen. Er ging wieder zum Bett, als er in dem Bellen ein scharrendes Geräusch wahrnahm. Es klang, als würde Brulf an der Tavernentür kratzen.
Da war doch was faul!
Ätzelbert schnallte seinen Waffengurt um, öffnete die Zimmertür, jedoch nicht, ohne noch einen Blick auf den Vielgesichtigen zu werfen. Aber der schlief den Schlaf der Gerechten..
In diesem Augenblick ging eine weitere Zimmertür auf und der Wirt erschien, gekleidet in ein bodenlanges Nachthemd. Er hatte der Kleriker in seiner Schlaftrunkenheit offenbar gar nicht bemerkt. Er hielt eine Nachtkerze und stapfte deutlich hörbar vor sich hin grummelnd die Treppe zum Schankraum hinunter, um sein Haustier zu beruhigen. „Brulf, alter Junge. Ruhig, mein Freund.“
Ätzelbert entschloss sich, ebenfalls hinunter zu gehen. Unten räusperte er sich, um sich bemerkbar zu machen. Der Wirt hatte Brulf von der Tür weggenommen und zu sich herangezogen. Jetzt sah sich überrascht um.
„Ihr schlaft in Bewaffnung?“ fragte er verwirrt.
„Wenn es die Situation erfordert, ja“, antwortete der Gnom und ging hinüber zur Tavernentür. Er zog den Schieber der Sichtklappe auf und spähte hinaus in die Nacht. Fahles Mondlicht, das kaum ausreichte, um etwas zu erkennen, durchsetzt von schweren, schwarzdunklen Regenwolken.
Sonst nichts.
Für einen Augenblick wurde es heller, als der Mond hinter den Wolken hervorkroch. In diesem Augenblick begann Brulf wie verrückt zu kläffen und zu knurren und versuchte, sich von seinem Herrchen loszureißen. Draußen galoppierte ein Reiter tief über den Sattel gebeugt auf einem weißen Pferd an der „Überfahrenen Harpye“ vorüber.
Ätzelbert sah ihm nach.
„Ein Reiter. Offenbar unterwegs nach Zilspar.“, wandte er sich an den Wirt
„Seltsam. Hier kommen ständig Reiter vorbei, und immer mal auch nachts. Aber Brulf hat noch nie so einen Aufstand gemacht.“
Dem Kleriker der Vol gefiel das alles gar nicht. Da war also dieses Mondkalb von Hund, der ein Inbegriff von Gemütlichkeit war. Und dann die Geschichte von den Hexenzeichen, die dieser besoffene Bauer zum Besten gegeben hatte - er würde sich nicht Priester der Vol nennen dürfen, wenn er nicht wüsste, das solche Geschichten durchaus auch mal wahr sein konnten.
„Ihr solltet die Tür verschließen“, riet er dem Wirt. Dieser nickte und tat, wie ihm geheißen. Dann antwortete er: „Ich denke, ich bleibe noch etwas hier. Brulf wird das sicher gut tun.
Ätzelbert nickte und ging wieder nach oben. Hier war nach wie vor alles ruhig. Anscheinend war niemand sonst wach geworden.
Trotzdem musste der Svirfnebli zugeben, dass ihm – gelinde gesagt – mulmig war. Aber das hätte er nie, niemals laut ausgesprochen.
Er schnallte seine Waffen ab, legte sie griffbereit vor sein Bett und legte sich wieder hin. Dann stand er wieder auf, nahm seinen Schild und deckte sich zusätzlich auch damit zu.
Sicher war schließlich sicher.
Endlich schlief er ein.
~o~
Bastonata hatte in dieser Nacht einen vom Alkohol außerordentlich gesegneten Schlaf.
~o~
Irgendwo bellte ein Hund.
Spange wurde wach. Er brauchte eine Weile, um zu merken, dass es der Haushund dieser Taverne war, der da unablässig kläffte. Verschlafen setzte er sich auf und kratzte sich erst einmal genüsslich zwischen den Beinen. Dann sah er zum Bett gegenüber. Dieser Priester hatte einen gesunden Schlaf, das musste der Neid ihm lassen. Und dass der sich mit seinem Schild zudeckte, wunderte den Wechselbalg nicht im geringsten. Für ihn hatten Gnome schlicht alle nasse Mützen auf.
Dieser Verfluchte Hund. Konnte nicht endlich mal Ruhe sein?
Und außerdem meldete sich Spanges Blase. Er stand auf und warf einen Blick aus dem Fenster.
Im fahlen Mondlicht hatte er die alte Oststraße im Blick.
Dann wurde vor Schreck plötzlich sein Mund trocken. Er musste schlucken.
Auf der Straße stand ein weißes Pferd und glotze ihn an.
Kein Zweifel.
Es glotzte ihn an.
Nachdem er sich wieder gefangen hatte, hörte er den Wirt beruhigend auf den Hund einreden. Doch der schien die Worte seines Herrn völlig zu ignorieren.
Spange atmete tief ein.Nun gut.
Dann konnte Spange den auch fragen, wo man hier pinkeln konnte.
Immer noch schaudernd öffnete er die Zimmertür.
Gefahr kommt, Valenar. Q'arion war mit einem Schlag hellwach. Was war das?
In einer einzigen Bewegung war er aus dem Bett und nahm seinen
Talaen Kara.
Dann runzelte er die Stirn. Das Doppelklingenschwert fühlte sich irgendwie... unruhig... an, so als unterdrücke es einen instinktiven Drang zur Flucht.
Tapferer Hengst, dachte der Elf. Was willst du mir sagen?
Talaen Kara war der Name eines valenarischen Reitpferdes. Dieses Pferd war zu Lebzeiten außerordentlich tapfer gewesen und hatte seinem Besitzer bei vielen Jagden ausgezeichnete Dienste geleistet. Als es starb, wurde ihm daher die Ehre zuteil, unsterblich zu werden, um weiter mit seinem Besitzer und Freund zusammen sein zu können. So wurde seine Seele an diese Waffe gebunden. Doch der Valenar, dem dieses Schwert gehört hatte, kam im Klageland ums Leben und
Talaen Kara brauchte einen neuen Herrn.
Er fand ihn in Q'arion und blieb bei ihm.
Der Valenar überlegte. Das Schwert oder den Bogen? Schließlich nahm er Bogen und ein paar Pfeile in die eine Hand und die Nahkampfwaffe in die andere. So bewaffnet trat er aus dem Zimmer. Spange stand lauschend auf dem Flur, spähte die Treppe hinunter und bedeutete dem Elf, still zu sein.
„Irgendwas stimmt hier nicht“, flüsterte er. „Draußen steht ein herrenloses Pferd in der Gegend herum und der Hund schlägt an, als wenn eine Armee Zombies um das Haus schlicht. Der Wirt ist unten und versucht ihn zu beruhigen. War gerade auf dem Weg, mal nachzuschauen.“
Der Elf nickte stumm.
Die Beiden bewegten sich zur Treppe. Der Schein einer Kerze drang von unten herauf. „He, Wirt!“ sprach Spange den Tavernenbesitzer an. „Alles Klar da unten?“
„Weiß nicht. Brulf spielt seid einer Viertelstunde total verrückt!“
„Wer ist Brulf?“ flüsterte Q'arion dem Schurken zu.
Der sah den Elf an. „Ehm, der Hund?“ erwiderte er.
Q'arions Lippen formten ein lautloses „Ach so“.
Spange ging hinunter in den Schankraum und von dort aus zur Eingangstür. Dann zog er die Sichtklappe auf.
Das Pferd stand auf der Straße und glotze ihn an.
Der Wechselbalg glotzte zurück.
Ein Schatten versperrte die Sicht.
Und dann explodierte alles um ihn herum.
Es gab ein ohrenbetäubendes Krachen. Holzsplitter und Glas flogen dem Schurken um die Ohren und quer durch den Raum.
Wie auf Bestellung zuckte draußen der Blitz auf.
In der völlig zerstörten Eingangstür stand hoch aufragend eine Gestalt. Streifen von Stoff oder etwas ähnlichem hingen an ihr herunter.
Im nächsten Augenblick war es wieder finster, und bunte Lichter tanzten direkt vor Spanges Augen. Er bemerkte einen seltsamen Geruch nach Salbei, Kampher, Zimt und anderen Gewürzen und Ölen.
Und plötzlich war da diese Stimme, die sich anhörte, als würde jemand den Steindeckel einer Gruft bewegen: ``Lucan. Wo?´´
Erneut musste Spange schlucken. Er versuchte zu sprechen. Aber er brachte nur ein unartikuliertes Krächzen heraus.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah er eine große, graue, von Bandagen umwickelte Faust vor seinem Gesicht. Dann segelte Spange quer durch den Schankraum und krachte in den Verschlag unter der Treppe.
Er fühlte noch, wie ihm so ziemlich alles brach, was mit Knochen zu tun hatte. Und dann fühlte er gar nichts mehr.
Irgendwo in einem entfernten Winkel des Bewusstseins registrierten Sinneszellen ein Geräusch. Wie von selbst begannen sie, das Geräusch zu verarbeiten und zu analysieren, während sich Andere in einem komplexen, aber dennoch völlig harmonischen Gleichklang wogen. Die Information wurde an einen anderen Teil des Bewusstseins weitergereicht, schließlich auf ihre Wichtigkeit hin überprüft und bekam eine Einstufung.
Sie lautete: Lebensbedrohlich.Wie von der Tarantel gestochen fuhr Yelenath aus seiner Meditation hoch.
„Haldsmaul und lasmi schlafn“ murmelte eine völlig alkoholisierte Werbärin im Schlaf vor sich hin und drehte sich auf die andere Seite. Dann drehte sie sich wieder zurück und schlug die Augen auf.
Einen Augenblick später hatte sie eine Axt in der Hand und war auf dem Flur.
Der Hund bellte wie von Sinnen.
Q'arion sah seinen Gefährten zu Boden gleiten. Unter Spange breitete sich rasch ein dunkler Fleck aus.
Dann sah er Brulf die Gestalt angreifen. Ein wütendes Geheul ausstoßend verbiss er sich in ihren Arm. Er wurde hoch gehoben und mit gnadenloser Wucht auf den Boden geschmettert. Es machte ein knirschendes Geräusch, in das sich ein kurzes Aufheulen mischte, dann war es plötzlich seltsam still.
Der Waldläufer ließ Pfeil und Bogen fallen, sprang in den Schankraum und hieb aus dem Schwung heraus nach dem Eindringling.
Der Hieb traf in der Halsgegend und hinterließ eine tiefe Furche.
Q'arion erbleichte. Das konnte doch nicht wahr sein!
Das Monster hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, auszuweichen. Es zeigte keinerlei Reaktion!
Dafür aber griff es nun selbst an.
„Lucan gehört der Meisterin.“ fauchte es.
Hätte der Valenar gewusst, was ein Dampfhammer ist, wäre ihm dieser Vergleich vermutlich passend erschienen. Zwar hatte es ihn längst nicht so hart erwischt wie den Vielgesichtigen., aber es reichte, um ihm die Luft aus den Lungen zu pressen und ihn so zum Rückzug nach oben zu zwingen.
Q'arion huschte noch einen Schritt weiter vom Treppenabsatz zurück und duckte sich, um sich zu sammeln.
Jegliche Furcht wich aus seinem Geist.
Kurz dankte er den Göttern, dass er endlich seinen Vorfahren gerecht werden durfte.Er brachte sich in Position und erwartete seinen Gegner.
Schon das zweite Mal heute, dachte er. Ein guter Tag.
Plötzlich bemerkte er Schatten hinter sich, die sich rasch zu ihm gesellten, Es waren Ätzelbert, Bastonata und Yelenath.
„Feind. Einzeln. Widerstandsfähig. Und Stark. Unten im Schankraum. Spange ist verletzt“, warnte der Elf seine Gefährten.
Yelenath nickte. Dann schlich er nach vorn zum Treppenabsatz. „Sei geblendet!“ sagte er.
Ein Lichtblitz gleißte auf. Ein ziemlich großer Hund lag ziemlich absonderlich verbogen auf dem Boden bei der Tür. Er war ziemlich sicher tot.
Außerdem erblickte er den verblutenden Spange.
Und ...
Vor Entsetzten blieb ihm der Mund offen stehen.
„Ach, du heilige Scheiße!“ brachte er heraus.
Ätzelbert sah den Magier fragend an, dessen Gesicht langsam wieder Farbe annahm.
„Ist für dich“, sagte der. „Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass wir hier schleunigst verschwinden sollten.“
Drei Augenpaare sahen ihn an.
„Wohin denn, bitteschön?“, blaffte Q'arion ihn an.
„Keine Ahnung. Durchs Fenster. Was weiß ich, Hauptsache, weg!“
Yelenath begann hastig, sich zurückzuziehen.
Der Valenar schien einen Augenblick nachzudenken.
„Oh“, sagte er. Dann folgte er ihm.
Der Gnom spähte die Treppe hinunter und erfasste die Bescherung mit einem Blick.
Toll, dachte er, ihr seid mir vielleicht ein paar Helden. „Ist für di-hich“, äffte er den Magier nach.
Durch den Raum bewegte sich die Mumie auf die Treppe zu.
Der Lichtblitz hatte natürlich nichts gebracht.
Wie auch.
Sie hatte keine Augen mehr.
Plötzlich konnte Ätzelbert den Elfen verstehen.
Er straffte seine kleine Gestalt und trat an den Absatz.
Die Mumie setzte einen untoten Fuß auf die Treppe. „Caldera ihn wiederhaben!“
Sie sprach irgendwie undeutlich, als wenn ihr nicht nur Augen, sondern auch die Zunge fehlte.
„Steh, du Geschöpf des ewigen Unlebens!“ Der Kleriker hielt sein Heiliges Symbol vor sich. „Höre, was ich dir zu sagen habe!“
„Sein Blut ist an ihres gebunden!“ entgegnete das Monster.
Bastonata konnte vom hinteren Teil des Flures aus direkt durch die zerbrochene Tür nach draußen sehen. Dort stand ein weißes Pferd. Es wirkte ausgezehrt und krank., als sei es dem Tode nah.
Sie reckte sich und erspähte das Monster. Es kam ihr irgendwie ausgetrocknet vor. Wickel und Bandagen hingen an ihm herab.
Da kam ihr eine Idee. Sie huschte zurück in ihr Zimmer und wühlte hastig in ihren Sachen.
Nur eine, dachte sie, bitte, nur eine einzige Fackel!
„Lucan ist nicht hier“, fuhr Ätzelbert fort.
Die Mumie machte einen Schritt.
Der Priester wusste, dass dies seine einzige Chance sein mochte.
„Lucan ist die Oststraße hinunter, ohne hier einzukehren. Er ist in einer schwarzen Kutsche unterwegs!“
Immer weiter reden ,dachte er. Bloß nicht aufhören!
Das Monster machte einen weiteren Schritt die Treppe hinauf.
„Wohin?“, fauchte es drohend.
„Trolanhafen“, brachte Ätzelbert heraus.
„Trolanhafen“, wiederholte die Mumie.
Dann drehte sie sich um und verließ die Schänke. Ätzelbert konnte sie auf das Pferd steigen und davon reiten sehen.
Er setzte sich einen Augenblick auf die Treppe.
Bastonata kam den Flur entlang gerannt. In ihrer Hand brannten zwei Fackeln. „Ich weiß, wie wir das Vieh klein kriegen!“ rief sie.
„Zu spät“, erwiderte der Gnom.“Ist schon weg.“
Die Werbärin ließ die Fackeln sinken. „Und der Wechselbalg?“
Scheiße, dachte Ätzelbert. Er sprang auf und rannte hinunter, um Spange zu untersuchen.
Bastonata entzündete einige Öllampen.
Vol sei Dank. Der Dieb lebte. Noch. Es ging ihm sehr schlecht, auch wenn seine Blutungen erstaunlicherweise nachgelassen hatten. Hastig entkorkte der Kleriker seinen letzten Heiltrank und drückte seinem Gefährten die Phiole in den Rachen.
Spange hustete und kam zu sich.
„Wow“, sagte er. „Ein tierischer Flash!“
Bastonata sah sich um.
Der Schankraum der „Überfahrenen Harpye“ sah aus wie nach einem Wirbelsturm. Tische und Stühle lagen kreuz und quer herum und überall lagen die Splitter der Eingangstür verstreut.
In der Ecke stand Ungar, der Wirt mit offenem Mund und starrte zur Tür.
Sein Blick war leer, das lange Nachthemd im unteren Bereich völlig durchnässt. Es roch etwas streng.
Ein Speichelfaden rann aus seinem Mundwinkel.
Sein dichtes Haar war schneeweiß.
Oh nein, dachte die Barbarin. Auch das noch.
„Ungar?“
„Vater, was ist los mit dir? Was ist passiert?“
In der Tür zur Küche standen Marta, die Frau des Wirtes, und Anlia. Sie hatte Telo auf dem Arm.
Ungar rührte sich nicht.
Fassungslosigkeit stand in den Gesichtern der Frauen. Hastig kamen sie in den Raum und scharten sich um den Wirt
„Vater, sag doch was!“
Ihre Augen wurden feucht.
Telo fragte: “ Was hat Großvater denn, Mami?“
Bastonata schloss die Augen und presste die Lider zusammen.
Sie wusste, was nun kam. Sie hatte es oft genug erlebt.
Hilflos sah sie, wie Marta und Anlia ungehemmt und angstvoll zu weinen begannen. Auch Telos Augen füllten sich mehr und mehr mit Tränen.
Oben auf der Treppe erschienen Q'arion und Yelenath .
Außerdem tauchten nun auch die restlichen Gäste auf. Sie waren während des Überfalls lieber in ihren Zimmern geblieben.
Viele von ihnen sahen verängstigt aus.
Schließlich räusperte sich die Wandlerin und trat nahe an Ungar heran. „Schon gut.“ sagte sie. „Du kannst jetzt gehen.“
Als seine Familie Ungar weggebracht hatte, herrschte noch eine ganze Weile Schweigen.
Schließlich fragte Yelenath: „Und was jetzt?“
„Tja", sagte Ätzelbert, „Ich würde vorschlagen, wir verrammeln die Tür. Genug kaputtes Holz haben wir ja jetzt. Und dann versuchen wir, noch eine Mütze Schlaf zu bekommen. Es sei denn“, fügte er bissig hinzu, „Du möchtest lieber weglaufen. Na, wie wär's?“
„Das war eine Mumie, Priester! Du weißt, was das heißt, oder? Du hast es selbst gesehen, Mann!“ erwiderte der Magier aufgebracht.
„Ja genau! Und dank mir ist sie jetzt weg!“
„Oh, du aufscheiderischer kleiner... Wicht“
„Es reicht!“ rief Bastonata. „Wir haben zu tun! Und außerdem haben wir einen Auftrag zu erfüllen, schon vergessen? Wenigstens wissen wir jetzt, dass diese bösen Vögel...“,sie gestikulierte mit den Armen, „...na, eben ganz böse Vögel sind! Also werden wir nächstes Mal vorsichtiger sein. In Ordnung?“
Also machten sie sich an die Arbeit, die Tür wenigstens notdürftig zu verrammeln. Einige Gäste halfen.
Dann gingen die Abenteurer wieder auf ihre Zimmer.
Sie schliefen nicht besonders gut in dieser Nacht.
~o~
Der nächste Morgen begrüßte die Gruppe mit Sonnenschein. Immer noch wehte eine steife Brise und Wolken zogen am Himmel, aber immerhin war das Wetter schon viel freundlicher, als den Tag zuvor.
Die Abenteurer nahmen ein karges Frühstück zu sich, bezahlten bei der Wirtsfrau und gingen zum Stall nebenan. Dort hatte Anlia bereits ihre Pferde versorgt und aufgezäumt und erwartete sie.
Viel gesprochen wurde nicht. Wie es Ungar ginge, wollte Bastonata wissen.
Nun ja. Wie sollte es schon sein. Er lag in seinem Bett und starrte an die Decke.
Die Barbarin verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln in der Hoffnung, es würde aufmunternd wirken. Anlia sah zu Boden.
Die Gefährten saßen auf und wollten bereits los reiten, als Anlia Ätzelbert noch einmal aufhielt. Sie hatte einen Beutel in der Hand.
„Ich...“ begann sie und schluckte. Dann fuhr sie fort: „Bitte, ich möchte euch das Geld für die Übernachtung zurückgeben. Ihr habt vermutlich unser aller Leben gerettet, und dafür möchte ich mich bedanken.“ Wieder senkte sie ihren Blick.
Der Kleriker sah sie stirnrunzelnd an. „Meint ihr nicht, dass ihr das Geld jetzt nötiger habt, als wir?“
„Schon. Aber ich will mir gar nicht vorstellen, wie es gestern Nacht ausgegangen wäre, wenn ihr nicht da gewesen wärt. Nehmt!“ sagte sie bestimmt, trat an das Pferd des Priesters heran und befestigte den Beutel am Gepäck.
Ätzelbert konnte sich sogar sehr gut vorstellen, was passiert wäre, wenn sie nicht hier übernachtet hätten.
Gar nichts wäre nämlich passiert. Die Mumie war wegen
ihnen gekommen, und nicht, weil die Schänke zufällig des Weges lag.
Er schwieg.
Dann nickte er, wendete sein Pferd und ritt ohne sich noch einmal umzusehen auf die Straße, den Anderen nach.
~o~
Die Abenteurer ritten, so schnell sie konnten und so gut es die Pferde aushielten. Die nächsten Tage über blieb das Wetter wechselhaft, und es kam keine weitere Taverne in Sicht, in der sie absteigen konnten. Also mussten sie Nässe, Wind und Kälte in Kauf nehmen und in der Wildnis übernachten. Wachen wurden eingeteilt und Feuer klein gehalten. Doch trotz aller Beeilung und Vorsicht blieb Lucans Kutsche irgendwo weit hinter dem Horizont verborgen.
Aber wenigstens blieben die Nächte ruhig.
Am vierten Tag ihrer Reise begegneten ihnen fahrende Händler. Zwei Planwagen, die von je zwei berittenen Söldnern begleitet wurden. Nach der schwarzen Kutsche gefragt antworteten sie: „Eine Schwarze Kutsche? Ja, haben wir gesehen. Gestern an einer Orien-Versorgungsstation war das. Die Eigner haben versucht, neue Pferde aufzutreiben, als wir da ankamen. Die armen Viecher, die sie dafür loswerden wollten, konnten ja kaum noch stehen! Sind jedenfalls die Straße Richtung Zilspar runter, aber in einem Tempo sage ich euch, als wäre der Raffer selbst hinter ihnen her! Auf dem Bock saß 'ne Frau, ja. Ha, möchte bei der kein Pferd sein! So, wie die die Tiere herangenommen hat, kann ich verstehen, wieso die so zerschunden waren. Naja, müssen mal weiter. Fahrt wohl und unbeschwert, Leute!“
Die Verfolger erstanden etwas Brot und Dauerwurst für den Weg, sowie einige Heiltränke. Dann machten sie sich wieder auf den Weg.
Nach einer weiteren Nacht in Regen, Nebel und Wind erreichten sie am darauf folgenden Abend die Versorgungsstation, die der Händler erwähnt hatte. Sie ließen ihre Pferde füttern und ausruhen und übernachteten im Haupthaus. Allerdings erfuhren sie hier nichts neues.
Lucan und seine Schwester -falls sie es war- hatten ihre völlig erschöpften Tiere gegen frische getauscht und waren sofort weiter gefahren.
Schließlich ließen sie das
Heft hinter sich. Wo bis dahin Küste gewesen war, erstreckte sich nun das weite Marschland der Flintsteinhalbinsel mit seinen Mooren und Feuchtwiesen, die von Buschwerk und lichten Hainen durchzogen waren.
Und nachts gesellten sich zum ungemütlichen Wetter auch noch ganze Horden von Mücken.
Der sechste Tag brachte endlich wieder etwas besseres Wetter.
Schon den ganzen Morgen war immer wieder lang gezogenes Heulen aus den Tiefen des Königswaldes zu hören gewesen. Und endlich brach kurz nach Mittag eine Meute Flimmerhunde aus dem Dickicht und preschte von rechts über die Straße. Das Rudel begleitete die Abenteurer einige Zeit in angemessener Entfernung, um das Marschland zu durchstreifen. Das japsende Gekläff und Geheul war weithin zu hören.
Imposant anzuschauen, wie die Tiere auf ihrer Fährte dahinziehen, dachte Bastonata.
Manche wurden zwischendurch durchscheinend und verschwanden dann einfach, nur um einen Augenblick später viel weiter vorn im Rudel wieder zum Vorschein zu kommen.
Plötzlich tauchte das Pack wie auf ein Zeichen in dichtes Buschwerk ein und scheuchte eine Herde Auerochsen auf, um sie zu jagen.
Die Werbärin musste lächeln.
Schließlich erreichten Lucans Verfolger Zilspar. Es war die letzte befestigte Siedlung auf brelänischem Hoheitsgebiet und bestand aus nicht mehr als ein paar Häusern, die sich um einen Platz gruppierten, dessen Mittelpunkt ein Brunnen bildete. Immerhin gab es auch eine kleine Dorfschänke, die abgesehen von einigen Durchreisenden auch schon mal gern von Einheimischen besucht wurde.
Dort kehrten die Abenteurer ein.
Diesmal war es an Spange, sich umzuhören. Es gestaltete sich als nicht besonders schwierig, denn das unheimliche Gefährt war in aller Munde.
Er setzte sich in die Nähe von zwei Bauern an den Tresen, die hier bei ein oder vielleicht auch mehreren Bier über die Ereignisse der letzten Woche diskutierten.
Er lauschte den Gesprächen.
Anscheinend hatten die Flüchtenden auch hier ihre Zugtiere wechseln müssen.
Schließlich zeigte er ihnen das Bild der Kutsche und fragte unverblümt, ob man hierzu etwas sagen könne.
„Ja, die war hier“, erwiderten die Beiden. „Vor zwei Tagen war das. Komische Leute waren das. Schienen sehr in Eile zu sein. Wollten sich gar nicht erst lange aufhalten. Die Kutscherin war schon ein hübsches Ding, meinst du nicht, Onar? Aber ich kann euch sagen, Herr... wie heißt ihr noch?...Also ich sag euch, die waren so unheimlich wie eine Nacht draußen auf dem Moor. Wisst ihr, was passiert ist, als diese Rothaarige mal kurz weg war?“
„Erzählt“, ermunterte Spange die Bauern und bestellte die nächste Runde.
Nachdem das Bier gekommen war, fuhren der Eine fort. „Elffinger-Wroan hat versucht, währenddessen in die Kutsche einzubrechen. Und glaubt ihr's! Da kommt eine dürre Hand da raus, packt ihn und zerrt ihn ins Innere! Daraufhin hat es das ganze Vehikel geschüttelt und dann war Ruhe. Ist auch nicht wieder herausgekommen, der arme Wroan.“
„Die Rothaarige is 'ne Hexe, sag ich!“ fiel der Andere ein: „Verflucht hübsch, das stimmt, aber die Chats in sich! Haben ihr gesagt, was dem alten Elffinger passiert is, und ob wir ihn wieder ham könn' aber die steigt einfach auf ihren Bock und schnaubt: `Da seht ihr, wie es Leuten ergeht, die ihre Nase zu tief in die Angelegenheiten Anderer stecken!´ Und dann? Peitsche knallen und weg! Ich sag euch, diese Leute führn nix Gutes im Schilde!“
Als Spange am Abend mit seinem Bericht fertig war, sahen Yelenath und Ätzelbert sich an. Beiden war nun auch das letzte bisschen gute Laune vergangen.
Der Magier sprach als erster. „Fassen wir zusammen“, sagte er. „Erstens. Lucan besitzt ein magisches Schwert, das
Seelenklinge genannt wird. Damit flieht er auf eine fulminante Weise aus Sharn, und zwar in einer Kutsche derjenigen Person, die er zuletzt zu bespitzeln hatte. Wie war noch gleich ihr Name?“
„Caldera“, brummte der Priester und starrte sinnend ins Kaminfeuer. „Anscheinend ist sie im Sharner Umland nicht ganz unbekannt, um nicht zu sagen, gefürchtet. Die Bauerngeschichten aus der
Überfahrenen Harpye beschreiben Begegnungen mit stark negativer göttlicher Energie.“
„Japp. Kenne ich aus meiner Heimat“, bestätigte Bastonata, „Allerdings bekamen wir das nur als Kinder zu hören, wenn wir unartig waren...“
„Oh, wirklich“, machte der Kleriker.
„Wie dem auch sei“, nahm Yelenath den Faden wieder auf, „Lucan hat offenbar mehr mit dieser Caldera zu tun, als unser Auftraggeber weiß oder zugeben will. Könnte es sein, dass Diese Kutscherin gar nicht seine Schwester, sondern diese Fürstin der Unterwelt ist?“
„Unwahrscheinlich. Diese Mumie da hat, glaube ich, in ihrem Auftrag nach Lucan gesucht. Und...“ Ätzelbert schnippte mit den Fingern, „sie hat was gesagt, von wegen und sein Blut wäre an Calderas gebunden!“ Irgendetwas hatte das zu bedeuten. Er spürte das.
„Vielleicht flieht er nicht nur vor den
Königs Schatten, sondern auch vor ihr?“, warf Spange ein.
„Wäre denkbar.“ nickte Yelenath.
„Wer weiß, was die beiden da ausgeheckt haben.“ Der Gnom zog die Stirn kraus.
„Und dann diese Sache hier mit dem Menschen, der versucht hat, in die Kutsche einzubrechen. Nun, wohin bringt uns das?“
„Dorthin, wo es uns nicht gefallen wird“, sagte der Priester mehr zu sich selbst, als zu den anderen.
Der nächste Tag brach an, und die Gruppe machte sich in aller Frühe auf. Noch vier Tage bis nach Zilargo, sagten die Dorfbewohner und wünschten eine gute Reise.
Am Mittag des zwölften Tages erreichten sie die Grenze. Zu erkennen war dies eigentlich nur an einem Stein, der am Straßenrand eingegraben war, und der kleinen Versorgungsstation nebst Stallungen für Händler und Reisende.
Die alte Handelsstraße wand sich hier wieder direkt an der Küste entlang, so dass am Horizont die Untiefen der gefürchteten Shargon-Schnellen zu sehen waren, die die Abenteurer vor nicht allzu langer Zeit schon einmal passiert hatten. Weiße Gischt leuchtete in der Ferne.
Als sich die Reisenden der Station näherten, hielt Q'arion plötzlich an und stieg vom Pferd. Dann stieg er in des Straßengraben.
„Hallo? Was machst du da?“ rief Spange unwirsch.
Q'arion ignorierte ihn, denn er hatte etwas gefunden, das seine Aufmerksamkeit geweckt hatte: Zwei tote Pferde lagen im Graben, aufgedunsen und über und über mit Fliegen und Maden bedeckt.
Der Elf hielt sich die Nase zu. Es stank derart widerlich, dass ihm Tränen in die Augen traten.
Die Kadaver wiesen Wunden auf, die ziemlich sicher von Pferdegeschirren einer Kutsche herrührten. Offenbar hatte jemand diese Tiere zu Tode gehetzt. Älter als zwei Tage konnten sie nicht sein, schätze der Waldläufer. Der Insektenbefall wies eindeutig darauf hin.
Yelenath entschloss sich für ein offizielles Auftreten. Er zeigte einem der Knechte die Papiere der
Zitadelle und stellte sich vor. Dann fragte er nach dem Verbleib einer Schwarzen Kutsche.
„Eine Schwarze Kutsche? Ja klar war die hier!“ antwortete der Arbeiter aufgeregt. „Und zwar ganz schön lange, denn nachdem dieser Idiotin von einer Kutscherin zwei ihrer Pferde im Geschirr tot zusammengebrochen sind, haben wir erst mal gebraucht, um den Schlamassel wieder zu richten, und dann hatten wir keine Tiere mehr zum Wechseln da. Hat geschlagene zwei Tage gedauert, bis wir die wieder los waren!“ Er gestikulierte wild umher. „Sind soeben weg von hier, vielleicht zwei Stunden oder so. Nur die Straße weiter runter! Mann, was für ne Aufregung! Ich könnt jetzt noch an die Decke gehen!“
Zwei Stunden! Nichts wie hinterher!
Yelenath rief die Gefährten und gab seinem Reittier die Sporen.
Der Knecht an der Versorgungsstation kratze sich verblüfft am Kopf. Zuerst dieses Weib von einer Kutscherin, unverschämt und boshaft wie ein Kobold, und dann diese Leute, die behaupteten, im Auftrag des breländischen Königs genau jene Frau zu verfolgen.
Verwirrt schaute er den davon jagenden Reitern hinterher.
Bastonata konnte es spüren. Sie waren nicht mehr weit. Bald würden sie die Kutsche eingeholt haben. Obwohl sie noch den gesamten Nachmittag gebraucht hatten, war sie sich sicher: Heute war es so weit. Flüchtig registrierte sie, das es langsam dunkel wurde.
Bald, Mutter. Bald können wir wieder zusammen sein.
Die Straße führte über eine kleine Anhöhe und verschwand dahinter.
Die Verfolger hetzten sie hinauf.
Da war sie.
Deutlich zeichnete sich eine Schattenhafte Gestalt auf dem Kutschbock ab. Dennoch war das einzige erkennbare Detail ein Schopf langen, roten Haares, dass hinter ihr im Wind wehte.
Trotzdem bestand kein Zweifel.
Sie Hatten die Flüchtenden eingeholt.
Ätzelbert schloss zu Bastonata auf und bedeutete ihr, nicht näher heranzureiten. Sie brauchten einen Plan, und zwar schnell!
„Wir müssen die Kutsche stoppen!“ rief die Wandlerin.
Ätzelbert nickte. „Konzentrieren wir uns auf die Pferde!“ rief er zurück.
„Vorbei reiten und Angriff von vorn!“ kam die Antwort der Werbärin.
Bastonata gab die Idee nach hinten weiter an Yelenath, Spange und Q'arion. Der hatte bereits seinen Bogen in der Hand.
„Vorsicht vor der Frau! Sie ist wahrscheinlich selbst gefährlich!“, fügte die Barbarin hinzu.
Dann trieb sie ihr Pferd bis an seine Grenzen, um rascher aufholen zu können. Komm, Mutter, dachte sie. Sei meine Kampfgefährtin.
Und die Bärin kam.
Die Kutscherin hatte offenbar noch nichts bemerkt, und so holten die Jäger im Auftrag der
Schatten schnell auf. Q'arion, Spange und Bastonata näherten sich dem Gefährt von links, während Yelenath und Ätzelbert es von rechts versuchten.
Plötzlich wirbelte die Frau herum.
Als habe sie eine Eingebung gehabt.
Sie stieß einen ziemlich kräftigen Fluch aus, drehte sich wieder nach vorn und ließ die Zügel knallen. Die Kutsche sprang nach vorn und beschleunigte rasch auf Höchstgeschwindigkeit.
Yelenath konnte sehen, wie sie ihre Hand hob. Irgendetwas flatterte darin. Dann fiel ein Leuchten wie feiner Regen auf sie herab. Blitzschnell analysierte der Arkanist den Zauber, dessen Zeuge er wurde. „Magische Rüstung!“ rief er.
„Na wunderbar“, hört er hinter sich den Priester der Vol säuerlich antworten.
Der Waldläufer führte sein Pferd jetzt nur noch mit den Schenkeln, während er einen Pfeil auf die Sehne legte. Auf ein Pferd zu schießen, widerstrebte ihm. Die Tiere konnten nichts für die Machenschaften Anderer.
Er zielte sorgfältig und ruhig, so wie es die Elfen seit tausenden von Jahren taten. Dann ließ er die Sehne schwirren. Der Pfeil bohrte sich dicht neben dem Kopf der Rothaarigen ins Holz.
Spange hielt seinen Morgenstern in der rechten Hand, während er versuchte, an eines der Zugpferde heranzukommen. Als er nahe genug dran war, schlug er zu.
Zumindest versuchte er es. Doch im letzten Augenblick bekam er übergewicht und kam ins Straucheln.
Daneben!
Im Gegenteil, plötzlich musste er aufpassen, sich nicht auch noch selbst zu erwischen!
Wieder trieb Bastonata ihr Tier zum äußersten. Schmerzerfüllt wieherte es auf. Mit einem Satz war sie zuvorderst und schwang ihre Streitaxt. Knapp zischte die Waffe am Schädel des Zugtieres vorbei.
Sie schaute zurück. Die Frau musste einfach Grilsha sein. Sie passte perfekt auf Viorrs Beschreibung. Grilsha erwiderte hasserfüllt den Blick. Im letzten Augenblick hatte sie die Zügel herumreißen und so den Kopf des Pferdes aus der Reichweite von Bastonatas Axt bringen können.
Wieder hielt sie eine Hand hoch. Ein grünlicher Schimmer entstand um sie herum. Dann trat sie von oben mit dem Fuß gegen die Passagierkabine. „Lucan! Wach endlich auf, du Idiot“
Na gut, dachte die Werbärin grimmig. Dann konnte es ja losgehen.
Ätzelbert lenkte sein Pferd nach ganz außen. Von seiner Position konnte er nicht nahe genug an die Tiere der Gegner heran.
Da kam ihm eine Idee.
Vol, bat er seine Göttin,schicke mir einen Verbündeten.
Er hörte die unbekannte Frau auf dem Kutschbock einen spitzen Schrei ausstoßen, als die infernalische Hyäne neben ihr auftauchte.
Die Bestie schnappte nach ihr.
Irgendwie schaffte es die Frau, nicht gebissen zu werden.
Er hörte Yelenath neben sich fluchen. „Verdammte Scheiße“, rief er, „Ich kann mich so nicht konzentrieren!“
Auf der anderen Seite versuchten die Anderen, wenigstens eines der vier Pferde zu treffen. Aber immer wieder konnten die Tiere im letzten Augenblick ausweichen.
Aus dem inneren der Kutsche erscholl ein lang gezogenes Heulen. Bastonata zuckte zusammen.
Das Heulen wurde von irgendwo aus dem Wald beantwortet. Wenig später nahm ihr feiner Geruchssinn Witterung auf. Sie warf einen Blick in das nachtschwarze Dickicht. Die Bärin in ihr witterte, schaute, schätzte und kam auf fünfzehn. Sie fluchte. Dieser Kampf würde hart werden.
„Wölfe!“ schrie sie. „Meute, fünfzehn Stück!“
„Toll!“, kam die zynische Antwort, „wir haben bestimmt so etwa tausendsechshundert Probleme, das hier wäre dann Nummer Acht!“
Die Rothaarige Frau auf dem Kutschbock hatte plötzlich eine kleine Kugel in der Hand. Yelenath versuchte erneut sich zu konzentrieren. Erwollte wenigstens versuchen, herauszufinden, was sie nun vorhatte.
Die Rothaarige warf den Ball weit über die Köpfe der Reiter hinweg.
Und Yelenath wusste plötzlich, was für ein Zauber das war.
Aber es war zu spät, um noch reagieren zu können.
Alles um ihn herum schien mit einem Mal in Flammen zu stehen. Er schrie.
Es war, als würde sich die Zeit verlangsamen. Der Kleriker der Vol sah den Feuerball kommen und griff instinktiv nach seinem Reisecape. Er zog es über sich.
Diese Bewegung rettete ihm das Leben.
Nicht aber seinem Pferd. Noch ehe es einen Laut von sich geben konnte, war es verbrannt.
Ätzelbert fiel und sah den Boden unter sich immer näher kommen.
Das würde jetzt schmerzhaft werden.
Dann kam er auf dem Boden auf, überschlug sich mehrmals und blieb liegen.
Spange sah, wie die beiden Magieanwender hinter ihnen zurückblieben. Beiden hatte der mächtige Zauber die Reittiere zu Asche pulverisiert. Ein Wunder, dass die beiden selbst überhaupt noch einen Körper hatten.
Erneut holte er aus. Diesmal traf er. Das Zugtier versuchte sich aufzubäumen, aber Wagendeichsel und Geschirr hielten es fest.
Q'arion zielte und schoss. Komm schon, sagte er sich. Einer muss doch mal drin sein! Da schrie die Frau vor Schmerz auf und funkelte ihn wütend an, während ihre Finger nach dem Pfeil tasteten, der in ihrer Schulter steckte.
Na endlich, dachte der Elf.
Bastonata legte alles in diesen Schlag. Wenn sie es nicht bald schafften, diese Kutsche aufzuhalten, würde es mehr und mehr unmöglich werden!
Sie holte aus.
Sie schlug zu.
Sie traf.
Dem vorne links ziehenden Pferd knickte der Kopf nach unten, als sei er ein zerbrochener Ast. Dann stürzte das Tier.
Bastonata stimmte ein gellendes Jubelgeheul an.
Da stürzten auch die restlichen Pferde. Eines geriet unter die Räder,wieherte auf und wurde halb unter dem Rad und halb noch im Geschirr steckend mitgeschleift.
Grilsha wurde wie mit Hilfe eines Katapults nach vorn geschleudert und schlug schwer am Boden auf.
Dann verlor der Wagen den Zusammenhalt. Die Deichsel grub sich in das Schotterbett der Straße, Verankerungen brachen, Holz splitterte. Die längs verlaufenden Holzstangen, an denen die Geschirre der Pferde befestigt waren, bogen sich auf.
Ein ohrenbetäubendes Knirschen erscholl in der Nacht, dann krachte der ausladende Fahrgastraum nach vorn, so dass sich die Deichsel mitten in den Koffer bohrte und aus dem Dach wieder heraustrat.
Achsen brachen.
Räder flogen davon.
Alles rutschte noch etliche Meter voran.
Dann, endlich, lag das zertrümmerte Fluchtfahrzeug still.
Einen Meter weiter, und es hätte Grilsha unter sich begraben.
Die Barbarin sah, wie sich Lucans Schwester schwankend erhob und eine obszöne Geste in ihre Richtung machte.
Dann war sie plötzlich verschwunden.
Die Hyäne sprang auf und schnappte mehrfach in die Luft, dass ihre zahnbewehrten Kiefer ein klackendes Geräusch machten. Doch keine Gegnerin war mehr in Reichweite.
Schließlich löste sich die Bestie auf.
Nur am Rande drang in Bastonatas Bewusstsein, dass die Wölfe sich nun wieder tiefer in den Wald zurückzogen.
Ätzelbert versuchte, auf die Beine zu kommen. Es war schmerzhaft, aber es ging. Weit vor ihm sah er die zerstörte Kutsche auf der Straße liegen. Hastig machte er sich auf den Weg, als er nur einige Meter vor sich einer Bewegung gewahr wurde.
Es war der Magier.
Ihn schwer verletzt nennen zu wollen, wäre eine maßlose Untertreibung gewesen. Wenn ihm nicht schnellstens jemand half, würde er sterben.
Der Priester seufzte. Eigentlich hatte er den Zauber als eiserne Reserve für sich selbst geplant. Er legte dem Elfen die Hand auf und sprach ein Gebet.
Göttliche Kraft floss aus seinen Fingern in den Körper des Magiers. Und mit ihr kehrte dessen Lebenskraft zurück.
Doch es passierte noch etwas anderes. Als er sein Hände von dem Elfen nahm, spürte Ätzelbert einen rasenden Schmerz in der Herzgegend.
Er fühlte sich plötzlich schwach und begann am ganzen Körper zu zittern.
Ein Lied aus seiner Jugend fiel ihm ein.
Ich konnte das Opfer nicht töten
Es sah mich traurig an
Ich habe meinen Meister verraten
weil ich es nicht getanEr wusste plötzlich, was los war.
Das Auge Vols lag auf seinem Tun!
Sie forderte seine Loyalität ein.
Wenn er ein wahrer Anhänger werden wollte, mußte er anfangen, ihr Geschenke zu bringen.
Als Yelenath wieder aufstehen konnte, sagte Ätzelbert: „Du kostest mich eine Menge, mein Junge. Das nächste mal lasse ich dich sterben und
einer von uns werden, verstanden?“
Damit ließ er den Elf stehen und begab sich zu den Anderen.
Q'arion schlich um den Wagen herum zur Seitentür. Mit seinem Schwert stieß er sie an. Er bedeutete Spange und Bastonata, ihre Waffen bereit zu machen.
Dann fasste er sich ein Herz und riss die Tür auf.
Der vertrocknete Arm von Elffinger-Wroan fiel heraus und blieb in der Trittstufe hängen.
Spange wurde bleich.
Den feinen Nebel, der sich unter der Kutsche gebildet hatte, bemerkte niemand von den dreien.
Der Elf schob den Arm zurück, beugte sich vor und warf einen Blick in den Wagen.
Als er sich wieder aufrichtete, war er genau so bleich wie Spange.
„Da-da drin ist...“ stammelte er.
„Ich weiss", sprach Ätzelbert, der von hinten dazugetreten war. „Es ist ein Sarg, nicht wahr?“
Er zeigte auf den feinen Nebel, der nun davon schwebte und dabei zügig an Höhe gewann. "Da oben entkommt übrigens gerade unsere Zielperson. Damit dürfte es wohl klar sein, meine Herrschaften: Lucan Stellos ist ein Vampir.“
~o~
Lucan und seine Schwester waren definitiv entkommen. Jegliches Untersuchen der näheren Umgebung hatte nichts erbracht.
„Es passt alles zusammen!“ Yelenath kombinierte mit wissenschaftlichem Eifer. „Lucan bespitzelt Caldera, und die macht ihn zum Vampir, weil sie selber einer ist. Denkt an die Bauerngeschichten! Was ich aber nicht verstehe: Wie hat Lucan es geschafft, die Blutsbande zu Caldera zu durchbrechen? Das ist mir ein Rätsel!“
Bastonata warf Kieselsteine in die Büsche. „Verdammt“, fluchte sie, „wir wurden angeheuert, um einen Agenten zu fangen. Nicht, um Vampire zu jagen!“
„Und von einer Mumie war auch nie die Rede“, beschwerte sich der Valenar.
„Danke für den Hinweis, Q'arion. Scheiße."
Ätzelbert hatte die Arme vor der Brust verschränkt und schnaubte durch die Nase. „Wisst ihr, ich hätte nicht übel Lust, nach Sharn zurückzugehen und diesem Maleak zu sagen, er soll sich jemand anders dafür suchen“, konstatierte er. Er stand auf und trat gegen einen Stein. „Zum Kotzen!“ fügte er hinzu.
Etwa zwei Tagesreisen von Trolanhafen entfernt saßen fünf frustrierte Abenteurer um eine zerstörte Kutsche herum und fragten sich, wie es nun weitergehen sollte.