Farbe bekennenDie Tür in den Speisesaal schwang auf, und Boras stürzte mit gezückter Axt hinein. Seine Schritte verlangsamten sich, dann hielt er inne. Seine Miene wechselte von Entschlossenheit zu Enttäuschung.
»Zu spät«, sagte Thargad lakonisch.
»Aber du kannst als Zeuge fungieren«, sagte Dirim. Er trat auf Thargad zu. »Du hast hilflose Kreaturen gegen das Gesetz ermordet. Dafür klage ich dich an.«
»Wie bitte?«, fragte Thargad. Die anderen Kettenbrecher waren ebenso erstaunt.
Dirim fuhr fort: »Ich ernenne Jenya Urikas zu deinem Beistand. Dein Prozess wird also erst stattfinden, nachdem die Lage geklärt ist.«
»Sehr zuvorkommend.« Thargad lachte auf.
»Was ist überhaupt passiert?«, wollte Jørgen wissen.
»Thargad hat die festgehaltenen Zwerge und den Elfen getötet, obwohl ich ihn bat, es nicht zu tun. Er hat Hilflose und womöglich Unschuldige getötet.«
»Das kann nicht dein Ernst sein«, sagte der Paladin. »Dann musst du mich auch anklagen.«
»Dann werde ich das tun.«
»Und dich selbst auch, nach allem, was du schon getan hast.«
»Dann werde ich auch das tun«, sagte Dirim bestimmt. »Unrecht muss belangt werden.«
»Hörst du eigentlich, was du da sagst?«
»Ich werde mir von dir nicht Recht und Gesetz erklären lassen.«
»Vielleicht solltest du das.«
»Ach ja? Vielleicht–«
»Können wir das später besprechen?«, fragte Thargad. »Im Moment sitzen die Barakmordin und Jenya im Gefängnis, und wenn Krystof nicht betrunken ist, hockt er vor den Ruinen seines Schreins. Es gibt Wichtigeres.«
Jørgen und Dirim schwiegen.
Boras schüttelte den Kopf. »Ich kapier überhaupt nix mehr.«
»Du hast Recht«, sagte Jørgen schließlich. »Also, wohin gehen wir? Der Tyrtempel ist nicht sicher, und was ist mit dem Helmtempel? Vor allem: Warten wir, bis Dirim seine volle Kampfstärke zurück hat, oder ziehen wir sofort in den Kampf?«
»Ich bin für sofort«, sagte Dirim. »Dann haben unsere Gegner auch keine Zeit, sich neu vorzubereiten.«
»Aber der einzige bekannte Gegner ist die Dame Rhiavadi. Und der fehlt nur ein Teleportzauber«, gab Thargad zu bedenken. »Ob schnelles Eingreifen da einen so großen Vorteil bietet?«
»Können wir Kontakt zu den Silberschreitern aufnehmen?«, wollte Jørgen wissen. »Also zu Meerthan, der ist ja der einzige, der noch übrig ist.«
»Nicht ganz«, meinte Thargad rätselhaft. »Aber wie auch immer, ich weiß nicht, wo er ist. Er ist aus dem Trunkenen Morkoth ausgezogen, und außerdem war da ja noch das Attentat auf ihn geplant.«
»Wer bleibt denn da noch?«, fragte Dirim.
»Wenn der Helmtempel auch tabu ist«, meinte Thargad, »kenne ich nur noch einen, der helfen könnte.«
-
Das Große Zahnrad war stiller als sonst. Zwar hörte man vereinzeltes Hämmern, aber die Geschäftigkeit in der Gondkirche war ebenso gedämpft wie das Leben auf den Straßen: Obwohl früher Nachmittag, war Cauldron fast so leer wie in tiefer Nacht. Jene, die ein Gespür für so etwas hatten und es sich leisten konnten (oder ihr Leben über ihren Verdienst schätzten) hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Die Blicke, die den Kettenbrechern auf ihrem Weg zum Gondtempel folgten, gehörten daher entweder schmutzigen und wettergegerbten Gesichtern oder verängstigten Händlern. Kaum ein Kinderlachen war zu hören, und erst im Fehlen bemerkte man die vorherige Allgegenwart wachmännischer Stiefeltritte. Cauldron hatte sich wie eine Schildkröte in ihre Schale zurückgezogen, und fünftausend Bewohner hielten gemeinsam den Atem an.
Die Doppeltüren des Tempels waren geschlossen. Erst nach mehrmaligem Hämmern öffnete sich ein Spalt in der Tür. »Ja?«
Dirim trat vor. »Wir wollen rein.«
»Herr, kommt doch morgen wieder. Heute ist zu.«
Bevor der Spalt sich schließen konnte, hatte Boras seinen Fuß dazwischen geschoben. »Wir wollen rein«, wiederholte Dirim.
Kurzes Zögern. »Bitte wartet einen Moment.« Ein metallisches Kreischen erklang, und eine blecherne Stimme hallte: »Herr, hi... ...rim Gratu... ...ehen.«
Kurz darauf schwang die Tür ganz zur Seite. Dahinter standen sechs gerüstete und mit Schmiedehämmern bewaffnete Priester, und in deren Rücken der Halbork und Hohepriester Asfelkir Hranleurt. Asfelkir verbeugte sich vor Dirim, aber seine Miene blieb ernst. »Ihr solltet nicht hier sein. Nicht heute.«
»Wir suchen jemanden«, sagte Dirim. Er blickte zu Thargad. Der sagte: »Darigaaz, den Gnom.«
»Ist er nicht bei den Anderen?«
»Was meint ihr?«, fragte Jørgen.
Asfelkir Hranleurt zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, er wollte zum Helmtempel. Zu Euch. Und ich dachte, ihr wolltet mich um Verstärkung ersuchen.«
»Habt ihr Verstärkung?«, fragte Dirim. »Heute ist der Tag, um die Seite zu wählen, sich für Gut oder Böse zu entscheiden.«
Der Halbork stemmte die Hände in die Hüften. »Ich entscheide mich für Cauldron. Missversteht mich nicht, ich wünsche, dass ihr obsiegt. Aber wenn ihr verliert – wer ist dann hier, um die Bewohner vor dem zu schützen, was da kommen mag? Wir.«
Jørgens Wangenknochen traten keilförmig hervor. »Wenn wir verlieren–«
»–werden wir uns um Cauldron kümmern«, schloss Asfelkir, aber Jørgen legte den Kopf schief.
»Nein. Wenn wir verlieren, bringt ihr die Leute hier raus. Wer dann in Cauldron bleibt, kann froh sein, schnell zu sterben.«
Asfelkirs Augen weiteten sich. »So schlimm?« Er schluckte. »Also gut. Wir werden die nötigen Vorkehrungen treffen. Ihr habt mein Wort. Jetzt geht.« Diesmal schlossen sich die Tore ohne Widerstand der Kettenbrecher.
»Also doch zum Helmtempel?«, fragte Dirim, aber eine Antwort erübrigte sich.
-
Auch die Tore des Helmtempels waren geschlossen. Thargad las mit leiser Stimme die in flammenden Lettern geschriebenen Worte über dem Eingang.
»Die Nacht kommt, und meine Wacht beginnt. Sie soll nicht enden bis zum Morgen.« Er nickte, in Gedanken versunken.
»Wenn wir uns nicht anstrengen, wird das eine ziemlich lange Nacht werden«, kommentierte Jørgen.
»Keine Angst«, meinte Boras. »Zur Not prügle ich die Sonne über den Horizont.«
»Boras Lichtbringer«, sagte Dirim. Er grinste. »Gefällt mir.«
Thargad klopfte an die Tür. Ein Akolyth spinste heraus, dann schwang die Doppeltür auf. »Sie sind da!«, rief der junge Mann über die Schulter. Dann trat er zur Seite und ließ die Kettenbrecher ein.
In der Halle des Helmtempels herrschte reges Treiben. Hier saß eine Gruppe Akolythen zusammen und sortierte Schriftrollen, ein Stück weiter standen menschliche Stadtwachen Schlange und erhielten von weiteren Akolythen abgezählte Tränke. Das Geräusch von Wetzsteinen und Übungsschwüngen füllte den Raum, und Rüstungsöl lag in der Luft wie der Geruch einer Geliebten am Morgen danach. Vor dem Altar befanden sich ein paar Gestalten in innigem Gebet. Daneben hatte man eine Holzplatte über zwei Bänke gelegt und einen Tisch geschaffen. An dem Tisch standen Skylar Krewis, die flügellose Reya, Annah Taskerhill und Corah Lathenmire und berieten sich. Sie sahen ebenso auf wie Rufus Laro und Krystof Jurgensen, die ihrerseits ins Gespräch vertieft gewesen waren. Am Rand der Halle, fast in den Schatten, standen Meerthan Eliothlorn – unverkleidet –, Thargads Mentor Berion und Vortimax Weer beisammen. Und nahe des Eingangs schließlich saßen die Gnome Keygan Ghelve und Darigaaz vor einem menschengroßen Stahlapparat, der eine Mischung aus Golem, Ritterrüstung und Bohrwerkzeug zu sein schien.
»Hab ich was verpasst?«, fragte Dirim erstaunt. »Das müssen drei Dutzend Leute sein. Mehr sogar. Was wollen die hier?«
»Ich nehme an, uns helfen«, sagte Jørgen. »Weißt du nicht mehr? ›Heute ist der Tag, um die Seite zu wählen?‹«
»Ja, aber...«
»Hättest wohl nicht gedacht, dass mal jemand auf dich hören wird?«, meinte Thargad. »Du kannst sie später verklagen. Sagen wir erstmal Hallo.«
Gemeinsam schritten sie durch die Halle, und allein ihre Anwesenheit schien die Luft aufzuladen. Junge Helmpriester und -priesterinnen, deren größte Kampferfahrung darin bestand, im Plattenpanzer Kartoffeln zu schälen, schöpften Hoffnung, dass sie den morgigen Abend erleben würden. Thargad seilte sich von den anderen ab und näherte sich Berions Gruppe. Die übrigen wurden von Krystof in Empfang genommen, der ihnen entgegen gekommen war, bevor sie den Planungstisch erreichten.
»Seht nur, Meister Dirim«, rief Krystof. »Ist das nicht wunderbar? Jetzt können wir es ihnen zeigen!«
»Kämpfe sind niemals wunderbar«, sagte Dirim. »Manchmal sind sie allerdings notwendig.«
»So auch jetzt«, sagte Skylar Krewis. Er schüttelte die Hand der Kettenbrecher. »Gut, dass ihr da seid.«
»Mein Vater übersendet euch Grüße«, sagte Annah in Richtung Jørgen.
Der Paladin nickte. »Gut. Ich nehme an, er ist bereit, seine Pflicht zu tun? Wenn wir fertig sind, wird es bis zu einer entsprechenden Verkündung keinen Stadtherren geben. Wird er diese Rolle einnehmen?«
Annah senkte den Kopf. »Mein Vater ist ein treuer Gewährsmann der Krone. Es wäre das erste Mal, dass er seiner Pflicht davonliefe. Er wird bereit sein.«
»Kommen wir zum Wesentlichen«, meinte Dirim. »Was ist hier los?«
»Wir planen den Angriff auf Cauldron«, sagte Skylar Krewis. »Habt ihr euch das nicht gedacht?«
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»Geht es euch gut?«, fragte Thargad und sah dabei Berion, und dann Meerthan an.
»Ja«, sagte der alte Mönch und legte seine Hände auf Thargads Schultern. Er musste seine Arme ganz strecken, um hoch genug zu kommen. »Und du?«
Zur Antwort zog Thargad eine Halskette hervor. »Die gehörte Eurer Feindin Elayne. Ich habe sie heute getötet.«
Tränen traten in Berions Augen, als er die Kette erblickte. »Vorher gehörte sie noch jemand anderem«, sagte er leise. Er nahm die Kette in die Hand, betrachtete sie für einen Moment. »Entschuldigt mich bitte«, sagte er in die Runde und ging langsam davon. Thargad sah ihm noch einen Moment nach.
»Vortimax hat uns gerettet«, sagte Meerthan. »Er hat uns gewarnt und unseren Tod vorgetäuscht.«
Jetzt sah der Assasine zweifelnd auf den Magier herunter, dessen Glatze im Kerzenschein leuchtete und dessen Gesicht sich plötzlich rötete.
»Wenn ich euch schon helfe«, druckste er, »dann richtig.«
»Ihr solltet die beiden töten, oder? Warum?«
»Keine Ahnung«, gab Vortimax zu. »Valanthru hat nur gesagt, dass sie weg müssten.«
»Hm«, machte Thargad. Dann stutzte er. »Moment mal – wer?«
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»Ganz recht«, sagte Skylar Krewis. »Tenebris Valanthru steckt mittendrin. Er ist der Drahtzieher des Ganzen.«
»Trau keinem Elfen«, sagte Dirim. Er wandte sich zu Thamior um: »Anwesende ausgeschlossen.«
»Tröstlich«, meinte Thamior. »Aber ich habe ihm auch nicht getraut. Ich glaube nur nicht–«
»-dass er ein Elf ist«, sagte Jørgen. »Ich auch nicht. Valanthru – Vlaathu? Das ist doch sehr ähnlich. Und ein gestaltwandelnder Betrachter hätte durchaus das Zeug, sich als Elf auszugeben.«
»Zumal, wenn es diesen Valanthru vielleicht wirklich mal gegeben hat«, fiel Dirim ein. »Vlaathu könnte ihn vor fünfzig oder hundert Jahren beseitigt haben, und heute würde sich kein Mensch mehr daran erinnern oder etwas merken.«
»Vielleicht habt ihr Recht«, sagte Krewis. »Jedenfalls haben wir uns gedacht, ihr übernehmt Valanthru. Wir kümmern uns um die Stadtwache. Die Frage ist nur, wann? Noch heute, oder erst morgen früh?«
»Die erwarten uns, oder?«, fragte Boras. »Lassen wir sie doch eine Nacht warten. Das bisschen Müdigkeit kann nicht schaden.«
»Wie sieht denn euer Plan aus?«, wollte Dirim wissen.
»Die Stadtwache wurde komplett in den Kasernenhof zurückgezogen. Grukk will Euch dort empfangen, wenn ihr Eure Freunde befreien kommt. Ihr habt keinen Zauberer, also hat er wenig Angst vor Feuerbällen und Ähnlichem. Soweit wir wissen, hat er die Ogerberserker zum Schutz der MGA abgestellt.«
»Also doch«, sagte Dirim. »Ich dachte, die stehen auf unserer Seite.«
»Standen sie auch«, sagte Corah. »Mialee Wurzeldach zumindest. Aber sie wurde schon vor Monaten in den Kerker gesteckt, ohne dass es jemand gemerkt hat.«
»Weitere Elitekämpfer sind unter den Truppen verteilt und bewachen das Gefängnis«, fuhr Skylar Krewis fort. »Schützen stehen auf den Dächern.«
»Und was macht ihr?«
Skylar grinste. »Sie überraschen. Aber kommt – Keygan Ghelve hat etwas für euch.«
-
»Was ist das eigentlich?«, wollte Boras wissen. Sie standen vor Darigaaz' Metallgerüst. In der Brust klaffte eine Öffnung, dahinter sah man eine unkomfortable Halterung für einen kleinen Körper, diverse Hebel sowie ölglänzende Zahnräder. Der linke Arm der Maschine endete in einem großen Hammerkopf, der rechte in einem sich langsam drehenden Bohrer. Über dem Bohrer war ein dünnes Metallrohr angebracht, das nach Spiritus roch. Aus dem Rücken wuchs ein armdicker Schlot, der graue Wölkchen hustete. Der ganze Apparat zitterte und brummte. Darigaaz hatte einen Schraubenschlüssel in das Innere des Apparats gesteckt und schlug gerade mit dem Hammer darauf. Vier krumme Stahlruten stülpten sich über den Bohrer und begannen sogleich, in ihrer Verankerung vor und zurück zu zucken. Darigaaz grunzte zufrieden und wischte sich mit einer schmierigen Hand die schmutzige Stirn ab, dann wandte er seine schüttere Stirn und seine geröteten Augen den Kettenbrechern zu. Sein Rücken beugte sich unter dem Gewicht der vielen Werkzeuge an seinen um die Hüfte und über die Schultern geworfenen Gürteln.
»Eigentlich ist es ein Gerät, um Tunnel zu bohren«, sagte der Gnom. »Man kann darin auch schwere Einstürze überleben. Ich dachte mir, so viel härter kann ein Schwerthieb auch nicht sein, und wenn der Bohrer Granit durchbohren kann...«
»Eklig«, sagte Boras. »Gefällt mir.«
Darigaaz»Natürlich gibt es ein paar Probleme«, gab der Gnom zu, »aber–«
»Aber darum sind wir nicht hier«, meinte Jørgen. »Keygan, ihr habt etwas für uns?«
Der Schlosser nickte. »Ich weiß nicht, ob ihr euch an mich erinnert, aber wir haben uns getroffen, kurz nachdem ihr hier angekommen seid.«
»Natürlich erinnern wir uns«, sagte Dirim.
»Ihr seid doch der Feuerschlucker vom Marktplatz, oder?«, fragte Boras grinsend.
Keygan lächelte nervös. »Ha ha. Nun, jedenfalls habe ich etwas... also, mein Großvater hat etwas... nein, fangen wir anders an. Mein Großvater hat damals geholfen, das Haus von Fürst Valanthru auszurüsten. Na ja, und... als Schlosser hat man gerne einen Schlüssel für die Schlösser, die man macht. Außerdem dachte er, irgendwann würde bestimmt mal jemand da rein müssen. Na ja, jedenfalls... hier.«
Er hielt den Kettenbrechern eine achteckige Scheibe aus schwarz glänzendem Metall entgegen. Die Vorderseite war so blankpoliert wie ein Spiegel, in die Rückseite war eine Zeichnung eingraviert. An jeder Ecke des Gegenstands prangte ein dreieckiger Edelstein, sieben davon rot, einer grün.
»Es hat dreißig Ladungen«, fügte Keygan Ghelve hilfsbereit hinzu.
»Das ist ja schön und gut, aber was ist das?«, wollte Jørgen wissen.
»Das ist das Oktogon. Der Schlüssel zu Valanthrus geheimem Unterschlupf. Jedenfalls mehr oder weniger. Jeder dieser Edelsteine steht für einen Zauber; jeder Zauber kostet eine Ladung pro Zaubergrad und öffnet eine Türe in dem Unterschlupf. So weit ich weiß, gibt es zehn Türen in Valanthrus Unterschlupf – zwei davon kann man nicht mit dem Oktagon öffnen, die erste Tür und noch eine andere. Die letzte Tür öffnet sich mit dem Edelstein oben links – Auflösen. Ich kann euch auch sagen, wofür die einzelnen Edelsteine stehen: Beginnend mit dem Smaragd für Schlaf, Personen bezaubern, Verlangsamen, Monster bezaubern, Furcht, Telekinese, Auflösen, Fleisch zu Stein.«
»Interessante Zauberauswahl«, sagte Jørgen. »Komisch.«
Dirim runzelte die Stirn. »Das sind genau dreißig Zaubergrade, oder?«
»Ja«, bestätigte Keygan. »Ihr könnt jeden Zauber genau einmal benutzen, oder nicht alle Türen öffnen.«
»Der richtige Zauber steht wahrscheinlich nicht auf den Türen, oder?«, sagte Boras hoffnungsvoll.
Keygan schüttelte den Kopf.
»Und was ist das?«, fragte Jørgen und zeigte auf die Inschrift. »Eine Karte?«
»Keine Ahnung«, gab Keygan zu. »Wahrscheinlich.«
»Also gut«, sagte Dirim. »Warum hat dein Großvater nicht mehr Ladungen in den Gegenstand gewirkt, und warum hat er nicht alle Türzauber darin, und warum hat er nicht gesagt, wozu die Inschrift ist? Ist das ein gnomischer Scherz?«
Keygan wurde schlagartig ernst. »Es liegt wahrscheinlich daran, dass er wusste, welche Zauber zu welcher Tür gehörten, dass dies ein vorläufiger Schlüssel ist, und daran, dass er nach der Vollendung von Valanthrus Unterschlupf verschwand. Vielleicht hat Valanthru ihn getötet, und meine Familie hat gewartet, bis endlich jemand Vielversprechendes daherkommt, um sein Schicksal zu erkunden – aber vielleicht ist das auch nur ein dummer Gnomenstreich, weil Gnome ja bekanntlich die Reife eines Zehnjährigen besitzen. Vorsicht, ich habe Zahnpasta auf die Klinke zu eurem Gemach geschmiert.«
»Wo kam das denn her?«, meinte Dirim. »So habe ich das nicht gemeint. Ich dachte nur, die Informationen zu diesem Oktogon sind etwas dürftig.«
»Besser als nichts«, sagte Jørgen. »Außerdem stell dir mal vor, das wäre einfacher: wo blieben da der Spaß und die Herausforderung? Dann könnte ja jeder bei Valanthru reinspazieren.«
»Sogar Severen Nalavant«, sagte Thamior.
»Sogar Severen Nalavant, Siamorphe belohne ihn«, stimmte Jørgen zu.
»Sogar Krystof Jurgensen«, sagte Boras.
»Sogar«, begann Jørgen, hielt dann aber inne. »Na ja, wir wollen nicht übertreiben.«
Keygan Ghelve lachte auf. Dirim schmunzelte. Er hielt dem Gnom die Hand hin. »Entschuldige.« Ghelve schüttelte sie.
»Schon gut.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob wir uns nützlich machen können«, sagte der Paladin. »Heute abend planen wir, dann kann Dirim noch einmal ein paar Gebete aufstocken. Morgen früh holen wir uns Valanthru – und befreien Cauldron.«