Nach "Abbitte" nun den neuen Kracht-Roman "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten". Bisher ein merkwürdiges Buch, das vor allem durch seine Kunstsprache und das bizarre Setting auffällt (wie schon im anderen Beitragen geschrieben: Lenin hat die Schweiz nie verlassen sondern dort seine "Schweizer Sowjetrepublik" aufgebaut, die Elitesoldaten in Ostafrika rekrutiert und sich seit über 100 Jahren im Krieg mit den faschistischen Staaten Deutschland und Großbritannien befindet).
Die ganze Handlung wirkt mehr wie eine Skizze und dient nur dazu Krachts Idee zu illustrieren, dass in einem ewig währenden Weltkrieg sich die Evolution umkehren und der Mensch sich zum Tier zurück entwickeln muss. Das Ganze ist sprachlich wirklich beeindruckend, wobei der Satzbau teilweise schon etwas gewollt wirkt - aber immerhin bleibt es immer verständlich, auch wenn ich mich schon an mehreren Stellen gefragt habe, ob dieser Stil noch einen anderen Sinn hat, abgesehen davon, dass er beweist, dass Kracht die Sprache meisterhaft beherrscht.
Insgesamt wirkt das Buch durch seine Skizzenhaftigkeit, die Kunstsprache und das bizarre Setting ziemlich verstörend. Popliteratur ist das jedenfalls nicht mehr, aber das war streng genommen ja auch 1979 schon nicht mehr. Die FASZ hat den Roman ja als den angeblich lange erwarteten großen Schweizroman gefeiert - ob es das ist, kann ich nun wirklikch nicht beurteilen, wobei man auch bedenken sollte, dass die FAZ das Buch schon als Vorabdruck veröffentlich hat, insofern war eine positive/euphorische Kritik hier ja zu erwarten. Die anderen einschlägigen Zeitungen sind weit weniger begeistert was das Buch angeht, und dem würde ich mich auch anschließen. Ein Meisterwerk ist es sicher nicht, aber wie gesagt bizarr, absurd, radikal, originell und schön geschrieben - insofern durchaus lesenswert.
EDIT: Bin nun mit dem Buch fertig, an meiner Meinung dazu hat sich nicht viel geändert. Insgesamt wirkt es wie eine Skizze oder Übung des Autors, nicht wie ein fertiger Roman. Für eine erschöpfende Beschäftigung mit der zu Grunde liegenden Idee sind nämlich meiner Meinung nach die 150 Seiten einfach nicht genug.