Kapitel 8: Die Dunkle Herrin
Die Gruppe wurde hinein gebeten von dem Halbling.
Sie gingen durch die hohen Türen, Dairon leicht voraus. Sie kamen in ein spartanisch dekoriertes, doch auf unterschwellige Art luxuriöses Arbeitszimmer. Die Decken waren hoch und gewölbt, Kandelaber an den Wänden spendeten warmes Licht. Die Rückwand und die linke Wand enthielten hohe spitz zulaufende Fenster, die dennoch so breit waren, dass genug Licht in den Raum fiel, doch waren sie jetzt natürlich dunkel und die weinroten Brokatvorhänge zugezogen. Die Wände waren bis über Kopfhöhe mit karamellbraunem Nussbaumwurzelholz getäfelt, welches unendliche Muster zu werfen schien, doch enthielten ansonsten keinerlei Dekoration. Auf dem Boden, der mit großen, glänzenden schwarzem Steinplatten gefliest war, lag in der Mitte des Raumes ein Teppich, der die Raumakustik verbessern sollte.
Einige Regale standen noch an der rechten Wand, die mit Büchern gefüllt zu sein schienen, doch lagen zur Auflockerung hier und da einige bleiche Totenschädel.
Ansonsten enthielt der Raum nur einen sehr großen Schreibtisch aus Eschenholz, auf dem jedoch blitzsaubere Ordnung herrschte, und sechs Stühle, fünf vor dem Schreibtisch, einer dahinter. Dieser war als einziger besetzt.
Dairon ging bis hinter die Stühle, und dann knallte es, als er die Hacken zusammenschlug und salutierte zackig, Rücken gerade und steif wie ein Brett.
„Tyrannos zum Gruße, Hochexekutorin Düsterhoff!“ er konnte gerade noch vermeiden, dass er es hinausschrie wie auf dem Exerzierplatz.
Die Endzwanzigerin auf dem gut gepolsterten Stuhl grüßte lässig mit einer Hand. „Tyrannos zum Gruße, Imperzeptor.“
Sergenas konnte nun zum ersten Mal einen besseren Blick auf sie erhaschen.
Skyllua Düsterhoff war recht groß, wie er das erkennen konnte, geringfügig kleiner als Dairon und etwa sein, Sergenas, Größe. Sie hatte sehr helle Haut und hellbraunes Haar, welches sie in einer Art Pagenschnitt trug. Sie trug ein smaragdgrünes Kleid aus Samt, welches die Schultern frei ließ. Ihre Arme steckten in dazu passenden Handschuhen, die bis zur Mitte ihrer muskulösen Oberarme gingen.
Sie war nicht mager wie manche weiblichen Soldaten, die sich alle Weiblichkeit abtrainiert hatten, doch konnte man unter ihrer Haut drahtige Muskeln erkennen. Auf der rechten Schulter waren zwei weiße Narben zu sehen, die sich überkreuzten.
Doch ihre herausragendsten Merkmale waren ihre eisblauen Augen, die nacheinander jeden im Raum zu durchbohren schienen. Diese Augen verrieten eiskalte Berechnung und Härte wie Adamantit.
Sergenas hätte sie als sehr hübsch bezeichnet, wenn da nicht diese mörderische Aura von Brutalität wäre, die diese Frau umgab wie die Rüstung einen Tyrannospriester. So dachte er eher an das Wetterleuchten im Nachthimmel vor einem schweren Sturm als Vergleich.
Sie hatte gerade ihren rechten Arm mit dem Ellbogen auf ihre Sessellehne gestützt, so dass ihre Hand senkrecht in die Luft ragte. Sie hörte sich mit ausdrucksloser Mine die Grüße der Gruppe an, dann machte sie mit dieser rechten Hand eine kleine Geste.
Sofort nahmen alle Platz. Sergenas’ Gesicht war ernst. Rakis legte den Kopf schief, um sie mit seinem gesunden Auge anzusehen.
„Habt ihr die Splitter?“ Skyllua verschwendete keine Zeit.
Dairon zog die beiden blau glimmenden Kristalle aus einer seiner Schultertaschen. Er legte sie vor ihr auf den Tisch.
Ausdruckslos betrachtete Skyllua die Artefakte.
„Passt.“
Mehr Lob gab es nicht von ihr.
„Garad, hol die Blitzschild.“ Sagte sie, den Blick neben die Tür gerichtet, als ob sie durch die Wand zu dem Halbling sehen könnte.
„Nun ja, die Imperzeptorin Blitzschild“ Dairons Wangenmuskeln spannten sich an. „hat euch allen eure Belohnung versprochen, und ihr habt nicht versagt, also denke ich, dass das auch angemessen ist.“ Sie setzte sich etwas gerader hin und verschränkte ihre Finger auf dem Schreibtisch.
„Diese Splitter ermöglichen es uns, ein Schild um die Dunkelburg zu ziehen, welches nicht autorisierte extraplanare Transporte hinein und hinaus verhindern wird, und unsere Mauern verstärkt.
Ihr seid der Zauberer hier. Ihr werdet euch hier“ sie schob einen Zettel mit einer Adresse und einer von ihr unterschriebenen Notiz über den Tisch. „melden und eintragen lassen, dann wird man euch auf das Abschirmfeld einstimmen.“
„Jawohl, Hochexekutorin.“ Sagte Sergenas.
„Desweiteren haben wir Informationen über zwei weitere Splitter, doch dazu später. Eure Belohnung ist da.“
Die Tür öffnete sich und Vierna trat herein. Dairon schloss kurz die Augen und verspannte sich, aber das fiel nur Teldra auf, die neben ihm saß. Er zwang seine Miene wieder zurück in die ausdruckslose Maske, die Tyrannospriester in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten aufzusetzen pflegten.
Sie hatte einen großen Beutel. „Mit eurer Erlaubnis, Hochexekutorin?“ Skyllua bewegte ihre Hand kreisförmig. Vierna nickte. Rakis fand, dass ihr Gesicht schmaler geworden war. Tammar hatte ihr offenbar nicht gut bekommen.
Sie stellte den Beutel neben dem Tisch ab und fing an, einige Gegenstände herauszuholen. Das kleinste war ein Ring, aus Silber gefertigt, mit einem rundherum laufenden eingefassten Malachit, das größte war eine gleißend silberne Brustplatte. Außerdem war noch ein großer Bogen dabei, der stets in eine schattenhafte Aura gehüllt war. An seinen Enden waren spitze, grün glimmende Kristalle angebracht. Sie holte noch ein Rapier und einen Zauberstab hervor.
Skyllua lehnte sich in ihren Sessel, während Vierna Sergenas den Ring gab, Heram den Bogen, und Rakis die Brustplatte neben den Stuhl stellte. Dann ging sie zu Teldra.
„Da wir mit Euren Talenten nicht so viel Erfahrung haben, mussten wir raten, was euch wohl am meisten dienlich sein wird aus unserem Arsenal. Wir haben uns für diese Waffe entschieden und euch einen Zauberstab anfertigen lassen, der euch in eine mächtige Form der Unsichtbarkeit zu hüllen vermag.
Das Rapier ist eine Zauberspeicherwaffe, ich bin sicher, ihr kennt diese Art Waffen. Seid ihr damit zufrieden?“
Teldra sah Vierna an. Dann das Rapier. Und dann Skyllua. “Ja, alles bestens!“ piepste sie.
„Nun zu den anderen Gegenständen.“ Fuhr Vierna fort, offensichtlich erleichtert. Dairon nahm an, dass SIE dafür geradestehen hätte müssen, wenn jemand aus der Gruppe nicht zufrieden gewesen wäre.
Zusammen mit genau diesem Gruppenmitglied.