Hallo Sharn,
selbst jahrelange Studien von Abenteuergeschichten können nicht auf die wirklichen Fragen vorbereiten, die sich einem angehenden Helden stellen. Dieser bescheidene Verfasser mag vorbereitet gewesen sein, mit dem Tod konfrontiert zu werden, und als nun auch unter meiner Mithilfe ein Leben ausgehaucht wurde, da wusste ich, dass dieser Tag hatte kommen müssen. In der Welt, in der wir uns bewegen, heißt es nur zu oft, zu töten oder getötet zu werden. Diese Frage war zu erwarten gewesen. Andere aber…
So stand ich also hüfthoch in ewig fließendem Blut – das ist keine Metapher – und blickte bewaffneten Skeletten entgegen, während hinter mir ein hungriger Schwarm von untoten Ratten nach meinem Fleisch gierte, und stellte mir die Frage, ob einer meiner Gefährten ein entartetes Drachenmal trägt und was ich mit dieser Information tun sollte. Darauf bereiten einen weder die Berichte aus den barbarischen Steppen noch die Geschichten um Samea Spaten vor. Aber es erscheint alles so logisch: er verschwindet über Nacht, glaubt sich verfolgt und vermutet hinter jedem einen Betrüger, und er spricht aus Erfahrung von der Notwendigkeit, sich zu verkleiden. Ich habe mich bereits meinem anderen Gefährten anvertraut, wenn auch noch nicht meinem Diener – solche Entscheidungen sollten nicht dem Personal überlassen werden. Es ist ein Dilemma: Verrät man jemanden, an dessen Seite man kämpft, oder hält man das entartete Mal geheim?
Letzten Endes werde ich die Räuberbande der Grünen Dolche bitten, den Mann zu verfolgen und meine Vermutungen zu bestätigen. Sobald wir sie von ihrer Krankheit geheilt haben, natürlich. Vielleicht ist dies für Syrathas und ihre Leute ja auch ein Beginn mit ehrlicherer Arbeit? Schön wäre es. Man wird als Abenteurer wahrlich mit Schicksalen konfrontiert. Arme und ungeschickte Diebe, die in ihrer Hast sogar Schränke umwerfen – und ein Umfeld, das nicht einmal Wachen zu rufen vermag. Kranke Räuber, die in ihrer Not mit einem Priester kollaborieren, der sie nicht nur womöglich erst krank gemacht hat, sondern ihnen anschließend die versprochene Heilung versagt und sie im Stich lässt. Goblins, die ein einfaches Geschäft zu immer neuen Tricks und Betrügereien nutzen und sich nicht einmal bedrohen lassen. Aber, um das noch einmal zu wiederholen, damit rechnet man ja.
Anders wiederum verhält es sich mit Frauen, da wird man oft überrascht. Nehmen wir zum Beispiel eine hier ungenannt bleiben sollende Dame, die sich mit meinem Gefährten trifft, obwohl dieser ein Bücherwurm ist, der in der Universität arbeitet. Zugegeben, er ist recht muskulös und hat ein großes Schwert, und es handelt sich wenigstens nicht um den Entarteten, aber dennoch – ein Bücherwurm. Dabei sieht die Dame sogar gut aus. Nun ja, es ist ja nicht so, als wäre ich auf die Gunst einer bestimmten Dame angewiesen, nein, keinstenfalls. Wie die geneigte Leserschaft vielleicht weiß, war mein Quartier kürzlich Gegenstand der Berichterstattung in »Türme und Gärten«, und ich gebe zu, die ordnende Hand meines Dieners Oskar hat kleine Wunder bewirkt, wenn sie auch bisweilen weniger ordnend als vielmehr nervend sein kann – dieser Zwerg hat ein wirkliches Sauberkeitsproblem.
Was mich zu meiner letzten Frage bringt: wie bekommt man ewiges Blut aus seinen Kleidern?
Euer Roland