Erstmal: Was Xiam sagt: Dass Noten ungerecht sind (Threadtitel) ist nun wirklich keine Neuheit Noten (und nochmehr "Kopfnoten") sind nunmal höchst subjektiv. Ich kenne eine ganze Reihe von Lehrkräften, die versuchen dem entgegen zu wirken und sich selbst möglichst objektive Maßstäbe und Bewertungskriterien zu stecken. Aber erstens gibt es dann Schüler die diese Kriterien nicht treffen und eigentlich dennoch eine gute Leistung abliefern und zweitens klappt das mit der Objektivität dann eben doch nicht.
Wie Xiam schon ausführte ist das Problem bekannt und ich bin sicher auch Betrieben und Hochschulen ist das Problem bekannt, hier gilt aber vermutlich die Devise: Lieber eine schlechte Vergleichbarkeit als gar keine.
Ob eine "Waldorfsche" Methode besser ist mag dahin gestellt sein, ich habe entsprechende Zeugnisse in meinen ersten zwei Schuljahren erhalten und die klangen zum Teil wirklich wie Arbeitszeugnisse, Kritik in schönen Worten ("Deus ist ein lebhaftes Kind" und sowas). Ob eine solche Bewertungsart abschreckend für die "Verwerter" sind weiß ich nicht, Hochschulen hätten sicher einen massiven Verwaltungsaufwand, aber dass das relevant viele Betriebe abschrecken würde glaube ich nicht, wer ausbilden möchte tut das, ob mit Noten oder ohne. Umgekehrt würde ich das zumindest behaupten wollen: Angenommen man hätte Bewertungen in Fließtexten seit Jahrzehnten in Gebrauch und nun würde jemand fordern Zahlen zwecks Vergleichbarkeit ein zu führen... ich denke nicht dass die Zahl der ausbildenden Betriebe signifikant steigen würde.
Aber dieses Bildungssystem krankt nunmal an allen Ecken und Enden... und ich fürchte die Lösung ist so simpel wie schmerzhaft: Geld!
Ich behaupte es ist völlig egal wie und/oder wo man Geld in das Bildungssystem pumpt, es würde die Bildung verbessern, völlig Wurst ob man mehr Lehrer einstellt, mehr Schulen betreibt, mehr Material stellt, bessere Ausrüstung (Fachräume) einkauft, die Verwaltung vergrößert, mehr Weiterbildungen anbietet, mehr Schulpsychologen (o.ä.) beschäftigt oder den Förderunterricht vermehrt. In jedem Falle kommen hinten bessere Schüler heraus.
Ich glaube jeder von uns hat eine Vorstellung davon, wie das Schul- bzw. Bildungssystem besser sein könnte, manche sicher radikaler manche reformatorisch.
Ich zum Beispiel würde mit Zechi einstimmen, die Dreigliedrigkeit ist überholt und gehört abgeschafft. Stattdessen müsste ein Gesamtschulartiges-System (Gesamtschulen sind auch alles andere als der Weisheit letzter Schluss, aber ein Ansatz) installiert werden.
Meine persönliche Vision sieht vor, dass die "Unmengen" an Schulgebäuden nicht mehr einer Leistungs-Kaste sondern einer Leistungs-Stufe (Klasse) zugeordnet werden. Sprich: Eine Grundschule (1.-4. Klasse) eine "Unterschule" (statt Unterstufe 5-7), eine Mittel- (8-10) und eine Oberschule (11+). Aber das ist nur eine Verwaltungs-Sache und soll nur dafür Sorgen, dass die Vielzahl von Schulen und Schulgebäuden nicht ihren Sinn verlieren
Wie auch immer, ich sehe auch ein großes Problem im Statusdenken der Eltern. Scheinbar ist es ein riesen Drama, wenn der Schützling mal pecken bleibt oder eben nicht aufs Gymnasium "darf". (Ein Unding, dass in manchen Bundesländern die Entscheidung der Grundschulklassenlehrer zuweilen bindend ist und auch spätere Wechsel alles andere als leicht.) Umgekehrt ist mir auch eine junge (i.Ü. türkische) Familie "untergekommen", die davon ausging, dass ihr jüngster Sohn wie alle anderen Kinder zuvor auch die Hauptschule besuchen würde. Aber wenn man sich mit dem Kind nur wenige Minuten unterhalten hat wusste man gleich, dass er dort völlig unterfordert wäre. Hier müssen vielleicht wirklich von den Grundschulen unabhängige Tests her, die aber nicht nur den aktuellen Stand überprüfen, sondern auch IQ, EQ und soetwas wie "Potential". Aber wie gesagt, all das wäre nicht notwendig, wenn es diese vermaledeite Dreigliedrigkeit nicht gäbe.
Ach ja noch so eine fixe Idee, die ich mit mir herum trage: Warum bleibt man eigentlich erst dann sitzen, wenn man in mehrere Fächern schlecht ist und dann auch noch, wenn man den Stoff, der einem fehlt schon lange hinter sich gelassen hat und einem "nur" die Grundlagen fehlen?
Soll heißen: Ich erlerne in Klasse 6 die Bruchrechnung (Mathe ist immer so hübsch anschaulich bei diesen Beispielen) und schlage mich mit Ach und Krach hindurch. In Klasse 7 kommt dann ein bisschen Algebra (huiii man kann auch mit Buchstaben rechnen) und Geometrie, klasse, die Themen liegen mir. In Klasse 8 soll ich dann Prozent- und Zinsrechnen erlernen
und kann keine Bruchrechnung (im Übrigen tatsächlich recht häufig, dass Leute keine Bruchrechnung beherrschen, keine Ahnung warum). Und was passiert nun? Ich erlerne die Prozentrechnung nochmal (weil ich in Klasse 8 sitzen bleibe)
... super.
Viel schöner fände ich es, wenn man in jedem Fach einzeln sitzen bleiben könnte und dafür deutlich früher. Sagen wir... wenn ich beide Halbjahre in einem Fach "ausreichend" oder schlechter bin wiederhole ich...
das Fach! alles andere läuft normal weiter, denn sooo Fachübergreifend funktioniert das Schulsystem nicht, dass mir jetzt die mathematischen Grundlagen fehlten, die ich in Physik bräuchte.
Der Effekt den ich mir ausmale ist der, dass ich wie im Beispiel oben in Klasse 6 in Mathe wiederhole, in Klasse 10 überfordert mich die Atomphsik und in Klasse 12 kann in mit Fontane gar nichts mehr anfangen. Alle andere Fächer laufen aber einfach weiter und ich mache nach 12 Jahren kein Abitur, denn ich habe noch drei Fächer, die ich noch nicht "voll" habe. Also ein dreizehntes Jahr, in dem ich diese Fächer zu ende bringe. Aber ich habe dann nur diese Fächer (und von mir aus, die anderen Fächer "einstündig" um sie warm zu halten). Ich kann mich also prima darauf konzentrieren
und die Klassen wären im letzten Schuljahr vermutlich auch noch kleiner, beste Lernvoraussetzungen also. Ich weiß nicht ob das funktioniert, aber in meiner Vorstellung tut es das
Es könnte natürlich genauso gut sein, dass man im letzten Jahr dann die Inhalte der anderen Fächer vergisst, aber hat das Bildungssystem nicht ohnehin versagt, wenn Schüler nach einem Jahr die Inhalte nicht mehr kennen? Dann kann man sich den ganzen Mist auch sparen, wenn er nicht halbwegs (ein Jahr) nachhaltig ist.