So schlimm diese Geschichte auch sein mag, sollte man hier jetzt bitte NICHT verallgemeinend von Polizeigewalt sprechen. Das ist ein einzelnes Ereignis auf der "Freiheit statt Angst"-Demo in Berlin gewesen, welches die Entgleisung eines oder einiger weniger Beamten zeigt - nicht weniger aber auch nicht mehr.
Ich will den zuschlagenden Polizisten nicht in Schutz nehmen, die Situation, wie sie sich auf dem Video zeigt, rechtfertigt das Vorgehen des Polizisten (Zurückreißen, Schläge ins Gesicht) nicht im Geringsten. Dennoch muss man auch deutlich sagen, dass die Ereignisse im Vorfeld nicht zu sehen sind, man sich hier seine Meinung also aufgrund einer Momentaufnahme bildet, ohne die gesamte Situation beurteilen zu können.
Laut eines dpa Berichtes (u.a.
hier bei „Die Zeit“-Online veröffentlicht), war dieser Mann im Vorfeld als „massiver Störer“ aufgefallen. Was genau damit gemeint ist, das gibt die Polizei hier leider nicht an. Wer von uns allerdings bereits einmal auf einer Demonstration gewesen ist, der müsste die besondere Atmosphäre, die bei so einem Event herrscht, beurteilen können.
Laut einer Darstellung des Chaoscomputer Clubs, wollte der Mann die Dienstnummer eines der Beamten notieren, um anschließend Strafanzeige zu erstatten, weil er der Meinung war, dass ein Freund von ihm mittels unverhältnismäßiger Härte verhaftet worden war.
Laut des Polizeiberichtes war es im Vorfeld zu einem Zwischenfall mit dem sogenannten „Antifaschistischen Block“ gekommen. Deren Lautsprecherwagen wollte sich offenbar nicht an die vorher verabredete Marschroute halten, sondern unplanmäßig abbiegen. Als die Polizei dies verhindern wollte, wurde von diesem Lautsprecherwagen aus zu Straftaten gegen die Polizei aufgerufen. Die Polizei sprach daraufhin mehrere Platzverweise aus, u.a. auch gegen den Radfahrer mit dem blauen T-Shirt, welchen dieser angeblich nicht nachgekommen ist.
Versetzt euch jetzt mal einen Ort des Geschehens. Auch auf der einen Seite stehen die friedlichen Demonstranten, zu denen wahrscheinlich auch der Radfahrer im blauen T-Shirt gehört. Auf der anderen Seite steht der schwarze Block. Dieser hält sich nicht an die es vorher vereinbarten Regeln. Daher sieht sich der „Schiedsrichter“ – die Polizei – gezwungen einzugreifen, und das völlig zu Recht. Der schwarze Block ruft nun mittels Lautsprecher die umstehende Menge zu Straftaten auf. Wahrscheinlich werden sie dazu aufgefordert haben, den Anweisungen der Polizei nicht Folge zu leisten und sich nicht von der Polizei vom Platz verweisen zu lassen, denn schließlich könne die Polizei nicht bestimmen, was man zu tun und zu lassen habe. Weiterhin fliegen Flaschen. So etwas heizt die Stimmung an, auch bei den friedlichen Demonstranten, welche nun in den Aktionen der Polizei eine Einschränkung ihrer Rechte sehen. Mit ziemlicher Sicherheit kommt es zu Pöbeleien gegen Polizeibeamte.
Ich sehe das so, dass der Mann im blauen T-Shirt wahrscheinlich tatsächlich seine Rechte (oder die eines anderen) irgendwie eingeschränkt empfunden hat, deswegen unbedingt die Dienstnummer des Polizisten notieren wollte, und solange er diese nicht hat auch gar nicht eingesehen hat den Anweisungen der Polizei (Platzverweis) Folge zu leisten. Wahrscheinlich haben die Polizisten ihn in dieser Stresssituation als störend empfunden, er hat ihre Arbeit behindert und er wollte ihn zusätzlich auch noch ans Bein pinkeln.
Natürlich ist das kein Grund gewalttätig zu werden. Die Handlung des Polizisten in dem Video, welche scheinbar völlig unprovoziert stattgefunden hat, ist skandalös, selbst wenn der Beamte sich durch den Mann genervt und in seiner Arbeit behindert gefühlt hat. Man sollte meinen, dass Polizeibeamte, auch welche auf Demonstrationen eingesetzt werden, lernen und trainieren mit diesem Stress fertig zu werden, sich nicht provozieren zu lassen und zu deeskalieren. Ein Polizeibeamter, der sich nicht im Griff hat und dies nicht kann, der gehört aus dem Verkehr gezogen, erstrecht, wenn er Situationen wie diese ausnutzt, um persönliche Gewaltgelüste zu befriedigen. Gerade die Berliner Polizei ist in letzter Zeit häufiger
in die Schlagzeilen gekommen, z.B. als bei einem aus 30 Mann bestehende Zug der Bereitschaftspolizei bei 12 Mann sogenannte Quarzsandhandschuhe gefunden wurden, die für Polizisten eigentlich nicht zulässig sind.
Dennoch rufe ich an dieser Stelle dazu auf, hier nicht auf Grundlage eines verwackelten Videoausschnitts zu urteilen, ohne die gesamten Situation zu kennen.
Hier das obige Video nochmal entwackelt.Hier ein Video, welches die Situation kurz vorher zeigt.