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Autor Thema: [Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung  (Gelesen 23701 mal)

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Tzelzix

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #45 am: 22. Februar 2010, 08:20:08 »
Außerdem scheinst du dir nicht vorstellen zu können, dass ich Charaktere spielen kann, die zu komplexem und trotzdem fehlerhaften Verhalten fähig sind. Spielt aber alles keine Rolle, wenn du mein Beispiel widerlegen willst, musst du mir schon BEWEISEN, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, in der das von mir geschilderte Verhalten des SC die charaktergetreuste Darstellungsmöglichkeit wäre.

Ich würde an der Stelle gern mal ein Paar Begrifflichkeiten ausräumen, weil diese nur als Phrasen im Raum stehen und den Blick auf das versperren, das eigentlich wichtig ist.

1. Charaktergetreue Darstellung existiert nicht
2. Fehlerhaftes Verhalten seitens des Charakters existiert nicht

Es gibt im Spiel nur eine einzige Sache: Den Willen und die Vorstellung des Spielers. Da man als Spieler sowohl Autor als auch Darsteller ist, ist man die einzige Instanz, die eine genaue Vorstellung davon hat, wie der Charakter denn sein soll. Darauf hat Wormy ja auch gepocht, an dieser Stelle herrscht absolute und alleinige Autorenschaft.

Die Interpretation der eigenen Wünsche wie der Charakter genau sein soll kann dann dazu führen, dass man erklärt, der charakter verhalte sich eigentlich "falsch" oder man verhalten sich "charaktergetreu", aber tatsächlich ist das völlig irrelevant. Der Charakter ist so wie man will, er tut das, was man will.
Never attribute to malice that which can be adequately explained by stupidity.

Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #46 am: 22. Februar 2010, 08:29:07 »
Zitat von: Tyrion
Aber wenn du das nicht als Problem siehst, sehe ich zugegebenermaßen auch kein großes Problem. Dann bist du ja gemäßigter Immersionist

Meinethalben, wobei ich die Sachen, die du in Bezug auf Autorenkontrolle kritisierst, gar nicht als Teil von Immersion ansehe. "Im Vakuum" zu agieren, wäre ja gerade das Gegenteil von Immersion, und als "Autor" eines Charakters mehr Kontrolle auszuüben, als es diesem Charakter tatsächlich möglich wäre, hat für mich auch nichts mit Immersion zu tun. Gilt übrigens auch dann, wenn ich mich in einem System bewege, bei dem die Spieler mehr in die Welterschaffung eingebunden sind als das traditionell bei D&D der Fall ist.

Tatsächlich ist das Thema Welterschaffung mit der Grund, warum ich mit BW gar nicht so viel anfangen kann. Wenn das Spiel quasi ausschließlich auf die Charaktere fokussiert ist und die Welt drum herum nur insoweit existiert, wie das in Bezug auf die Charaktere gerade von Nöten ist, ist das für mich herzlich wenig interessant. Sicher kann man das auch in BW oder sonstwo anders handhaben, aber dann lande ich wieder irgendwann genau bei der Spielweise, die ich eh schon ganz unabhängig vom System betreibe. Dazu muss ich also nicht erst das System wechseln.

Zitat
Ich hatte BW gewählt, weil es da eben mechanische Zwänge gibt – der Spieler des Paladins kann den Waldläufer durch eine Probe dazu bringen, und bei D&D ist das m.W. nicht so direkt möglich.

Das ist für mich gerade die Grenze. Ich kenn BW nicht gut genug, um zu wissen, ob es da eingebaute Beschränkungen gibt, die den Missbrauch dieser Zwänge verhindern, aber auf Anhieb klingt das für mich erst mal sehr unsympathisch, weil damit eben Brüche in der Konsistenz des Charakters erzwungen werden können. Da ist es mir ehrlich gesagt viel lieber, wenn es diese Regelmechanismen eben nicht gibt. Letztlich sind wir da schon wieder beim guten Willen der Mitspieler angelangt. Ist dieser vorhanden, gebe ich die Kontrolle gerne freiwillig ab (ob nun mit oder ohne konkrete Regelmechanismen). Kann ich ihn nicht erkennen, spiele ich gar nicht erst mit den betreffenden Leuten. BW löst da also quasi ein Problem, dass ich gar nicht erst habe. ^^
« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 08:52:31 von Wormys_Queue »
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Wormy's Worlds

Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #47 am: 22. Februar 2010, 08:51:37 »
Gerade nach dem, was du beschreibst, wäre es also völlig egal, ob ihr D&D oder sonst irgendetwas spielt. Die konkreten Regeln, die im Hintergrund lauern, sind völlig egal.

Das ist letztlich die Quintessenz, richtig. Und beantwortet letztlich auch die weiter oben von dir gestellte Frage. Ich spiele nicht in erster Linie D&D, DSA oder BW, sondern ich betreibe in erster Linie Rollenspiel. Dass ich als zugrundeliegendes Regelsystem in erster Linie D&D benutze, liegt in erster Linie daran, dass mir die mitgelieferten Kampagnenwelten (Greyhawk, Realms, neuerdings Golarion) so gut gefallen.* Wenn ich DSA spiele, dann nicht wegen (auch nicht trotz) der Regeln, sondern einfach deswegen, weil mir die Kampagnenwelt so gut gefällt. Und wenn ich mir ne eigene Welt baue, dann ist es halt einfach am bequemsten, dazu das Regelsystem zu verwenden, mit dem ich mich am besten auskenne. Wäre ich mit BW großgeworden, wäre das möglicherweise also so, dass ich alles auf dieses System umbiegen würde. Ganz einfach deswegen, weil ich Systeme eh nur als Mittel zum Zweck (Rollenspiel) ansehe und jede Beschäftigung mit den Systemen darüber hinaus als reine Zeitverschwendung betrachte.

Zitat
Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ihr in eurer Runde zur Zufriedenheit und Unterhaltung aller auch tiefgängige soziale Konflikte ausschöpft ohne dabei hinterher einen sauren Beigeschmack produziert zu haben.

In erster Linie spiele ich das Spiel gar nicht, um so etwas zu versuchen, tiefgängige soziale Konflikte hab ich in der Realität genug, da brauch ich das nicht auch noch im Spiel. Auf der anderen Seite lege ich es aber auch gar nicht darauf an, diesen sauren Beigeschmack zu vermeiden, der bei solchen Konflikten zwangsläufig entsteht. Das ist Teil der Immersion, und wenn sich da die Gefühle des Charakters auf mich übertragen, dann hab ich automatisch etwas richtig gemacht. Ich muss halt nur darauf achten, dass das ganze auf der Charakterebene bleibt und sich nicht auf die Spielerebene überträgt. Und die einzigen Male, wo das nicht so gut klappte, war in meiner Erfahrung dann, wenn es zwischen den Spielern eh schon nicht stimmte.


*in zweiter Linie am Kampfsystem, was so ziemlich den Hauptbereich dessen abdeckt, was mich nicht interessiert. Dass D&D gerade da seinen Schwerpunkt hat, erlaubt mir also, meine Zeit auf die Inhalte zu verwenden, an denen ich Spass habe
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Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #48 am: 22. Februar 2010, 09:55:16 »
Weiterhin sagt mir meine persönliche Erfahrung, dass Konflikte zwischen Charakteren grundsätzlich am Tisch nicht funktionieren, wenn es dafür keine vorher vereinbarten Konfliktmechaniken gibt. In den D&D-Runden, in denen ich gespielt habe, hat sich am Tisch immer das "soziale Alphatier" oder der, der lauter reden konnte, durchgesetzt, weil der Gegenüber irgendwann nicht mehr widersprechen wollte oder der Ingame-Streit zu sehr eskaliert ist.

Siehe oben. Ich bin kein Freund von Spielerkonflikten, aber für den seltenen Fall, dass sie vorkommen, kann ich auf meine Fertigkeitenherausforderung (die "Zereissprobe") als spielmechanisches Template zurückgreifen, um das zu verhindern, was Du ansprichst: dass das Alphatier die restlichen Spieler in Grund und Boden redet.

Das einzige, was man auf diesem Weg an sozialer Aktion bewältigt bekommt ist gruppenkonformes Geplänkel. Eine starke Motivation, ein persönliches Ziel, das unter allen Umständen verfolgt wird, auch gegen die eigenen Mitspieler (bzw. deren Charaktere), kann man so kaum vernünftig abbilden. Die Immersion, die du porträtierst oder das, was ich daraus deutete, endet dann bei solchen Kleinigkeiten wie "Goblinhass" oder "hatte eine schwere Kindheit". Damit will ich nicht schmälern, dass man auch ohne jedes Hilfsmittel ganz wunderbar tiefgängige Charaktere spielen kann, die komplexe Entscheidungen in ihrem eigenen Wertesystem treffen, aber der Konflikt an der Grenze zu anderen Wertesystemen (auch der der anderen Charaktere / Spieler), scheidet dabei aus oben genannten Gründen meistens aus.

Ich sehe das ähnlich wie Wormy,

Zitat
Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass ihr in eurer Runde zur Zufriedenheit und Unterhaltung aller auch tiefgängige soziale Konflikte ausschöpft ohne dabei hinterher einen sauren Beigeschmack produziert zu haben.
In erster Linie spiele ich das Spiel gar nicht, um so etwas zu versuchen

und möchte noch ergänzen: wir spielen D&D grob zwei mal im Monat. Daneben her spielen wir Brettspiele, Miniaturenspiele, und Cosims. Genau wie jedes andere dieser Spiele erfüllt D&D eine bei uns genrebedingte Rolle. Sprich, das einzige, was wir vom Spiel wirklich erwarten, ist das herkömmliche Abenteuerrollenspiel. Im Vordergrund steht, auf Questen zu gehen und die Welt zu erkunden. Das ist also wirklich eher seicht und "escapist", das Innenleben der Charaktere wird selten thematisiert, und herzzreissende Szenen wie zwischen Hamlet und Ophelia bleiben am Spieltisch außen vor, es sei denn sie lassen sich persiflierend verunstalten. Mein Fazit zu einer Abenteuerrezension gibt den Grundtenor dessen, war wir uns vom Spiel erwarten, ziemlich gut wieder:

Zitat
Meine persönliche Wertung von 4.0 ergibt sich daraus, dass ich das Abenteuer trotz aller Bedenken „by the book“ mit meiner Gruppe spielen werde. Zum einen können wir uns auf zweidimensionale NSCs und eine Schlachtplatte der alten Schule wie kleine Jungs freuen. Zum anderen ist "Rache der Riesen" quasi der Rosamunde-Pilcher-Film am D&D-Horizont. Sämtliche Klischees eines D&D-Abenteuers werden kompromisslos bedient und rettungslos überzeichnet. Das Resultat kann sich sehen lassen und wird kleinen und großen Kindern zweifellos viele schöne Spielstunden bescheren.

Mit einem Satz - und hier zitiere ich meine erste Signatur im Gate,

Zitat von: Talwyn
Rollenspiel ist Trash, Trash übelster Sorte, und das ist verdammt noch mal gut so.
« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 09:59:22 von Windjammer »
A blind man may be very pitturesque; but it takes two eyes to see the picture. - Chesterton

Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #49 am: 22. Februar 2010, 10:45:23 »
Nur damit an dieser Stelle kein falscher Eindruck aufkommt: Mir gehts an der Stelle gar nicht wirklich darum, BW irgendwie die Existenzberechtigung abzusprechen oder das reine Vorhandensein solcher Regelmechaniken irgendwie negativ zu werten. Mir ist nur in diesem Thread gerade bei Tzelzix' Posts wieder aufgefallen, was mich in Diskussionen wie dieser so oft irritiert. Das nämlich D&D für eine bestimmte mit dem System betriebene Spielweise kritisiert wird, dir mir eigentlich vollkommen fremd ist. Und gleichzeitig andere Systeme dafür gelobt werden, das sie eine Spielweise fördern, die ich im Prinzip schon seit Jahren mit D&D betreibe (ohne dafür großartig am System rumzudoktorn oder mich besonders eingeschränkt zu fühlen).
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Thargor

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #50 am: 22. Februar 2010, 10:50:09 »
Vielen Dank an alle Beteiligten dieses Threads! Eure Worte haben so Einiges offen gelegt, was bei mir unbewusst schlummerte, ich aber nicht recht fassen konnte. Das ist wirklich klasse!

Vielleicht noch ein, zwei Gedanken von mir. Als Vorbemerkung muss ich noch erklären, dass meine Gruppe ortsbedingt nur noch per Internet spielt. Da man sich da nicht mehr gegenüber sitzt, ist das Spielen sowieso ganz anders (Man sieht nicht wie der andere reagiert, man nutzt andere Hilfsmittel, ...).

Ich hatte mal als Idealziel auch die "totale Immersion", doch mir ist das als SL und als Spieler nie geglückt. Ich habe wirklich vieles probiert, das ging soweit, dass ich eben nur noch mit einem Spieler gesprochen haben wenn die anderen Charaktere nicht dabei waren usw. Ich sehe diese Herangehensweise für meine Gruppe aber als gescheitert an.
Wenn Immersion bei anderen Gruppen klappt, dann kann ich nur sagen: Seid glücklich und froh darüber. Das hat wirklich Seltenheitswert.

Was Charakter in Burning Wheel angeht, so sehe ich auch ein Unterschied zu den Charaktern in D&D: In Burning Wheel gibt man Eckpunkte vor und sieht dann wie sich der Charakter entwickelt. Das liegt nicht mehr allein in Spielerhand. Das finde ich total spannend. Die Geschichte baut auf die Charakter auf.
In D&D habe ich eine gute Vorstellung wie mein Charakter reagiert (reagieren soll). Ich kann quasi heute schon sagen wie er in der und der Szene reagieren wird (eben weil ich das "entscheide"). Das ist imho schon ein großer Unterschied. Was einem mehr liegt muss jeder selber wissen/ausprobieren.

Was Konsequenzen von Entscheidungen angehen: Ich habe das bei meiner D&D Runde wie in Burning Wheel eingeführt und meine Spieler finden das gut. Vorher wussten sie nie was für Konsequenzen ihr handeln hat. Jetzt sage ich es Ihnen offen und für sie wird die Welt "lebendiger" und verständlicher.  Das geht natürlich total gegen die "Immersion" fördert aber für uns den Spielspaß.

« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 11:10:34 von Thargor »

Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #51 am: 22. Februar 2010, 11:14:39 »
Was Charakter in Burning Wheel angeht, so sehe ich auch ein Unterschied zu den Charaktern in D&D: In Burning Wheel gibt man Eckpunkte vor und sieht dann wie sich der Charakter entwickelt. Das liegt nicht mehr allein in Spielerhand. Das finde ich total spannend.
In D&D habe ich eine gute Vorstellung wie mein Charakter reagiert (reagieren soll). Ich kann quasi heute schon sagen wie er in der und der Szene reagieren wird (eben weil ich das "entscheide"). Das ist imho schon ein großer Unterschied. Was einem mehr liegt muss jeder selber wissen/ausprobieren.

Hehe, wie lustig, das ist jetzt wieder Wasser auf meine Mühle. Wenn mich nämlich jemand fragen würde, wie ich meine D&D-Charaktere baue, würde ich wahrscheinlich antworten, dass ich Eckpunkte vorgebe und dann sehe, wie sich der Charakter entwickelt. Warum ich nicht denke, dass diese Entwicklung allein in meiner Hand liegt, hab ich ja schon weiter oben dargestellt. Insoweit ist der für dich große Unterschied für mich gar nicht existent. :)
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Thargor

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #52 am: 22. Februar 2010, 11:55:10 »

Wie gesagt, wenn das bei euch klappt: Super. Meiner Meinung nach ist das aber sehr selten.

Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten und da sind die eigentlichen Charaktere immer eher blass gewesen und haben sich auch nicht sehr entwickelt (das liegt sicher an vielen verschiedenen Faktoren).

Beispielsweise soziale Konflikte:
In erster Linie spiele ich das Spiel gar nicht, um so etwas zu versuchen, tiefgängige soziale Konflikte hab ich in der Realität genug, da brauch ich das nicht auch noch im Spiel.

Burning Wheel baut auf diese Konflikte auf. Die Aussage ist: Geschichten entstehen durch Konflikte. Wenn es keine Konflikte gibt, dann gibt es keine fesselnde Geschichte. Und je näher die Konflikte an den Spielern sind, desto besser. Deshalb sollen die Spieler die Konflikte formulieren, die sie interessieren.

Auf der anderen Seite lege ich es aber auch gar nicht darauf an, diesen sauren Beigeschmack zu vermeiden, der bei solchen Konflikten zwangsläufig entsteht. Das ist Teil der Immersion, und wenn sich da die Gefühle des Charakters auf mich übertragen, dann hab ich automatisch etwas richtig gemacht. Ich muss halt nur darauf achten, dass das ganze auf der Charakterebene bleibt und sich nicht auf die Spielerebene überträgt.

Meine Erfahrung bei D&D zeigt, dass Konflikte sich immer auf die Spielerebene übertragen. Wenn das bei euch nur selten der Fall ist, kann ich nur wieder sagen: Super! Auch aber auch hier: Meiner Meinung nach ist das sehr selten.
In den Situation in denen ich das erlebt habe, kommt dann oft die Mein-Charakter-ist-aber-so-"Rechtfertigung". Die Folge ist, dass die Stimmung im Keller ist. Das ist nicht die Art von Immersion, die ich mir wünsche. Letztlich hat das bei uns dazu geführt, dass solche Konflikte so weit wie möglich umschifft werden - was imho unter anderem die Charakterentwicklung und -Definition hindert.


Wormys_Queue

  • Mitglied
[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #53 am: 22. Februar 2010, 12:34:27 »
Burning Wheel baut auf diese Konflikte auf. Die Aussage ist: Geschichten entstehen durch Konflikte. Wenn es keine Konflikte gibt, dann gibt es keine fesselnde Geschichte. Und je näher die Konflikte an den Spielern sind, desto besser. Deshalb sollen die Spieler die Konflikte formulieren, die sie interessieren.

Vorsicht: wir redeten von "tiefgängigen,sozialen Konflikten". Das, was bisher in diesem oder anderen BW-bezogenen Threads im Gate an Beispielskonflikten formuliert wurde, fällt nur in den allerseltensten Fällen für mich in genau diese Kategorie. Falls ihr aber genau diese Art von Konflikten damit meint, gibts die in "meinem" D&D aber auch en masse. Wahrscheinlich mit dem Unterschied, dass sie sich bei mir organisch aus dem Spiel heraus entwickeln, während sie bei BW offenbar schon im Vorfeld formuliert werden, und das Spiel dann daraufhin angepasst wird.

Meine Erfahrung bei D&D zeigt, dass Konflikte sich immer auf die Spielerebene übertragen. Wenn das bei euch nur selten der Fall ist, kann ich nur wieder sagen: Super! Auch aber auch hier: Meiner Meinung nach ist das sehr selten.

Keine Ahnung, ich kenns halt gar nicht anders. Bin allerdings der festen Überzeugung, dass das letztlich gar kein System-, sondern ein Spielerproblem ist. Sprich mit den Spielern, mit denen ich bei D&D aneinandergeraten würde, würde ich auch bei BW aneinandergeraten.

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Wormy's Worlds

Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #54 am: 22. Februar 2010, 12:43:30 »
Burning Wheel baut auf diese Konflikte auf. Die Aussage ist: Geschichten entstehen durch Konflikte. Wenn es keine Konflikte gibt, dann gibt es keine fesselnde Geschichte. Und je näher die Konflikte an den Spielern sind, desto besser.

Sehe ich genauso. Die Unterschiede ergeben sich wohl darin, dass bei BW die Konflikte stärker in der SC-Gruppe selber liegen, während der Klassiker bei D&D wohl ist, dass die SC ein Team bilden, dass gegen jemand anders antritt. Nehmen wir den Kingmaker Adventure" Path als Beispiel, oder Von Eigenen Gnaden (ein DSA 4.1 Kaufabenteuer): die Spieler haben die Möglichkeit, dass ihre Charaktere zu den Oberfehlshabern einer kleinen Baronie (o.ä.) werden. Das Abenteuer gibt weniger eine feste Handlung vor, die der SL bereits im Fertigguss auf den Spieltisch knallt. Sondern, dem SL werden Infos gegeben, welche Hindernisse auf die SC vor und nach diesem Schlüsselerlebnis wartet - also wie kommen sie überhaupt an die Baronien (Fremdübernahme), und gegen welche Kräfte gilt es diese hernach nach außen zu verteidigen. Bis auf das Schlüsselmotiv des Abenteuer(-Pfade)s, nämlich dass die Spieler Baronien übernehmen, ist der Rest recht frei.

Das ist natürlich meilenweit von einem Rollenspielen ohne Kaufabenteuer entfernt, aber der Hauptkritikpunkt vieler (gerade DSA-)Kaufabenteuer war immer, dass die eigentlichen Konflikte der Spielwelt weitab von den SC stattfinden. Der größte Abenteuerpfad für DSA, Die sieben Gezeichneten, wird nicht ungefähr als Die Zaungäste der Borbaradkrise bezeichnet.

Deshalb sollen die Spieler die Konflikte formulieren, die sie interessieren.

Dieser Satz schließt an das vorige Zitat unmittelbar an. Ich kann das "Deshalb" nicht so ganz verstehen. Ich finde ja auch, dass wenn meine Spieler ihre Charaktere entwickeln, sowohl vor als auch während der Kampagne, dass ich diese Dinge thematisiere und oft in Konflikte mit NSC hineintrage. (Ist ja der Klassiker, dass der Bösewicht, der die Eltern des Waldläufers umgebracht hat, auf ebendiesen im Burgverlies Nr. 145 wartet.) Gut ist auch, auf jede Info seitens des Spielers zu achten, worauf er im Spiel wert legt - und das dann unauffällig aber effektiv in die Kampagne einzuarbeiten.

Aber dieses System bei BW, dass das ganze explizit macht (wie Tyrion so schön schreibt)... das erinnert mich ein wenig an die Weihnachts-Geschenkwunschliste, die es bei D&D 4E für die magischen Gegenstände gibt. Da wird für meinen Geschmack zuviel vorweggenommen, und die resultierende Dynamik ("ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir") übt genauso wenig Sex-Appeal auf mich aus wie die Dramen des Marquis de Sade. Wenn Du die gelesen hast, weißt Du was ich meine.

« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 12:47:42 von Windjammer »
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Thargor

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #55 am: 22. Februar 2010, 13:24:09 »
Sehe ich genauso. Die Unterschiede ergeben sich wohl darin, dass bei BW die Konflikte stärker in der SC-Gruppe selber liegen, während der Klassiker bei D&D wohl ist, dass die SC ein Team bilden, dass gegen jemand anders antritt.

Meiner Meinung nach Nein. In Burning Wheel müssen die Konflikte nicht in der Gruppe liegen. Es gibt eben nur ein Konfliktmechanismus wie man solche Konflikte lösen kann - und ich bin der Meinung, dass ist ein Mechanismus bei dem sich vermeiden lässt,dass sich die Spieler in die Haare bekommen.

Nehmen wir den Kingmaker Adventure" Path als Beispiel, oder Von Eigenen Gnaden (ein DSA 4.1 Kaufabenteuer): die Spieler haben die Möglichkeit, dass ihre Charaktere zu den Oberfehlshabern einer kleinen Baronie (o.ä.) werden. Das Abenteuer gibt weniger eine feste Handlung vor, die der SL bereits im Fertigguss auf den Spieltisch knallt. Sondern, dem SL werden Infos gegeben, welche Hindernisse auf die SC vor und nach diesem Schlüsselerlebnis wartet - also wie kommen sie überhaupt an die Baronien (Fremdübernahme), und gegen welche Kräfte gilt es diese hernach nach außen zu verteidigen. Bis auf das Schlüsselmotiv des Abenteuer(-Pfade)s, nämlich dass die Spieler Baronien übernehmen, ist der Rest recht frei.

Ich kenne die Abenteuer nicht, sie klingen aber recht "ungewöhnlich", wenn man normale Kaufabenteuer betrachtet. Allerdings verstehe ich nicht was das jetzt mit dem Thema zu tun hat.

Dieser Satz schließt an das vorige Zitat unmittelbar an. Ich kann das "Deshalb" nicht so ganz verstehen. Ich finde ja auch, dass wenn meine Spieler ihre Charaktere entwickeln, sowohl vor als auch während der Kampagne, dass ich diese Dinge thematisiere und oft in Konflikte mit NSC hineintrage. (Ist ja der Klassiker, dass der Bösewicht, der die Eltern des Waldläufers umgebracht hat, auf ebendiesen im Burgverlies Nr. 145 wartet.) Gut ist auch, auf jede Info seitens des Spielers zu achten, worauf er im Spiel wert legt - und das dann unauffällig aber effektiv in die Kampagne einzuarbeiten.

Ich kann mich nur wiederholen: Wenn das bei euch so klappt: Super
Burning Wheel sagt: wieso soll der SL versuchen diese Infos aus den Spielern, deren Werten, Spielweise und Charakterblatt (also den Flaggen) herauszudeuten. Die Spieler können es mir doch auch direkt sagen. So entstehen keine Missverständnisse, es ist offen und transparent.

Ich persönlich sehe als weiteren Vorteil, dass die Spieler gezwungen werden darüber nachtzudenken, was sie denn wollen. Das ist natürlich ganz im Gegensatz zum buchähnlichen Abenteuer, bei dem die Spieler etwas vorgesetzt bekommen.

Aber dieses System bei BW, dass das ganze explizit macht (wie Tyrion so schön schreibt)... das erinnert mich ein wenig an die Weihnachts-Geschenkwunschliste, die es bei D&D 4E für die magischen Gegenstände gibt. Da wird für meinen Geschmack zuviel vorweggenommen, und die resultierende Dynamik ("ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir") übt genauso wenig Sex-Appeal auf mich aus wie die Dramen des Marquis de Sade. Wenn Du die gelesen hast, weißt Du was ich meine.

Nein, hab ich nicht gelesen.
Aber die Dynamik ist nicht "ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir" sondern "ich sag Dir, wie ich's gern hätte, Du gibst es mir aber dafür tritt eine andere Komplikation auf"

Aber irgendwie verlieren wir uns jetzt in Kleinklein und entfernen uns mehr vom Thema.
Ich habe ein wenig das Gefühl, dass der Thread langsam in eine Rollenspiel-System-Verteidigung abrutscht und hier will niemand irgendjemand ein System schlecht machen. Das perfekte System gibt es ja nicht.
« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 13:27:42 von Thargor »

Windjammer

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #56 am: 22. Februar 2010, 13:36:27 »
Nur damit an dieser Stelle kein falscher Eindruck aufkommt: Mir gehts an der Stelle gar nicht wirklich darum, BW irgendwie die Existenzberechtigung abzusprechen

Mir schon... ;)

Ne im Ernst.

Immer wenn Männer von ihrem Systemwechsel oder, noch schlimmer, von ihrem Editionswechsel reden, fühle ich mich an Gespräche erinnert, wo einer seinen Partnerwechsel schönredet. Klar, die Neue ist toll, so experimentierfreudig, und was probiert man nicht alles aus, was man sich bei der Alten nie getraut hätte. Dabei wird vertuscht was für alle offensichtlich ist, nämlich dass die alte viel mehr hergemacht hat. Gerade äußerlich. Und eigentlich war sie so unfreudig beim Experimentieren ja auch nicht...

Ich hingegen .... Ich lebe quasi polygam. Und deshalb kann ich über alle Systeme und Editionen gleichermaßen herzhaft herziehen, wenn mir eine mal nicht zu Gesicht steht.
« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 13:43:46 von Windjammer »
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Wormys_Queue

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #57 am: 22. Februar 2010, 13:37:40 »
Allerdings verstehe ich nicht was das jetzt mit dem Thema zu tun hat.

Das hat damit zu tun, dass

Zitat
die Spieler gezwungen werden darüber nachtzudenken, was sie denn wollen. Das ist natürlich ganz im Gegensatz zum buchähnlichen Abenteuer, bei dem die Spieler etwas vorgesetzt bekommen.

Und ist damit ein Hinweis darauf, dass das System D&D gar nicht verhindert, den Fokus auf die Charaktere zu setzen.


edit: Hm, das heisst also, wenn ich die 4E bashe, bin ich also nur ehrlich  :D :D
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Wormy's Worlds

Tyrion the Imp

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[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #58 am: 22. Februar 2010, 13:43:25 »
(3 Neue Beiträge nicht gelesen, hole ich jetzt nach)

Ich gehe jetzt primär auf den Anfang und das Ende der Beiträge ein, die seit letzter Nacht kamen; zur Not muss man noch mal was wiederholen, falls ich was wichtiges übersehen habe.

Zitat
b) ausspielen, wie dein Waldläufer die taktische Situation erkennt, mit sich ringt, und schließlich schweren Herzens den Magier attackiert. Dafür bekäme er einen Persona-Punkt (besser als Fate), weil er den festgesetzten Rahmen seiner Beliefs auf interessante Weise verlassen hat.

Ach du große Güte. Ausreden, um dieses System zu meinen Gunsten für willkürliches Charakterspiel zu misbrauchen, schüttel ich mir aber im Sekundentakt aus dem Ärmel. Da ist überhaupt nix interessantes dran und letztlich hängt mein Verhalten nur noch davon ab, ob ich grad lieber nen Fate- oder nen Personapunkt haben möchte. Glaubwürdig darstellen kann ich eh beides.

Heisst nicht, das ich es so machen würde. Heisst nur, dass sich das System genauso leicht missbrauchen lässt wie das nicht vorhandene von D&D. Womit wir wieder beim guten Willen der Spieler angelangt wären.
Ich sehe das nicht als Missbrauch an, und bei D&D wird ja auch nichts missbraucht – es gibt ja nichts, was man missbrauchen kann. Aber das rückt hier doch sehr in eine Systemdiskussion, die ich eigentlich nicht führen möchte, das gabs schon tausendmal :)

Zitat
Das mein Beispiel nur funktioniert, wenn die von dir gezeichnete Option eben nicht charaktergetreu wäre (z.B. weil es dem Charakter an taktischer Intelligenz mangelt), sollte klar sein. Darüber hinaus riskiere ich in beiden Fällen etwas; in einem Fall den Gruppenerfolg, im anderen die Konsistenz des Charakters, beides Dinge, die für mich wesentlich grundlegender sind, als das was du im nachfolgenden, als Risiko betrachtest.

Zitat
Das war ein bewusst auf den Kern reduziertes Beispiel. Wenn du dir nicht vorstellen kannst, das ein Charakter in der von mir angerissenen Situation auf die von mir beschriebene Weise reagieren würde, ohne dabei vorher noch bei Sun Tze nachzuschlagen, ob das auch clever wäre, ist das echt nicht mein Problem. Was du anscheinend übersiehst, ist, dass ich meinen Charakter ja nicht erst in dem Moment dieses Ereignisses zu entwickeln beginne (wenns nicht grade der Kampagnenstart ist). Außerdem scheinst du dir nicht vorstellen zu können, dass ich Charaktere spielen kann, die zu komplexem und trotzdem fehlerhaften Verhalten fähig sind. Spielt aber alles keine Rolle, wenn du mein Beispiel widerlegen willst, musst du mir schon BEWEISEN, dass es absolut keine Möglichkeit gibt, in der das von mir geschilderte Verhalten des SC die charaktergetreuste Darstellungsmöglichkeit wäre. Dass es unendlich viele andere Möglichkeiten der Charakteranlage gibt weiss ich selbst. Nur weiss ich zu Beginn der Kampagne typischerweise nicht, dass wir irgendwann auf einen Magier mit 3 Goblins treffen werden.

Das ziehst du falsch herum auf. Ich behaupte ja nicht, dass dein Charakter "falsch" handelt – ich behaupte, dass DU keinerlei Anhaltspunkt oder Beweis dafür hast, dass dein Charakter genau so handeln würde. Du kannst deinen Charakter nicht falsch handeln lassen, weil dein Charakter nur in deinem Verhalten existiert. Und das, was du deinen Charakter tun lässt, ist eben genau das, was dein Charakter tun würde – weil er es tut. Du spielst also per definitionem charaktergetreu.

Wenn überhaupt, dann musst du mir beweisen, warum der Charakter, den du ja nicht mal auf diese Begegnung hin angelegt hast, UNBEDINGT diese Entscheidung treffen muss und nicht z.B. aus anderen Gründen doch zuerst den Magier angreifen könnte.

Den Konflikt des Charakters mit der Gruppe, mit der taktischen Situation oder womit sonst gibt es NUR, weil du als Spieler den in diesem Moment haben möchtest – oder im Extremfall weil du das zwar nicht willst, aber fälschlicherweise meinst, das sei "charaktergetreu" und deshalb erforderlich. Dein Charakter ist trotzdem nur Werkzeug deines Willens, und dann kannst du auch gleich die Entscheidungen bewusst an deinem Willen orientieren. Womit wir zu Windjammer kommen:

Aber dieses System bei BW, dass das ganze explizit macht (wie Tyrion so schön schreibt)... das erinnert mich ein wenig an die Weihnachts-Geschenkwunschliste, die es bei D&D 4E für die magischen Gegenstände gibt. Da wird für meinen Geschmack zuviel vorweggenommen, und die resultierende Dynamik ("ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir") übt genauso wenig Sex-Appeal auf mich aus wie die Dramen des Marquis de Sade. Wenn Du die gelesen hast, weißt Du was ich meine.
de Sade ist der Grund, das Sadismus einen schlechten Namen hat ;) Oder der war SO sadistisch, dass der so was extra schrieb... na ja, zum Thema:

Das ist so ein Punkt, bei dem ich nur mit dem Kopf schütteln kann und sagen kann: ich verstehe es nicht. Das, was auch schon bei Wormy durchklingt – "ich weiß typischerweise nicht, dass wir irgendwann auf einen Magier mit 3 Goblins treffen" – wird hier noch mal... ähem... expliziert :) Und ich sage: GANZ GENAU VERDAMMT!

Da macht Wormy einen Waldläufer mit Goblinhass, weiß aber nicht, ob er überhaupt auf Goblins treffen wird, in Situationen, denen er mit seinem Charakter durch diesen Hass eine bestimmte Richtung geben kann. Und du sagst: Ich will gar nicht wissen, ob ich auch das kriege, was ich haben will.

Auf den ersten Blick (s.u.) klingt das so, als sei es euch lieber, ihr habt Rollenspielabende, die ihr vollkommen scheiße findet, als solche, bei denen bewusst darauf geachtet wird, dass ihr Spaß habt, weil die bewusste Achtung langweilig ist. Normal wäre: Mein Charakter hasst Goblins, also gehe ich verdammt noch mal davon aus, dass Goblins vorkommen werden – was soll das sonst? Wobei bei D&D mit Kaufabenteuern es oft andersherum geht: Ah, die Kampagne enthält Goblins – also nehme ich mal Goblinhass, dann kommt das auch vor.

Ich sage auf den ersten Blick, denn durch "guten Willen" und "Gruppenvertrag" usw. geht ihr sicher doch davon aus, dass das, was ihr für euren Charakter – also euch – als wichtig festlegt, auch thematisiert wird. Und damit spielt ihr genau das, was Windjammer kritisiert, nämlich ("ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir"). Ach, da sind ja meine Goblins. Ach, da kommt endlich mal der Thron ins Spiel. Usw.

Das ist ja gerade NICHT, wie Burning Wheel es sieht. Da sagst du, was du gerne hättest, und der SL sagt: Das kriegst du aber nicht so einfach, das musst du dir schon nehmen. Du bekommst explizit versichert, dass die Gelegenheit kommen wird – so, wie du es implizit auch in anderen Systemen weißt (oder hoffst) –, aber du kannst nicht davon ausgehen, dass du es dann auch kriegst.

Und ich weiß nicht, ob die Gruppen so gut funktionieren, weil sie so gut funktionieren, oder weil sie so gut funktionieren müssen – weil also keine Möglichkeit besteht, charaktergetriebene Konflikte zu ermitteln, ist man halt daran gewohnt, sich in einer kurzen Debatte friedlich auszutauschen, und mal schluckt der eine was runter, mal der andere – was sollen sie sonst auch tun?

Und ich verstehe nicht, wie das hier stehen kann:
Zitat
wir spielen D&D grob zwei mal im Monat. Daneben her spielen wir Brettspiele, Miniaturenspiele, und Cosims. Genau wie jedes andere dieser Spiele erfüllt D&D eine bei uns genrebedingte Rolle. Sprich, das einzige, was wir vom Spiel wirklich erwarten, ist das herkömmliche Abenteuerrollenspiel. Im Vordergrund steht, auf Questen zu gehen und die Welt zu erkunden. Das ist also wirklich eher seicht und "escapist", das Innenleben der Charaktere wird selten thematisiert, und herzzreissende Szenen wie zwischen Hamlet und Ophelia bleiben am Spieltisch außen vor, es sei denn sie lassen sich persiflierend verunstalten

Und wo verdammt noch mal ist dabei Immersion? Nirgends. Das ist seichtes Monsterkloppen.

Und ein kleiner Nebensatz:
Zitat
Burning Wheel baut auf diese Konflikte auf. Die Aussage ist: Geschichten entstehen durch Konflikte. Wenn es keine Konflikte gibt, dann gibt es keine fesselnde Geschichte. Und je näher die Konflikte an den Spielern sind, desto besser.

Sehe ich genauso. Die Unterschiede ergeben sich wohl darin, dass bei BW die Konflikte stärker in der SC-Gruppe selber liegen, während der Klassiker bei D&D wohl ist, dass die SC ein Team bilden, dass gegen jemand anders antritt.
Das stimmt insofern, als dass Konflikte überhaupt erst in der SC-Gruppe selber angelegt sein können – aber es gibt ja z.B. "Burning Thac0", bei dem mit BW klassischer Dungeon Crawl gespielt wird. Der einzige Unterschied ist dann, dass der Paladin in der chaotisch guten Gruppe nicht nur ständig auf die Zähne beißen oder in inopprtunen Momenten aufs Klo gehen muss, sondern eine Handhabe hat, die Gruppe zur Gesetzestreue (z.B.) zu zwingen.
Gewinner des WM-Tippspiels 2010
»For it is the chief characteristic of the religion of science that it works«

Windjammer

  • Mitglied
[Burning Wheel] Raising the Stakes - Regelüberlegung
« Antwort #59 am: 22. Februar 2010, 13:46:45 »
Aber dieses System bei BW, dass das ganze explizit macht (wie Tyrion so schön schreibt)... das erinnert mich ein wenig an die Weihnachts-Geschenkwunschliste, die es bei D&D 4E für die magischen Gegenstände gibt. Da wird für meinen Geschmack zuviel vorweggenommen, und die resultierende Dynamik ("ich sag Dir, wie ich's gern hätte und Du gibst es mir") übt genauso wenig Sex-Appeal auf mich aus wie die Dramen des Marquis de Sade. Wenn Du die gelesen hast, weißt Du was ich meine.
de Sade ist der Grund, das Sadismus einen schlechten Namen hat ;) Oder der war SO sadistisch, dass der so was extra schrieb...

Dem kann abgeholfen werden. (Leseprobe, nicht jugendfrei.)

Ein Aufsatz Foucaults bringt es bereits im Titel auf den Punkt - "Sade, Seargent of Sex". Der Fachbegriff ist "Tableau", wo vier Figuren am Anfang des Akts die Stellungen theoretisch durchgehen ("zuerst bewegt sich Julienne dorthin, dann kommt Alfons, und wenn die fertig sind, dreht sich Alfons um und...") und dann konkret abspulen.

Es geht um die Nähe und Kongruenz von Erwartung und Erfüllung. Und die ist bei D&D nicht gegeben, nur weil der Spieler eines Waldläufer "Favourite Enemy: Goblinoid" wählt.

Und ich verstehe nicht, wie das hier stehen kann:
Zitat
wir spielen D&D grob zwei mal im Monat. Daneben her spielen wir Brettspiele, Miniaturenspiele, und Cosims. Genau wie jedes andere dieser Spiele erfüllt D&D eine bei uns genrebedingte Rolle. Sprich, das einzige, was wir vom Spiel wirklich erwarten, ist das herkömmliche Abenteuerrollenspiel. Im Vordergrund steht, auf Questen zu gehen und die Welt zu erkunden. Das ist also wirklich eher seicht und "escapist", das Innenleben der Charaktere wird selten thematisiert, und herzzreissende Szenen wie zwischen Hamlet und Ophelia bleiben am Spieltisch außen vor, es sei denn sie lassen sich persiflierend verunstalten

Und wo verdammt noch mal ist dabei Immersion? Nirgends. Das ist seichtes Monsterkloppen.

Falsch. Ob Immersion stattfindet, hängt nur von der Lebendigkeit der Gruppe ab, nicht vom thematischen Schwerpunkt der Szenen. "On days like these, I just love my job" sagt der Spieler des Barbaren, als er sich Kopf voran in die Goblinmeute stürzt.
« Letzte Änderung: 22. Februar 2010, 14:02:08 von Windjammer »
A blind man may be very pitturesque; but it takes two eyes to see the picture. - Chesterton

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