Autor Thema: "Roleplaying Encounter" in "Dungeon"-Abenteuer - das geht nun wirklich nicht!  (Gelesen 5601 mal)

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Grashüpfer

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Ich habe jetzt die Seite 42 im PHB, DMG, Rules Compendium und Dungeon Master's Book nachgeschlagen, aber nichts gefunden. Vielleicht meint Nadir die paar Zeilen über die Town Guards, die man links liegen lassen sollte, weil es keinen Spaß macht mit denen zu sprechen? So als paradigmatische Stelle über die Unfähigkeit der 4E außerhalb von Kampf und Skill-Challenge zu denken und dem "Diktat des Spaßes"?
Wenn ich die 4E kritisieren würde, wäre das mein erster Anlaufpunkt. :)
Du hast es im englischen DMG übersehen.

@Town Guards:  Mit der Tyranny of Fun, die aus diesen Passagen abgelesen wird, können die Spieler gerade das Gespräch mit den Townguards erzwingen. Weil sie es für Fun halten einen Einwohner der Stadt über deren Details auszufragen oder sich einen Kontakt zu besorgen oder ... Soll heißen sobald jemand wegen Fun ein X Encountereinfordert, ist es zu spielen.

Ja, das ist klar. Jeder hat ne andere Vorstellung davon, was Spaß macht - die Town-Guard-Passage war eben im DMG doch sehr... sagen wir mal "unglücklich" gewählt und hat einen sehr subjektiven Standpunkt vertreten, was man denn jetzt unter Spaß oder nicht Spaß verstehen kann.

Das mit der Seite 42 habe ich echt übersehen. Ich dachte nach Nadirs letztem Kommentar, dass es wirklich etwas mit dem Anhalter zu tun hat.  -_-
Kritikloser D&D-Fanboy seit 1998.

Wormys_Queue

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Mit der Tyranny of Fun, die aus diesen Passagen abgelesen wird,

wird gar nicht, das wurde den Kritikern vor allem unterstellt (Idioten mal außen vorgelassen, die gabs ja auf beiden Seiten). Was damals halt empfunden wurde, war, dass die Autoren viel zu viel Wert darauf legten, möglichst schnell dahin zu kommen, wo die Action (und das hiess eigentlich immer: Kampf) ist, und dass in dem Zusammenhang für den Teil zwischen den Kämpfen sehr gerne Beispiele wie das mit den Town Guards genommen wurde, die möglichst das negative an dem "Zwischendrin" unterstreichen sollte. Das stieß natürlich besonders denjenigen übel auf, für die das "Zwischendrin" der eigentlich wichtige Teil am Spiel ist.

Think the rulebook has all the answers? Then let's see that rulebook run a campaign! - Mike Mearls
Wormy's Worlds

Gorilla

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  • Haarig und hungrig
Das stieß natürlich besonders denjenigen übel auf, für die das "Zwischendrin" der eigentlich wichtige Teil am Spiel ist.

Und das sind ja die Spieler, die eher auf andere Systeme als DnD zurückgreifen. DnD war schließlich schon immer in erster Linie für die Simulation von Kämfen konzipiert.
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Wormys_Queue

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Und das sind ja die Spieler, die eher auf andere Systeme als DnD zurückgreifen. DnD war schließlich schon immer in erster Linie für die Simulation von Kämfen konzipiert.

Ich behaupte einfach mal, dass diese Behauptung so nicht stimmt. Schließlich sind diese Spieler ja seinerseits nicht zu völlig anderen Systemen abgewandert, sondern bei 3.5 geblieben bzw. zu Pathfinder* gewechselt. Es geht ja auch nicht darum, dass man überhaupt keine Kämpfe will, sondern darum, dass (und ich schätze mal, dass das auch für die 4E-Spieler gilt) nur die wenigsten D&D als reines Hack & Slay-Dungeon Crawl-Taktikspiel spielen wollen. Da gehört auch Story dazu, da gehört auch Charakterspiel dazu. Und wenn man dass dann nicht in den Produkten des Publishers wiederfindet, entsteht halt schnell der Eindruck, dass dieser ein reines Kampfspiel aus einem einstmaligen Rollenspiel machen will.

Wohlgemerkt, ich spreche von Eindrücken, nicht davon, dass das tatsächlich die Absicht der Designer gewesen sei. Und natürlich gehts in D&D auch ums Kämpfen, das liegt in der Natur des Genres, das von D&D hauptsächlich bedient wird. Aber Kampf ist eben nicht alles und wenn WotC nun dazu übergeht, die eigenen Abenteuer in dieser Hinsicht ausgewogener zu gestalten, scheinen sie das ähnlich zu sehen bzw. endlich erkannt zu haben. Besonders viel Euphorie haben ihre Abenteuer ja auch in der 4E-Fangemeinde nicht gerade ausgelöst.


*und man muss sich nur mal die kleine Mühe machen, Paizo-Abenteuer mit WotC-Abenteuern zu vergleichen, um zu erkennen , dass diese einen völlig anderen Geschmack anpeilen.
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Wormy's Worlds

Windjammer

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Zu diesem Thema gibt es einen brandaktuellen Aufsatz von Mike Mearls.

Zwei Aussagen, die sich etwas mit der Designphilosophie der 4E anno 2008 beißen:

Zitat
I like combat in Dungeons & Dragons. It’s not my favorite part of my game, but it’s definitely fun.

Aja. Das erklärt sicher auch, warum das 4E Regelwerk von Skillchallenges und Ritual Magic abgesehen sich diesem sekundären Aspekt widmet. ;)

Zitat
I think D&D should also enable groups to focus on tactical combat, or dial down to simple, fast fights. At the end of the day, the gaming group, rather than the rules or a distant game designer, should determine the game’s focus.

Das ermöglicht einem die 4E gerade nicht. Und: die große Stärke der Edition (und Schwäche, in den Augen anderer) ist sicher, dass das Regelkorsett zu stark die Vorlieben der Designer wiedergibt, anstatt ein Toolkit für diverse Spielstile zu sein.

Wie jemand auf Enworld (oder wars RPGnet) schrieb: Super, dann kann die 5E ja kommen.
A blind man may be very pitturesque; but it takes two eyes to see the picture. - Chesterton

Gorilla

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  • Haarig und hungrig
Ich muss Wormys letztem Post leider ein wenig widersprechen - oder zumindest vielleicht meine zitierte Aussage etwas konkretisieren:
DnD (auch PF) macht es einem Spieler grundsätzlich nicht so leicht, viel anderes als taktisches Spiel in dem Regelsystem zu sehen; zumindest im Vergleich zu etlichen anderen "freieren" Systemen.
DnD verhindert Charakterdarstellung nicht, aber bietet abseits der taktischen Simulation verhältnismäßig wenig Hilfestellung. Das muss nicht schlecht sein, schließlich lässt es dadurch dem Spieler auch viele Freiheiten für den "Flavor" seines Charakters, es gibt in meinen Augen aber etliche Systeme, die bei der Charaktererschaffung und -entwicklung mehr Freiraum für Individualisierung lassen und es den Spielern dadurch unter Umständen auch leichter machen, "ihren" Charakter so zu spielen, wie sie das eigentlich wollen.
Die Kunst der Diplomatie ist es, den Gegner selbst die Wahrheit glauben zu machen.

Wormys_Queue

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DnD (auch PF) macht es einem Spieler grundsätzlich nicht so leicht, viel anderes als taktisches Spiel in dem Regelsystem zu sehen; zumindest im Vergleich zu etlichen anderen "freieren" Systemen.

Das mag durchaus so sein und hat, was die Gestaltung des Systems angeht, unter anderem sicher historische und designphilosophische Gründe. Das ändert aber nichts dran, dass D&D/PF zusammengenommen immer noch das bei weitem dominierende Rollenspiel weltweit darstellt und dass der Großteil der Spielerschaft das Spiel nicht auf die Taktik reduziert. Was sicher auch mit daran liegt, dass jemand, der auf die Idee kommt, rollenzuspielen, dabei nicht in erster Linie an taktisches Spiel denkt, sondern an das Spielen einer Rolle. Aber natürlich auch daran, dass der Kampf der Bereich mit dem höchsten Regelungsbedarf darstellt und D&D für viele mit die beste Lösung präsentiert

Rollenspiel ist aber nicht nur Regeln, sondern eben auch der vielzitierte Fluff. D&D/PF trennt da bewusst strikter als viele andere Systeme, weil es das Spielen auf viele verschiedene Arten und in vielen verschiedenen Welten ermöglichen will (anders als beispielsweise DSA, dass in den späteren Fassungen auf eine ganz konkrete Welt abzielte und gar nicht die Absicht hat(te), auch in anderen Welten spielbar zu sein). Außerdem vermeidet D&D es, den Spielern im Bereich des Charakterspiels zuviele oder überhaupt Vorschriften in Form von Regeln zu machen. Man kann darüber streiten, ob das sinnvoll ist (die Frage, ob man für Charakterspiel überhaupt Regeln braucht, wurde ja auch hier im Gate schon diskutiert), aber aus dieser Trennung Rückschlüsse auf die Art und Weise zu ziehen, wie D&D gespielt werden soll, wäre eine unzulässige Verkürzung der Absicht der Designer und lässt sich selbst, wenn man nur die Grundregelwerke zugrunde legt, nur damit erklären, dass der Text zwischen den Regelmechanismen von dem jeweiligen Leser komplett ignoriert wurde.
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Wormy's Worlds

Darastin

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Meines Erachtens nach verleitet D&D schon dazu, "neutrale" Begegnungen im Zweifelsfalle lieber mit Gewalt zu lösen. Das liegt aber nicht an den unmittelbar zuständigen Regelmechanismen, sondern an der systeminhärenten Ausrüstungsabhängigkeit.

Wenn man nach langer Kampagne endlich dem Schwarzen Ritter Schlagmichtot gegenübersteht, dem letzten und mächtigsten Diener des finsteren BBEG Lord Dunkeldark von Phynsthernyss, dann sollte es eigentlich völlig im Ermessen der Spieler bzw. Charaktere stehen, wie sie damit umgehen. Natürlich könnte man ihn erschlagen, aber genau so gut könnte man sich an ihm vorbeischleichen, ihn irgendwie austricksen oder ihn vielleicht sogar bekehren. Und grundsätzlich bringt D&D auch für all diese Ansätze die passenden Regelmechanismen mit; also wäre eigentlich alles möglich.

Trotzdem ist man in der Praxis gut beraten, wenn man den Finsterling kurzerhand aus den Socken haut. Der hat nämlich ein schickes magisches Schwert, einen magischen Schild, eine magische Rüstung und viele andere nette magische Spielzeuge, die man letztendlich brauchen wird wenn man eine Chance gegen Lord Dunkeldark haben will.

Erschwerend kommt noch hinzu, daß es hier und da Spielleiter gibt, denen z.B. die diplomatische Lösung "zu einfach" ist und die dafür dann auch noch weniger XP vergeben anstatt im Gegenteil auch noch den fehlenden Loot irgendwie zu kompensieren.


Noch was Grundsätzliches zum Thema:
Ich finde es schon irgendwie befremdlich, wenn Begegnungen in Publikationen in "Kampf", "Skill" und "Rollenspiel" unterteilt werden. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, die eine bestimmten Lösungsansatz begünstigen oder vielleicht sogar erzwingen; aber man sollte das keinesfalls standardmäßig so kategorisieren.

Bis bald;
Darastin
Darastins Grundregeln des Rollenspiels:
1. Sei kein Arschloch!  2. Spiele nicht mit Idioten!  3. Redet miteinander!