Position:
Mond von Anmut
"Audacia"
Brücke
Zeit: 2 135 784.M41
In voller Gefechtsbereitschaft dringen wir in den Orbit von Anmut ein. Die "Knochenschinder" fliegt leicht versetzt auf unserer geschwächten Steuerbordseite nach hinten auf parallelem Kurs. Nach drei Stunden finden wir eine Fregatte im Orbit auf Schleichkurs. Wir nähern uns mit hochgefahrenen Schirmen bzw. Verwirrungsfeld dem mutmaßlichem Schiff von Machenko an. Wahrscheinlich haben sie uns noch nicht geortet und wir könnten sie sauber aus dem Orbit pflücken. Aber wir sind hier nicht im Krieg, Machenko ist eine Konkurrentin, die es zu vertreiben gilt, keine Feindin, die es zu vernichten gilt. Deswegen werfe ich den Breitbandsender an und motiviere mit einer kleinen Litanei den Maschinengeist in meiner Konsole. Die Zustandsrunen signalisieren volle Einsatzbereitschaft des Maschinengeistes.
"Hier spricht Lordkapitän Flavion Conari von dem leichten Kreuzer "Audacia"! Unbekannte Fregatte im Orbit von Anmut, Sie befinden sich in meinem Hoheitsgebiet. Bitte verlassen Sie augenblicklich meine Hegemonie oder ich sehe mich gezwungen, Waffengewalt einzusetzen." Sende ich an die "Hohes Risiko", da es sich mit absoluter Sicherheit um das gleiche Raumschiff handelt, welche vor etwa über einer terranischen Woche die "Dolch des Schicksals" angegriffen hat. Die Fregatte ändert leicht den Kurs, wahrscheinlich um die Sendeleistung ihrer Sensoren zu verbessern. Ich kann mir vorstellen, dass dort jetzt die Alarmsirenen heulen, Schotten geschlossen und Waffensysteme bemannt werden. Aber wie gesagt, ich bin auf keinem Kreuzzug und wenn ich eine gütliche Einigung erzielen kann, welche das Gesicht beider Parteien wart, ist das mehr wert als ein militärischer Sieg. Jeder Konflikt kostet Ressourcen und die Besatzung der Audacia ist stark geschrumpft. Und inzwischen weiß ich, dass Raumfahrer ohne größeren Makel in der Weite eine Rarität sind. Nach fünf Minuten setze ich ein Ultimatum.
"Unbekannte Fregatte im Orbit über Anmut. Nehmen Sie unverzüglich Kurs auf den nächsten Sprungpunkt oder kommunizieren Sie mit mir. Notfalls mit Lichtsignalen, falls ihre Sendestation ausgefallen ist. Erfolgt innerhalb der nächsten fünf Minuten keine Reaktion, sehe ich mich gezwungen, mit Waffengewalt gegen Sie vorzugehen." Ein rücksichtsloserer Mann als ich würde jetzt schon das Feuer eröffnen. Manch einer wird mich für schwach halten, jetzt nicht sofort zu schießen. Aber es erfordert wahren Mut, den Trumpf der Überraschung aus der Hand zu geben, um Blutvergießen zu vermeiden. In einem uralten Buch eines schon vor vielen Jahrzehntausenden verstorbenen Philosophen hatte es geheißen, der beste General sei jener, der seinen Gegner ohne Waffengewalt niederzuringen vermag, weil der Gegner einfach einsehen muss, dass er schon verloren hat, bevor die Schlacht begonnen hat. Der Kapitän der "Knochenschinder" Borgar rät mir, die verdammte Schlampe zu atomisieren und die "Hohes Risiko" im atomaren Feuer unserer Waffensysteme zu rösten. Aber wie gesagt, ich bin immer noch für eine friedliche Lösung zu haben. Kurz vor Verstreichen der Frist gibt es endlich eine Antwort.
"Hier spricht Lordkapitän Machenko von der "Hohes Risiko"! Eure Ansprüche auf Anmut entbehren jeder Grundlage. Dort unten gibt es für uns beide genug Profit abzugreifen!", antwortet eine weibliche Stimme und ich habe ein Déjà-vu. Irgendwie scheint hier keiner meine Großzügigkeit angemessen honorieren zu wollen. Thronverdammt!
"Aspyce Chorda hat mir Anmut für einen Dienst überschrieben, damit habe ich vollständiges Anrecht auf Anmut und seine Besitztümer. Ich biete Euch nun an, verlasst den Orbit von Anmut und steuert unverzüglich den nächsten Sprungpunkt an. Was ihr bis jetzt geplündert habt, könnt ihr behalten. Andernfalls werde ich entsprechende Maßnahmen ergreifen, meine Rechte zu schützen!", antworte ich ruhig.
"Große Wort für einen jungen Grünschnabel. Euer Onkel hatte schon keinen Schneid." Da mag sie ja durchaus recht haben.
"Aber ich bin nicht mein Onkel! Seit meiner Ernennung zum Lordkapitän habe ich zwei Fregatten besiegt und eine Raumstation geentert. Die Station übrigens, an der ihr gescheitert seid!", versuche ich sie einzuschüchtern.
"Zwei Fregatten! Und ihr haltet Euch wohl schon für Angevin persönlich?", kommt es leicht spöttisch zurück.
"Dafür dass ich erst über ein halbes Jahr das Kommando inne habe, ist das gar nicht mal so schlecht. Auch Sebastian Winterscale hat mit einem Sieg angefangen", erwidere ich etwas pikiert.
"Nur weil du kleines Bürschchen einen leichten Kreuzer unter dem Arsch sitzen hast, habe ich noch lange keine Angst vor dir. Lass uns herausfinden, wer der Bessere ist." Bäh! Alle halten mich hier draußen in der Koronus Weite für einen grünen Jungen! Nun gut, ich bin unerfahren, zugegeben, aber ich finde, ich schlage mich nicht schlecht.
"Sensorkontakt auf zwei Uhr! 2000 Klicks aufsteigend! Transporter!", meldet die Sensorstation und schon eröffnen Fregatte und Transporter das Feuergefecht. Thronverdammt! Wenigstens war ich nicht der Aggressor, was nur ein kleiner moralischer Trost ist. Der Kampf ist diesmal recht kurz, aber trotzdem knackig. Gleich beim ersten Schlagabtausch brechen unsere Schilde durch einen Lanzentreffer zusammen und die Backbordseite wird nun stark in Mitleidenschaft gezogen. Ganze Rudel von roten Warnrunen springen mich förmlich an. Aber eine Breitseite, ein Lanzenschlag von zwanzig Sekunden und ein Torpedotreffer von der Knochenschinder verkrüppeln die "Hohes Risiko". Der Transporter feuert mit Makrokanonen auf uns und stellt fest, dass seine Geschosse nicht in der Lage sind, die massive Panzerung der "Audacia" zu penetrieren. Der Kapitän dieses namenlosen Schiffes ist klug genug, die Zeichen der Zeit zu erkennen und dreht ab. Da er den nächsten Sprungpunkt ansteuert, sehe ich von einer Verfolgung ab. Die Audacia ist zu langsam, um dem Transporter zu folgen. Leichte Kreuzer sind keine Sprinter und die kaputten Steuerbordtriebwerke tragen auch nicht gerade zur Beschleunigung bei. Die "Knochenschinder" hat nun nur noch Munition für eine komplette Salve und ich sehe die Kosten-Nutzen Relation dafür nicht zu unseren Gunsten. Auch will ich nicht die "Knochenschinder" alleine bei Machenkos "Hohes Risiko" lassen, da der Funkverkehr zwischen den beiden Kapitänen eine alte Feindschaft vermuten lässt.
"Wir ergeben uns und hoffen auf Gnade, Lordkapitän Conari!", meldet sich Machenko ziemlich kleinlaut. Hat sie nun davon, die dumme Nuss.
"Kommen Sie und ihr XO unverzüglich zu mir an Bord, um die Formalitäten zu verhandeln", fordere ich mit Nachdruck in der Stimme.
"Ha, genau so ist es bei mir auch gelaufen.", meint Kapitän Hellgrett Borgar von der "Knochenschinder"
"Allerdings ist mein Freihändlerbrief über alle Zweifel erhaben." erwidert Machenko etwas pikiert. Nun ist es an ihr, pikiert zu sein. Ich wünschte, die ganze Angelegenheit hätte zivilisiert und ohne Waffengebrauch geregelt werden können.
"Damit hat sie recht, es wird diesmal nicht so einfach sein, ihr einen so umfassenden Knebelvertrag zu verpassen wie Hellgrett.", warnt mich Caine. "Auch könnten ihre Gläubiger ungemütlich werden, wenn sie keinen Profit mehr bekommen."
"Das ist mir klar. Aber ihre Gläubiger werden es zu schätzen wissen, dass sie und die "Hohes Risiko" nicht in der Atmosphäre von Anmut verglüht sind. Machenko aus diesem Vertrag zu lösen wird ein hübsches Sümmchen einbringen. Und bis dahin wird eine weitere Fregatte unsere Flotte verstärken. Schließlich lauert da draußen die Ignes et Amnestia und mit denen habe ich auch noch ein Hühnchen zu rupfen!"
Diesmal habe ich schon ziemliche Routine, den Papierkram zu erledigen. Mit Handschlag begrüße ich Machenko in meiner kleinen Flotte. Die Frau sieht aus wie etwas über dreißig Jahre alt, muss aber deutlich älter sein. Ihre Erscheinung ist gepflegt und ihr Lächeln makellos. Sie trägt eine bunte, knapp geschnittene Uniform aus erlesenem Stoff mit kniehohen Stiefeln aus weichem Leder einer exotischen Todesweltbestie. An ihrer Garderobe spart sie garantiert nicht. Sie ist eine Frau mit vollendeten Manieren und wir bereden das Geschäftliche in meinem Salon mit einem Tässchen Tee, welches wir herzhaft mit Amasec nachwürzen. Dazu serviert meine süße Colette einer ihrer berühmten Kuchen, der noch offenwarm ist. In gesitteter Atmosphäre beginnen die Verhandlungen, die sich als recht zeitaufwendig erweisen, auch wenn wir unsere kleine Diskussion mit viel Wortwitz würzen. Schließlich kommen wir zu einer Einigung, mit der beide Seiten gut leben können.
Gespielt am 29.09.2012
Spielleiter: Stefan
SC:
Flavion Conari Freihändler Rang 2
Althea Puppila Meisterin der Leere Rang 2
Bruder Obskurus Erleuchteter Astropath Rang 2
EP: 350
Besiegte Gegner:
1 Seelenhirtin
1 "Hohes Risiko"
Beute:
1 Archotech Laserpistole (Flavion)
1 Refraktorfeld (Ares)
Kunstgegenstände
Gedanke des Tages
Spoiler (Anzeigen)Die Kämpfe habe ich diesmal bewusst ausgeklammert und habe mich auf das Wesentliche konzentriert. Zu der Zeit war ich gerade in einer wichtigen Phase beim Umziehen/Renovieren und hatte deswegen nicht die Muse jetzt alles im Detail zu beschreiben. Ein paar neue Aspekte werden beleuchtet und Flavion schlittert in eine schwere Krise. Kann aber zum Glück wieder aufgefangen werden, bevor er im Selbstmitleid ertrinken kann.
Das Kapitel ist ziemlich lang geworden und markiert den Mittelteil der Anmuttriologie, wie ich diese drei aufeinander folgenden Kapitel nenne.