12. Rova, 4711 AK
Ravengro, Pfalzgrafschaft KanterwallIch folgte dem Akolythen Alukard an diesem trostlosen Tag über das Ruheland. Der blaue Herbsthimmel blieb hinter einer dunklen Wolkendecke verborgen. Am vergangenen Abend hatten die Erben Professor Lorrimors die Wandelnden Toten vernichtet, die aus ihren Gräbern gestiegen waren um Ravengro in Angst und Schrecken zu versetzen. Die Männer des Konstablers, aber auch die Glaubensbrüder des Akolythen hatten ihr Leben gegeben um den Dorfbewohner etwas mehr Zeit zu verschaffen. Zeit, die den Erben Lorrimors genügt hatte, um die Zombies und Skelette zu zerstören.
Heute blieb dem jungen Mann in den schwarzen Gewändern der Anhängerschaft Pharasmas nur noch die Toten zu bergen. Mit einem laut tönenden Karren brachte er die Leichen zurück zum Tempel. Als Alukard seine traurige Pflicht erfüllt hatte, machte er sich auf zum Lorrimorhaus. Vater Vauran Grimmgräber hatte ihm geheißen den Dank der Kirche zu überbringen. Doch die Helden von Ravengro waren nicht anzutreffen. Kendra Lorrimor, die Tochter des verstorbenen Professors, wies dem Akolythen den Weg zur Ruine von Schreckenfels.
* * * * *
Im Osten des Parterres entdeckten wir ein Seil, das in die Dunkelheit des Kerkers hinabführte. Unten angelangt, folgte Alukard den Stimmen von Lorrimors Erben die durch die dunklen Gewölbe raunten.
Wir fanden Runa, Stralica und Tira, die Glaubensmänner Iacobus und Balduan, sowie den Gnom und seine befremdliche Begleiterin Pami in der ehemaligen Folterkammer von Schreckenfels. Der Schildknappe wandelte gerade wie von Sinnen auf eine Eiserne Jungfrau zu, die wie von Geisterhand langsam aufgeschwungen war. Er murmelte etwas von “Kendra”, als er sich in die todbringende Umarmung des Folterwerkzeugs begab. Seine Gefährten stürmten auf die Eiserne Jungfrau ein und schlugen geräuschvoll ihre Waffen gegen ihren hohlen Metallkörper. Das abscheuliche Folterwerkzeug sprang auf und gab den blutüberströmten Balduan frei.
Verwirrt taumelte der Schildknappe in die Mitte der Kammer. Alukard schlüpfte durch die Tür, trat auf den hochgewachsenen Mann zu und schloss mit der Magie Pharasmas seine Wunden. Freudig überrascht begrüßten die Helden von Ravengro den Akolythen, bevor sie gemeinsam den Raum durchsuchten.
Stralicia entdeckte eine Geheimtür. Bereit loszuschlagen versammelten sich alle um Pami, die kniend den Mechanismus auslöste der die Wand knirschend zur Seite gleiten ließ.
Die Schwerter der beiden Glaubensmänner waren in goldenes Licht gehüllt, das sich gebrochen auf den feuchten Steinwänden des Geheimgangs spiegelte und das dunkle Wasser auf seinem Boden zeigte. Beherzt wateten die Abenteurer voran. Ich blieb zurück, bis mich Kampfeslärm näher an die Geheimtür lockte. Doch bis heute vermag ich nicht zu sagen was sich den Frauen und Männern aus Ravengro in den Weg gestellt hatte, denn ich konnte zwischen ihren tanzenden Schatten nur spritzendes Wasser ausmachen. Selbst als ich ihnen später durch den dunklen Geheimgang folgte, entdeckte ich lediglich einen vollkommen stillen, schwarzen Wasserspiegel.
Auf der anderen Seite dieser feuchten Finsternis lag ein heruntergekommener Zellentrakt. Auch hier hatten sich unzählige Rinnsale an den Wänden gebildet, die in ein Kerkerloch im Zentrum der Anlage plätscherten. Stralicia, Bestimotor und Balduan waren gerade damit beschäftigt diese Grube zu ergründen, als ich mich aus dem Geheimgang in die angrenzende Zelle wagte.
In heller Aufregung bemerkten die Abenteurer Blutströme, die aus dem Kerkerloch quollen und über das Mauerwerk, hinauf in das Gewölbe der Kammer stiegen. Erfolglos versuchten sie daraufhin die roten Ströme aufzuhalten, die begannen einzelne Buchstaben an den Wänden zu formen. Nach und nach erkannten die Helden von Ravengro wie ihre eigenen Namen auf diese unerklärliche Weise geschrieben wurden. Angsterfüllt verstärkten sie ihre Anstrengungen die blutigen Schriftzüge zu zerstören. Sie hatten ermittelt, dass einer der fünf mächtigsten Geister unter den Gefangenen von Schreckenfels – der Zermatscher – seine Opfer brutal ermordete sobald er ihre Namen mit Blut ausgeschrieben hatte. Ganz so wie es am Schreckenfelsdenkmal geschehen war, ebenso wie in Tiras Alptraum. Jegliche Fassung verloren, schlugen die Frauen und Männer blind vor Wut und Verzweiflung nur noch auf das Mauerwerk ein.
Es gelang ihnen die blutigen Letter auszulöschen, doch brachten sie auch einen Teil des Gewölbes zum Einsturz, der sie um ein Haar erschlagen hätte. Dennoch erleichtert mit dem Leben davongekommen zu sein, erhoben sich die Abenteurer aus den Trümmern, als ein geisterhaftes Gerippe aus den Tiefen des Kerkerlochs empor schoss. Dabei gab es eine schauderhafte Mischung aus Gelächter und Wutschrei von sich. Das schwarze Skelett schwebte bis unter die Decke und musterte die Eindringlinge mit zornigen, rot glühenden Augen. Es musste sich einfach um den Zermatscher handeln. Mit einer geflüsterten Zauberformel beschwor der Geist riesige Ratten aus den Schatten der Gefängnisruine, während ihn Iacobus und Stralicia bereits attackierten. Der Glaubensmann hatte einen magischen Pfeil in den Brustkorb des Untoten gefeurt und die Varisianerin eine Geisterfalle eingesetzt, die nun bläulich leuchtend an seiner unnatürlichen Existenz zerrte. Als die dämonischen Worte Runas die Kammer in heilige Flammen tauchten, zog ich mich in den Schutz des Geheimgangs zurück.
Ich wartete in der Dunkelheit.
Als Stille in den Zellenblock eingekehrt war, riskierte ich einen Blick:
Mit der Magie ihrer Götter hatten die Helden von Ravengro den Zermatscher besiegt!
Um das weitere Vorgehen abzusprechen, machten sie sich auf den Weg zu Vesorianna. Ich eilte ihnen voraus und wartete auf den Gängen nördlich der Werkstatt, wo die Frau des Gefängnisdirektors bei dem schrecklichen Brand auf tragische Weise ihr Leben verloren hatte.
Die Abenteurer waren gerade wieder auf den Korridor herausgetreten, da stützte sich Tira Krähenfuß völlig erschöpft an einer der Wände ab. Zittrig hielt sie sich das Haupt. Das aufgeregte Krächzen ihres Raben hallte durch die Gefängnisruine und hielt die Gefährten des Halbblutes zurück.
Es war Alukard der sich Tira erbarmte. Furcht hatte sich dem Herzen der jungen Frau bemächtigt. Sie konnte sich den Schrecken dieses Gewölbes nicht länger stellen. Der Akolyth brachte die Zauberkundige daher in die Kapelle und versicherte den anderen, dass er sich ihrer annehmen würde. Alukard erkannte keine Schwäche in Tiras Verhalten, nur die Menschlichkeit welche an diesem Ort schon zu lang nicht mehr gezeigt worden war.
Wieder stiegen die Helden von Ravengro in die Kerkerebene hinab. Im Norden lag der einzige Zellentrakt, den sie noch nicht erkundet hatten.
Ein Schatten huschte über den Gang. Pamis Kopf fiel zu Boden. Ihr Mörder war blitzschnell gewesen und ich zu weit entfernt, um es genauer schildern zu können. Die Begleiterin des Gnoms hatte den Rücken der Abenteurer gedeckt und dies mit dem Leben bezahlt. Betroffen bildeten Balduan und Iacobus, Runa und Stralicia, aber auch Bestimotor einen Kreis. Ich konnte ihre Angst förmlich riechen.
Dann wagten sie sich doch weiter in den nördlichen Zellenblock vor. Der Schildknappe Balduan führte sie dabei an. Und ich folgte ihnen.
Als ich die Stelle erreicht hatte, an der die Kriegerin gefallen war, fand ich nur einen dunklen Fleck auf dem staubigen Steinboden vor. Es handelte sich um die Rückstände einer klebrigen purpurfarbenen Masse. Das war kein gewöhnliches Blut. Mein Verdacht, dass der Gnom im Bunde mit Wesen anderer Existenzebenen war, erhärtete sich.
Obwohl wir alle Pamis Mörder im Rücken der Abenteurer vermutet hatten, wurde der Glaubensmann plötzlich angegriffen. Unter lauten Schlachtrufen stürmten die Helden von Ravengro in die große Kammer am Ende des Korridors; geradewegs in die Falle des Kopfjägers, denn der schemenhafte Gefangene nutzte die Gitterstäbe der Zellen im folgenden Kampf geschickt zu seinem Vorteil. Wieder und wieder schlug er garstige Wunden in das Fleisch der Frauen und Männer. Ein roter Nebel kroch aus diesen stark blutenden Verletzungen und strömte zu dem Todesalb. Er schien dem untoten Wesen immer wieder Kraft und Stärke zu verleihen, hatten die Lebenden es verwundet.
Jedoch war es auch dieser vampirische Nebel, der dem Kopfjäger zum Verhängnis wurde. So konnten die Helden von Ravengro den letzten der fünf Geister mit Hilfe des Blutnebels aufspüren und zur Strecke bringen.
Nachdem die Waffen der Abenteurer kaum eine Wirkung gezeigt hatten und ihre Macht Zauber zu wirken versiegt war, schluckte die Alchemistin Stralicia Mancini ein rot glühendes Gebräu. Die Varisianerin spuckte Flammen wie ein Drache, während der Todesalb kreischend in ihrem Feuerodem verging.
Triumphierend kehrten die Erben Lorrimors und die Glaubensmänner zu Vesorianna zurück. Sie berichteten ihr vom Sieg über den letzten der fünf Geister und der Sicherung von Schreckenfels
Die blauen Lippen der geisterhaften Edeldame verzogen sich zu einem Lächeln. Voller Dankbarkeit machte sie einen Knicks, dann begann ihre Erscheinung zu verblassen. Unter freundlichen Worten und einem letzten Seufzer, war sie plötzlich verschwunden. An ihrer Stelle schwebte die goldene Dienstmarke ihres Ehegatten zu Boden, die sanft zu glühen begann.