Die Parteien bestehen selbst aus Bürgern. Schon komisch, oder?
Ich glaube, das vergessen die Parteioberen selbst am öftesten.
Jeder kann "das System" verändern, indem er sich ganz einfach die Instrumente, die unsere parlamentarische Demokratie besitzt, zu eigen macht: Eine eigene Partei gründen, einer Partei beitreten, eine Bürgerinitiative gründen, Verbänden/Organisationen beitreten, etc. Selbst vielen Nicht-Parteien ist in Deutschland ein gesetzliches Mitspracherecht eingeräumt worden, so z. B. den Naturschutzorganisationen, aber in diesem Zusammenhang müssen auch Jugendparlamente und Ausländerbeiräte genannt werden.
Ich stimme dir insofern zu, als dass man in kleinem Rahmen noch viel verändern kann. Aber auf Bundesebene?
Einer Partei beizutreten hilft wenig; zuerst einmal muss man, um auf oberer Ebene mitspielen zu können, durch die einzelnen Schienen laufen. Da ich der Ansicht bin, dass das gesamte politische System ziemlich korrumpiert wurde, ist es schwierig bis nahezu unmöglich, in solche Höhen vorzustoßen, ohne selbst dieser Korruption anheimzufallen. Und einige wenige, die es schaffen, sind dann völlig allein.
Wenn z.B. Bundestagsabgeorndete desillusioniert nicht mehr zur Wahl antreten, weil sie erschreckend wenig verändern können, sagt das schon Vieles. Und selbst, wenn man halbwegs hoch ist, muss nach Parteienzwang abgestimmt werden.
Wir haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, doch von Streitkultur ist in unserem Land keine Spur. Unliebsame Meinungen werden totgeschwiegen oder niedergeschrien, sonst nichts.
Es wäre ebenfalls sehr schön, wenn die SPD wegen ihrer "Unwählbarkeit" jetzt wirklich die harten, nötigen Maßnahmen rausholen würde - tun sie aber nicht, um ihre letzten Unterstützer nicht auch noch zu vergraulen.
Überhaupt krankt es bei uns an dem Unwillen, sich auf eine Position festzulegen und einmal klare Worte zu sprechen. Bloß keine Dinge sagen, die von der Presse falsch ausgelegt werden können (oder von Konkurrenten). Wenn jemand mal etwas eindeutiges vom Stapel lässt - egal, ob das meine Zustimmung trifft oder nicht - wird meistens Tage lang nur auf diese Person draufgehauen. Die nächsten überlegen dreimal, bevor sie sich festlegen.
Gleichzeitig gibt es auch keine Verantwortlichkeiten mehr. Wenn der Volkszorn ganz hoch schlägt, gibt es ein Bauernopfer, aber ansonsten bleibt man unantastbar. Dass z.B. die Maut-Geschichte keine klareren Konsequenzen nach sich zog, ist schon ein gutes Beispiel für diese Art der Immunität.
Ich bin tatsächlich der Ansicht, dass unser Regierungssystem nur noch von innen heraus gereinigt werden könnte - eine Veränderung von außen wäre mit einem Umbruch gleich bedeutend. Aber welcher Politiker traut sich, Misstände auszusprechen, womöglich auf Kosten seiner Karriere aber zum Wohle des Volkes? Wahrscheinlich niemand.
Na ja, was will man machen. Wie heisst es so schön? Demokratie ist die schlechteste Regierungsform - mit Ausnahme aller anderen, die wir kennen.
ETA: zu den Rechtswählern. Gerade weil nach Umfragen eben viele Wähler nicht wirklich den rechten Parteien anhängen, denke ich, ist dies eine Schock-Wahl gewesen. Wenn man keine der normalen Parteien wählen kann, nicht wählen oder ungültig wählen keinen Hund vor dem Ofen vor lockt (selbst mit 30% der Stimmen von 20% Wahlbeteiligung würde wohl noch von einem Sieg gesprochen) - dann wählt man eben rechts, da horchen die Politiker wenigstens auf.