Gefahr hinter jeder Tür
Langsam lässt Vinduil den Blick über die zerhackten Überreste der untoten Kreaturen schweifen.
"Ich glaube, in diesem Stockwerk lebt nichts mehr."
"Hier lebt doch sowieso nichts wirklich" antwortet grinsend Windan, bedeckt von abscheulichen Sekreten, die durch den Raum gespritzt sind, als er seine Angriffe ausführte.
"Auf dem Wehrgang gabs doch noch eine Treppe, die von Außen auf den Turm führte."
"Und es gibt noch diesen blauleuchtenden Schwebeschacht." wirft Malithil ein.
Doch zuerst führt der Weg der Recken nach draußen, wieder auf den Wehrgang. Dort eilen sie die steile Treppe des Turmes hinauf, immer im Hinterkopf, dass das letzte Mal, als sie sich hier aufgehalten haben, sie von drei Dämonen attackiert worden sind.
Am Ende der Treppe angekommen stehen sie jedoch vor einer massiven, verschlossenen Eisentür.
"Sie einzuschlagen, wäre zwar möglich, aber laut." Windan schaut seine Gefährten fragend an.
"Dann lasst uns doch den Schacht nehmen. Das verursacht wenigstens keinen Lärm." entscheidet Malithil.
Nach einem kurzen Augenblick steht die Gruppe wieder innerhalb des Schlosses, am Rande des Schachtes.
Der Schacht wird von vier Säulen eingerahmt, zwischen denen das magische Licht erstrahlt, das anscheinend zusammen mit dem Schwebezauber hier gewirkt wurde.
"Ich habe noch ein paar Augen, die für mich sehen können." Tavaron hebt seinen linken Arm, auf dem sich sein Gefährte, ein Adler, niedergelassen hat. Tavaron blickt dem Tier in die Augen, und auch wenn es nur kurz war, so ist doch zu merken, dass zwischen ihnen eine besondere Verbindung besteht. Kurz darauf breitet der Vogel seine Schwingen aus und erhebt sich in die Luft. Als er jedoch das darüberliegende Stockwerk erreicht hat, schießt auf einmal ein Pfeil aus grüner Säure auf ihn zu. Wütend kreischt das Tier auf, als es getroffen wird. Doch dieser Adler ist nicht von dieser Ebene, so tropft die Säure lediglich von seinem Gefieder. Dennoch beordert Tavaron ihn sofort wieder zu sich.
"Was ist dort oben?" Thelepatisch übermittelt der Elf die Frage an das Wesen.
"Feind, versteckt hinter Säule." Auch wenn dieser Adler mächtiger und intelligenter ist als seine Artgenossen, ist sein Sprachvermögen nicht das eines Elfen.
Tavaron blickt seine Gefährten an. "Da oben hat sich jemand hinter den Säulen versteckt. Sollen wir es wagen?"
"Natürlich!" Voller Tatendrang springt Malithil in den Schacht. Sein Plan, sich zügig nach oben zu bewegen um so den Feind vielleicht zu überraschen, scheitert jedoch. Im Gegensatz zu dem Vogel, der sich hier frei bewegen konnte, muss Malithil langsam nach oben schweben, ohne das Tempo beschleunigen zu können. Auch seine Gefährten folgen ihm und lassen sich, wenn auch langsam, so doch kampfbereit, nach oben schweben.
Nur Tavaron wartet noch einen kleinen Augenblick, dann tritt er zu einer Wand hin und scheint mit dem Schatten dort zu verschmelzen.
Mit einem Schritt, der es vermag, Ebenen zu überwinden, steht Tavaron nun in einer Umgebung, die wie ein Negativ von der Materiellen Ebene anmutet. Er weiß, er hat sich auf die Schattenebene begeben. Aber auch hier gibt es das Schloss mit dem Schacht.
"Hoffentlich funktioniert der Schwebezauber auch hier!" Tavaron zögert nur kurz, bevor er in die leere Luft tritt. Wenn der Zauber versagt, würde das einen Sturz von über 20 Metern zur Folge haben. Als seine Füße den festen Boden verlassen, sackt er kurz nach unten, dann greift jedoch der Zauber. Erleichtert stößt der Elf den Atem aus, den er unbewusst angehalten halt. Langsam lässt er sich nun nach oben tragen.
Während Malithil sich nach oben tragen lässt, beobachtet er genau die Öffnung über sich. Da sieht er auf einmal einen Schatten. Eine große, massige Kugel löst sich aus den Schatten der Säulen und schwebt in die Mitte des Raumes, genau über die Gefährten, die gefangen sind zwischen den Stockwerken, ohne sich schneller bewegen zu können!
Erschreckt entfährt Vinduil ein "Corellon Larethian, steh uns bei!", als er sieht, was dort oben auf sie wartet. Es ist nicht dass erste Mal, dass er einem Betrachter begegnet, doch dieser ist anders. Seine Augen, die auf Stielen sitzen und sich in alle Richtungen drehen können, scheinen blind zu sein, eines sogar verletzt, denn langsam tropft eine stinkende, gelbliche Flüssigkeit stetig aus der Höhle, dennoch zweifelt der Kleriker nicht daran, dass diese Augen trotzalledem sehen können. Doch auch die Konturen des Wesens scheinen zu verschwimmen: was dort oben ist, ist ein untoter Betrachter, ein Geist!
Zunächst verschiesst das Ungeheuer aus seinen Augen seine Zauber, doch die Helden haben Glück: als die Strahlen aus seinen Augen herausschießen, um die Recken zu treffen, verfehlen nicht wenige. Doch ein Auge bleibt bis zuletzt geschlossen. Nachdem aus seinen kleinen Augen sämtliche Zauber verschleudert sind, scheint um das Maul des Monsters soetwas wie ein gehässiges Grinsen zu entstehen, dann öffnet es das große Zentralauge...
Die Macht des Betrachters hebt in diesem Augenblick die Magie des Schachtes auf und die Gefährten stürzen ab... über 30 Meter! Malithil und Windan vermögen es noch, sich etwas während des Fallens abzufangen, Vinduil jedoch stürzt hart auf den Boden.
Zwar schwer verletzt, jedoch noch bei Bewusstsein, rollt sich der Kleriker zur Seite, um weiteren Angriffen zu entgehen. Mit einem Dankgebet an seinen Gott, beschwört er danach seine Kräfte herauf, um sich zu heilen.
Windan und Malithil, die es beide nicht so schwer getroffen hat, wie den Kleriker, eilen auch beide aus dem Sichtbereich des Betrachters.
"Wenn wir mit unseren Waffen hier nicht heraufkommen, dann müssen unsere Waffen eben alleine nach oben!"
Grimmig nimmt der Halbling einem gefallenen Drow Bogen und Pfeile ab, und macht sich wieder auf den Weg, das Monster zu töten.
Oben angekommen, überschreitet Tavaron wieder die Grenze zwischen den Ebenen. Kampfbereit blickt er sich um, doch was er sieht, überrascht ihn doch. Ein kurzer Blick nach unten, zeigt ihm seine Gefährten auf dem Grund des Schachtes und wie sie sich gerade in Sicherheit bringen.
Die Größe des Betrachters erlaubt es Tavaron glückklicherweise, vom Rand des Schachtes aus anzugreifen, ohne den festen Boden verlassen zu müssen.
"Versuchs doch mal mit mir, du hässlicher Fleischklops!" Wütend schlägt der Krieger zu. Doch sein Schlag lässt ihn nach vorne taumeln und fast nach unten, zu seinen Freunden stürzen. Wütend knurrt Tavaron, er ist sich sicher das Viech getroffen zu haben. Bei seinen nächsten Hieben ist er vorsichtiger, darauf bedacht, sein Gleichgewicht perfekt auszubalancieren, sollte ein Schlag daneben treffen. Und tatsächlich: das Ungeheuer scheint die Fähigkeit zu haben, das ein Teil der Schwerthiebe es einfach nicht verletzen. Wütend geht die Unheilssphäre, denn so nennt man diese besonderen Geister, zum Geganangriff über. Doch die Augenstrahlen verfehlen den Elfen ein ums andere Mal, und wird er doch einmal getroffen, so kann er den Zaubern widerstehen. Auch Malithil und Windan tragen ihren Teil zum Kampf bei, und nehmen den Geist mit Pfeilen unter Beschuss. Bald darauf löst sich das untote Wesen unter den Angriffen in Rauch auf.
Nachdem alle wieder beisammen sind, schauen sich die Gefährten um.
"Lasst uns weitergehen und sehen, was sich hier sonst noch so rumtreibt." Vorsichtig schleicht Windan zu einer Tür und lauscht an ihr. Ganz schwach kann er Geräusche ausmachen, jedoch weiß er nicht, wieviele Wesen sich hinter der Tür befinden, noch was sie machen. Leise teilt er dies mit.
Einmütig beschließt man daraufhin, nach altbewährten Taktiken zu verfahren: Tür auf und reinstürmen!
Gesagt, getan. Doch auch hier scheinen die Gefährten erwartet worden zu sein. Eine weitere Horde dieser untoten Kannibalen mit den in Rauch endenden Zungen hat sich hier versammelt, begierig darauf, allem Lebenden das noch blutige Fleisch von den Knochen zu reissen.
Mutig stürmen die Helden den Raum, Windan und Malithil vorneweg. Doch diese Kreaturen sind nicht dumm, geschickt verteilt im Raum, machen sie es dem Barbaren und dem Klingensänger schwierig, ihre häufigen Angriffe einzusetzen. Häufig greifen sie auch nur an, um mit einem gewaltigen Hieb ihrer Klauen nach einem Opfer zu schlagen und sich dann sofort wieder aus der Reichweite zurückzuziehen. Auch versuchen sie oft, gemeinsam einen einzelnen Kämpfer anzugreifen. So geschieht es auch bei Windan: sein Gegner, der mindestens einen Kopf größer ist als der Halbling, umfasst ihn mit seinen Klauen und wirft den Barbaren zu Boden, um sich sofort auf ihn zu stürzen. Ein weiteres dieser abscheulichen Wesen wirft sich mit auf den sich windenden und um sich schlagenden Halbling. Plötzlich schreit Windan schmerzerfüllt auf. Entsetzt müssen seine Gefährten sehen, wie einer der Untoten seine lange Zunge um den Kopf des Halblings geschlungen hat, das rauchige Ende in dem Schädel seines Opfers versenkt!
"Nein, das wirst du nicht tun!" Malithil springt schwertschwingend seinem Freund zu Hilfe und gemeinsam schaffen sie es, die beiden Wesen zu töten.
Noch während der Kampf tobt, die Helden hoffen so langsam darauf, diesen Kampf ohne Tote zu überstehen, springt auf einmal die Tür zu einem Nachbarraum auf, und eine untote Drowkämpferin und zwei Magier schließen sich dem Kampf an, die Recken zu umzubringen.
Doch diese, so stellt sich schnell heraus, können den Helden auch nicht noch mehr schaden, als die Monster es schon getan haben.
Als der Kampf zu Ende ist, müssen die Recken aufpassen, nicht auf ihrem eigenen Blut auszurutschen. Windan, der von den Untoten niedergerungen worden ist, sieht fürchterlich aus. Große, klaffende Wunden, in denen man teilweise bis auf die Knochen sehen kann, befinden sich an seinem ganzen Körper. Schwer atmend hat er sich auf die Knie niedergelassen, da er kaum noch stehen kann, aber sein kampfwütiges Grinsen ist ihm nicht aus dem Gesicht zu wischen, als er stolz auf sein Werk blickt.