Ungold: Ich nehme einfach mal an, dass das gemeint ist. Falls nicht, kann Wormys Queue das ja korrigieren. Weiters nehme ich an, dass mit "Seele" eine zweite Instanz neben dem Körper ist, die nicht mit "Bewusstsein" identisch ist, sondern die für das Bewusstsein verantwortlich ist. Die Seele ist also praktisch eine alternative Erklärung für das Bewusstsein, im Gegensatz zu einer Erklärung des Bewusstseins als emergente Qualität, die der Struktur unseres Gehirns oder unseres ganzen Körpers geschuldet ist. (1)
Trotzdem bliebe noch die Frage, ob man eine Seele messen kann. Wenn sie das Bewusstsein schafft, muss das ja über irgendeinen Mechanismus geschehen, vielleicht durch eine noch unbekannte Energieform? Die man aber messen können müsste. Bislang gibt es keine Hinweise auf eine solche Energieform, obwohl es natürlich denkbar ist, dass wir sie nur noch nicht messen können, und das Einzige, was wir haben, ist das Resultat der Seele – das Bewusstsein.
Ich spare hier mal aus, ob es die Seele auch "in der freien Wildbahn" gibt, da ich davon ausgehe, dass mit der Seele eine irgendwie geartete Vorstellung einhergeht, die diese Seele nur dem Menschen zuordnet, und dann entweder als Zufall oder gleichwie göttliche Fügung betrachtet. (2)
Was bleibt, sind jedenfalls verschiedene Hypothesen, von denen eine auf "special pleading" beruht, darauf, für seine Hypothese besondere Eigenschaften in Anspruch zu nehmen, die sie aus dem Bereich der aktuell messbaren Hypothesen entfernen: Die Seele ist unsichtbar, sie wiegt nichts (oder 28 Gramm
), sie hat keinen (bislang) messbaren Effekt, sie existiert nur beim Menschen, man kann sie nicht anfassen.
Damit stimmt, dass sie nicht nachweisbar ist. Aber damit ist die Hypothese, dass es keine solche Seele gibt, keinesfalls der Hypothese, dass es eine gibt, gleichgestellt. Denn "keine Seele" benötigt die besonderen Eigenschaften nicht, sondern kann im Rahmen dessen bleiben, was wir ansonsten von der Welt und dem Universum wissen: es braucht keine neue Energieform, die wir nicht messen können; es braucht keine Instanz, die wir weder sehen noch fühlen noch wiegen können, die aber trotzdem einen Effekt hat; der Mensch kann weiter ganz normal in der evolutionären Entwicklung stehen und muss keine, in anderen Tieren nicht beobachteten, Eigenschaften(3) haben, die sonst nicht vorhanden sind. Insofern ist nach Ockhams Rasiermesser die Hypothese zu befürworten, dass es keine Seele gibt.
Die Frage ist, welchen Unterschied macht die Hypothese, dass es eine Seele gibt? Eine Theorie sollte einen Erklärungsanspruch für etwas haben, was sonst keine Theorie umfasst. Ich kann behaupten, dass es eine galaktische Lotterie gibt, die bestimmt, was passiert. Dass es keinen Zufall gibt, keine zufällige Vererbung von Genen, sondern dass Gene Lotterielose kaufen. Dass aber der Effekt derselbe ist, als wäre es Zufall. Dann ist die einzige Besonderheit meine Behauptung der galaktischen Lotterie und die Erklärungskraft dieser Theorie gering – warum sollte man untersuchen, ob es diese Lotterie gibt, wenn alles, was passiert, auch durch Zufall erklärt werden kann? Ebenso wäre die Frage hier, was eine Seele erklärt, das man nicht ohne sie erklären kann. Ich würde behaupten, dass mehr und mehr unterschiedliche Forschungszweige darauf hindeuten, dass man unser Bewusstsein auch ohne sie erklären kann.
(1) eine andere Definition von Seele kann natürlich andere Folgen haben. Wenn man das Bewusstsein einfach als Seele bezeichnet, dann sieht die Sache wieder etwas anders aus. Aber kann dann die Seele einfach Bestandteil und logische Folge unseres Körpers sein. Ich würde behaupten, dass die traditionelle Definition von Seele nicht so funktioniert.
(2) ebenso ist es natürlich denkbar, dass man allen Tieren das Potential zur Seele zugesteht, und in dem Maße, wie Tiere ein Bewusstsein zeigen, eben eine entsprechend entwickelte Seele annimmt. Allerdings wäre das nur eine einzelne Änderung der Hypothese, die Seele wäre dann immer noch nicht messbar und nicht beobachtbar – wie man also herausfinden können soll, ob sie entwickelt ist oder nicht, ist eine gute Frage.
(3) Mit Eigenschaften meine ich nicht bspw. Sprache, sondern Charakteristika wie Gliedmaßen, Organe usw. Die Seele wäre ein weiteres "Organ". Ich bin kein Biologe und habe da leider nicht die korrekte Begrifflichkeit.
Abschließend lässt sich sagen, dass man wahrscheinlich am sichersten fährt, wenn man eine Seele befürwortet, wenn man gleichzeitig Seele mit Bewusstsein gleich setzt und nicht das eine als Resultat des anderen postuliert. Darüber, was Bewusstsein ist, wird sich ja noch wohlfeil gestritten.
Das Alltagsverständnis von Seele ist jedoch nach meinem Dafürhalten nicht nur diese Entsprechung, sondern mehr. Gleichzeitig ist die korrekte Nullhypothese hier, von einem Nichtvorhandensein auszugehen und die Seele zu belegen, und nicht umgekehrt, weil die Seele von uns verlangt, zusätzliche Annahmen über die Eigenschaften unseres Universums zu machen.
Schließlich sollten wir nicht vergessen, dass hier zunächst ein idiomatischer Gebrauch von Seele vorlag, der zu einer spitzen Bemerkung genutzt wurde, und erst daraus dieser Sturm im Wasserglas entstand. Sollte nicht noch irgendetwas Überraschendes kommen – und der Vorwurf wissenschaftlicher Religiösität ist leider nicht überraschend –, oder mir einfallen, dass ich etwas Wichtiges vergessen habe, wars das für mich. Selbst, wenn jetzt zwischendurch jemand was geschrieben hat