Tief in der Nacht beratschlagten die Gefährten noch ihre weitere Vorgehensweise. Trinus hatte ihnen erzählt er hatte die Steine von einem Matrosen namens Seth gekauft, der oft in der Taverne „Zur schwarzen Mauer“ anzutreffen war. Morgen Abend würden die Fünf die Taverne aufsuchen und dort weiter nach dem Ursprung der Steine forschen.
12. Nachtal 1372
Am nächsten Morgen, die Morgensonne suchte sich ihren Weg durch die Rolläden und weckte die Fünf, teilte man sich auf.
Nessaya identifizierte die Gegenstände.
Vic und Tarrell holten Informationen ein und wollten sich mit Thoven dem Hehler treffen.
Thorog, der Halb-Ork, blieb bei Nessaya und Sinisto, der Loviathar Anhänger hatte andere Dinge zu erledigen zu denen er sich nicht äußern wollte.
Die Telverinbrüder Vic und Tarrell hatten schnell Erfolg beim Abklappern ihrer Quellen.
Lady Tazar, eine erfolgreiche Händlerin war seit kurzem die Leiterin des heruntergekommenen Waukeentempels.
Bei der Waffe handelte es sich um eine magische Glefe, die einst von einem jungen Waukeenkleriker angeblich direkt aus den Händen der Waukeen empfangen worden war und welche Lady Tazar dem Tempel gespendet hatte.
Außer Lady Tazar waren nur der alte Weng und sein Sohn Gaian im Tempel beschäftigt. Der Tempel war lange nicht restauriert worden und ohne das Geld der Priesterin würde er wohl in den nächsten Monaten vor die Hunde gehen.
Nachdem die beiden Menschenbrüder Telverin den anderen erzählt hatten was sie herausgefunden hatten, suchten sie den Hehler Thoven auf. Thoven verkaufte gestohlene Ware in einem Hinterhof nahe dem Hafenviertel.
Als Vic und Tarrell Telverin in den Hinterhof kamen herrschte dort schon reges Treiben. Einige bullige Kerle trugen Kisten in ein nahe stehendes Lagerhaus und Thoven lehnte Anweisungen erteilend an dem mannsgroßen Rad des Wagens von dem er seine Geschäfte aus tätigte.
„Holla! Wen haben wir denn da? Die Telverins! Schön euch mal wieder zu sehen!“
Der Mann mit der schwarzen Stachelfrisur sprach mit weit ausholenden Gesten und einem breiten damarischen Dialekt.
„Wir haben da was für dich Thoven. Interesse an ein paar schönen Büchern?“
Nach einer kurzen Erklärung ging Thoven mit den beiden ehemaligen Straßenkindern zum Hafen.
Thoven und der Matrose wurden schnell handelseinig und so kaufte der Hehler die Bücher für insgesamt fünfhundert Goldmünzen wobei Vic für die Vermittlung des Geschäfts ein Fünftel des Betrages erhielt.
Der Hehler hatte ihnen erzählt, dass es sich bei den Büchern um kunstvolle Stücke der Elfen aus dem Yuirwald handelte und die Elfen diese Bücher normalerweise nie herausgeben würden.
Am Nachmittag begab sich Vic in der Verkleidung eines verarmten Händlers zum Waukeentempel. Schon oft hatte er mit seinen Verkleidungen Menschen zum Narren gehalten, sie mit seinen Schauspielkünsten verwirrt und mit seinem Flötenspiel verzaubert. Die Verkleidung war perfekt. Nicht einmal sein eigener Bruder Tarrell würde ihn so erkennen.
Der Tempel „Handelsglück“ war ein ehemals schönes Bauwerk im Tempelviertel der Stadt. Zwei Säulen säumten den Eingang dessen graue Steintreppen an einer Opferschale vorbei, hineinführten.
Vic betrat die kleine Kirche. In der Luft lag der Geruch von altem Weihrauch, der es nicht vermochte den Geruch des alten Gemäuers zu überdecken. Risse zogen sich durch den Fußboden. Spinnweben hingen in den Ecken. Nur die Statue einer hübschen Frau die in den Händen ein paar Münzen hielt, schien regelmäßig geputzt zu werden.
Der verkleidete Besucher kniete kurz vor dem Altar zu Füßen der Statue nieder und erhob sich wieder.
Aus dem Nebenraum schlurfte ein alter Mann mit langen weißem Schnurrbart und geschlitzten Augen herein.
Der Shou grüßte den Besucher auf traditionelle Weise.
„Herzlich Willkommen im Handelsglück. Möge Waukeens Auge deine Geschäfte bewachen.“
Vic räusperte sich und begann mit seiner Vorstellung.
„Guter Mann. Ich benötige Waukeens Hilfe. Ich habe fast alles verloren.“
Dem angeblichen Anhänger der Waukeen traten Tränen in die Augen.
„Ein Dieb hat meine Waren gestohlen und nun habe ich fast nichts mehr. Kaum mehr die Hoffnung auf bessere Geschäfte. Ich hörte von einer heiligen Reliquie. Vielleicht kann
diese mir Kraft und Hoffnung geben.“
Der alte Priester setzte ein verständnisvolles Gesicht auf.
„Ihr armer Mann der Handels. Ja ihr habt Recht. Die heilige Glefe des Serun von Tantras befindet sich in diesen Mauern. Allerdings muss ich euch eine Spende von fünf Silbermünzen abnehmen, damit ihr sie sehen dürft.“
„Aber ich habe nicht mehr das Geld. Ihr müsst mir helfen. Waukeen muss mir helfen.“
Vics Stimme brach fast bei diesen Worten.
„Waukeen hilft denen die sich selbst helfen. Wenn ihr das Geld nicht mehr habt, so kann ich euch nur noch anbieten auf Lady Tazar zu warten. Vielleicht könnt ihr mit der Dame sprechen um zu einer Übereinkunft zu kommen.“
Vic wurde beim Gedanken an eine höhere Priesterin der Waukeen mulmig. Was wenn sie seine Gedanken las? Durch seine Verkleidung blickte.
„Nein, soviel Zeit habe ich nicht. Ich muss mein letztes Geld in ein Geschäft stecken.“
„Dann wird Waukeen euch sicherlich wieder hold sein. Nehmt ihren Segen und kommt wieder wenn ihr die fünf Silbermünzen entbehren könnt.“
Der ältere der beiden Telverinbrüder nickte und verabschiedete sich unter Ehrenbezeugungen für die Dame des Handels.
Draußen auf der matschigen Straße kam ihm eine Frau entgegen. Die Menschenfrau hatte prunkvolle Gewänder an, bestickt mit Gold und Silber und am Gürtel, in einer edlen gefertigten Scheide steckte ein Kurzschwert. Alles war mit den Insignien der Waukeen verziert. Auf dem Kopf trug die schöne Frau eine Pelzmütze aus feinstem Schneefuchsfell.
Einen Schritt hinter ihr lief ein Junge von etwa vierzehn Jahren. Er war Halb-Shou und Halb-Damarer. Der Junge trug eine Schatulle und hatte einen einfachen Mantel mit dem Symbol der Handelsgöttin umgeworfen.
Die Dame würdigte Vic keines Blickes.
Als sie den Tempel betrat, drehte sich der ältere der beiden Telverinbrüder noch einmal zu ihr um.
In seinen Gedanken begann sich ein Plan zu formen.
Die Taverne „Zur schwarzen Mauer“ war in die dicke Mauer eingebaut worden, die einst das Hafenviertel komplett umklammert hatte. Es war ein ehemaliges Wachhaus das sich direkt in dem Wall befand. Eine einzelne Laterne hing über der Treppe die hinab in den Keller der Wirtschaft führte und eine weitere Treppe führte nach oben in die Schlafgemächer.
Als die Fünf am Abend des 12. Nachtals die „Schwarze Mauer“ betraten war nicht viel los. Nur drei der runden Tische in dem durch ein Kaminfeuer beheizten Keller waren besetzt.
An zweien saßen Händler welche die Fünf vom Sehen aus dem Hafenviertel kannten.
Am letzten besetzten Tisch tranken zwei Personen.
Der eine war der größte Mann den die Gefährten je zu Gesicht bekommen hatten. Der Gigant hatte Arme wie Baumstämme, überragte Thorog den Halb-Ork-Barbar noch um einiges und sein wallender gelb-blonder Bart hing bis zum Gürtel.
Ihm gegenüber saß ein schmaler Mann mit schwarzem Spitzbart und kurz geschorenem Haar. Vor beiden standen zahlreiche Krüge, Teller und Gläser.
Die einzige weitere anwesende Person, abgesehen vom gnomischen Wirt, war die blonde Kriegerin mit dem Zweihänder, die Vic und Tarrell am Tag zuvor am Hafen veralbert hatten.
Die Fünf sahen sich kurz an und gingen dann auf den Giganten und sein Gegenüber zu.