Kapitel 12: Wein, Weib und Gesang
Dairon saß in einer Kutsche, zusammen mit seinem Berater in militärischen Angelegenheiten, Asphodel dem Hexenmeister, seiner Leibwache, Fulgrim, und seiner Konkubine, Morewyn.
Sie waren auf dem Weg zur Festung von Fürst Nasher von Niewinter, geladen zum offiziellen Empfang der prospektiven Teilnehmer der Allianz zur Befreiung der Mondsee mit Tanz und anschließendem Bankett. Dairon war in eine pompöse, rotgoldene Uniform aus feinster Seide gekleidet, mit steifem Kragen, Schnallenschuhen und Strümpfen bis zum Knie, komplett mit einem gefiederten Dreispitz und behangen mit Orden. Und einem steifen Kragen.
Der Kleriker hasste steife Kragen ganz besonders.
Was ihm auch nicht passte, war, dass er seine geliebte Rüstung und seine Waffe zurücklassen musste. Er fühlte sich schutzlos ohne seinen Stahlsarg. Seine restliche Schutzausrüstung hatte er behalten, in seinem Stiefelabsatz verborgen hatte er sein heiliges Symbol. Magie, die er entladen konnte, um sich durch bestimmte Situationen durchzulügen, lag auf ihm.
Sergenas hatte nur seine Roben getauscht und seine Betrachterkrone in der Dunkelburg gelassen.
Heram hatte sich nur die Stiefel putzen müssen.
Teldra allerdings war möglicherweise die einzige mit einer schlechteren Laune als Dairon, und das lag ebenfalls an ihrer Kleidung. Sie trug ein rotgoldenes Kleid mit Korsett, sodass ihr Dekolleté betont wurde, hatte ihr Haar zu einer spektakulären Turmfrisur gesteckt und sich durch einen Zaubertrick die Haare gelockt. Wo auch immer sie hinging folgten ihr die Blicke der Männer und auch der Frauen, doch diese eher missgünstig.
Sie sah zum Fenster hinaus und blies zornig eine Ziersträhne aus ihrem hübschen Gesicht.
Dairon tat das auf der anderen Seite und erblickte ein Waisenhaus. Sein Gesicht war ausdruckslos.
„Ich halte das nach wie vor für eine schwachsinnige Idee.“
„Ach komm, Dairon, wir haben das doch schon tausendmal durchgesprochen. Wir gehen da rein, stiften Streit, wo es nur geht, bringen die Beschlüsse in Erfahrung und geben diese Informationen in der Dunkelburg dann weiter. Du darfst nur deine Tarnung nicht auffliegen lassen.“
„Das macht die Sache ja so schwachsinnig. Ich bin kein guter Lügner. Und du kein guter strategischer Berater, trotz der Bücher, die du gelesen hast.“
„Dann muss ich eben überzeugend sein.“ Erwiderte Sergenas. Mit einer Sekunde Verzögerung zwinkerte er übertrieben mit einem Auge.
Dairon verbarg sein Augenrollen unter seiner Hand.
***
Die Kutsche passierte das Tor zum Adeligenviertel, und, nach etwas weiterer Fahrt, die Tore von Burg Niewinter. Ab hier wurden alle still, da sie so viele Informationen wie möglich aufnehmen wollten, was wo lag, Anzahl und Qualität der Wachen. Dicke der Mauern. Welche Wachen Hörner trugen, wo die Alarmglocken hingen. Sergenas bemerkte eine magische Aura, die die Burg nach einhüllte, direkt auf der Schwelle unter dem Fallgitter des Tores.
„Teleportieren wird hier nichts.“ Merkte er an.
Die Mauern waren dick. Mindestens fünf Meter, drei Mauerringe, alle mindestens zehn Meter hoch. Das Fundament der Burg war stark, auf den Türmen waren Hornissengeschütze angebracht, die, wie Sergenas feststellte, mit Zielvisieren aus Thay ausgestattet waren, mit denen man auch unsichtbare Angreifer anpeilen konnte. Alle waren bemannt und in gutem Zustand. Zwischen den einzelnen Mauern wuchsen, wie überall in Niewinter, subtropische Bäume, die, wie Heram wusste, sehr teures Holz ergaben, so man sie fällte.
„Ebenenreisen fällt allgemein flach.“ Murmelte Dairon.
„Ist gut gesichert.“ Flüsterte Teldra.
Die Kutsche bog ein in einen großen Innenhof. Banner hingen von den Wänden, der Hof an sich war gepflastert und sauber. Vor einem majestätischen Portal aus gereiftem Dunkelholz und einer Teppichstrecke hielt die Kutsche an. Ein Portier riss die Tür auf und machte einen Diener, als Dairon ausstieg, der sich an seine Rolle erinnerte. Hang zum Theatralischen.
„Ach, endlich, endlich, endlich ist diese Höllenreise vorbei. Komm, mein Schatz, wir sind da.“ Fing der Priester an, bevor der Portier etwas sagen konnte.
„Ähh, willkommen im Namen von Fürst Nasher, Eure Hoheit.“ Der alternde Portier rückte seine Brille zurecht. „Und auch willkommen, die edle Dame, die edlen Herren.“
Und damit hielt er Teldra die Hand hin, die geziert ausstieg. Sie hatte einen Fächer in der anderen Hand, mit dem sie sich elegant Luft zufächelte. Sie sah sich pointiert um beim Aussteigen, bevor sie Dairons Hand nahm und mit ihm auf den Eingang zu strebte. Die beiden anderen folgten unauffälliger.
Ein Diener stand bereit, um sie zu ihrem Zimmer zu bringen, in das sie sich zwischen den Veranstaltungen kurz zurück ziehen konnten. Sie schliefen aber nicht dort, die Gruppe hatte ein teures Gasthaus in der Stadt angemietet.
Die Kutsche fuhr weiter, und als die Tore sich gerade für sie öffneten, kam schon die nächste Kutsche an. Heram, der offiziell und auch in Wirklichkeit sehr angespannt war, blieb stehen und drehte sich um. Die Tür wurde aufgerissen, und ein gewaltiger schwarzer Panther sprang heraus. Der Waldläufer konnte noch einen Blick auf weißes Haar und dunkle Haut erhaschen, bevor er seinem Prinzen folgte.
***
Die Türen öffneten sich in den Großen Bankettsaal der Burg Niewinter, und das Orchester intonierte eine Fanfahre. Dairon konnte einen Blick auf die Gastgeber erhaschen. Dort sah er einen großen, schwarzhaarigen, bärtigern Mann, offenbar der Fürst. Und daneben…
Das Blut des Klerikers gefror.
Sturm Silberhand.