Pathfinder richtet sich eher an die andere Zielgruppe, die mehr Optionen und auch mehr Power möchte.
Mehr Optionen, ja. Mehr Power, nein.
Im Vorwort des PFRPG steht eine ganz einfache Wahrheit. Die Grundklassen des PHB wurden spätestens gegen Ende von 3.5 kaum noch durchgenommen. Und zwar nicht, weil sie uninteressant gewesen wären, sondern weil es eine ganze Menge Optionen gab, die stärker und damit attraktiver waren.
Die Zielgruppe des PFRPG sind in erster Linie diejenigen Spieler, die der 3.5 treu bleiben wollen. Diese Spieler sind aber mehrheitlich im Besitz diverser Ergänzungsbände und werden nicht freiwillig darauf verzichten, das dort enthaltene stärkere Material zu verwenden. Das PFRPG reagiert darauf, in dem es das Machtniveau der Gundklassen so gestaltet, dass diese endlich mithalten können und damit wieder als eigenständig zu nehmende KLassen für die Spieler interessant werden.
Aus meiner Beobachtung heraus scheint es so, als sei dieses Vorhaben gelungen. Die Konsequenz ist, dass Spieler, die bisher Core Only gespielt haben oder bei denen das Machtniveau so schwach war, dass auch die explizite Wahl der schwächeren Optionen kein Problem darstellte, den Machtzuwachs der Grundklassen natürlich sehr stark wahrnehmen. Daraus den Schluss zu ziehen, Paizo erhöhe das Machtniveau, ist ein Fehler, da besagte Spieler das Spiel nicht so spielten, wie es von der übergroßen Mehrheit der D&D-Community gespielt wird. Würden sie das tun, würden sie feststellen, dass die Grundklassen im PFRPG endlich das Machtniveau erreichen, auf dem ihre Kampagnen sich sowieso befinden (Optimierer finden die Grundklassen natürlich immer noch zu schwach, aber das ist ein andres Thema).
Die Optionen der Splatbooks sind da, und werden genutzt. Und das Rad lässt sich nur dann zurückdrehen, wenn man ein ganz eigenes Ding macht, das mit dem Regelsystem 3.5 nicht mehr viel zu tun hat, sondern ein vollkommen eigenständiges Spiel darstellt. Was nicht das Ziel Paizos ist, und was sie auch nie als Ziel propagiert haben.
Pathfinder ist kein Umstieg, sondern eine Option. Pathfinder zu erlernen ist keineswegs schwieriger, es ist einfach unmöglich. Man muss erst die Grundlagen (3.5) erlernen und dann kann man Pathfinder montieren. Ich sehe Pathfinder aktuell als Book of Options. Deswegen halte ich auch die Themenüberschrift für falsch und hätte sie "Warum Pathfinder? Die Kernpunkte der Erweiterung" genannt.
Natürlich kann man das PFRPG so verwenden, was es besonders für diejenigen interessant macht, die eigentlich bei der 3.5 bleiben wollen. Dennoch ist es (eigentlich jetzt schon, aber spätestens in der Endfassung) ein komplettes, in sich abgeschlossenes und ohne Rückgriff auf andere Materialien spielbares Regelsystem. Die Titulierung als "Book of Options" greift da meines Erachtens deutlich zu kurz.
Das sieht man zum Beispiel am Thema Prestigeklassen, die von Pathfinder nicht nur betroffen werden weil sich die Balance ändert, sondern auch weil sich bestimmte Vorraussetzungen durch das Skillsystem im Pathfinder RPG ändern.
Abwärtskompatibilität im Schnelldurchlauf, am Beispiel des Waterdeep-Buchs (hab ich gerade vor mir):
Grey Hand Enforcer: 0 Änderungen
Knight of the Blue Moon: Concentration wird zu Spellcraft, Turn Undead zu Channel Positive Energy (2 Änderungen)
Moonstar Agent: Decipher Script wird zu Linguistics, Gather Information zu Diplomacy (2 Änderungen)
Sun Soul Monk: Concentration wird zu Spellcraft (1 Änderung)
4 PrCs, 5 Änderungen, gebrauchte Zeit 10 Minuten. Da ich mich mit keiner der vier Klassen auskenne, kann ich zu ihrer Stärke auf Anhieb nichts sagen, durch die obigen Änderungen werden sie aber nicht verstärkt, insoweit ändert sich nichts. Mag sein, dass ich ein Detail in den Klassenfertigkeiten übersehen habe, beim Überfliegen ist mir aber nichts aufgefallen.
Und jetzt kommt das schöne: Handelt es sich bei einer der PrCs um eine schwache PrC, profitiert sie im Rahmen des PFRPG von einer leichten Stärkung durch die zugrundeliegende(n) Grundklasse(n). Ist es eine starke PrC, profitiert sie zwar im selben Maße, was aber dadurch abgefedert wird, dass man nun im PFRPG tatsächlich dadurch auch einen Verlust erleidet, nämlich den auf die Vorteile der Grundklasse, die man ja nicht weiter steigert. Und das gab es im 3.5-Regelwerk nicht, dort sind starke PrCs No-Brainer, weil sie immer der Option "Stufe in Grundklasse" vorzuziehen sind.
Und dann bleibt noch eine andere Frage: Pathfinder passt das Powerlevel an ein höheres Niveau an - welches man bei sehr starken Prestigeklassen vermutet. Auch bereits starke Grundklassen wurden verstärkt.
Falsch: Pathfinder passt das Powerlevel an ein Niveau an, dass durch jede Option erreicht wird, die das Powerlevel der alten Grundklassen übertrifft. Jetzt hat man die Wahl zwischen zwei gleichwertigen Optionen, vorher musste man bewusst zwischen regeltechnisch suboptimaler und regeltechnisch optimierter Lösung wählen.
Genau betrachtet kenne ich ein paar Leute mit denen ich 3.5er Runden angefangen habe und die von jeglichem Anflug von Powergaming oder eher "Das bauen des Chars ist wichtiger als das Spielen" abgeschreckt wurden. Sie mit Pathfinder zurück zu PnP zu locken dürfte schwierig werden...es steht letztlich genau für das was sie abschreckte.
Für diese Spieler dürfte so ziemlich jede Form von D&D (und Varianten) abschreckend sein. Wenn sie konsequent sind. Da müsste Paizo schon ein ganz anderes Spiel konzipieren. Tut mir leid, aber für deine Bekannten ist das PFRPG wohl tatsächlich nicht gedacht.