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Autor Thema: Unangebrachte Witze  (Gelesen 16544 mal)

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Tigershark

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Unangebrachte Witze
« Antwort #75 am: 02. September 2013, 08:31:09 »
Ich bin irgendwie mittlerweile gelangweilt von solchen Zensuren, denn der absolute Großteil der heute lebenden Deutschen hat den Holocaust nicht mehr erlebt, noch weniger können sich daran wirklich erinnern, geschweige denn haben daran mitgewirkt.

Dann kannst Du Luther, Bach, Kant, Goethe, Beethoven, Humboldt, Storm, Bismarck, Bonhoeffer, Erhardt und eigentlich jeden Deutschen, der vor Deiner Geburt starb, abhaken, schließlich hast Du die nicht mehr miterlebt, geschweige kannst Du Dich an sie erinnern.

Du siehst: Im besten Fall redest Du Quatsch, und im schlimmsten Fall willst Du bestimmen, was die zu vernachlässigenden faulen Äpfel der deutschen Geschichte sind. Die Wahrheit ist: Es gehört alles dazu!

Ich für meinen Teil kann gut nachvollziehen, dass alle Länder, die von Deutschen überfallen wurden, und alle Völker, die von deutschen vollständig vernichtet, und alle Deutschen, die wegen ihres Widerstand, anderer Meinung oder wegen ihres "Unwerts" getötet werden sollten, über 12 Jahre noch eine Zeitlang nicht hinwegkommen werden. Ich urteile nicht über deren Erinnerungsschwerpunkte und halte das aus.

Probiere das auch mal aus, Tigerhai, ist gar nicht so schwer.
Es nervt mich einfach, dass die junge Generation für die Fehler, die sie nicht begangen hat, regelmäßig die Folgen spürt.

Ich werfe dem Russen doch auch nicht vor, dass er ganze Bevölkerungsgruppen diskriminiert und ich werfe dem Ami nicht vor dass er den Irak aus finanzieller Motivation heraus bombadiert hat, dem Nordkoreaner werfe ich nicht vor, dass er seine Bevölkerung systematisch verdummt und dem Griechen werfe ich nicht vor, dass er schlecht mit Geld haushaltet. Das sind alles aktuelle Themen - und?
Vielleicht habe ich ja die soziale Ansicht, dass man Leuten nicht das vorhalten muss, was andere für ihn verbocken? Ich weiß genau, dass der durchschnittliche Nordkoreaner nichts für seine Situation kann und es gar nicht besser weiß, der Grieche leidet wahrscheinlich mehr unter seiner Regierung als jeder andere Europäer, und ob die Amis bzw. die Russen die Taten ihrer Regierung für gut heißen, weiß ich nicht einmal. In jedem Fall werde ich ihm das nicht vorhalten, so wie man uns den Holocaust vorhält.

Muss man also uns diese Sache weiter vorwerfen? Warum hängt uns das so nach?

Zu den von dir genannten Deutschen: Bei diesem Punkt hast du vollkommen Recht. Der Unterschied ist: Ich halte mich nicht für etwas Besseres, nur weil ich in einer Nation geboren/aufgewachsen bin, in der irgendwann mal irgendein Schriftsteller Faust geschrieben hat. Aber davon spüre ich die Folgen in meinem Leben auch nicht regelmäßig und mir wird auch nicht regelmäßig gesagt, was für ein toller Deutscher ich wäre, weil ja Kant in meinem Land gelebt hat. Genauso sag ich dem Engländer auch nicht, was für ein tolles Land er hat, denn da hat Shakespeare gelebt. Das Argument stützt deine These nicht, sondern, im Gegenteil, untergräbt sie.
Ich habe hingegen schon x-mal von irgendwelchen Leuten in meinem Leben irgendwelche Nazi- oder Hitler-Sprüche gehört, ob humoristisch, kritisch oder ernst gemeint, ist völlig egal. Man sieht es ständig. Während der Griechenland-Krise wurde Merkel prompt mal wieder mit Hitler verglichen - genau sowas meine ich. Willst du da mit Erinnerungsschwerpunkten argumentieren? Wenn es wenigstens die älteren Leute wären, die dann sowas bringen, dann könnte ich dafür vielleicht noch Verständnis aufbringen...
Du hast nicht wirklich erwartet, dass ich dir Recht gebe, oder?

Zechi

  • Globaler Moderator
Unangebrachte Witze
« Antwort #76 am: 02. September 2013, 09:57:54 »
@Tigershark
Bitte sei sehr vorsichtig was du hier schreibst, da du dich gerade auf einem sehr schmalen Grat befindest. Wir wollen hier im Forum keine Relativierung des Holocauts lesen. Deine Vergleiche gehen ganz eindeutig in diese Richtung. Ich gehen davon aus, dass das unbeabsichtigt ist und du dir über die Einzigartigkeit des Holocausts bislang keine Gedanken gemacht hast. Unbestritten gibt es andere schlimme Verbrechen in der Geschichte der Menschheit, die maßgeblich von anderen Nationen oder Gruppen durchgeführt wurden, aber die industrielle Vernichtung von Menschen in der Form (in zeitlicher, organisatorischer Hinsicht), wie es im  Dritten Reich passiert ist, ist historisch einmalig.

Sollten weitere Relativierungen folgen, werden wir diese löschen.
Planen ist alles, Pläne sind nichts.

TheRaven

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Unangebrachte Witze
« Antwort #77 am: 02. September 2013, 10:16:33 »
Ich kann Tigershark nicht leiden aber muss ihm hier Recht geben. Sein Beitrag ist etwas naiv geschrieben aber in der Essenz richtig und es ist wunderbar ironisch, welche Antwort er dann von Zechi kriegt. Klingt fast wie abgesprochen.

Gerade weil mit der Nazi-Zeit, den Verbrechen, sowie Symbolen und Mechanismen der damaligen Zeit so übervorsichtig umgegangen wird und selbst die geringste Behandlung der Thematik sofort in Zensur und Empörung endet, entfaltet diese Sache so eine ungeheure Faszination. Anstatt nüchtern mit der Thematik umzugehen und der Sache ihren "Zauber" zu nehmen ist es etwas halbwegs geheimnisvolles, worüber man nicht offen sprechen darf und sofort ermahnt wird, wenn man es trotzdem tut. Auch ist dieses Thema ein einfacher und billiger Weg Leute aufzuregen und eine Kontroverse zu eröffnen. Kein Wunder ist diese Zeit auch Heute noch so präsent, denn Leute mögen diese Mischung aus Geschichte, Geheimnisse und Verbote. Die Situation hat sich in den letzten 10 Jahren gebessert, weil die Leute, welche nun in den Medien tätig sind selber zu einer Generation gehören, deren Eltern bereits aus der Nachkriegszeit stammen. Trotzdem finde ich den Fortschritt viel zu schleppend.

Dass Leute aus anderen Ländern immer wieder auf diese Bezeichnungen zurückgreifen, wenn es um Deutschland geht, ist hingegen normal und nicht zu vermeiden. Man nutzt halt das, was man über die Person/Nation, mit welcher man es zu tun hat, weiss. Und die meisten Leute wissen praktisch nichts über das moderne Deutschland also bleibt ja nichts anderes übrig als auf die Nazi-Geschichte zurückzugreifen, welche durch zahlreiche Filme ja noch auf lange Zeit hinaus präsent bleiben wird, wenn man sich negativ äussern will.
« Letzte Änderung: 02. September 2013, 10:30:03 von TheRaven »
Die Wissenschaft nötigt uns, den Glauben an einfache Kausalitäten aufzugeben.
- Friedrich

Xiam

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  • Mörder der 4E
Unangebrachte Witze
« Antwort #78 am: 02. September 2013, 10:57:40 »
Ich kann Tigershark nicht leiden aber muss ihm hier Recht geben. Sein Beitrag ist etwas naiv geschrieben aber in der Essenz richtig und es ist wunderbar ironisch, welche Antwort er dann von Zechi kriegt. Klingt fast wie abgesprochen.
Wundert mich, dass du das so siehst, denn was Zechi geschrieben hat, hast du offenbar überhaupt nicht gelesen.

Es ging Zechi nicht um eine Tabuisierung des Themas an sich, dass man sich über den Holocaust nicht unterhalten oder schreiben dürfe. Das darf man natürlich, anders ist eine Verarbeitung der Thematik auch gar nicht möglich. Was Zechi jedoch für bedenklich hielt, war Tigersharks Tendenz, den Holocaust zu relativieren, ihn durch Vergleiche mit Kriegsverbrechen anderer Nationen und Völker zu verharmlosen. Wo ich Zechi uneingeschränkt zustimme, ist dass der eiskalt kalkulierte, industrielle Völkermord im Dritten Reich ein vorher noch nie und seitdem nicht wieder dagewesener verbrecherischer Akt gewesen ist. Diesen mit anderen Kriegsverbrechen zu vergleichen und besonders durch Aussagen wie "Warum müssen wir uns immer rechtfertigen, die Amis für ihre Bombardierungen des Irak aber nicht" in eine Kategorie einzusortieren, in die er überhaupt nicht passt, um den eigenen Umgang mit dem Holocaust zu entlasten ist eine sehr gefährliche Denkweise. Abgesehen davon, dass man Verbrechen nicht gegeneinander aufrechnet und sagt "wir waren beide schlimm, lass uns da jetzt also gegenseitig kein Wort mehr drüber verlieren", hat die Bombardierung des Irak und die billigende Inkaufnahme von Kollateralschäden (die sicherlich ihre eigene Art von Kriegsverbrechen darstellt) mit dem industriellen Massenmord an Angehörigen einer religiösen Gemeinschaft aber mal so gar nichts gemeinsam.

Mit anderen Worten: Zechi hat hier mit seiner Warnung und seiner Bitte, darüber nochmal nachzudenken, absolut recht.
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Moira

  • Mitglied
Unangebrachte Witze
« Antwort #79 am: 02. September 2013, 10:59:41 »
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich auch eine zeitlang auf Leute reingefallen bin, die behaupteten der Holocaust hätte allein technisch so nie stattfinden können. Zum Glück aber bin ich mit Allem kritisch, auch mir selbst gegenüber.

Ich teile aber auch die Befürchtung von zum Beispiel Moshe Zuckermann, dass gerade die sofortigen Gegenangriffe, oder die Tatsache dass man keine kritische Fragen stellen darf, ohne dass sofort die Antisemitismuskeule geschwungen wird,  zum Antisemitismus beitragen, und eventuell auch dazu, dass man die Vergangenheit verklärt, oder versucht zu rechtfertigen.
"Nur die Lügen brauchen die Stütze der Staatsgewalt, die Wahrheit steht von ganz alleine aufrecht!" Carl Theodor Körner

Zechi

  • Globaler Moderator
Unangebrachte Witze
« Antwort #80 am: 02. September 2013, 11:00:52 »
Nur um das klarzustellen, weil TheRaven offenbar nicht verstanden hat, worum es geht. Es geht allein um die hier gezogenen Vergleiche von Tigershark (z.B. die Ausrottung der Nord- und Südamerikanischen Bevölkerung, die unbestreitbar auch zu einem der schrecklichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte gehört) im Zusammenhang mit dem Holocaust. Das ist eine Argumentation die typischerweise von Neo-Nazis verwendet wird und in diese Richtung sollte sich die Diskussion hier nicht entwickeln. Wie gesagt, ich denke nicht, dass das von Tigershark so beabsichtigt war, daher die Warnung meinerseits.

Die grundsätzliche Frage, ob die heutige Generation noch Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit trägt, kann man gerne diskutieren, aber nur auf der Basis, dass der Holocaust ein bislang beispielloses Verbrechen darstellt.

Gruß Zechi
Planen ist alles, Pläne sind nichts.

Utlin

  • Mitglied
Unangebrachte Witze
« Antwort #81 am: 02. September 2013, 12:01:53 »
Zitat
Die grundsätzliche Frage, ob die heutige Generation noch Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit trägt, kann man gerne diskutieren, aber nur auf der Basis, dass der Holocaust ein bislang beispielloses Verbrechen darstellt.

Damit hast du genau das Problem angesprochen. Verantwortlich sein wird von den meisten gleichgesetzt mit persönlich schuldig sein. Dann kommt es zur reflexartigen Verteidigungsstrategie: "Ihr habt ja auch schon viel Greul verursacht". Wenige setzen sich mit dem Begriff der "Historischen Schuld" auseinander, also der Verantwortung, dass nichts vergessen oder relativiert wird, sozusagen als Gewissen und Gedächtnis aller. Das ist die tatsächliche  Verantwortung, in dessen Rahmen man sich persönlich schuldig machen kann. Die Verantwortung, dass so etwas nicht nochmals geschieht, hat die ganze Welt.

Die meisten sehen aber die Konfrontation mit der deutschen Vergangenheit als persönlichen Schuldvorwurf. Dies entweder aufgrund irgendwelcher Komplexe, oder weil es vom gegenüber mehr oder weniger suggeriert wird. Wenn man sich aber seiner eigentlichen Verantwortung bewusst ist, provoziert ein solcher Versuch höchstens ein müdes Kopfschütteln und eben nicht den Verteidigungsreflex.
« Letzte Änderung: 02. September 2013, 12:26:43 von Utlin »
Mach es wie beim funken: denken, drücken, sprechen.

Tigershark

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Unangebrachte Witze
« Antwort #82 am: 02. September 2013, 12:33:43 »
Ich wollte mit den Vergleichen nicht den Holocaust relativieren, sondern einfach darstellen, dass ich mit von anderen Völkern begangenen massiven Verletzungen der Menschenrechte nicht so offensiv und anfeindend gegen andere Völker vorgehe, wie diese es mit uns tun. Ich will auch nicht die "Einzigartigkeits des Holocausts", wie du es so schön beschreibst, anzweifeln. Dass ich mich mit diesen Vergleichen auf Argumentationsbasis von Neo-Nazis berufe, war mir nicht bewusst, nicht meine Absicht und ich entschuldige mich dafür.

Ich empfinde es aber als extrem störend, dass man solche Vergleiche nicht einmal anstellen kann, diese Übersensibilisierung im Themenbereich Holocaust ist einfach furchtbar. Ich empfinde einfach das Töten Unschuldiger Menschen als falsch, unabhängig davon, in welchem Kontext, darum hat - für mich persönlich - keines solcher enormen Vergehen (wie z. B. die Ausrottung der Indianer) mehr oder weniger Schrecken als ein anderes. Aber nur beim Holocaust und afaik nur in Deutschland gibt es Gesetze, die die Verleugnung unter Strafe stellen.
Du hast nicht wirklich erwartet, dass ich dir Recht gebe, oder?

Durion-Gollor

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Unangebrachte Witze
« Antwort #83 am: 02. September 2013, 13:51:13 »
Ich kann Zechis Reaktion offen gesagt nicht ganz nachvollziehen. Natürlich ist der Organisationsgrad "typisch deutsch" und insofern einzigartig. Was in Rußland zwischen 1917 und 19...sagen wir... 51 stattgefunden hat oder in Kambodscha ist aber davon abgesehen kaum weniger schrecklich. Das hat meines Erachtens auch wenig mit Relativierung oder gar Verleugnung zu tun. In Kambodscha hat das Tragen einer Brille gereicht, um gefoltert und ermordet zu werden. So gesehen dürfte man niemals irgendwelche Kriegsverbrechen oder Massenmorde in eine Reihe stellen, weil alle irgendwie "besonders" sind. Dass der Holocaust hiebei Rang 1 belegt ist womöglich unstrittig, aber warum darf man nur Rang 2-10 vergleichen?
Ich sehe bei derlei Betrachtungen keinen relativierenden Vergleich. Woran machst du das "Vergleichs-/ und Relativierungsverbot" fest? An der Zahl der Opfer oder am Organisationsgrad oder an der "Einstiegshürde (Rasse, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, links oder rechts der politischen Mitte stehend)", um in den Fokus der Täter zu geraten?

Ich sehe auch gerade in derlei hysterischen Reaktionen wie von Zechi einen Anlaß, warum immer mehr junge Menschen regelrecht "angenervt" sind, wenn es um dieses Thema in Verbindung mit Schuld und Verantwortung geht. Regelrecht mittelalterlich, zumal Tigersharks Post nicht den Anschwin erweckt, dass er mit rechtem Gedankengut sympathisiert.

Ich selbst möchte hier nichts vergleichen oder verharmlosen oder im Detail derlei diskutieren. Ich empöre mich nur ein wenig über diesen scharfen Maulkorb in Form einer Drohung in Rotschrift nach einem politisch eher unverdächtigen Beitrag.


Archoangel

  • Mitglied
Unangebrachte Witze
« Antwort #84 am: 02. September 2013, 14:01:07 »
Die Ausrottung einer bestimmten Gruppe Mensch, auch als Holocaust bekannt, ist seit der ersten verbrieften Ausrottung der Kanaaniter das schlimmste Verbrechen der Menschheit überhaupt - darüber muss, denke ich, nicht debattiert werden.
Schuldig fühle ich mich persönlich für den Holocaust der Nazionalsozialisten an Menschen der Gruppe "Juden" (sowie "Sinti", "Roma", "Homosexuelle", "Kommunisten", "Sozialdemokraten", "geistig Behinderte" usw) jedoch etwa genauso sehr wie an der Ausrottung obig genannter "Kanaaniter".
In diesem Thread gibt es wunderbare Beispiele, dass Schulpflicht und Dummheit sich nicht ausschließen. (Tempus Fugit)

4E Archoangel - Love me or leave me!

Hautlappen

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Unangebrachte Witze
« Antwort #85 am: 02. September 2013, 14:11:02 »
Zitat
Ich wollte mit den Vergleichen nicht den Holocaust relativieren, sondern einfach darstellen, dass ich mit von anderen Völkern begangenen massiven Verletzungen der Menschenrechte nicht so offensiv und anfeindend gegen andere Völker vorgehe, wie diese es mit uns tun. Ich will auch nicht die "Einzigartigkeits des Holocausts", wie du es so schön beschreibst, anzweifeln. Dass ich mich mit diesen Vergleichen auf Argumentationsbasis von Neo-Nazis berufe, war mir nicht bewusst, nicht meine Absicht und ich entschuldige mich dafür.
Die Relativierung des Holocaust findet auf vielen Ebenen statt, und findet ihre prominenteste Vertretung sogar in Kreisen der bürgerlichen Geschichts- und Politikwissenschaft, namentlich der, leider in unseren Breiten weitestgehend anerkannten, sogenannten Totalitarismus-Doktrin. Deine Argumentation reiht sich leider, wahrscheinlich sogar unbeabsichtigt, in diese ein. Indem man die sowjetischen Menschenrechtsverletzungen (die es ja unbestritten massenhaft gegeben hat) in eine Reihe mit denen der deutschen Faschisten stellt, relativiert man die Verbrechen letzgenannter und, was fast noch schlimmer ist, verhindert jedwede Debatte über die spezifischen Ursachen dieser oder jener Enwicklung.
Zitat
Ich empfinde es aber als extrem störend, dass man solche Vergleiche nicht einmal anstellen kann, diese Übersensibilisierung im Themenbereich Holocaust ist einfach furchtbar. Ich empfinde einfach das Töten Unschuldiger Menschen als falsch, unabhängig davon, in welchem Kontext, darum hat - für mich persönlich - keines solcher enormen Vergehen (wie z. B. die Ausrottung der Indianer) mehr oder weniger Schrecken als ein anderes. Aber nur beim Holocaust und afaik nur in Deutschland gibt es Gesetze, die die Verleugnung unter Strafe stellen.
Erst entschuldigst du dich für deine etwas unglückliche Art zu argumentieren (was ich dir wirklich abnehme), und dann begehst du denselben Fehler erneut. Der Holokaust ist ein spezifisch deutsches Verbrechen und damit, ob du das willst oder nicht, auch Teil deiner Geschichte. Dazu gehört auch, dass die Erinnerung daran untrennbar Teil des historischen Erbes dieses Landes ist. Relativierung durch Gleichsetzung gehört nicht zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dieser Geschichte.
"I have no expression on my face" (Tuvok)

Zechi

  • Globaler Moderator
Unangebrachte Witze
« Antwort #86 am: 02. September 2013, 14:12:41 »
Ich wollte mit den Vergleichen nicht den Holocaust relativieren, sondern einfach darstellen, dass ich mit von anderen Völkern begangenen massiven Verletzungen der Menschenrechte nicht so offensiv und anfeindend gegen andere Völker vorgehe, wie diese es mit uns tun. Ich will auch nicht die "Einzigartigkeits des Holocausts", wie du es so schön beschreibst, anzweifeln. Dass ich mich mit diesen Vergleichen auf Argumentationsbasis von Neo-Nazis berufe, war mir nicht bewusst, nicht meine Absicht und ich entschuldige mich dafür.

Ich empfinde es aber als extrem störend, dass man solche Vergleiche nicht einmal anstellen kann, diese Übersensibilisierung im Themenbereich Holocaust ist einfach furchtbar. Ich empfinde einfach das Töten Unschuldiger Menschen als falsch, unabhängig davon, in welchem Kontext, darum hat - für mich persönlich - keines solcher enormen Vergehen (wie z. B. die Ausrottung der Indianer) mehr oder weniger Schrecken als ein anderes. Aber nur beim Holocaust und afaik nur in Deutschland gibt es Gesetze, die die Verleugnung unter Strafe stellen.

Der Vergleich selber ist nicht das Problem. Im Gegenteil, nur durch einen Vergleich mit anderen Verbrechen, kann man die Besonderheit des Holocausts erfassen. Deine vorherigen Äußerungen gingen aber in die Richtung, dass du eine ganze Reihe an historischen und nicht ganz so historischen Ereignissen in einer Reihe mit dem Holocaust gestellt hast, angefangen von der Ausrottung der indianischen Bevölkerung bis hin zur Griechenlandkrise und dann die Frage der Vorwerfbarkeit aufgeworfen hast. Das ist ziemlich relativierend.

Utlin hat es eigentlich schon auf den Punkt gebracht. Es geht nicht um persönliche Schuld der Nachkriegsgenerationen am Holocaust, sondern um historische Schuld für ein Verbrechen, dass eben bislang beispiellos ist, was seine Durchführung angeht. Die Zahl der Opfer ist dabei meines Erachtens nur sekundär (Nur als Hinweis, weil viele Relativierer z.B. gerne auf die Ausrottung der indianischen Ureinwohner verweisen oder auf die Greuel im real existierenden Sozialismus).

By the way ist die Leugnung des Holocausts auch in anderen Ländern strafbar, nicht nur in D.
Planen ist alles, Pläne sind nichts.

Hautlappen

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Unangebrachte Witze
« Antwort #87 am: 02. September 2013, 14:24:25 »
Zitat
Ich sehe auch gerade in derlei hysterischen Reaktionen wie von Zechi einen Anlaß, warum immer mehr junge Menschen regelrecht "angenervt" sind, wenn es um dieses Thema in Verbindung mit Schuld und Verantwortung geht. Regelrecht mittelalterlich, zumal Tigersharks Post nicht den Anschein erweckt, dass er mit rechtem Gedankengut sympathisiert.
Ist dir vielleicht auch mal der Gedanke gekommen, dass junge Menschen eig. andere Sorgen haben sollten, als "angenervt" darüber zu sein dass Deutschland eine historische Schuld trägt? Soweit ich weiss wird kein "junger Mensch" in Deutschland davon abgehalten die NPD zu wählen (leider) oder gegen Asylanten/Migranten zu hetzen. Letzteres ist sogar in D. verdammt salonfähig (Aussagen Friedrich/Merkel) und konterkariert eig. schon die gekünstelte Empörung über ein angeblich übersensibles Geschichtsverständnis in Sachen deutscher Faschismus/Holokaust. Ich persönlich habe in meinem Leben, auf Grund meiner Staatszugehörigkeit, bzw. auf Grund der deutschen Verbrechen keinerlei Nachteile erfahren müssen, und es würde mich wundern wenn is irgendwo anders wäre. Niemand wird, bis auf den Schulunterricht abgesehen, gezwungen sich mit dem deutschen Faschismus ausseinanderzusetzen. Der selbstverordneten Ignoranz sind in D. keine Grenzen gesetzt.
« Letzte Änderung: 02. September 2013, 15:05:15 von Hautlappen »
"I have no expression on my face" (Tuvok)

Xiam

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  • Mörder der 4E
Unangebrachte Witze
« Antwort #88 am: 02. September 2013, 14:41:04 »
Ich wollte mit den Vergleichen nicht den Holocaust relativieren, sondern einfach darstellen, dass ich mit von anderen Völkern begangenen massiven Verletzungen der Menschenrechte nicht so offensiv und anfeindend gegen andere Völker vorgehe, wie diese es mit uns tun. Ich will auch nicht die "Einzigartigkeits des Holocausts", wie du es so schön beschreibst, anzweifeln. Dass ich mich mit diesen Vergleichen auf Argumentationsbasis von Neo-Nazis berufe, war mir nicht bewusst, nicht meine Absicht und ich entschuldige mich dafür.

Ich empfinde es aber als extrem störend, dass man solche Vergleiche nicht einmal anstellen kann, diese Übersensibilisierung im Themenbereich Holocaust ist einfach furchtbar. Ich empfinde einfach das Töten Unschuldiger Menschen als falsch, unabhängig davon, in welchem Kontext, darum hat - für mich persönlich - keines solcher enormen Vergehen (wie z. B. die Ausrottung der Indianer) mehr oder weniger Schrecken als ein anderes. Aber nur beim Holocaust und afaik nur in Deutschland gibt es Gesetze, die die Verleugnung unter Strafe stellen.
Ist mit Sicherheit unbeabsichtigt und unbedacht von dir gewesen, aber dein Post klingt leider so:

"Ich bin nicht rassistisch, aber..."
"Ich habe nichts gegen Ausländer, aber..."
"Ich bin kein Antisemit, aber..."
"Der Holocaust war schlimm, aber..."
Und als Krönung noch die berühmte BILD-Empörung: "Das wird man doch wohl noch sagen dürfen!"

Merkst du was?

Ich unterstelle dir kein neo-faschistisches Gedankengut, sondern einfach nur eine gewisse Naivität im Umgang mit der Thematik. Menschen, die solche Dinge wie das oben von mir zitierte äußern, zeigen damit in erster Linie, dass sie sich der Problematik des Umgangs mit der deutschen Geschichte gar nicht richtig bewusst sind und ihnen (noch) die Sensibilität für das Ausmaß dieses Verbrechens fehlt. Ich empfehle dir daher ganz dringend, dich mit der Thematik auseinander zu setzen, damit du dich nicht wieder in eine Ecke gestellt fühlst, in die du nicht gehörst.

Leider glaube ich, dass du diesen Rat (noch) nicht annehmen wirst, da du im Moment davon überzeugt bist, dass du zu einer Generation gehörst, die aufbegehren muss, alte Hüte abstreift und das Denken neu erfindet (oder zumindest in modernere Bahnen lenkt), anstatt sich von den "alten Säcken" sagen zu lassen, wie man mit gewissen Themen umgeht.

Mich würde tatsächlich mal interessieren, wie alt du bist. Du betonst, dass du bereits ein abgeschlossenes Studium hast... bei manchen... unbedachten Äußerungen von dir kommen mir allerdings immer wieder Zweifel.
« Letzte Änderung: 02. September 2013, 14:42:47 von Xiam »
1984 was not supposed to be an instruction manual.

Durion-Gollor

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Unangebrachte Witze
« Antwort #89 am: 02. September 2013, 14:46:44 »
Hautlappen:

Sorry, ich sehe keinen Zusammenhang zu dem, was ich geschrieben habe.

Du hast aber recht bezüglich der dargelegten Fakten. Ändert nichts daran, dass diese hysterischen Reaktionen meines Erachtens kontraproduktiv sind oder oft sein können. Sie führen leicht dazu, dass man abschaltet und das Gegenüber nicht wirklich ernst nimmt. Wie das eben oft ist, wenn Leute übertrieben hysterisch reagieren.

Und ich denke, dass junge Menschen, die immer weniger direkten Bezug zu dieser Zeit haben, von derlei Reaktionen eher abgeschreckt werden, weil nicht verständlich ist, wieso auf aus jugendlicher Sicht "normale" Fragen/Gedanken eine solch harsche Reaktion erfolgt. Für mich war früher als Kind/Jugendlicher der 2. Weltkrieg und alles drumherum weit mehr als Geschichte. Es war präsent durch Oma, Opa (in meinem Fall Vater), Geschichten und Erzählungen und traumatische Erlebnisse in der Verwandschaft. Dadurch ist Vieles besser einzuordnen und berührt mich mehr.
Andererseits war der 1. Weltkrieg beispielsweise ein Akt der Geschichte, den ich nur aus Büchern kannte, ähnlich wie das alte Rom.

Wir müssen verstehen und damit umzugehen lernen, dass die heute folgende Kinder-/Jugendgeneration naturgemäß ganz anders mit dem Thema umgeht und an das Thema herangeht.
Das von kleinauf in gewisser Weise erlernte Gespür für diese Zeit ist nicht mehr vorhanden, was auch eine andere Herangehensweise und einen anderen Umgang in der Diskussion erfordert. Etwas weniger hysterisch bei aller gebotenen Sachlichkeit wäre hilfreich, weil diese Generation sich sonst glaube ich geistig von dem Thema verabschiedet.

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