Wenn man sich die Geschichte von D&D so ansieht, ist 4.0 eine interessante Entwicklung aufgrund eines Konflikts im Spieldesign, den es von Anfang an gab.
D&D hatte anfangs in den USA und England einen ernsthaften Konkurrenten, Melee bzw. Wizard von Metagaming (der Vorläufer von GURPS). Metagaming punktete damals mit einem ultra-einfachen Charaktererstellungssystem und einem ausgeklügelten, aber eben auch einfach zugänglichen und eleganten Kampfsystem, das auf Hexfeldern und wirklich schönen Helden- und Monstercountern zum Ausschneiden basierte. Das Spielsystem war seiner Zeit bei weitem voraus. Das Kampfsystem von D&D wirkte dagegen fast als primitiv bzw. nicht vorhanden. Die Spielerschaft spaltete sich damals schon in zwei Gruppen: die, die den Simulationsaspekt bevorzugten und die, die mehr auf die erzählerischen Aspekte Wert legten. Beide Systeme haben natürlich ihre Vor- und Nachteile und sprechen unterschiedliche Spielertypen an.
Metagaming ging leider unter, und mit ihm verschwanden Melee und Wizard sowie das auf Melee und Wizard aufgesetzte (und leider auch etwas aufgesetzt wirkende) Fantasy-Setting. In Deutschland trat Melee leider nie in Erscheinung. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, hätte ich alleine wegen des Kampfsystems Melee gespielt. Leider war das damals eine andere Zeit, es gab kein Internet und alleine von so einem Spiel im Ausland zu erfahren bzw. es zu bekommen, war fast ein Ding der Unmöglichkeit. Ich bin damals schlicht daran gescheitert, alle Regeln aus dem Ausland zu erhalten.
Interessant war für mich über die Jahre hinweg zu sehen, wie D&D sich zuletzt immer mehr vom reinen Erzählspiel mit ein paar Würfeleien weg- und zum Simulationsaspekt (oder Brettspiel, wie es hier abwertend genannt wird) hinbewegte. Mit 4.0 ist D&D endlich so geworden, wie ich es mir immer gewünscht habe. Ein grundsolides, elegantes Spielsystem in einem ansprechenden Fantasy-Setting, in dem man seine Figuren im Rahmen einer spannenden Geschichte nach einfachen, gut durchdachten Regeln hin- und herschiebt. Für mich die beste Synthese aus Melee und dem klassischen D&D.
Der Bruch mit dem alten D&D, der sich über Jahre hingezogen hat, ist nun perfekt. Während D&D auf dem Heimatmarkt aufgrund seiner großen Popularität den Bruch wegsteckt, hat es in Deutschland für F&S aufgrund der Ignoranz von WotC bezüglich des deutschen Marktes zur Katastrophe geführt. Wie lässt sich erklären, dass WotC die Bedürfnisse ihre alten Kunden zu Gunsten neuer Kunden auflaufen ließ? Ich glaube, man kann es darauf reduzieren, dass die Käuferschicht, die Bodenpläne und Miniaturen bevorzugt, lukrativer ist. Es lässt sich mehr Zubehör verkaufen und die Masse der Spieler ist größer. Also braucht man zugeschnittene Regeln dafür.
Daraus zu folgern, dass mit den größeren, lukrativeren Käuferschichten die primitiveren Käuferschichten bedient werden, halte ich für falsch. Genauso wie den (halt auf eine andere Art und Weise klugen) "Brettspielern" immer suspekt war, wie man sich mit einem "verkorksten" Regelwerk wie D&D auseinandersetzen kann, war den klassischen D&Dlern das Korsett eines engen Regelwerks zu Lasten ihrer Fantasie ein Graus.
Tragisch ist es für F&S, die von einer Entwicklung überrollt wurden, die sie bis zuletzt nicht richtig verstanden haben. Die Proteste der klassischen D&Dler gegen 4.0 hatten im Grunde nichts mit Miesmachen zu tun. Dieser Rollenspiel-Brettspiel-Hybrid ist einfach nicht mehr ihr Spiel. Wenn (überspitztes Beispiel) man den Fans eines Brettspiels erklären würde, es käme nun nicht mehr so auf die Regeln sondern mehr auf die Fantasie an, hätte man umgekehrt den gleichen Effekt.
D&D 4.0 ist in Deutschland nicht tot. Nur für manche. Ein bestechendes Spielsystem setzt sich immer durch, ob auf Englisch oder auf Deutsch. Es muss sich nur erst seine (neue) Spielerschaft erobern, und das wird es.
Die klassischen D&Dler werden mit (durchaus hochwertigen) Nischenprodukten anderer Anbieter bedient. Für mich ist es letztlich nur eine Korrektur des Marktes, in dem sich einer der Hauptanbieter kompromisslos dem Hauptsegment zugewendet hat.