Kapitel 5
Wer zu früh kommt, den bestraft das Leben!
24. Eleasias Das Jahr der Visionen 731 TZ Chondathan
Mein kleiner Schatz ist etwas säuerlich, als ich sie im Kindergarten besuche. Hat ihr gar nicht gefallen, hier übernachten zu müssen. Aber für ihre eigene Sicherheit ist mir das lieber. Inzwischen habe den Zauber auswendig gelernt, der meine Waffe magisch werden lässt. Ich hoffe, dass ich bald in der Lage sein werde, eine richtige magische Waffe zu führen. In letzter Zeit sah es ja nicht gerade rosig aus, was wir an Beute gemacht haben. Eine Nullnummer nach der anderen. Kein Wunder, dass ich langsam aber sicher pleite gehe. Verdammnis!
Ich muntere Mili etwas auf und lasse mich von Glücksbote Ryan von den gestrigen Schwächungen endgültig heilen. Da fühle ich mich doch gleich wieder wohler. Nach und nach trudeln alle ein, bis auf Dolon, der sich entschuldigen lässt, da er eine Söldnerkompanie nach Norden begleiten muss. Na prima. Dann müssen die Wagemutigen wohl auf ihren stärksten Kämpfer verzichten. Wir besprechen eine grobe Strategie und machen uns dann gemeinsam auf zum alten Bruch. Es ist ein schöner sonniger Tag und Xana plappert die ganze Zeit über Serenius, ihre Planung für Serenius Geburtstagsfeier und für die Hochzeit. So was will gut durchdacht sein. Schließlich erreichen wir den kleinen Ibrandulschrein. Eine alte Priesterin kniet vor dem Altar und nimmt uns erst wahr, als ich mich leise räuspere.
Sie begrüßt uns freundlich und wir kommen nach ein paar Floskeln zum Kern unseres Anliegens. Sie kennt in der Tat den Händler Graldor, bei dem es sich um einen Dunkelzwerg handelt, der seine Privatsphäre liebt. Normalerweise tritt er an seine Kunden heran und nicht umgekehrt. Aber nach etwas hin und her und den obligatorischen Warnungen vorsichtig zu sein, beschreibt sie den Weg zu seinem Stollen.
Es ist nicht weit von hier, aber der Aufstieg ist steil und doch etwas anstrengend. Schließlich stehen wir vor dem Stolleneingang und spähen hinein. Kein Wächter zu sehen. Wir überdenken noch einmal unsere Strategie und beschließen, den Dunkelzwerg direkt auf das Problem mit den Rylkar und der Harydan anzusprechen. Ich finde kurz hinter dem Eingang eine Alarmfalle, die wir bewusst auslösen und uns rufend weiter in den Stollen hinein bewegen. Ich belege mein Amulett mit einem Lichtzauber und wir können so gut sehen. Nach etwa sechzig Schritt hören wir komische Geräusche aus einem anderen Stollen, der hier hinein führt. Auch sehen wir direkt vor uns, wie der Stollen sich in einen Raum weitet und zwei unbewegliche gerüstete Zwerge ein steinernes Portal bewachen.
Die komischen Geräusche hören auf und stampfende Schritte kommen auf uns zu. Ein paar Herzschläge später zwängt sich ein riesiges Wesen aus dem Stollen. Es ist etwa drei Schritt hoch, hat einen flachen Kopf mit vier Augen und ein mit mandibelartigen Zangen bewehrtes Maul. Sein Körperbau ist grob humanoid. Ich habe von diesen Viechern schon gehört, das muss ein Erdkoloss sein. Finsternis!
„Wir möchten Graldor in einer wichtigen Angelegenheit sprechen“, sage ich und zeige meine leeren Hände. Das Ding mustert mich aus vier Augen, sagt etwas in einer Sprache, die ich nicht kenne und dreht sich einfach um und geht zurück in den Stollen. Einen kurzen Moment hören wir eine Stimme in den Raum schallen.
„Ihr wollt also reden? Nun gut, Schwört bei den heiligen Gesetzen der Gastfreundschaft, dass ihr keinen Kampf wollt.“ Das tun wir dann auch und das ist ja auch die Wahrheit. Rumpelnd geht die Tür auf und eine gedrungene Gestalt in einer dunklen Rüstung marschiert heraus. Ein schwarzer Bart quillt aus dem Helm heraus und eigentlich ist kaum was von dem Träger zu erkennen. „Ich bin Meister Graldor, was führt euch her?“
„Nun, um ohne Umschweife zum Punkt zu kommen, wir wissen, dass ihr eine Harydan in euren Besitzt habt und wollten fragen, ob ihr sie uns geben könntet.“
„Warum sollte ich so etwas Dummes tun?“
„Nun, die Harydan ist die Anführerin eines Rylkarschwarmes, der die Stadt hier bedroht. Es könnte viele Tote und Verletzte unter den Bürgern der Stadt geben, wenn die Rylkar nicht das bekommen, was sie wollen.“
„Aha, diese Viecher sind ja richtig stur. Dabei habe ich doch so gut meine Spuren verwischt. Nun ja, die wollen wohl ihre zweite Königin zurück haben. Wenn ihr zwanzigtausend Goldmünzen bezahlt, könnt ihr sie haben.“
„Zwanzigtausend?“, keuche ich überrascht.
„In der Tat. Andere Leute sind bereit, diese Summe zu bezahlen. Aber wenn ihr sofort bezahlt, könnte ich sie auch euch verkaufen. Um die Stadt zu retten.“ Das letzte klingt nicht sehr aufrichtig.
„Nun, wir haben leider keine zwanzigtausend Goldmünzen.“
„Damit ist dann das Gespräch beendet.“
„Wartet noch, was sind das für Gestalten.“ Glücksbote Ryan zeigt auf die Statuen, die sich inzwischen links und rechts neben Graldor aufgebaut haben. Es scheint sich um Dunkelzwerge zu handeln, aber da sie große Löcher im Schädel haben, können sie nicht mehr Leben.
„Das sind Laduguers Kinder. Sie haben im Leben gut gedient, nun dürfen sie im Namen Laduguers weiter arbeiten.“
„Laduguer?“
„Laduguer ist meine Schutzgottheit, die mich lehrte, dass das Leben aus harter Arbeit besteht und nur der Tüchtige es verdient, zu leben.“
24. Eleasias Das Jahr der Visionen 731 TZ Chondathan
Aha! Wir verabschieden uns und ich versuche noch einen Blick in den Bereich zu erhaschen, wohin der Zwerg wieder verschwindet. Dahinter ist ein Raum zu sehen, von dem drei weitere Türen abzugehen scheinen. Vorsichtig ziehen wir uns zurück und erst als wir draußen sind, atmen wir wieder auf.
Auf dem Rückweg zur Stadt gehen wir unsere Optionen durch. Letztendlich bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als dieses Problem gewaltsam zu lösen. Der Erdkoloss macht mir am meisten Sorgen, da ich schlimme Geschichten über sie gehört habe. Aber es wäre interessant zu wissen, ob diese Geschichten überhaupt stimmen. Da werde ich wohl in der Bibliothek der Ungesehenen Seher nachschauen müssen. Gut vorbereitet werden wir wohl den Kampf überstehen, aber was dann? Wie verständigen wir uns mit der Harydan und wie stellen wir sicher, dass sie und ihr Volk sich dann verziehen?
Als erster Schritt müssen wir da verhandeln. Und da fangen schon die Probleme an. Xana merkt an, dass es so genannte Sprachperlen gibt, und ich meine, da gibt es auch einen Zauber, der es einen erlaubt, mit fremder Sprache reden zu können. Eine Schriftrolle würde ich auf alle Fälle im Notfall besorgen können. Aber so ne Perle wäre natürlich praktischer. Kann man mehrmals verwenden, im Gegensatz zu einer Rolle. Also trennen wir uns, um etwas nachzuforschen und nach Sprachperlen für die Sprache des Unterreichs zu forschen. Wir machen aus, dass wir uns etwa zur fünften Stunde beim Brunnenhaus treffen werden.
Ich schlage den Weg ins Adelsviertel ein und komme ungesehen an den Wachen vorbei. Eine gute Übung. In der Bibliothek der Ungesehenen Seher finde ich in der Tat einiges über diese Erdkolosse. Sie stammen ursprünglich aus der Ebene der Erde, sind aber inzwischen auch auf der normalen Ebene heimisch geworden. Oft werden sie von finsteren Völkern versklavt und zu schweren Erdarbeiten oder für Kämpfe eingesetzt. Ihre Haut gilt als sehr hart. Sie sind sehr kräftig und können einem ziemlich wehtun. Als ob das nicht schon reichen würde, können sie einen wie die kleinen Rylkarschwärme in Verwirrung stürzen. Und das für einen recht langen Zeitraum. Das ist nicht gut. Über Dunkelzwerge erfahre ich kaum was, leben im Unterreich, sind mit den anderen Zwergen verfeindet, mehr ist da nicht heraus zu finden. Bei der Gelegenheit lese ich auch noch mal alles über Schatten nach, wenn sie denn was darüber da hätten. Finsternis!
Aber sie hätten eine Sprachperle auf Lager, die ich für nette 600 Goldmünzen kaufen könnte. Glück gehabt! So gehe ich um einiges Wissen reicher erstmal zum Tymora Schrein und halte ein inniges Gebet an die Göttin und bitte sie, meinen kleinen Schatz vor bösen Einflüssen zu schützen. Mili ist doch noch so klein! Mili ist gar nicht erfreut, als ich ihr eröffne, dass sie noch eine weitere Nacht bei Tante Thalia im Tempel verbringen muss. Sie fängt an zu weinen. Ich tröste sie so gut ich kann und versuche ihr zu erklären, warum sie heute nicht nach Hause kann. Neben dem Schatten wären da noch gewisse Rylkar, die jederzeit auftauchen könnten. Ne, solange nicht wenigstens das Rylkar Problem vom Tisch ist, bleibt sie besser mal hier.
Im Brunnenhaus stellt sich heraus, dass die anderen mehr oder weniger erfolglos waren. Lia und Xana haben getrennt alle einschlägigen Läden der Stadt durchsucht und nur festgestellt, dass jeweils eine andere Frau ebenfalls danach sucht. Glücksbote Ryan hat sich etwas über Laduguer kundig gemacht. Die untoten Zwerge scheinen wohl nichts weiter als Zombies zu sein. Aufgrund dieser Informationen entwerfen wir einen Plan, wie wir am besten vorgehen und sprechen ab, welche Zauber da wohl am Nützlichsten sein werden. Lia erklärt sich bereit, die Perle für sechshundert Goldmünzen zu kaufen. Das ging ja recht flott. Zurück im Tymoraschrein singe ich meine immer noch eingeschnappte Miliandra in den Schlaf. Träum was Süßes!
Dann geht es zurück zum Adelsviertel und meiner Gilde. Ich lege die sechshundert Goldmünzen auf den Tisch und bekomme die Sprachperle. Dann eile ich wieder nach Hause. Meine Wohnung erscheint mir so leer ohne meine Tochter. Rylkar oder Schatten lassen sich wieder mal nicht blicken. Nun gut, auf die Rylkar kann ich verzichten, aber Herrn Fröhlich hätte ich mir doch zu gerne vorgeknöpft. So ein verdammter Schatten! Wenn ich den erwische, kann der vielleicht mal was erleben! Da hat er sich an das falsche kleine Mädchen herangemacht. In mir ist eine Wut, ich könnte platzen! Mit finsteren Gedanken bette ich mich schließlich zur Ruhe.
Spoiler (Anzeigen)Das nächste Update leider wieder erst am nächsten Mittwoch wieder, da ich die nächsten Tag verreise. Aber dafür gibt es heute gleich zwei Unterkapitel zum lesen.