19. Tarask Das Jahr der Visionen 731 TZ Chondathan
So wie es aussieht, hat Larna mobil gemacht und zwar gegen uns. Sie scheint Renya und uns als lästige Konkurrenten um den Schatz erkannt zu haben und scheint nun alles daran zu setzen, uns aus dem Weg zu räumen. Der von auswärts angeheuerte Assassine ist nur ein Teil ihres Komplotts. Sie sammelt eine Armee um sich herum, hat die Tieflinge auf ihrer Seite, den Tempel des Maske, hat Merl, den Geldverleiher, in der Tasche, aber Tharador könnte da vielleicht noch was deichseln, da Merl wohl immer noch sein Mann ist. Das wird ja immer besser. So langsam sehne ich mich auf den Hof meiner Familie zurück. Dort war es zwar total langweilig, aber hier wird es mir so langsam zu ungemütlich. Wer wagt, gewinnt! Aber manchmal kann zuviel Risikobereitschaft auch tödlich sein. Es gibt eine Grenze zwischen kalkuliertem Risiko und Wahnsinn und ich habe das Gefühl, dass wir schon sehr nahe dran sind, dem Wahnsinn ins Auge zu blicken. Nun gut, was können wir dagegen tun?
Noch ist nicht alles verloren, wir müssen Larna in einigen Punkten schwächen, dann könnte es klappen. Ein Teil ihrer Macht beruht auf den Tieflinge aus Westtor, die mit deren Botschafterin in die Stadt gekommen sind. Tieflinge sind Ausgeburten der Finsternis und nur in der Stadt geduldet, weil man es sich nicht so ohne weiteres mit Westtor verscherzen will. Aber wenn nun Beweise auftauchen würden, die die Botschafterin mit finsteren Verbrechen belasten, die sie sicherlich auch begangen hat, würde sie der Stadt verwiesen werden und damit die Tieflinge jeden Schutz verlieren. Und damit würden die sich auch zurück nach Westtor verziehen. Vor dem grünen Riff liegt die Blutstrotzer, das Schiff der Tieflinge, die mit Ritualgegenständen beladen ist. Gerüchten nach sind diese Tieflinge wahrlich finstere Piraten. Wenn wir das Schiff samt Besatzung auch aus dem Spiel nehmen könnten, wäre noch mehr gewonnen. Havard Repp könnte uns da helfen. Dann sollten wir den Assassinen loswerden. Und den Masketempel überzeugen, Larna nicht weiter zu unterstützen. Renya meint, ob ich dahin gute Kontakte habe.
„Ich? Warum denn? Meine Schutzgöttin ist Tymora!“ Ich zeige demonstrativ meinen Anhänger, küsse ihn, führe ihn an Stirn und Herz.
„Dein Einbruch ins Lagerhaus der Gemeinschaft der Fünf hat sich schon weit herumgesprochen. Ich dachte, sie hätten dich angesprochen, als du deinen Zehnt an der Schale abgegeben hast.“ Ich rutsche etwas nervös hin und her. Die Blicke der anderen brennen sich in mich. „Zehnt?“, frage ich gedehnt.
„Ja, den traditionellen zehnten Teil, den man eigentlich sofort an den Tempel abführen sollte.“ Davon höre ich heute zum ersten Mal. Da ich aber nicht wie eine komplette Idiotin vom Land vor Renya dastehen will, druckse ich etwas herum. Glücksbote Ryan merkt an, dass wohl nicht nur der Tempel von Maske auf seinen Anteil wartet. Ich werfe ihm einen vernichteten Blick zu. „Was ich so privat nebenher mache, geht selbst dich wohl nichts an!“ Damit ist das Thema erstmal vom Tisch.
Und wir müssen in die Kanalisation unter Larnas Lagerhaus und ihren sicherlich dorthin führenden Fluchtweg dicht machen. Wahrscheinlich werden wir noch beschattet, dieses Problem ist wohl als erstes zu erledigen. Und dann sollten wir die nächsten Angehörigen in Sicherheit bringen. Und für all das haben wir drei Tage Zeit. Verdammnis! Nun gut, worauf warten wir noch?
Wir gehen vom Brunnenhaus erstmal nach Norden und sehen uns dabei um, ob wir verfolgt werden. Schon bald stellt sich heraus, dass wir von einem Schwarm Tauben beschattet werden. Wir diskutieren darüber, ob so was möglich ist. In Vaters Geschichten gab es immer wieder Druiden, die Tiere kontrollieren konnten, haben Dolon und ich ja schon selbst gesehen. Von Taubenschwärmen hat Vater nie etwas erzählt, aber ich halte es nicht für unmöglich. Also fassen wir den Plan, dass wir die Tauben vor der Stadt töten, da die Schildwache etwas dagegen haben könnte, wenn wir sie hier auf offener Straße abschießen. Unterwegs sammle ich noch ein paar passende Steine auf. Draußen vor der Stadt im halbwegs freien Feld stellen wir uns auf eine Wiese und warten, bis die Tauben sich auf Ästen niedergelassen haben. Blitzschnell greifen wir zu unseren Waffen und schon fallen einige tot zu Boden, getroffen von Schleuderkugeln und einem Pfeil. Der Rest des Schwarms steigt auf und flattert herum. Nach einem halben Dutzend verschleuderten Steinen sehe ich ein, dass die kleinen Viecher zu schnell fliegen, um sie mit einer Schleuder aus dem Flug herunter zu holen. So wird das nichts.
Während Glücksbote Ryan die getöteten Tauben rupft und ausnimmt, sprechen wir verschiedene Möglichkeiten durch, die Tauben los zu werden. Aber letztendlich sind die Tauben nur ein Werkzeug, wir müssen denjenigen aufspüren, der sie steuert. Lia ruft einen Raben herbei, den sie zuerst auf die Tauben hetzt. Der Rabe zerfetzt eine Taube, die restlichen beginnen daraufhin einen koordinierten Angriff und schlagen den Raben in die Flucht. Nun, das war wohl nichts. Kämpfen ist nicht die Option des Tages. Aber der Rabe kann einige Tauben schließlich zu ihrer Herrin zurückverfolgen und das kluge Tier führt uns an diesem Haus vorbei, das nur wenige Straßen vom Brunnenhaus entfernt liegt. Wir müssen nur unbemerkt dort hinkommen.
Im Brunnenhaus fragen wir Renya, ob es hier einen Zugang zur Kanalisation gibt. Tut es in der Tat, aber dort ist es sehr gefährlich und in regelmäßigen Abständen sind dort Gitter angebracht, die mit zwergischen Meisterschlössern versehen sind. Mist! Nun gut, dann müssen wir zu einem Ort, wo wir uns Verkleidung organisieren können und wo die Tauben nicht hinkommen. Also auf zur Markthalle im Westen der Stadt. Dort ist einiges los, aber da hier nur Großhandel betrieben wird, können wir nicht so einfach tarnende Umhänge oder andere Kleidung kaufen. Jedenfalls nicht in der Größenordnung von fünf Stück, sondern eher in der von mehreren hundert Stück. Aber es gibt eine Garderobe, die von einem jungen Schildwächter bewacht wird. Mit Xana zusammen tüftle ich einen Plan aus, sie schlägt als Ablenkung vor, dass sie sich vom Wächter ihr Mieder neu binden lässt, das ich ihr einfach hinten mal aufmache, während ich dann die Garderobe um fünf Umhänge erleichtere.
Xana schlendert zu dem Wächter hin und bittet ihn, ihr das Mieder neu zu binden. Der arme Kerl kriegt eine rote Birne und stammelt etwas, tut aber der wirklich gutaussehenden Xanaphia den Gefallen. Derweil suche ich fünf passende Umhänge in aller Seelenruhe aus und laufe dann einfach weiter. Ging ja jetzt Dank Xanas guter Ablenkung recht einfach von statten. So ziehen wir uns um und verlassen in Abständen von sechzig Herzschlägen die Halle und bewegen uns zu dem Haus, wo die vermeintliche Druidin ihre Tauben steuert. Nach und nach treffen wir ein und ich öffne gekonnt das Schloss der Haustür. Schwupps und drin. Leise schleichen wir die steile Treppe nach oben. bis wir die Türe zur Dachterrasse erreichen. Wir beratschlagen kurz unser Vorgehen. Dolon wird sie niederringen und ich schlag sie mit meinem Totschläger KO. Der Rest hält uns die Tauben vom Hals. Einer der Priester spricht seinen Segen und es kann losgehen. Vorsichtig öffne ich das Schloss und danach die Türe. Ich höre das Gurren der Tauben und einen geflüsterten Fluch. Einen Herzschlag später stehe ich im Nebel. Das wird schwerer werden als gedacht. Attacke!